Kleine Anfrage des Abg. Yüksel (SPD) vom 28.09.2016 betreffend Fastenpraxis muslimischer Schülerinnen und Schüler während des Ramadan und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Es halten sich nicht nur muslimische Erwachsene, sondern zunehmend auch Minderjährige während des Ramadan an das islamische Fastengebot und verzichten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf jegliche Nahrungsaufnahme . In der Kleinen Anfrage 19/2453 wurde das Thema bereits aufgegriffen. Während des diesjährigen Ramadan im Juni 2016 häuften sich kritische Medienberichte über die Auswirkung des Fastens auf die schulischen Leistungen Minderjähriger. Berichtet wurde über eine zeitweise Verschlechterung des Schul- und Klassenklimas, bedingt durch die unterschiedliche Auffassungen und Meinungen der Schülerinnen und Schüler zum Thema Fasten, sowie der Umsetzung der Fastengebote. Besorgniserregend sind der Abfall der schulischen Leistungen, insbesondere bei Abschlussprüfungen, die dieses Jahr in die Ramadan-Zeit fielen, sowie ein zu beobachtender Anstieg besonders junger fastender minderjähriger Schülerinnen und Schüler . Vorbemerkung des Kultusministers: Zu dem Gesamtkomplex der Fragestellungen wird zunächst auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 19/2453 verwiesen, in der wesentliche Aspekte, die auch Gegenstand der vorliegenden Anfrage sind, bereits behandelt wurden. Inwieweit die vom Fragesteller angeführten kritischen Medienberichte das tatsächliche Gesamtgeschehen an Schulen reflektieren oder aber lediglich von Einzelfällen auf ein mutmaßliches Gesamtgeschehen geschlossen wird, muss offen bleiben, da die dem Kultusministerium vorliegenden Daten solche allgemein gültigen Schlüsse nicht zulassen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Fälle sind der Landesregierung aus dem Jahr 2016 bekannt, in denen Schülerinnen und Schüler fastenbedingt nicht am Schulunterricht teilnehmen konnten oder diesen nur teilweise absolvieren konnten? (Bitte aufschlüsseln nach Alter, Geschlecht, Schulform, Schuljahr, Schulamtsbezirk ) Hierzu liegen der Landesregierung keine hessenweit gesicherten Daten vor. Grund dafür ist, dass in den über 2.000 hessischen Schulen selbstständig durch die zuständige Aufsichtsperson entschieden wird, wie mit einem gesundheitlich relevanten Zustand einer Schülerin bzw. eines Schülers umgegangen wird. Frage 2. Welche Begleiterscheinungen wie etwa Schwäche oder Dehydrierung zeigten sich bei den fastenden Schülerinnen und Schülern? Es sind für den Fastenmonat Ramadan im Jahr 2016 Einzelfälle zu gesundheitlich relevanten oder anderen Vorfällen in hessischen Schulen bekannt, die auf die Fastenpraxis zurückzuführen sind. Diese sind meist eingeschränkte Leistungsfähigkeit, übermäßige Müdigkeit und geringe Konzentrationsfähigkeit. Bei Eintritt solcher Begleiterscheinungen wurden in der Schulpraxis zum Wohle des Kindes bzw. des Jugendlichen die religiöse Ausübung des Fastens individuell im Einvernehmen mit der Schulleitung und der betroffenen Schülerinnen und Schülern geregelt. Eingegangen am 11. November 2016 · Bearbeitet am 11. November 2016 · Ausgegeben am 16. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3824 11. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3824 Frage 3. Ist der Landesregierung die Problematik der Überschneidung von Abschlussprüfungen und Ramadan im Jahr 2016 bekannt und wie wird dieser Problematik begegnet? Die Problematik kann in der angesprochenen Form nicht gesehen werden. Sowohl die schriftlichen Abschlussprüfungen im Hauptschul- und Realschulbildungsgang als auch die schriftliche Abiturprüfung lagen im Jahr 2016 außerhalb des Fastenmonats Ramadan. Dieser war im Jahr 2016 in der Zeit vom 6. Juni bis 5. Juli. Die Termine für die schriftlichen Abschlussprüfungen im Hauptschul- und Realschulbildungsgang lagen in der Zeit vom 9. bis 13. Mai. Die schriftliche Abiturprüfung fand zwischen dem 10. und 24. März statt. Soweit mündliche Prüfungen im Ramadan lagen, hatte die jeweilige Schule vor Ort die Möglichkeit, bei der Aufstellung des schulischen Prüfungsplans auf die besondere Problematik einzelner Schülerinnen und Schüler Rücksicht zu nehmen. Frage 4. Welche Informationen über negative Auswirkungen auf die Prüfungsergebnisse und schulischen Leistungen fastender, muslimischer Schülerinnen und Schüler während des Ramadans liegen ihr vor? Dem Kultusministerium ist kein entsprechender Fall bekannt. Frage 5. Welche aktuellen Informationen hat die Landesregierung zur Entwicklung des, in der Antwort des Kultusministers auf die Kleine Anfrage 19/2453 dargestellten Anstiegs von Anfragen bezüglich der Befreiung muslimischer Schülerinnen und Schüler vom Schwimm- bzw. Sportunterricht während des diesjährigen Fastenmonats Ramadan im Sommer 2016? Es besteht für die über 2.000 hessischen Schulen kein zentrales Erfassungssystem für die Befreiung von Schülerinnen und Schülern vom Schwimm- bzw. Sportunterricht. In der Tat gibt es aber im Bereich der Sport- und Schwimmunterrichte Einzelfälle, bei denen im praktischen Schulalltag genauso wie in der Antwort zu Frage 2 verfahren wurde. Wesentlich ist, dass Gespräche mit muslimischen Eltern und Schülerinnen und Schülern, Informationen an muslimische Eltern und die Kommunikation in der Schulgemeinde auf Augenhöhe verlaufen, damit die gemeinsame Lösungsfindung zur Teilnahme am Schwimm- bzw. Sportunterricht der Schülerinnen und Schüler muslimischen Glaubens erleichtert wird. Frage 6. Zu welcher Einschätzung ist die Landesregierung im Laufe des vergangenen Jahres hinsichtlich der Auswirkungen des Fastens auf die aktive Teilnahme der Schülerinnen und Schüler am Schulunterricht gekommen? Die Einschätzung hat sich nicht geändert in dem vergangenen Jahr. Es wird weiterhin konstruktiv auf allen Verwaltungsebenen an dieser Thematik gearbeitet. Frage 7. Sind das Staatliche Schulamt in Frankfurt oder die Frankfurter Schulen, die sich bezüglich der Befreiung vom Schwimmunterricht gemeldet hatten, vor Beantwortung der Kleinen Anfrage 19/2453 eingebunden worden und wenn nein, warum nicht? Aufgrund der sehr geringen Anzahl der Hinweise bestand keine Notwendigkeit der Einbindung. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 5 verwiesen. Frage 8. Sind der Landesregierung im Jahr 2016 Fälle bekannt geworden, in denen minderjährige Schülerinnen oder Schüler durch ihr soziales Umfeld zum Fasten gedrängt worden sind? Von Seiten der Schulen oder der Staatlichen Schulämter sind keine Hinweise beim Kultusministerium eingegangen. Soweit vereinzelt Vorfälle vor Ort in der Schule bekannt geworden sein sollten, ist davon auszugehen, dass diese intern in der Schulgemeinde pädagogisch und fachorientiert geklärt wurden. Frage 9. Sieht die Landesregierung Möglichkeiten, in der Problematik temporären Leistungsabfalls im Ramadan Lösungen, gegebenenfalls zusammen mit den Religionsgemeinschaften zu entwickeln, um Leistungsschwankungen muslimischer Schülerinnen und Schüler entgegenzuwirken? Bei der Fastenpraxis im Zuge des Ramadan ist das grundgesetzlich geschützte Gut der Religionsfreiheit betroffen. Es gibt für die Schulen keine rechtlich zulässige Möglichkeit, zwangsweise auf die Fastenpraxis muslimischer Schülerinnen und Schüler einzuwirken. Daher können die Schulen nur Lösungen in konfliktgeladenen Einzelfällen erarbeiten. Darüber hinaus stehen die Vertreterinnen und Vertreter des Kultusministeriums in engem Kontakt und konstruktivem Austausch mit den islamischen Religionsgemeinschaften. Wiesbaden, 4. November 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz