Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 06.12.2016 betreffend Klimaschutz in Hessen - Energieeffizienz kommunaler Klärwerke und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerin: 2010 antwortete die damalige Umweltministerin Silke Lautenschläger auf eine Kleine Anfrage zu Energieverbrauch und Kosten für eine energetische Sanierung von Klärwerken in Hessen: "Von den 725 kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von 10.290.000 EW wurde für eine Auswertung der Energieverbrauch von 685 Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von 10.117.850 EW herangezogen. Für diese 685 Anlagen ergibt sich ein Energiebedarf von rund 348.339.200 kWh/a" (Drs. 18/2350, Antw. Frage Nr. 1) Die Landesregierung stellte damals weiterhin fest, dass "vermutlich erhebliche Einsparpotenziale vorhanden sind", konnte aber mit Verweis auf die "Arbeitshilfe Verbesserung der Energieeffizienz von Abwasserbehandlungsanlagen (…)" - die damals in Planung war, keine genaueren Angaben machen (Drs. 18/2350, Antw. Frage Nr. 6) Was hat sich in den gut 5 Jahren dieser Anfrage getan? Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie hoch ist der Energieverbrauch der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Hessen aktuell ? Für die Beantwortung der Frage wurden Daten von 681 Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbaugröße von 10.308.278 EW herangezogen. Für diese 681 Anlagen ergibt sich ein Energiebedarf für das Jahr 2015 von 303.870.521 kWh/a und damit ein signifikant geringerer Bedarf als im Jahre 2010. a) Wie verteilt sich der Energiebedarf auf einzelne Energieträger? Der Energieverbrauch verteilt sich auf die einzelnen Energieträger wie folgt: Anzahl Anlagen Stromverbrauch 2015 [kWh/a] davon Eigenstromerzeugung 2015 [kWh/a] Heizölverbrauch 2015 [kWh/a] Gasverbrauch 2015 [kWh/a] 681 280.718.325 75.968.848 8.212.920 14.939.276 Der Verbrauch von Gas und Heizöl in m3 wurden auf einen in der Literatur angegebenen Brennwert umgerechnet. b) Wie hoch ist der Stromverbrauch der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen im Verhältnis zum gesamten kommunalen Stromverbrauch? Informationen zum Energieverbrauch der öffentlichen Infrastruktur der Gemeinden werden seitens des Landes Hessen nicht zentral erfasst. c) Wie groß ist der spezifische Energieverbrauch [kWh/EW/a] der kommunalen Klärwerke? Antwort bitte zu den Antworten aus 2010 (Drs. 18/2350) vergleichbaren Größenklassen. Der Energieverbrauch einer Abwasserbehandlungsanlage ist in Abhängigkeit von deren Größe und der eingesetzten Technologie unterschiedlich. Für die als Anlage 1 beigefügte Auswertung Eingegangen am 4. April 2017 · Ausgegeben am 7. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4286 04. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4286 werden die Angaben daher bezogen auf die einzelnen Größenklassen der Anlagen gemacht. Die Belastungen der Kläranlagen (Schmutzfracht) wurden über die Bezugsgröße 60 g Biochemischer Sauerstoffbedarf5 (BSB5) pro Einwohner und Tag ermittelt. Frage 2. Wie viele der hessischen Abwasserbehandlungsanlagen sind seit 2005 energetisch saniert worden bzw. befinden sich auf einem modernen energetischen Niveau? Die Eigenkontrollberichte enthalten keine Informationen, an welchen Kläranlagen energetische Sanierungen vorgenommen wurden. Der Vergleich des spez. Energieverbrauches der Kläranlagen zeigt eine deutliche Abnahme im Jahre 2015 bei Kläranlagen der Größenklasse 4 und 5 im Vergleich zur Drs. 18/2350. Ob diese Abnahme auf durchgeführte energetische Sanierungen zurückzuführen ist, kann nur durch Nachfrage bei jeder Kläranlage beantwortet werden. Größenklassen der Kläranlagen (GK) EW spez. Energieverbrauch Mittelwerte gemäß Drs. 18/2350 [kWh/EW*a] spez. Energieverbrauch Mittelwerte 2015 [kWh/EW*a] GK 1 < 1.000 70,4 68,1 GK 2 1.000 - 5.000 48,8 48,0 GK 3 5.001 - 10.000 47,8 43,6 GK 4 10.001-100.000 45,0 38,0 GK 5 > 100.000 44,1 33,7 Frage 3. Welche Maßnahmen zur Förderung der energetischen Sanierung von kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen hat das Land Hessen seit 2010 durchgeführt? Grundlagen für energetische Sanierungen sind zunächst Energieeffizienzanalysen, aus denen sich Möglichkeiten und Erfordernisse von Sanierungen ergeben. Um den Gemeinden Anreize für die Beauftragung solcher Analysen zu geben, wurden derartige Energieanalysen vom Land Hessen in den vergangenen Jahren gefördert. Hierzu wurde die "Verwaltungsvorschrift (VV) für die Förderung der Erstellung von Energieanalysen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Abwasserbehandlungsanlagen" erlassen und am 26. September 2011 im Staatsanzeiger veröffentlicht. Dabei wurden die tatsächlichen Kosten bis 35.000 € mit 75 % unterstützt. Eine Förderung von Energieanalysen war zuvor in Hessen nicht möglich gewesen. Insgesamt wurde das Förderprogramm seit seiner Einführung im Oktober 2011 von den Kommunen gut angenommen. Bis Ende des Jahres 2014 wurden mit 149 Bescheiden Zuwendungen von 1.939.478 € für 176 Kläranlagen bewilligt, womit die zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausgeschöpft wurden. Das Programm lief nach einmaliger Verlängerung zum 31. Dezember 2015 aus. Derzeit können nach der "Richtlinie des Landes Hessen zur Förderung von kommunalen Klimaschutz - und Klimaanpassungsprojekten sowie von kommunalen Informationsinitiativen", veröffentlicht im Staatsanzeiger des Landes Hessen Nr. 51/2015, S. 1335, auch Klimaschutzprojekte auf Abwasseranlagen gefördert werden. Voraussetzungen für eine Förderung von Klimaschutzprojekten sind das Ergebnis einer Energieeffizienzanalyse einer kommunalen Abwasserreinigungsanlage nach der Verwaltungsvorschrift für die Förderung der Erstellung von Energieanalysen, wenn sie längerfristig angelegt sind und nicht zu den in der Energieeffizienzanalyse empfohlenen und nach der Verwaltungsvorschrift durchzuführenden Sofortmaßnahmen gehören. Die Zuwendung wird als Projektförderung im Wege der Anteilfinanzierung als nicht rückzahlbarer Zuschuss von in der Regel 50 % der zuwendungsfähigen Ausgaben gewährt. Das Programm ist erst angelaufen und zu Kläranlagen liegen noch keine Ergebnisse vor. Außerdem wurden auf der Grundlage des § 6 Hessisches Energiegesetz (HEG), i.V.m. der Richtlinie des Landes Hessen zur energetischen Förderung im Rahmen des HEG in den Jahren 2010 bis 2015 insgesamt fünf Förderprojekte zur Steigerung der Energieeffizienz in Kläranlagen finanziell gefördert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4286 3 a) Wie hoch waren die Investitionskosten für energetische Sanierung aus Landesmitteln (Angaben jährlicher Investitionen seit 2010)? Der Begriff "energetische Sanierung" trifft bei den oben genannten Projekten nicht die Sachlage . Die Markteinführungs- und Demonstrationsprojekte sollten gänzlich neue effiziente Technologien im Bereich der Kläranlagen im Betrieb erproben und helfen, die Marktfähigkeit schneller zu erreichen. Für diese innovativen Technologien wurden insgesamt 712.250,00 € aus den Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE-Mittel) in Form von Fördergeldern aufgewendet (somit keine Landesmittel). Weitere energetische Sanierungen wurden aus Landesmitteln nicht gefördert. b) Wie hoch waren die Investitionskosten für energetische Sanierungen insgesamt (Angaben jährlicher Investitionen seit 2010)? Die gesamten Investitionskosten für energetische Sanierungen lassen sich nicht näher bestimmen , da viele Sanierungsmaßnahmen freiwillig oder aus betrieblichen Gründen erfolgten und nicht angezeigt werden. Viele betriebsbedingte Sanierungsmaßnahmen wirken sich energiesparend aus, ohne dass sich die Kosten eindeutig der Energieeinsparung zuordnen lassen. Es lassen sich insofern nur die Kosten für geförderte Maßnahmen bestimmen. Auf der Grundlage des § 6 HEG wurden folgende Summen als Fördergelder für die oben erwähnten fünf Markteinführungs - und Demonstrationsprojekte verwendet (Bezug ist das Jahr der Zustellung des Zuwendungsbescheides ): 2010: 361.900,00 €, 2011: 247.500,00 €, 2012: 102.850,00 €. c) Wie viele Kilowattstunden, bzw. wie viele Tonnen CO2 konnten durch diese Sanierungsmaßnahmen seit 2010 eingespart werden? Keine der nach § 6 HEG geförderten Anlagen war bereits 2010 im Betrieb. Hierzu wird auf die als Anlage 2 beigefügte Tabelle verwiesen. Es wurden durch die Realisierung der fünf Projekte in den Jahren 2012 bis 2015 in der Summe 1.759.000 kWh eingespart bzw. klimafreundlich produziert, was einer Reduktion des CO2– Ausstoßes im Zeitraum 2010 bis 2015 von 985 t entspricht. Weitere nicht näher quantifizierbare Effekte sind durch die gewonnene Transparenz der Energieeinsparpotenziale durch die vom Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderten Energieanalysen in den Kläranlagen und die hierdurch ausgelösten freiwilligen Investitionen und verpflichtenden Sofortmaßnahmen in wirtschaftliche Energieeinspartechnologien zu erwarten. Frage 4. "Es wird geschätzt, dass durch Energiesparmaßnahmen und Optimierung des Betriebes bis zu 25 Prozent des gesamten Stromverbrauchs von Kläranlagen eingespart werden können", ist Ende 2016 auf der Homepage des Umweltministeriums zu lesen (https://Umweltministerium.hessen .de/umweIt-natur/wasser/gewaessschutz/energieeffizienzvon-abwasserbehandlungsanlagen (05. 12.2016). Wie viele Kilowattstunden Strom bzw. wie viele Tonnen C02 ließen sich jährlich einsparen , wenn alle hessischen Abwasserbehandlungsanlagen auf einem modernen energetischen Niveau wären? Eine Auswertung von hessenweit 65 eingereichten Energieeffizienzanalysen ergab eine durchschnittlich berechnete Energieeinsparung von 20,2 %. Bei dem für 2015 berechneten Verbrauch von 303.870.521 kWh/a entspräche eine Einsparung von 20,2 % 60.774.104 kWh/a, was ca. 34.000 t Kohlendioxid bedeuten würde. Dies ist allerdings nur dann erreichbar, wenn nicht schon Energieeffizienzmaßnahmen an einzelnen Anlagen ergriffen werden, die in die Gesamtbilanz eingeflossen sind, wovon auszugehen ist. Wiesbaden, 18. März 2017 Priska Hinz Anlagen Anlage 1 Anlage 2