Kleine Anfrage der Abg. Roth und Frankenberger (SPD) vom 23.11.2016 betreffend Gefährdung von Blinden und Sehbehinderten durch Elektroautos und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Elektroautos sind i.d.R. bei niedrigen Geschwindigkeiten von unter 50 km/h akustisch nicht wahrnehmbar, weil die Reifenabrollgeräusche bei diesen Geschwindigkeiten so leise sind, dass sie akustisch nicht erfasst werden können. Da der Elektroantrieb ebenfalls keine Geräusche abstrahlt, sind Elektroautos in Wohngebieten für Fußgänger nicht hörbar. Deswegen hätte ein Blinder oder hochgradig sehbehinderter Mensch selbst nach absolvierter Mobilitätsausbildung kaum noch eine Möglichkeit, die Straße selbständig zu überqueren. Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hat sich die Anzahl der in Hessen zugelassenen Elektroautos seit 2011 entwickelt? (bitte nach Jahren aufschlüsseln) Das Elektromobilitätsgesetz (EmoG) fasst unter den Begriff des Elektroautos Fahrzeuge mit folgenden Antriebsarten zusammen: ein reines Batterieelektrofahrzeug, ein von außen aufladbares Hybridelektrofahrzeug (Plug-in-Hybridfahrzeug), ein Brennstoffzellenfahrzeug. Da die Plug-in-Hybridfahrzeuge zu den "Elektrofahrzeugen" nach EmoG gezählt werden, die Hybridfahrzeuge, die nicht von außen aufladbar sind, aber nicht, müssten die Plug-in- Hybridfahrzeuge zu den Elektroautos hinzugezählt werden. In den Statistiken, die das Kraftfahrtbundesamt (KBA) über den Fahrzeugbestand nach ausgewählten Kraftstoffarten führt, wird aber nicht zwischen Plug-in-Hybridfahrzeugen und Hybridfahrzeugen unterschieden. Insofern sind in der folgenden Tabelle in der Spalte Hybrid auch Plug-in-Hybridfahrzeuge enthalten, deren genaue Zahl aber nicht ausgewiesen wird. Gemäß den Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) über den "Bestand an Pkw am 1. Januar nach ausgewählten Kraftstoffarten" waren jeweils zum 1.1. des Jahres die folgenden Elektroautos in Hessen zugelassen: Jahr Elektroauto Hybridfahrzeuge 2011 208 3.308 2012 412 4.330 2013 598 5.959 2014 902 7.782 2015 1.426 9.634 2016 1.966 11.708 Eingegangen am 4. Januar 2017 · Bearbeitet am 6. Januar 2017 · Ausgegeben am 11. Januar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4124 04. 01. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4124 Frage 2. Wie beurteilt die Landesregierung die zukünftige Entwicklung bei der Zulassung von Elektroautos ? Die Zulassungszahlen von Elektroautos werden zukünftig weiter ansteigen, da das Angebot dieser Fahrzeuge, insbesondere von Plug-in-Hybridfahrzeugen, zunimmt und attraktiver werden wird. Frage 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Gefährdung von Blinden und Sehbehinderten durch Elektroautos ? Frage 4. Wie will die Landesregierung gegen die schlechte Hörbarkeit von Elektroautos und damit gegen die Gefährdung von Blinden und Sehbehinderten vorgehen? Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, Elektrofahrzeuge mit dem Acoustic Vehicle Alerting System (AVAS), welches künstlich erzeugte Geräusche abstrahlt, auszustatten und eine Aktivierung verpflichtend zu machen? Die Fragen 3 bis 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Elektrofahrzeuge verursachen - gerade bei Geschwindigkeiten unter 30 km/h - keine bis äußert geringe Lärmemissionen. Die Verringerung der Lärmemissionen durch eine steigende Zahl an Elektroautos ist ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und Lebensqualität der Menschen in Städten. Diese geringe Lärmemission - gerade bei geringen Geschwindigkeiten - kann allerdings für blinde und sehbehinderte Menschen ein erhöhtes Risiko darstellen. Die Verordnung Nr. 540/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen und von Austauschschalldämpferanlagen sowie zur Änderung der Richtlinie 2007/46/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 70/157/EWG (ABl. L 158 vom 27. Mai 2014, S. 131-195), die am 16. Juni 2014 in Kraft getreten ist und damit europaweit gilt, trägt dem Rechnung. In Artikel 8 dieser Verordnung und in der Anlage VIII sind die Regelungen für eine EU-Typgenehmigung für Elektrofahrzeuge festgehalten . Artikel 8 sieht vor, dass die Fahrzeughersteller bis spätestens 1. Juli 2019 in allen neuen Typen von Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen ein "Acoustic Vehicle Alerting System" (AVAS) einbauen müssen, das die Anforderungen des Anhangs VIII erfüllt. Bis spätestens 1. Juli 2021 haben die Hersteller in allen neuen Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen ein AVAS einzubauen. Sollten bereits vor diesen Terminen AVAS eingebaut werden, sind auch die Anforderungen des Anhangs VIII einzuhalten. Anhang VIII beinhaltet die konkrete Definition an das Schallzeichen. Es muss z.B. zwischen Stillstand des Fahrzeugs und einer Geschwindigkeit von 20 km/h und beim Rückwärtsfahren ausgesandt werden. Mit diesen europaweit geltenden Vorgaben an die Fahrzeughersteller ist nach Ansicht der Landesregierung dem Anliegen der blinden und sehbehinderten Menschen zum Schutz vor einer möglichen Gefährdung durch Elektroautos Rechnung getragen worden. Wiesbaden, 18. Dezember 2016 Tarek Al-Wazir