Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 06.12.2016 betreffend Unfallgefahr und regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen auf den Autobahnabschnitten mit Wechselanlage und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Berichte von mehreren Vielfahrern, die die Autobahnen rund um Frankfurt seit vielen Jahren täglich nutzen, ergeben, dass dort kaum Kontrollen der Geschwindigkeit stattfinden. Insbesondere während den Zeiten, in denen die Standstreifen genutzt werden dürfen und die Wechselanzeigen eingeschaltet sind, finden dort kaum Geschwindigkeitsmessungen statt. Dies ist bei den Verkehrsteilnehmern weitgehend bekannt, so dass mit einer Vielzahl der Fahrzeuge ständig größere Geschwindigkeitsübertretungen stattfinden. Da die Nutzung des Standstreifens auf diesen Autobahnteilstücken an die Reduzierung der Geschwindigkeit gebunden wurde, besteht auch eine erhöhte Unfallgefahr. Beobachtungen z.B. im Großraum München oder im Bereich Stuttgart/Ulm, wo praktisch immer mehrere Messanlagen an wechselnden Positionen in Betrieb sind, ergeben, dass dort sowohl lokale wie auch fremde Autofahrer wesentlich disziplinierter mit dem Tempolimit umgehen. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Der Begriff Rhein-Main-Gebiet wird im Sinne von § 2 des Gesetzes über die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main verstanden. Danach ist der Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main das Gebiet der kreisfreien Städte Frankfurt am Main und Offenbach am Main; der Städte und Gemeinden in den Landkreisen Hochtaunuskreis, Main-Taunus-Kreis und Offenbach; der Städte Bruchköbel , Hanau, Langenselbold, Maintal, Nidderau und Gemeinden Erlensee, Großkrotzenburg, Hammersbach, Neuberg, Niederdorfelden, Rodenbach, Ronneburg, Schöneck im Main-Kinzig- Kreis; der Städte Bad Nauheim, Bad Vilbel, Butzbach, Florstadt, Friedberg (Hessen), Karben, Münzenberg, Niddatal, Reichelsheim (Wetterau), Rosbach v.d.Höhe und Gemeinden Ober- Mörlen, Rockenberg, Wölfersheim, Wöllstadt im Wetteraukreis sowie der Städte Groß-Gerau, Kelsterbach, Mörfelden-Walldorf, Raunheim, Rüsselsheim und den Gemeinden Bischofsheim, Ginsheim-Gustavsburg, Nauheim im Landkreis Groß-Gerau. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie schätzt die Landesregierung die Unfallgefahr auf den hessischen Autobahnen ein? Da Autobahnen ein hohes Verkehrsaufkommen zu bewältigen haben und hohe Geschwindigkeiten ermöglichen, sind diese bundesweit so zu planen und zu bauen, dass sie besonders verkehrssicher sind. Der Begriff der "Unfallgefahr" ist ein relativ abstrakter Begriff, welcher sich letztlich im realen Unfallgeschehen widerspiegelt. Dieses Unfallgeschehen auf Autobahnen wird in Hessen durch die Unfallrate, also die Unfälle pro 1 Mio. Kfz-Kilometer ausgedrückt. Trotz des gestiegenen Verkehrsaufkommens auf den hessischen Autobahnen ist die durchschnittliche Unfallrate in den letzten zwanzig Jahren konstant geblieben. Frage 2. Ist nach Einschätzung der Landesregierung die Unfallgefahr auf den Autobahnen im Rhein-Main- Gebiet höher als auf den übrigen hessischen Autobahnen? Frage 6. Ist die Zahl der Verkehrsunfälle auf den Autobahnabschnitten in Hessen die mit Wechselanzeigen versehen sind höher als auf den anderen Autobahnabschnitten? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 6 zusammen beantwortet. Eingegangen am 24. Januar 2017 · Bearbeitet am 25. Januar 2017 · Ausgegeben am 30. Januar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4281 24. 01. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4281 Das Rhein-Main-Gebiet weist einen hohen Ausstattungsgrad an Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) im Autobahnnetz auf. Die SBA werden vom Bund für Abschnitte genehmigt, die Kapazitätsengpässe und eine damit verbundene besondere Unfallgefahr aufweisen. Durch den Betrieb von SBA wird eine Homogenisierung des Verkehrsflusses erreicht und in Ergänzung der bedarfsgesteuerten Anzeige von Gefahrzeichen (z.B. Stau oder Schleuder-/Rutschgefahr) die Sicherheit erhöht. Bei Bedarf kann die Kapazität durch temporäre Freigabe der Seitenstreifen erweitert und damit die Unfallgefahr infolge von Staubildung reduziert werden. Ein Vergleich der Unfallraten zwischen Abschnitten mit SBA und ohne SBA, wie auch der Unfallgefahr auf den Autobahnen im Rhein-Main-Gebiet mit den übrigen hessischen Autobahnen, ist nicht zielführend. Aufgrund der höchst unterschiedlichen Randbedingungen, wie z.B. die Verkehrsbelastung oder die Anschlussstellendichte, sind keine vergleichbaren Abschnitte in Hessen vorhanden. Es ist allgemein wissenschaftlich anerkannt, dass der Betrieb von SBA schwere Unfälle verhindert . Bagatellunfälle, z.B. im Bereich von Verflechtungsfahrstreifen, werden durch SBA nur unwesentlich beeinflusst. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) hat die Unfälle mit und ohne SBA untersucht. Danach gehen die Nebelunfälle um 80 % zurück, die Unfälle mit schwerwiegendem Sachschaden um 15 % (FGSV, Hinweise zur Wirksamkeitsschätzung und Wirksamkeitsberechnung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen, Ausgabe 2007). Frage 3. Wie viele schwere Verkehrsunfälle ereigneten sich in den letzten fünf Jahren auf den hessischen Autobahnen? Wie viele ereigneten sich davon auf den Autobahnen im Rhein-Main-Gebiet? Bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln. Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Unfälle BAB 445 450 441 473 406 Unfälle Rhein-Main-Gebiet 169 166 166 165 152 Qualitätsgesicherte Zahlen aus dem Jahre 2016 sind voraussichtlich erst ab März 2017 verfügbar . Frage 4. Wie viele Tote und Schwerverletzte waren in den letzten fünf Jahren auf den Autobahnen im Rhein-Main-Gebiet zu verzeichnen? Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Getötete 15 11 13 10 11 Schwerverletzte 215 214 198 197 189 Qualitätsgesicherte Zahlen aus dem Jahre 2016 sind voraussichtlich erst ab März 2017 verfügbar . Frage 5. Wie viele dieser schweren Verkehrsunfälle waren auf Geschwindigkeitsübertretungen zurück zu führen? Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 schwere Unfälle Rhein-Main-Gebiet 169 166 166 165 152 davon aufgrund von Geschwindigkeitsübertretungen festgestellte Verkehrsunfälle 2 2 0 0 1 Qualitätsgesicherte Zahlen aus dem Jahre 2016 sind voraussichtlich erst ab März 2017 verfügbar . Frage 7. Werden auf den Autobahnabschnitten in Hessen die mit Wechselanzeige versehen sind regelmäßig Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Die Grundlage für die Geschwindigkeitsüberwachung bilden die Auswertung des örtlichen Verkehrsunfalllagebildes und die Erkenntnisse über sonstige Gefahrenstellen im Straßenverkehr. Soweit mit Wechselverkehrszeichenanlagen versehene Autobahnabschnitte in Hessen einen Unfallschwerpunkt oder eine sonstige Gefahrenstellen darstellen, werden diese mit regelmäßigen Geschwindigkeitskontrollen bedacht. Grundsätzliche Geschwindigkeitskontrollen wegen des Vorhandenseins von Wechselverkehrszeichenanlagen werden nicht vorgenommen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4281 3 Frage 8. Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um die Unfallgefahr auf den besonders gefährdeten Autobahnabschnitten im Rhein-Main-Gebiet zu verringern? Das Gremium für die kontinuierliche Verkehrssicherheitsarbeit auf Autobahnen ist die seit 1963 bestehende Autobahnkommission. Diese tagt zweimal jährlich und setzt sich u.a. aus Vertreter /innen der Straßenverkehrsbehörde, der Straßenbaubehörde und der Autobahnpolizei zusammen . Durch die Autobahnkommission werden unfallauffällige Bereiche identifiziert, detailliert untersucht und verkehrssichernde Maßnahmen straßenbaulicher, verkehrstechnischer, verkehrsrechtlicher oder polizeilicher Natur bei Bedarf beschlossen und umgesetzt. Um die Wirkung der verkehrssichernden Maßnahmen zu überprüfen, werden regelmäßige Wirksamkeitsuntersuchungen (Vorher-Nachher-Analysen) durchgeführt. Daneben sieht die Sicherheitsstrategie des Landes Hessen "Verkehrssicher in Hessen" als strategischen Schwerpunkt der Verkehrssicherheitsarbeit für die hessische Polizei für die Jahre 2016- 2018 die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen auch auf den Autobahnen vor. Mit lageangepassten Geschwindigkeitskontrollen wird der Unfallursache Nr. 1 "überhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit" weiterhin entgegengetreten. Der Tatsache, dass Fahrzeugführer immer öfter den Verkehrsabläufen nicht die gebotenen Aufmerksamkeit zukommen lassen, also abgelenkt sind und hierdurch Unfälle verursachen, wird die Hessische Polizei mit geeigneten Präventionskampagnen, aber auch mit gezielten Kontrollen begegnen. Die Bundesautobahnen in Hessen und auch die Bundesautobahnen im Rhein- Main-Gebiet finden hierbei ebenso Berücksichtigung. Insbesondere auf den Bundesautobahnen wird nicht zuletzt ein weiterer Schwerpunkt die Kontrolle des gebotenen Abstands sein. Wiesbaden, 14. Januar 2017 Peter Beuth