Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 20.05.2014 betreffend Einsatz von sogenannten "Body-Cams" durch die Hessische Polizei und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Das Hessische Innenministerium plant, den Einsatz der so genannten "Body Cams", welche von Polizeibeamten zum Zwecke der Dokumentation und ggf. Strafverfolgung bei Einsätzen am Körper getragen werden können, bei der Hessischen Polizei über den ursprünglichen Modellversuch in Frankfurt hinaus auf Wiesbaden und Offenbach auszuweiten. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Zum Schutz der Polizeibeamtinnen und -beamten vor gewalttätigen Übergriffen im Einsatz führt die hessische Polizei seit fast einem Jahr mit dem Tragen von Body-Cams ein Pilotprojekt in Frankfurt am Main durch. Nach den sehr guten Erfahrungen in Frankfurt wurde das Projekt Anfang Mai auf Offenbach und Wiesbaden ausgeweitet. Hessen ist das erste Bundesland, das die Body-Cam zum Schutz von Polizeibeamtinnen und -beamten einsetzt. Das Konzept Body-Cam der hessischen Polizei erfährt bundesweit und darüber hinaus in Europa hohes Interesse und Anerkennung. Neben anderen Bundesländern haben sich auch die Bundespolizei , die ungarische Polizei sowie die Kantonspolizei Luzern über das hessische Modell des Einsatzes der Body-Cam informiert und prüfen ihrerseits die Einführung. Das Tragen der Schulterkameras soll bei Kontrollen in Brennpunktbereichen potenzielle Aggressoren abschrecken und zu einer Deeskalation der Kontrollsituation beitragen. Im Bereich Alt-Sachsenhausen in Frankfurt kam es im halbjährigen Pilotzeitraum zu einem Rückgang der Angriffe auf Einsatzkräfte von 27 auf 20 und zu einer Reduzierung der verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten von vier auf null. Dem Phänomenbereich Gewalt gegen Polizeibeamte wird bislang mit der Intensivierung des Einsatztrainings und einer weiteren Verbesserung der Ausstattung begegnet. Mit Pfefferspray, persönlicher Schutzweste, Körperprotektoren und der Einführung des Teleskopschlagstockes wurden die Rahmenbedingungen für den täglichen Dienst der hessischen Polizei bereits optimiert . Die vor dem Pilotbeginn mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten abgestimmten Eckpunkte:  Keine permanente Aufzeichnung, sondern nur anlassbezogen bei einer problematischen Personenkontrolle oder beim Schlichten von Streitigkeiten,  unmittelbare Löschung der Daten nach Dienstende, wenn die Daten zur Strafverfolgung nicht benötigt werden,  spezifische Benutzerverwaltung mit drei Nutzerebenen, die für die Aufzeichnung, Löschung und Speicherung das Vier-Augen-Prinzip unter Einbindung der Leitungsebene (Dienstgruppenleiter oder Einsatzleiter Ort) gewährleistet,  Videoüberwachung mittels Body-Cam als offene Maßnahme, die durch das Tragen einer Signalweste mit der Aufschrift "Videoüberwachung" gut erkennbar ist haben sich bisher bewährt. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, wird die Kleine Anfrage wie folgt beantwortet: Eingegangen am 2. Juli 2014 · Ausgegeben am 7. Juli 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/434 02. 07. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/434 Frage 1: Wie viele körperliche Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gab es in Hessen im Zeitraum zwischen 2004 und dem 1. Quartal 2014? Für den Zeitraum der Jahre 2004 bis 2010 können Widerstandshandlungen gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte in Hessen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), der bundesweit einheitliche Erfassungsregeln zu Grunde liegen, nicht isoliert benannt werden, da in dem Tatbestand auch andere Vollstreckungsbeamte erfasst sind und eine Opferkennung "Polizeibeschäftigter " in diesem Zeitraum in der PKS nicht vorgesehen war. Auszug aus der PKS 2004 bis 2010: 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Widerstand gegen Vollstreckungs- beamte 1.610 1.527 1.609 1.536 1.545 1.476 1.312 Für die Jahre 2011 bis 2013 können die Angriffshandlungen und die daraus resultierenden Ermittlungsverfahren exakt angegeben werden, da seit 2011 eine bundesweit standardisierte Erfassung aufgrund der PKS Daten1 (Opferkennung Polizeibeschäftigter) in bestimmten relevanten Deliktsbereichen erfolgt. Im Jahr 2011 wurden 3.029 Angriffshandlungen begangen, die sich aus insgesamt 1677 Strafanzeigen ergaben. Im Jahr 2012 wurden 3.300 Angriffshandlungen registriert, die sich aus insgesamt 1.799 Strafanzeigen ergaben. Im Jahr 2013 waren es 3.016 Angriffshandlungen, die aus insgesamt 1.710 Strafanzeigen resultierten. Für das erste Quartal 2014 liegen die Zahlen noch nicht vor. Anzumerken ist, dass einem Ermittlungsverfahren mehrere Angriffshandlungen zugrunde liegen können (entweder wurden mehrere Polizeibeschäftigte in einem Tatkomplex angegriffen bzw. es gab mehrere Tathandlungen (z.B. Schlagen, Treten, Waffeneinsatz)), die unterschiedliche Tatbestände verwirklichen. Insofern ist die Zahl der Angriffshandlungen naturgemäß größer. Frage 2: In welchen Gebieten von Frankfurt, Wiesbaden und Offenbach sollen "Body-Cams" künftig ein- gesetzt werden? In Frankfurt am Main wird die Body-Cam in den Bereichen Alt-Sachsenhausen (Kneipenviertel ) und dem Bereich Zeil mit den angrenzenden Stichstraßen eingesetzt. In Wiesbaden erfolgt der Einsatz der Body-Cam in den Bereichen Innenstadt (Fußgängerzone mit Parkanlagen und Parkhäuser), Hauptbahnhof, Kulturpark/Dern'sches Gelände/Warmer Damm, Reisinger Anlage, Wallufer Platz, Kranzplatz, Campusgelände, Galatea-Anlage, Schlosspark und dem Rheinufer in Biebrich. In Offenbach erfolgt der Einsatz im Bereich der gesamten Innenstadt sowie an kurzfristig erkannten Brennpunktbereichen im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Südosthessen. Neben dem Einsatz der mobilen Videoüberwachung im Rahmen der regionalen Konzeptionen kommt das Einsatzmittel in den Pilotbehörden auch anlassbezogen bei Festivitäten oder Veranstaltungen , bei denen erfahrungsgemäß mit größeren alkoholisierten Gruppen bzw. gewalttätigen Übergriffen zu rechnen ist, zum Einsatz. Frage 3: Nach welchen Kriterien entscheidet die Landesregierung, in welchen Gebieten "Body-Cams" zum Einsatz kommen? Der Einsatz der Body-Cams orientiert sich im Rahmen der Pilotprojekte an regionalen Kriminalitätsanalysen , in denen u. a. Widerstandshandlungen sowie Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte räumlich als auch zeitlich ausgewertet werden. 1 PKS, Tabelle 99, Deliktsbereiche Widerstand, Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung, Raub, Mord, Totschlag, sonstiges (sex. Nötigung, exhib. Handlung, Erregung öffentl. Ärgernisses, Nachstellung, Stalking), nicht z.B. Beleidi- gungen, Landfriedensbruch (nur sog. Indikatorendelikte). Es handelt sich um abgeschlossene Vorgänge, bei denen ein Polizeibeschäftigter in Ausübung seines Dienstes Opfer wurde. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/434 3 Frage 4: Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Videoaufzeichnungen der Body-Cams" umge- hend nach dem Einsatz gelöscht werden, sofern diese nicht zur Strafverfolgung benötigt werden? Die unverzügliche Löschung der Aufzeichnungen, die nicht zum Zweck der Eigensicherung oder zur Strafverfolgung benötigt werden, ist in den Dienstanweisungen der Pilotbehörden geregelt . Die Löschung erfolgt jeweils zu Dienstende, wobei die Löschung durch die Vorgesetztenebene durchgeführt wird. In dem mit dem HDSB abgestimmten Rollenprofil für den Datenzugriff ist den Einsatzkräften systemseitig nur das Aufzeichnen und Abspielen der Videosequenzen möglich. Frage 5: Wie gewährleistet die Hessische Landesregierung, dass die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Recht am eigenen Bild, unbeteiligter Dritter, die bei einem Polizeieinsatz "mitgefilmt" werden , gewahrt bleiben? Der Schutz der Persönlichkeitsrechte unbeteiligter Dritter wird durch die in § 14 Abs. 6 Satz 2 und 3 HSOG getroffenen Regelungen gewährleistet. Danach dürfen personenbezogene Daten über dritte Personen nur dann erhoben werden, wenn dies unerlässlich ist, um die Videoüberwachung nach § 14 Abs. 6 Satz 1 HSOG zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben durchführen zu können . Die erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie für die Zwecke der Eigensicherung oder der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. Frage 6: Wie hoch sind die Kosten des Modellversuchs (Anschaffungskosten der Kameras, technische Ausstattung und Wartung, Schulung des Personals)? Die Beschaffungskosten für die Kamerasysteme inklusive der Signalweste "Videoüberwachung " belaufen sich auf ca. 1.500 € pro Ausstattung. Derzeit sind 12 Ausstattungen in den vier regionalen Pilotprojekten vorhanden. Kosten für Wartungsarbeiten sind bislang nicht aufgelaufen. Die Kosten für die Beschulung des Personales lassen sich nicht konkret beziffern. Frage 7: Plant die Landesregierung, den Einsatz von "Body-Cams" künftig flächendeckend im Polizei- streifendienst in Hessen einzuführen? Der flächendeckende Einsatzes der Body-Cams im Polizeistreifendienst wird in Abhängigkeit des mit Mai 2014 abgeschlossenen Pilotprojektes beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main (Bereiche Alt-Sachsenhausen und Innenstadt/Zeil) einer entsprechenden intensiven Prüfung unterzogen. Wiesbaden, 17. Juni 2014 Peter Beuth