Kleine Anfrage des Abg. Eckert (SPD) vom 13.10.2016 betreffend Rechtsrahmen zum Lärmschutz bei Festen und Traditionsveranstaltungen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche Rechtsgrundlage und Erlasse regeln in Hessen aktuell den Lärmschutz bzw. die Verwaltungsaufgaben bei der Durchführung von Festen und Traditionsveranstaltungen, wie etwa Volksfeste , Kirmes-Veranstaltungen oder Konzerte etc.? Beurteilungsgrundlage für die Lärmimmissionen von Volksfesten, Kirmes-Veranstaltungen, Konzerten etc. sind das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI). Um Veranstaltungen wie beispielsweise die in Frage 3 genannte Camberger Kerb im innerstädtischen Raum auch zukünftig zu ermöglichen, wurde auf Initiative von Kommunen und Ländern die Richtlinie im Jahr 2015 neu gefasst. Das Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) hat die Freizeitlärmrichtlinie den für die Überwachung zuständigen Kreisausschüssen und Magistraten der kreisfreien Städte zur Anwendung empfohlen. Die drei kommunalen Spitzenverbände in Hessen, Hessischer Städtetag, Hessischer Landkreistag und Hessischer Städte- und Gemeindebund, wurden im Juni 2015 entsprechend informiert. Zusätzlich erfolgten entsprechende Pressemitteilungen. Ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshof Hessen vom 28.08.2015 - 9 B 1586/15 - bestätigte die Regelungen der Freizeitlärmrichtlinie. Frage 2. Wurden die Regelungen zum Lärmschutz bei Festen und Traditionsveranstaltungen in den vergangenen 3 Jahren verschärft oder wurden neue Erlasse dazu in Kraft gesetzt, falls ja wann und welche? Die Freizeitlärmrichtlinie von 2015 trägt dem geänderten Freizeitverhalten der Bevölkerung Rechnung und erkennt an, dass es bei Freizeitveranstaltungen mit hoher sozialer Adäquanz und Akzeptanz oder hoher Standortgebundenheit zu höheren Lärmimmissionen in der Nachbarschaft kommen kann. Die Freizeitlärmrichtlinie berücksichtigt aber auch zugleich die Interessen der Anwohner. Sie enthält Vorgaben für Auflagen, mit denen der Veranstalter die Belastung so gering wie möglich zu halten hat, z.B. durch die optimale Ausrichtung von Bühne und Beschallungstechnik . Neu ist die Regelung, dass die zuständigen Überwachungsbehörden auf Antrag der Betreiber eine Sonderfallprüfung vornehmen können, wenn es sich um eine seltene Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit und sozialer Adäquanz und Akzeptanz handelt. Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. In der Regel erfüllen Volksfeste wie die Camberger Kerb diese Kriterien. Im Rahmen der Sonderfallprüfung werden anschließend von der Überwachungsbehörde die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen geprüft. Folgende Kriterien sind dabei zu beachten: Eingegangen am 14. November 2016 · Bearbeitet am 15. November 2016 · Ausgegeben am 18. November 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3891 14. 11. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3891 Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern der Anwohner von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen. Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein. Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Geräuschspitzen vor den Fenstern der Anwohner von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts sollten vermieden werden. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung den Sachverhalt, dass die Durchführung der diesjährigen Bad Camberger Kerb vom 7. bis 10. Oktober 2016 in Folge von Beschwerden durch Anwohner mit dem Verweis auf eine angebliche Erlasslage des HMUKLV in der Durchführung zeitlich eingeschränkt worden ist? Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und der Erlasslage wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Aufgrund von Anwohnerbeschwerden über Lärmbelästigungen ausgehend vom Festgelände in der Nacht vom 5.10.2016 auf den 6.10.2016, hat der Kreisausschuss des Landkreises Limburg- Weilburg als zuständige Überwachungsbehörde den Camberger Kerbeverein über die gesetzlichen Regelungen informiert. Der Kerbeverein hat daraufhin am Tag des Beginns der Kerb (7.10.2016) per Mail einen Antrag auf Sonderfallprüfung beim Kreisausschuss gestellt. Der Kreisausschuss hat sehr kurzfristig den Antrag geprüft und eine entsprechende Genehmigung kurz vor der ersten Abendveranstaltung erteilt. Die darin festgelegten Zeiten entsprechen den vom Verein beantragten Zeiten und berücksichtigen die in der Antwort zu Frage 2 genannten Ausnahmekriterien. Ohne diese Genehmigung wären die geplanten abendlichen Veranstaltungen der Kerb nach 22 Uhr nicht durchführbar gewesen. Da die Überwachungsbehörde im Vorfeld weder vom Kerbeverein noch von der Stadt Bad Camberg in die Planungen für die Kerb einbezogen wurde, kam es zu den für viele Gäste überraschenden Beschränkungen der Veranstaltungen. Erfahrungsgemäß lassen sich bei einer frühzeitigen Beteiligung und der Information der Anwohner über den Ablauf und getroffene Schallschutzmaßnahmen Beschwerden vermeiden. Frage 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um Festen und Traditionsveranstaltungen etc. im hergebrachten und bis dato üblichen Rahmen durchführen zu können, ohne dass es zu Einschränkungen - wie im Fall Bad Camberg beschrieben - kommen muss? Befinden sich Wohnungen in der Nähe eines Veranstaltungsgeländes, sind Einschränkungen auch bei Anwendung der Sonderfallregelung nicht zu vermeiden. In diesen Fällen ist es erforderlich , frühzeitig ein Schallschutzkonzept in Zusammenarbeit mit der zuständigen Überwachungsbehörde zu erstellen. Zum Schallschutzkonzept gehören z.B. technisch/bauliche Maßnahmen wie die Ausrichtung der Bühne, aber auch Schallpegelmessungen und ein Beschwerdemanagement für die Zeit des Festes. Stellt sich heraus, dass die zulässigen Immissionswerte auch unter Berücksichtigung dieser Maßnahmen deutlich überschritten werden, kann eine Verlagerung des Veranstaltungsortes eine Alternative für den Veranstalter sein. Wiesbaden, 2. November 2016 Priska Hinz