Kleine Anfrage des Abg. Grüger (SPD) vom 04.10.2016 betreffend das Fach Informatik an Hessischen Schulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Bei Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der in Hessen ansässigen Unternehmen wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig Informatik-Kenntnisse heutzutage sind und beklagt, dass viele Bewerberinnen und Bewerber nur sehr geringe bis gar keine Kenntnisse in diesem Bereich haben. Doch während die Hessische Landesregierung auf der Seite den Anspruch formuliert, die in Hessen ansässigen Unternehmen für "Industrie 4.0" fit machen zu wollen, entsteht der Eindruck, dass das Fach Informatik an hessischen Schulen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Vorbemerkung des Kultusministers: Für die Bildung und Allgemeinbildung der heranwachsenden Generation sind solide Kenntnisse von Informations- und Kommunikationstechnologien von entscheidender Bedeutung. In einer hoch technisierten Welt ist die Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit Medien ein zentraler Bestandteil schulischer Bildungsprozesse und geht weit über Prozesse der Datenverarbeitung hinaus. Das Fach Informatik muss daher eingebettet sein in ein Gesamtkonzept der Medienbildung , welches diese Kompetenzen vermittelt. In diesem Sinne ist durch die Verankerung des Themas Medienkompetenz in den überfachlichen Kompetenzbeschreibungen der Kerncurricula für die Sekundarstufe I und II sichergestellt, dass Inhalte der Informatik über alle Fächer hinweg Eingang in den Unterricht der Schülerinnen und Schüler finden. Insbesondere trägt die Einbindung in eine umfassende Medienbildung der Vielschichtigkeit des Faches Informatik Rechnung und geht in ihrem Anspruch einher mit den derzeitigen pädagogischen, bildungswissenschaftlichen und -politischen Diskursen über das Potenzial der Digitalisierung an Schulen. Die Hessische Landesregierung wird diesem komplexen Anspruch gerecht, indem sie das Fortbildungsangebot für Lehrkräfte entsprechend breit und bedarfsgerecht aufstellt (von Angeboten zum Einsatz von mobilen Endgeräten/ Lernplattformen und Jugendmedienschutz bis zur Programmierung von Apps und Einsatz von Datenbanken), die Kooperation von staatlichen und kommunalen Akteuren verstärkt (beispielsweise durch die Partnerschaft zwischen Schulträgern und Schule@Zukunft) und damit die Vermittlung von Kompetenzen für die digitale Welt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreift. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche Bedeutung hat aus Sicht der Landesregierung das Fach Informatik sowohl für die berufliche Zukunft der Schülerinnen und Schüler wie auch für die Zukunft des Landes Hessen als Wirtschaftsstandort ? IT-Kenntnisse gehören heute zur Allgemeinbildung und sind eine Voraussetzung für zahlreiche Berufsfelder. Darüber hinaus haben digitale Medien zunehmend Einfluss in der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen, sodass der schulischen Medienbildung eine übergeordnete Bedeutung zukommt . Hessen orientiert sich diesbezüglich an dem entsprechenden Beschluss der KMK vom 8. März 2012 "Medienbildung in der Schule", in dem eine ganzheitliche, vernetzte Strategie zur nachhaltigen Förderung der Medienbildung in der Schule postuliert wird. Die Medienerziehung sowie die informations- und kommunikationstechnische Grundbildung (IKG) werden in Hessen dementsprechend den besonderen Bildungs- und Erziehungsaufgaben nach § 6 Abs. 4 HSchG zugerechnet und im Sinne einer integrierten Medienbildung fachübergreifend unterrichtet. Im Rahmen eines zu entwickelnden schulinternen Konzeptes gilt es, an den Schulen frühzeitig die Eingegangen am 15. November 2016 · Bearbeitet am 16. November 2016 · Ausgegeben am 18. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3857 15. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3857 Grundlagen zur Erlangung einer "computer literacy" für alle Schülerinnen und Schüler zu schaffen , indem die Chancen des lernförderlichen Einsatzes von digitalen Technologien pädagogisch sinnvoll in allen Unterrichtsfächern zu nutzen sind. Frage 2. Welche Rolle spielt das Fach Informatik an hessischen Schulen? Seit 1. August 2011 sind die hessischen Kerncurricula mit den Bildungsstandards und Inhaltsfeldern für die Sekundarstufe I verbindliche Grundlage für den Unterricht in der Sekundarstufe I. Auf dieser Grundlage haben die Schulen Fachcurricula entwickelt, die auch informatische Kompetenzanforderungen im Sinne der informations- und kommunikationstechnischen Grundbildung enthalten und integraler Bestandteil des Schulcurriculums sind. Zudem ist das Fach Informatik entsprechend der geltenden Stundentafeln in der Sekundarstufe I im Wahl- bzw. Wahlpflichtbereich verankert. In der gymnasialen Oberstufe kann das Fach Informatik zusätzlich belegt werden. Neben Kursen in der Einführungsphase bieten viele Schulen in der Qualifikationsphase Informatik als Grundkurs und z.T. auch als Leistungskurs an. Im Rahmen des zur Verfügung stehenden Kontingents insbesondere der fünf Kompensations-, Orientierungs- und Profilbildungsstunden können Schulen in der Einführungsphase unter Berücksichtigung der räumlichen, sächlichen und personellen Gegebenheiten über eine Profilbildung im Bereich Informatik selbst entscheiden. Sowohl in der Fachoberschule als auch im Beruflichen Gymnasium stehen den Schülerinnen und Schülern bereits Schwerpunkte im Bereich der Informatik zur Verfügung. Die Verankerungen in den berufsbezogenen Schulformen ist nachfolgend schulformbezogen dargestellt. Berufsschule: Teilbereiche der Informatik sind in den kompetenzorientierten und lernfeldbezogenen Curricula der KMK für die verschiedenen Ausbildungsberufe und Schwerpunkte enthalten, deshalb findet kein eigenständiger Informatikunterricht statt. Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im berufsorientierten Theorieund Praxisunterricht bearbeitet. Berufsfachschulen: zweijährige Berufsfachschule, die zum mittleren Abschluss führt: Es besteht die Möglichkeit, im Wahlunterricht Informatik anzubieten, was von einigen Schulen genutzt wird. Darüber hinaus werden Teilbereiche der Informatik berufs- und arbeitsbezogen im fachrichtungs- und schwerpunktbezogenen Unterricht bearbeitet. einjährige höhere Berufsfachschule, die auf dem mittleren Abschluss aufbaut: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen in den fachbezogenen Lernbereichen bearbeitet. zweijährige höhere Berufsfachschule, die auf dem mittleren Abschluss aufbaut (Assistentenberufe ): Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im fachrichtungsbezogenen Unterricht bearbeitet. Darüber hinaus ist in der Fachrichtung Informationsverarbeitung - Technik der fachrichtungsbezogene theoretische und praktische Unterricht dem Bereich der Informatik zuzuordnen. zweijährige höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im berufsbildenden Lernbereich bearbeitet. mehrjährige Berufsfachschule mit Berufsabschluss: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im berufsbildenden Lernbereich bearbeitet. Fachoberschule: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im berufsbildenden Lernbereich sowie in der fachpraktischen Ausbildung bearbeitet. Darüber hinaus ist in dem Schwerpunkt Informationstechnik der Fachrichtung Technik der schwerpunktbezogene Unterricht dem Bereich der Informatik zuzuordnen. Berufliches Gymnasium: Informatik kann im Beruflichen Gymnasium ebenso wie in der gymnasialen Oberstufe freiwillig angeboten werden; dies wird auch in einigen Schulen umgesetzt. Darüber hinaus ist in dem Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3857 3 Schwerpunkt Datenverarbeitungstechnik der Fachrichtung Technik der schwerpunktbezogene Unterricht dem Bereich der Informatik zuzuordnen. Fachschule für Sozialwesen: Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im berufsbezogenen Lernbereich bearbeitet. Fachschule (Technik, Wirtschaft, Gestaltung): Teilbereiche der Informatik werden berufs- und arbeitsbezogen im fachrichtungs- und schwerpunktbezogenen Unterricht bearbeitet. Zum jetzigen Zeitpunkt hält die Landesregierung die rechtlichen Rahmensetzungen für ausreichend , um allen hessischen Schülerinnen und Schülern informatische Grundkenntnisse und - kompetenzen zu vermitteln und darüber hinaus Schülerinnen und Schülern mit besonderen Interessen und Begabungen in diesem Bereich eine entsprechende Schwerpunktsetzung insbesondere in der gymnasialen Oberstufe zu ermöglichen. Die Landesregierung wird diese Frage auch zukünftig vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Informatik in der Gesellschaft regelmäßig prüfen und ggf. an die Bedürfnisse anpassen . Frage 3. In wie vielen Schulen wird das Fach Informatik in der Sekundarstufe I zurzeit nicht oder nur eingeschränkt angeboten? (Bitte die betroffenen Schulen nennen.) Eine statistische Auswertung über keine bzw. eingeschränkte Angebote im Kurs oder Fach Informatik ist nicht eindeutig möglich. In der Lehrer- und Schülerdatenbank (LUSD) werden nur die Angebote aufgeführt, die explizit mit der Bezeichnung Informatik versehen sind. Es ist davon auszugehen, dass es deutlich mehr Angebote unter anderen Titeln gibt, in denen sowohl die informations- und kommunikationstechnische Grundbildung gefördert als auch ein Einblick in das Fach Informatik mit Blick auf die Oberstufe gegeben wird. Insofern bietet die nachfolgend genannte Zahl nur eingeschränkt Auskunft. Demzufolge wird in der Sekundarstufe I in 272 von 467 öffentlichen Schulen sowie in 30 von 90 privaten Schulen das Fach Informatik im Wahlbzw . Wahlpflichtunterricht angeboten. Frage 4. In wie vielen Schulen wird das Fach Informatik in der Sekundarstufe II zurzeit nicht oder nur eingeschränkt angeboten? (Bitte die betroffenen Schulen nennen.) In der Sekundarstufe II gibt es in 84 von insgesamt 269 Schulen (216 öffentliche und 53 private) kein Angebot im Fach Informatik. Frage 5. Wird Schülerinnen und Schülern, die das Fach Informatik an ihrer Schule nicht oder im Verlauf der Schullaufbahn nicht mehr belegen können, die Möglichkeit garantiert, an eine Schule in der Nähe ihres Wohnortes zu wechseln, in der Informatik als Schulfach belegt werden kann? Gemäß § 77 Abs. 1 HSchG obliegt die Wahl des Bildungsganges nach dem Besuch der Grundschule den Eltern. Bestehen im Gebiet eines Schulträgers jedoch mehrere weiterführende Schulen desselben Bildungsganges, kann nach § 70 Abs. 1 HSchG die Aufnahme in eine bestimmte Schule nicht beansprucht und somit auch keine Garantie für einen Wechsel gegeben werden. Gemäß § 8 Abs. 5 der Oberstufen- und Abiturverordnung (OAVO) vom 20. Juli 2009 (ABl. S. 408), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2016 (ABl. S. 306), kann Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe gestattet werden, Unterricht, der an der eigenen Schule nicht angeboten wird, an einer benachbarten Schule zu besuchen, wenn die Unterrichtsorganisation eine Zusammenarbeit der Schulen zulässt. Die Entscheidung darüber treffen die beiden Schulleiterinnen oder Schulleiter. Wiesbaden, 8. November 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz