Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 15.12.2016 betreffend Deutschkenntnisse und -unterricht in Hessen und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport und dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die orthografischen und grammatikalischen Defizite bei Schülerinnen und Schülern, bei Bewerberinnen und Bewerbern sowie Auszubildenden im öffentlichen Dienst zunehmen und welchen dringlichen Handlungsbedarf sieht sie diesbezüglich? Die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler und damit perspektivisch auch der Bewerberinnen und Bewerber sowie der Auszubildenden im öffentlichen Dienst ist eine Gruppe, die in hohem Ausmaß von Diversität gekennzeichnet ist. Insbesondere die unterschiedlichen Bildungsgänge, migrationsspezifischen Aspekte (Beherrschung der deutschen Sprache) und die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung begründen eine große Vielschichtigkeit. Grundsätzlich ist das normorientierte Schreiben im Sinne der schriftsprachlichen Korrektheit ein zentraler Bestandteil der von der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) festgelegten Bildungsstandards sowie der darauf basierenden hessischen Kerncurricula für das Fach Deutsch. Dementsprechend gehören die Anwendung der Grundregeln (Groß- und Kleinschreibung, Getrennt - und Zusammenschreibung, Silbentrennung) und Strategien zur Rechtschreibung (Laut-, Stamm-, grammatisches Prinzip) und sprachlichen Richtigkeit in Verbindung mit eigenen Prüfkriterien , Methoden und Strategien zum Finden, Identifizieren und Korrigieren von Fehlern, auch unter Verwendung geeigneter Hilfsmittel, zu den zentralen Inhaltsfeldern des Faches Deutsch. In allen Bildungsgängen werden die normgerechte Schreibweise insbesondere rechtschreibwichtiger Wörter sowie die Satzzeichensetzung in komplexen Sätzen durch individuell geeignete Strategien zur Fehlervermeidung gefördert. Die zentralen Abschlussarbeiten für die Bildungsgänge Haupt- und Realschule werden auf der Grundlage der Bildungsstandards und der hessischen Kerncurricula erstellt. Ihre Ergebnisse zeigen im Fach Deutsch in den letzten Jahren ein stabiles Leistungsbild der Schülerinnen und Schüler mit einem Notenschnitt von etwa 2,8. Die Durchschnittsleistungen des hessischen Landesabiturs im Fach Deutsch bewegen sich ebenfalls seit Jahren innerhalb des befriedigenden Bereichs (8 bis 9 Punkte). Die Betrachtung dieser Ergebnisse sowie der Fördermaßnahmen und -angebote, die nach Maßgabe des Hessischen Schulgesetzes und der nachgeordneten Rechtsverordnungen in den jeweiligen Bildungsgängen verankert sind, werden regelmäßig überprüft und angepasst. Derzeit besteht jedoch kein zusätzlicher Handlungsbedarf. Frage 2. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung, um den Erwerb der korrekten Schriftsprache beginnend in der Grundschule sicherzustellen? In den Bildungsstandards sind die Kompetenzen, die am Ende der Jahrgangsstufe 4 erreicht werden sollen, genannt. In dem Zusammenhang ist auch der Erwerb der korrekten Schriftsprache beginnend in der Grundschule geregelt. Jede Schule erarbeitet sich auf der Grundlage dieser Vorgaben ein didaktisches Konzept, um am Ende der Jahrgangsstufe 4 die entsprechenden Kompetenzen zu erreichen. Eingegangen am 17. Februar 2017 · Bearbeitet am 20. Februar 2017 · Ausgegeben am 24. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4332 17. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4332 "Die Lernenden können: den eigenen Schreibprozess mithilfe von Schreibstrategien organisieren und strukturieren, geübte rechtschreibwichtige Wörter normgerecht schreiben, Rechtschreibstrategien reflektieren und nutzen, Rechtschreibhilfen nutzen, Satzzeichen in einfachen Sätzen begründet setzen." (Bildungsstandards und Inhaltsfelder. Das neue Kerncurriculum für Hessen. Primarstufe. Deutsch, S. 18, 2011) Dies bedeutet, dass die Kinder am Ende des vierten Schuljahres nach einem kontinuierlichen Prozess selbstgesteuerten und angeleiteten Lernens über folgende Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügen sollen: ein Grundpotenzial gesicherter Rechtschreibleistung, Merkstrategien und Nachschlagetechniken, ein begrenztes Repertoire an grammatischen Lösungsmöglichkeiten, phonematische und morphematische Strategien, Großschreibung von Nomen, eine zunehmende Fehlersensibilität, eine altersgemäß entwickelte Rechtschreibsicherheit. Frage 3. Welche Anforderungen müssen hinsichtlich der Sprachkenntnisse, -fähigkeiten und des Sprachverständnisses bei den Schuleignungsfeststellungen erfüllt werden und gab es diesbezüglich Veränderungen ? Die Schuleingangsuntersuchung für die zukünftigen Erstklässler wird durch den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst der Gesundheitsämter durchgeführt und läuft in Hessen standardisiert ab. Grundlage für die Entwicklungseinschätzung ist seit 2007 das Instrument S-ENS (Screening des Entwicklungsstandes bei Einschulungsuntersuchungen). Damit wird unter anderem eine Einschätzung der Deutschkenntnisse bei Kindern, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, und eine Einschätzung der Sprachentwicklung (unabhängig vom Migrationsstatus) vorgenommen. Die Einschätzung der Deutschkenntnisse gibt im Wesentlichen eine Aussage über den pädagogischen Förderbedarf zum weiteren Deutscherwerb; die Einschätzung der Sprachentwicklung zeigt eine zu prüfende oder bereits erfolgte therapeutische Intervention auf. Die Anzahl der Kinder, die eine Schuleingangsuntersuchung erhielten, unterlag in den Jahren 2009 bis 2015 nur leichten Schwankungen (2009: 56.754 Kinder, 2014: 55.591 Kinder, 2015: 52.429 Kinder - aber noch nicht abgeschlossener Datensatz). Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund stieg leicht von 36,9 % (absolut 20.967 Kinder) in 2009 auf 38,5 % (absolut 21.436 Kinder) in 2014. Im Jahr 2015 betrug der Anteil 38,3 % (absolut 20.100 Kinder). Die Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund, die zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung kein oder nur rudimentäres Deutsch sprachen, nahm von 2009 bis 2015 von 6,16 % (absolut 1.157 Kinder) auf 10,06 % (absolut 1.972 Kinder) leicht zu, die Anzahl der Kinder, die Deutsch mit erheblichen Fehlern sprachen, blieb mit 19,40 % (absolut 3.645 Kinder) in 2009 und 18,91 % (absolut 3.705 Kinder) in 2015 weitgehend konstant. Deutsch mit leichten Fehlern und ein fehlerfreies Deutsch war 2009 bei 74,44 % (absolut 13.985 Kinder) der Kinder mit Migrationshintergrund festzustellen, 2015 bei 71,02 % (absolut 13.912 Kinder) der Kinder mit Migrationshintergrund. Die Datenlage zur Sprachentwicklung blieb über den Zeitraum 2009 bis 2015 im Wesentlichen konstant. Bei der Ausbildung einer Sprachentwicklungsstörung handelt es sich um einen pathologischen Prozess, der unabhängig vom Migrationsstatus zu betrachten ist. 2009 wurde die Sprachentwicklung bei 71,77 % (absolut 40.768 Kinder) aller untersuchten Kinder als unauffällig beurteilt, 2015 bei 71,57 % (absolut 37.517 Kinder). Behandelte Sprachentwicklungsstörungen fanden sich 2009 bei 11,45 % (absolut 6.506 Kinder) und 2015 bei 12,37 % (absolut 6.487 Kinder) der untersuchten Kinder. Die Empfehlung zur weiteren Abklärung erging 2009 bei 5,39 % (absolut 3.060 Kinder), 2015 bei 6,94 % (absolut 3.636 Kinder) der Kinder. Anzumerken ist, dass die Zahlen von 2015 auf einem noch nicht abgeschlossenen Datensatz beruhen und von daher kleine Abweichungen von einer späteren definitiven Auswertung vorliegen können. Eine tabellarische Aufstellung der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen 2009 bis 2015 zum Teilaspekt Sprache findet sich in Anlage 1. Darüber hinaus findet bei der Schulanmeldung in der zuständigen Grundschule (ca. 16 Monate vor der Einschulung) für alle Kinder eine Sprachstandsfeststellung statt. Die Schulen haben eigene Sprachförderkonzepte erarbeitet, die als Grundlage verwendet werden, um festzustellen, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4332 3 ob schulpflichtig werdende Kinder die deutsche Sprache altersgemäß beherrschen oder ob ein Förderbedarf besteht. Bei der Diagnose sind unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache von anderen sprachlichen Defiziten abzugrenzen und in Abhängigkeit davon unterschiedliche Empfehlungen auszusprechen. Frage 4. Inwieweit werden sprachliche Defizite, die im Rahmen der seit 2008 verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen von Kindern festgestellt werden, dokumentiert und wie werden die betreffenden Kinder beispielsweise in der Sprachentwicklung unterstützt? Den Trägern der Kindertageseinrichtungen obliegt die Zuständigkeit für sprachliche Bildung und Förderung. Das Land Hessen bietet allerdings unterschiedliche Maßnahmen zur sprachlichen Bildung und Förderung an, um diese zu unterstützen. Dies geschieht durch die weitere Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans (BEP), der dem Spracherwerb und der frühen sprachlichen Entwicklungsförderung der Kinder einen besonderen Stellenwert einräumt. Auch die bereits seit Jahren für die Fach- und Lehrkräfte sowie Tagespflegepersonen kostenlos angebotenen Landesfortbildungen im Rahmen des BEP unterstützen den Prozess in den hessischen Kindertageseinrichtungen. In Hessen wird durch den BEP auf Prävention und eine ganzheitliche , konsistente Bildung für alle Kinder, gerade auch im Bereich der Sprachentwicklung, Sprachbildung und Sprachförderung, gesetzt. Das Land setzt darauf, diese bewusst in allen Bildungsbereichen möglichst früh zu unterstützen; das ist auch Aufgabe des Elementarbereiches. Grundlage einer differenzierten sprachlichen Unterstützung und Förderung aller Kinder ist die frühzeitig einsetzende regelmäßige Beobachtung und Dokumentation auch der sprachlichen Entwicklung. Diese Erkenntnisse sind ein zentrales Anliegen einer frühen umfassenden alltagsintegrierten sprachlichen Bildung und Förderung von Kindern. Die Aufdeckung sprachlicher Defizite ist fester Bestandteil der ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen , und deren Befundung und Dokumentation werden in der neuen Fassung der entsprechenden GBA-Leitlinie noch detaillierter vorgegeben. Ab der U6 (10-12 Monate) wird explizit die Sprachentwicklung überprüft, in den vorhergehenden U-Untersuchungen wird besonderes Augenmerk auf die Voraussetzungen für einen normalen Spracherwerb (Hörscreening, Mundmotorik , psychomotorische Entwicklung) gelegt. Die Dokumentation von Abweichungen erfolgt im "Gelben Heft"1, und für die Initiierung weiterführender Diagnostik und Behandlung von Sprachentwicklungsauffälligkeiten ist der die Vorsorgeuntersuchung durchführende (Kinder-) Arzt zuständig. 4½ Jahre alte Kinder, die einen KiSS2-Kindergarten bzw. eine KiSS-Kindertagesstätte besuchen, erhalten zusätzlich zu den Vorsorgeuntersuchungen die Möglichkeit, an einem speziellen Sprachscreening (KiSS) teilzunehmen, und erhalten hier in Kooperation mit der Sprachexpertin /dem Sprachexperten des Kreises bzw. der Stadt einen speziellen Befundbericht sowie Beratung zum weiteren Vorgehen und individuellen Förderungsmöglichkeiten. Frage 5. Wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, bei denen mangelnde Sprachkenntnisse, Sprachfähigkeiten und/oder mangelndes Sprachverständnis zur Rückstellung von schulpflichtigen Kindern führten und wie haben sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren verändert? Hier ist grundsätzlich festzuhalten, dass nach § 58 Abs. 3 des Hessischen Schulgesetzes "Schulpflichtige Kinder, die noch nicht den für den Schulbesuch erforderlichen körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklungsstand haben, […] auf Antrag der Eltern oder nach deren Anhörung unter schulpsychologischer Beteiligung und Beteiligung des schulärztlichen Dienstes von der Schulleiterin oder dem Schulleiter für ein Jahr von der Teilnahme am Unterricht der Grundschule oder der Förderschule zurückgestellt werden [können]". Eine Zurückstellung kann also aus unterschiedlichen, ineinandergreifenden Gründen erfolgen. § 58 Abs. 5 des Hessischen Schulgesetzes nennt zusätzlich explizit die Möglichkeit der Zurückstellung aus sprachlichen Gründen. Das Hessische Kultusministerium fragt in Zusammenhang mit der zuletzt genannten gesetzlichen Regelung über die zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten der Staatlichen Schulämter die Schulen einmal jährlich ab, wie viele Kinder ausschließlich wegen nicht hinreichender Kenntnisse der deutschen Sprache vom Besuch der ersten Klasse zurückgestellt und einer verpflichtenden Sprachfördermaßnahme zugeführt wurden. Sofern Kinder bei der Schulanmeldung keine hinreichenden Sprachkenntnisse für den Schulbesuch haben, wird ihnen seit dem Schuljahr 2002/03 die Teilnahme an einem freiwilligen Vorlaufkurs empfohlen. Die Angaben sind der Anlage 2 zu entnehmen. 1 "Gelbes Heft" ist eine offizielle Bezeichnung für das Untersuchungsheft für Kinder, in welchem die Kindervorsorge- Untersuchungen dokumentiert werden. Es handelt sich hierbei um eine Anlage zu den Kinderrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. 2 KISS bedeutet "Kindersprachscreening" und ist eine speziell für das Land Hessen entwickelte und geschützte Marke. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4332 Frage 6. Wie bewertet die Hessische Landesregierung die Kritik des Hessischen Philologenverbands hinsichtlich der Änderung der Oberstufen- und Abiturverordnung vom 13. Juli 2016 (ABI. 8/16, S. 306 ff), die bspw. durch die Streichung von Satz 4 in Abs. 12 nicht mehr den Abzug von bis zu vier Punkten im Fach Deutsch aufgrund "mangelnde[r] Sicherheit in der Beherrschung standardsprachlicher Normen in der Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung" ermöglicht? In allen Fächern der gymnasialen Oberstufe führen schwerwiegende und gehäufte Verstöße gegen die deutschen Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikregeln zu einem Abzug von bis zu zwei Notenpunkten von der Gesamtnote eines schriftlichen Leistungsnachweises. Nur in den Klausuren im Fach Deutsch wurden bis zum Schuljahr 2015/16 bis zu vier Notenpunkte abgezogen. Seit Beginn des Schuljahres 2016/17 gilt auch für die schriftlichen Leistungsnachweise im Fach Deutsch, dass schwerwiegende und gehäufte Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit in der deutschen Sprache oder gegen die äußere Form in der Beurteilung zu einem Abzug von ein oder zwei Punkten führen (§ 9 Abs.12 der Oberstufen- und Abiturverordnung (OAVO) vom 20. Juli 2009 (ABl. S. 408), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2016 (ABl. S. 306)). Die Neuregelung für das Fach Deutsch entspricht dem Beschluss der Kultusministerkonferenz zu den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife im Fach Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.10.2012). Hessen hat versucht, in der KMK eine bundesweite Regelung zu erreichen, die einen Punktabzug von bis zu vier Notenpunkten vorsieht und damit der bisherigen hessischen Regelung entsprochen hätte. Dies konnte nicht erfolgen, da die Einführung einer derartigen Regelung in anderen Ländern eine deutliche Verschärfung der landesspezifischen Bewertungsbestimmungen bedeutet hätte. Ein Abweichen Hessens von dem KMK- Beschluss hätte dazu geführt, dass hessische Schülerinnen und Schüler bei gleicher Leistung im Inhalt und Ausdruck im bundesweiten Vergleich schlechtere Gesamtnoten erhalten. Die Neuregelung ist daher im Sinne der Schülerinnen und Schüler und dient der bundesweiten Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen. Mit Blick auf die konkreten Auswirkungen der Änderung auf die jeweilige Zeugnisnote im Fach Deutsch ist festzustellen, dass diese lediglich geringfügig sind. Selbst bei einer Schülerin oder einem Schüler, die bzw. der in jeder Deutschklausur den höchsten Abzug von 2 Punkten erhält, kann sich die Zeugnisnote durch die neue Regelung maximal um 0,8 Notenpunkte verbessern. Dies ergibt sich aus der Berechnung der Gesamtnote unter der Berücksichtigung der Gewichtung "mdl. Leistung: schriftl. Leistung = 60:40". Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Alte Regelung (maximaler Abzug 4 Punkte): mdl. Note 11 Pkt. + schriftl. Note (11 Pkt. - 4 Pkt.) 07 Pkt. → 11 x 0,6 + 07 x 0,4 = 9,4 09 Punkte als Zeugnisnote. Neue Regelung (maximaler Abzug 2 Punkte): mdl. Note 11 Pkt. + schriftl. Note (11 Pkt. - 2 Pkt.) 09 Pkt. → 11 x 0,6 + 09 x 0,4 = 10,2 10 Punkte als Zeugnisnote. Eine Auswirkung dieser Neuregelung auf die Sekundarstufe I des gymnasialen Bildungsgangs ist ausgeschlossen. Gemäß der verbindlichen curricularen Grundlage für die Sekundarstufe I (Kerncurricula mit Bildungsstandards und Inhaltsfeldern) ist zudem der Erwerb der Kompetenzen im Bereich der Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik bis zum Ende der Sekundarstufe I abzuschließen und nicht mehr Bestandteil des Unterrichts der gymnasialen Oberstufe. Formalsprachliche Fehler werden auch zukünftig in angemessenem Umfang in die Leistungsbewertung einfließen, d.h. die gebotenen Leistungsstandards in der gymnasialen Oberstufe werden weiterhin gewahrt. Eine Schülerin oder ein Schüler, die bzw. der in der gymnasialen Oberstufe kontinuierlich nicht ausreichende Leistungen in Bezug auf die Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik erbringt, erhält in den Klausuren aller Fächer (und nicht nur im Fach Deutsch) einen Abzug von maximal zwei Notenpunkten. Frage 7. Wie begründet sich die Veränderung der Verordnung hinsichtlich der ursprünglichen Einbeziehung von Flüchtigkeitsfehlern und der stilistischen Fehler bei der Bewertung der korrekten Schriftsprache? Bezüglich der Bewertung und Beurteilung von Flüchtigkeitsfehlern bzw. stilistischen Fehlern in schriftlichen Leistungsnachweisen für das Fach Deutsch sind keine Veränderungen der Oberstufen - und Abiturverordnung (OAVO) erfolgt. Die Bewertung und Beurteilung von Flüchtigkeitsfehlern im Fach Deutsch erfolgt inhaltlich unverändert gemäß Anlage 9b der Oberstufen- und Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4332 5 Abiturverordnung (OAVO) vom 20. Juli 2009 (ABl. S. 408), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Juli 2016 (ABl. S. 306). Frage 8. Teilt die Landesregierung die Überzeugung, dass die Absenkung der Standards zu einer Verschlechterung der Schul- und Ausbildungsreife führen wird, die sich einerseits negativ auf die persönlichen Bildungs- und Erwerbsbiografien und andererseits auf die hessische Wirtschafts-, Wissenschafts- und Innovationskraft auswirken wird? Eine Absenkung der Standards ist aus Sicht der Landesregierung nicht erfolgt. Die Allgemeine Hochschulreife ist nach wie vor die höchste schulische Abschlussqualifikation, die den hessischen Schülerinnen und Schülern den Zugang zu jedem Studium an einer Hochschule , aber auch den Weg in eine vergleichbare berufliche Ausbildung ermöglicht. Die Gestaltung der gymnasialen Oberstufe orientiert sich in Hessen an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) und ist auf die Erfordernisse der späteren Berufs- und Studienwahl ausgerichtet (exponierte Stellung der Fremdsprachen, Stärkung des mathematischnaturwissenschaftlichen Bereichs und des Fachs Deutsch). Dem Fach Deutsch kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Es wird in Hessen während der Qualifikationsphase im Grundkurs durchgängig 4-stündig unterrichtet (gemäß KMK-Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II vom 08.12.2016 wird das Grundkursfach Deutsch 3 oder 4-stündig unterrichtet). Hessen gehört zudem zu den wenigen Bundesländern , die den Stellenwert des Faches Deutsch dadurch erhöht haben, dass die Schülerinnen und Schüler verbindlich eine Deutsch-Abiturprüfung ablegen müssen (gemäß o.g. KMK-Vereinbarung müssen lediglich zwei der drei Fächer Deutsch, Fremdsprache oder Mathematik unter den Abiturprüfungsfächern enthalten sein). Die sprachliche Kompetenz ist in den überfachlichen Kompetenzbeschreibungen aller hessischen Kerncurricula (Sekundarstufe I und II) ausgewiesen; das Beherrschen von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikregeln nimmt zudem in den Inhaltsfeldern des Kerncurriculums Deutsch für die Sekundarstufe I schulformübergreifend breiten Raum ein (insbesondere im Inhaltsfeld "Schreibnormen" und "Sprachformen und -strukturen"). Darauf aufbauend bilden die Kompetenzbereiche "Sprache und Sprachgebrauch reflektieren", "Sprechen und Zuhören", "Schreiben und Lesen" Schwerpunkte im Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe im Fach Deutsch. Die beispielhafte Aufzählung zeigt, dass an hessischen Schulen dem Fach Deutsch sowie fachübergreifend der Ausbildung von grundlegenden sprachlichen und schriftlichen Kompetenzen ein hoher Stellenwert zugemessen wird. Frage 9. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen des Bundes der Kriminalbeamten, wonach "Die Hürden bei der Aufnahmeprüfung [...] schon in den vergangenen Jahren bei der Polizei in den Ländern und beim Bund gesenkt [wurden]: sei es beim Mindestalter, bei der Mindestgröße oder beim Sporttest" ("Focus-Online" 4. Dezember 2016) und ein Absenken der Standards beim Deutschtest ebenfalls befürchtet wird, weil Bewerberinnen und Bewerber nicht die notwendigen Ergebnisse zum Bestehen erreichen und auch in Hessen bereits 17 % der Polizeianwärterinnen und -anwärter am Sprachtest scheitern? Die Einstellungsvoraussetzungen für die hessische Polizei sind in den vergangenen Jahren im Wesentlichen gleich geblieben. Lediglich mit der Neufassung der Hessischen Polizeilaufbahnverordnung (HPolLV) vom 10. März 2015 (GVBl. S. 134) wurden die Altersgrenzen für die Einstellung in den gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienst sowie für den prüfungsgebundenen Aufstieg in den höheren Dienst teilweise angehoben bzw. an die Rechtslage angepasst. An der notwendigen Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber für die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst wurden keine Veränderungen vorgenommen. Es sind auch zukünftig keine Veränderungen beabsichtigt. Frage 10. Gab es in Hessen eine Veränderung der diesbezüglichen Standards im Bewerbungsverfahren des öffentlichen Dienstes oder ist diese in Planung? (Wenn ja, wann wurden welche Veränderungen vorgenommen?) Auf die Antwort zur Frage 9 wird verwiesen. Wiesbaden, 3. Februar 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz Anlagen Anlage 1 KA 19/4332 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* kein Deutsch 1,21 1,41 1,66 1,72 1,99 2,55 3,60 rudimentäres Deutsch 4,95 4,83 4,96 5,16 5,31 5,93 6,46 Deutsch mit erh. Fehlern 19,40 19,09 18,98 18,29 18,06 19,58 18,91 Deutsch mit leichten Fehlern 42,40 40,88 40,93 38,98 38,38 37,44 35,48 fehlerfreies Deutsch 32,04 33,79 33,47 35,85 36,26 34,50 35,54 Summe 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* kein Deutsch 227 262 322 335 405 533 706 rudimentäres Deutsch 930 897 964 1.003 1.082 1.241 1.266 Deutsch mit erh. Fehlern 3.645 3.547 3.685 3.552 3.682 4.097 3.705 Deutsch mit leichten Fehlern 7.966 7.593 7.947 7.572 7.825 7.832 6.951 fehlerfreies Deutsch 6.019 6.277 6.499 6.963 7.392 7.217 6.961 Summe 18.787 18.576 19.417 19.425 20.386 20.92 19.589 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* unauffällig 71,77 71,69 71,37 71,06 70,75 71,00 71,57 behandelt 11,45 12,44 13,61 13,17 13,62 12,74 12,37 Arztbrief 5,39 5,80 5,27 6,45 6,58 6,46 6,94 unbekannt 1,47 1,22 1,20 1,30 1,17 1,25 1,60 grenzwertig 9,92 8,85 8,56 8,02 7,88 8,54 7,52 Summe 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 *Nicht abgeschlossener Datensatz S-ENS Sprachniveau (nur Migranten) Sprache in % Anzahl in % Anlage 1 KA 19/4332 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015* unauffällig 40.768 39.681 39.898 38.257 38.515 39.482 37517 behandelt 6.506 6.886 7.609 7.090 7.416 7.082 6487 Arztbrief 3.060 3.209 2.947 3.473 3.581 3.593 3636 unbekannt 835 677 669 699 636 697 837 grenzwertig 5.632 4.900 4.783 4.315 4.291 4.751 3944 Summe 56.801 55.353 55.906 53.834 54.439 55.605 52.421 *Nicht abgeschlossener Datensatz Anzahl Anlage 2 Entwicklung der Anzahl der Vorlaufkurskinder, Stand April des jeweiligen Schuljahres Schuljahr Stand: April Anzahl der Vorlaufkurskinder 2007/2008 6.808 2008/2009 7.238 2009/2010 7.773 2010/2011 8.216 2011/2012 8.296 2012/2013 8.902 2013/2014 9.121 2014/2015 9.337 2015/2016 10.057 Zurückstellungen vom Schulbesuch ausschließlich wegen nicht hinreichender Sprachkenntnisse Schuljahr Anzahl der Zurückstellungen ausschließlich wegen nicht hinreichender Sprachkenntnisse 2007/2008 239 2008/2009 256 2009/2010 199 2010/2011 304 2011/2012 281 2012/2013 286 2013/2014 383 2014/2015 475 2015/2016 375 4332_Anlagen.pdf Anlage_1_zur_KA_4332(13) Tabelle1 Anlage_2(12)