Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 31.10.2016 betreffend Bildungsbericht und Schlussfolgerungen aus der Antwort auf die Kleine Anfrage 19/3693 und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie erklärt die Landesregierung die Fristüberschreitung bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage 19/3693 vor dem Hintergrund, dass zur Beantwortung der Anfrage fast ausschließlich mittels Copy-and-paste Passagen und Tabellen aus dem öffentlichen Bericht in der Antwort der Anfrage eingefügt oder angefügt wurden? Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage 19/3693 wurden mehrere Ministerien der Landesregierung um Prüfung gebeten, ob ihrerseits ein Fachbeitrag geleistet werden kann. Darüber hinaus wird jede parlamentarische Anfrage mit der gleichen Sorgfalt durch die zuständigen Fachabteilungen des Kultusministeriums inhaltlich geprüft. Entsprechende Antwortvorschläge werden mit der Hausleitung abgestimmt. Das Kulturministerium ist trotz der Vielzahl der Anfragen in besonderem Maße bemüht, eine gleichbleibende hohe fachliche Qualität der Antworten zu liefern . Wenn es dabei in wenigen Fällen zu Verzögerungen über die reguläre Bearbeitungszeit gemäß der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags kommt, ist dies dem zuvor erläuterten Prozess geschuldet. Mit Schreiben vom 16.09.2016 wurde dem Landtag vor Ablauf der regulären Bearbeitungszeit fristgerecht mitgeteilt, dass die Abstimmungsarbeiten mit den beteiligten Ressorts noch nicht vollständig abgeschlossen sind, und um Fristverlängerung gebeten. Sodann wurde innerhalb des vom Kultusministerium angegebenen längeren Bearbeitungszeitraums rechtzeitig geliefert. Frage 2. Liegt dem Hessischen Kultusministerium die von der Lehrkräfteakademie im Juni 2016 erstellte Zusammenfassung des Bildungsberichts vor und ist diese für den Landtag einsehbar? Das genannte Dokument liegt dem Hessischen Kultusministerium vor. Es handelt sich um ein internes Arbeitsdokument für das Ministerium, das nicht für eine Veröffentlichung bestimmt ist. Es wird daher dem Landtag nicht zur Verfügung gestellt. Frage 3. Trifft die Aussage "In Hessen gibt es eine vergleichsweise hohe Pluralität der Organisationsformen von Schulen mit verschiedenen Abschlussangeboten. In allen anderen Ländern sind weniger Organisationsformen vorhanden" zu? Satz eins ist zutreffend. Satz zwei ist insofern zutreffend, als er die Gesamtzahl der Organisationsformen in der Sekundarstufe I impliziert. Was die Anzahl der Organisationsformen mit mehreren Abschlussangeboten angeht, im Bildungsbericht als "Schularten mit mehreren Bildungsgängen " bezeichnet, ist Hessen dagegen nicht das Land mit den meisten Organisationsformen . Was die Vielfalt der Bildungsangebote angeht, hat der hessische Gesetzgeber, um die Prinzipien der Wahlfreiheit der Eltern und die Chancengleichheit zu gewährleisten, ein breites Bildungsangebot im Hessischen Schulgesetz festgeschrieben. Die regionale Ausgestaltung obliegt dabei den Schulträgern, die den Schulorganisationsprimat innehaben. Eingegangen am 14. Dezember 2016 · Bearbeitet am 15. Dezember 2016 · Ausgegeben am 19. Dezember 2016 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/3914 14. 12. 2016 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3914 Frage 4. Trifft die Aussage "In Hessen werden nur 1,3 % der Schülerinnen und Schüler inklusiv beschult, damit ist Hessen das Land mit der geringsten Inklusionsquote. Zudem konnten in den letzten beiden Jahren auch nur 0,1% Punkte zugelegt werden" zu? Wie bereits in der Kleinen Anfrage 19/3677 erläutert, stützt sich die Darstellung der Entwicklung der sonderpädagogischen Förderung im Bildungsbericht 2016 auf Statistische Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz und nimmt eine selbst errechnete Inklusionsquote in den Fokus. Hier erreicht Hessen für das Schuljahr 2014/2015 bei der Inklusionsquote lediglich 1,3%. Bei der sogenannten Inklusionsquote werden lediglich diejenigen Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Schulen berücksichtigt, bei denen ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung förmlich festgestellt wurde (im abgelaufenen Schuljahr 2015/2016 waren dies in Hessen 7.903 Schülerinnen und Schüler). Nicht in die sogenannte Inklusionsquote fließen diejenigen Schülerinnen und Schüler ein, bei denen durch sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren und die Fördermöglichkeiten der allgemeinen Schule auf die Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs verzichtet werden kann. Diese Schülerinnen und Schüler (im Schuljahr 2015/2016 waren dies in Hessen 30.168 Schülerinnen und Schüler), für die bewusst kein Feststellungsverfahren durchgeführt wurde, zählen bei der Berechnung der hessischen Inklusionsquote nicht mit, obwohl sie sehr wohl individuell gefördert werden. Die individuelle Förderung, die dazu führt, dass diese Schülerinnen und Schüler an der allgemeinen Schule bleiben können, ist eine herausragende Leistung der Lehrkräfte der Beratungsund Förderzentren und derjenigen der allgemeinen Schulen in Hessen. "Prävention vor Feststellung " ist seit Jahren eine mit großem Ressourceneinsatz unterstützte hessische Maxime. In vielen Bundesländern sind hohe Inklusionsquoten die Folge einer zunehmenden Etikettierung von Schülerinnen und Schülern mit all den Folgen, die dies für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und deren Familien mit sich bringen kann. Das Hessische Kultusministerium stellt dazu fest, dass dies nicht der Weg ist, den Hessen gehen möchte, nur um in einer Studie gut abzuschneiden . Deutliche Aussagekraft besitzen die KMK-Zahlen hingegen in Sachen der Förderquote, die darüber Auskunft gibt, bei wie vielen Schülerinnen und Schülern ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung festgestellt wurde. Hier liegen die veröffentlichten Quoten je nach Bundesland zwischen 5,6 % und 10,6 %. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 7,0 %, Hessen befindet sich mit 5,7 % auf einem sehr guten drittniedrigsten Platz (hinter Niedersachsen und Rheinland- Pfalz). Die gute Arbeit der hessischen Schulen in ihrem Bemühen, jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler nach ihren bzw. seinen individuellen Bedürfnissen zu beschulen, führt folglich dazu, dass Hessen über ein % besser als der Bundesdurchschnitt abschneidet. Förderquote (Feststellungsquote) Schuljahr 2014/2015 Mecklenburg Vorpommern 10,6% Sachsen-Anhalt 9,2% Sachsen 8,6% Hamburg 8,3% Saarland 8,3% Brandenburg 7,7% Berlin 7,5% Nordrhein-Westfalen 7,4% Baden-Württemberg 7,3% Thüringen 6,6% Bremen 6,5% Bayern 6,4% Schleswig-Holstein 6,2% Hessen 5,7% Niedersachsen 5,7% Rheinland-Pfalz 5,6% Ø Deutschland 7,0 % Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/3914 3 Frage 5. Trifft die Aussage "Mit einer Quote von nur 3,8 % der Schülerinnen und Schüler in gebundenen Ganztagsschulen markiert Hessen das Schlusslicht im Bundesländervergleich" zu? Für das Jahr 2014 trifft die zitierte Aussage zu. Für das laufende Schuljahr 2016/2017 beträgt der %satz von gebundenen Ganztagsschulen in Hessen (Profil 3) aktuell 5,62 %. Somit ist für Hessen eine Steigerung des Anteils von gebundenen Ganztagsschulen zu verzeichnen. Der Ausbau von Schulen mit Ganztagsangeboten (Profile 1 und 2) und Ganztagsschulen (Profil 3) erfolgt in Hessen schrittweise und nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Somit wird das Tempo des Ausbaus von den Schulen vorgegeben - im Rahmen der von Landesseite an die Schulträger zur Verfügung gestellten Ressourcen. Schuljährlich werden den Schulträgern bewährte und verlässliche Entwicklungskontingente für den Ausbau von Ganztagsschulen vom Land Hessen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurden für den Ausbau ganztägiger Angebote aufgrund eines Beschlusses des Hessischen Landtages vom 09.12.2015 zusätzliche Ressourcen in Höhe von 6 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Den Schulen boten sich somit erweiterte Möglichkeiten, bisher nicht zu realisierende Entwicklungsschritte umzusetzen. Als Resultat dieses Ganztagsausbaus zum Schuljahr 2016/2017 wurden 45 Schulen neu in Profil 1 oder 2 des Ganztagsprogramms des Landes aufgenommen. 65 weitere Schulen gingen in den Pakt für den Nachmittag. Darüber hinaus gab es 140 Erweiterungen und 37 Profilwechsel. Der Landesregierung ist es gelungen, allen Schulen, die sich in eine gebundene Ganztagsschule umwandeln wollten, diesen Wunsch zu erfüllen. Zum laufenden Schuljahr konnten somit insgesamt neun Schulen einen Wechsel in Profil 3 vollziehen, acht davon aus Mitteln des 6-Mio- Zusatzprogramms. Dazu gehören drei Grundschulen, zwei Integrierte Gesamtschulen, eine Kooperative Gesamtschule und drei Förderschulen. Auch zum Schuljahr 2017/2018 stehen den Schulen in Hessen die etablierten Entwicklungskontingente sowie voraussichtlich zusätzlich ein weiteres 6-Millionen-Programm des Hessischen Landtages zum Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote zur Verfügung. Frage 6. Entspricht es den Tatsachen, dass in Hessen die Nicht-Besuchsquote von Fortbildungen mit 40 % unter den Lehrkräften überdurchschnittlich hoch ist? Zur Begründung der Teilnahmequote an Fortbildungen in Hessen sind folgende Umstände zu berücksichtigen: Zum einen existieren in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen für die Fortbildung: So gibt es Konkretisierungen der Fortbildungsverpflichtung in Bayern oder Bremen, die in dieser Weise in Hessen nicht definiert sind. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass in den neuen Bundesländern die Tradition einer stärkeren Verpflichtung zur Fortbildung verankert ist. Zum dritten ist in Hessen das Angebot für die Fortbildung der Lehrkräfte am Bedarf orientiert, weshalb die Teilnahmezahlen von Jahr zu Jahr schwanken und die inhaltlichen Schwerpunkte sich verschieben können. Beispielhaft ist dies an den Teilnahmen für das Fach Deutsch als Fremd-/Zweitsprache abzulesen: Im Jahr 2014 gab es 20.299 Lehrkräfte mit der Unterrichtserlaubnis für das Fach Deutsch; demgegenüber besaßen 240 Lehrkräfte eine Unterrichtserlaubnis für das Fach Deutsch als Fremd-/Zweitsprache. In den drei Schuljahren 2012/2013 bis 2014/2015 gab es durchschnittlich 1.800 Teilnahmen an Fortbildungsveranstaltungen für das Fach Deutsch als Fremd-/Zweitsprache. Im Schuljahr 2015/2016 verdreifachte sich diese Zahl auf rund 5.600. Diese Entwicklung zeigt, dass viele Deutschlehrkräfte auf die virulente Aufgabe der Integration von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache reagiert haben und die Fortbildungsaktivitäten für das Fach Deutsch vorübergehend zurückgestellt wurden. Insgesamt wurden für das Jahr 2014 98.869 Teilnahmen von hessischen Lehrkräften (davon 9.137 Schulleiterinnen und Schulleitern oder Stellvertreterinnen und Stellvertreter) an 7.445 durchgeführten Veranstaltungen gemeldet. Dies ergibt durchschnittlich 1,6 Fortbildungsteilnahmen je hessischer Lehrkraft. Bei der im Bildungsbericht genannten Quote handelt es sich um eine vorläufige Auswertung von Daten des IQB-Bildungstrends 2015 nur für das Fach Deutsch. Ausweislich der im IQB- Bildungstrend 2015 veröffentlichten endgültigen Zahlen lag die mittlere Quote der Nichtteilnahme von Deutsch- und Englisch-Lehrkräften in Hessen in den Schuljahren 2013/14 und 2014/15 bei 26,7% und damit nur geringfügig über dem Durchschnitt der Länder von 22,8%. Wiesbaden, 26. November 2016 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz