Kleine Anfrage des Abg. Hahn (FDP) vom 19.12.2016 betreffend Bewertung der Kunstgegenstände des Landes Hessen und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung des Fragestellers: Auf die Kleine Anfrage des Fragestellers vom 01.12.2014 hat die Landesregierung unter der Drucksachen- Nr. 19/1186 sehr zusammenfassend geantwortet. Vielleicht lag dies auch daran, dass man der Fragestellung vom 01.12.2014 unterstellen konnte, dass diese aus rein fiskalischen Überlegungen heraus, vorgelegt worden ist. Der Schlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages vom 31.12.2007 stellt in Kapitel 3.1.2.2 "Museen und Ausstellungshäuser" fest: Museen - geistige Ankerpunkte der Gesellschaft. Sammeln, Bewahren, Forschen sowie Ausstellen und Vermitteln, bilden als universale Kernaufgaben die Grundlage der Arbeit im Museum". Er macht aber auch deutlich, dass man von einer Chance zur qualitativen Differenzierung und Profilierung von Museen und Museumsangeboten "ausgeht". Der einstimmige Beschluss schreibt darüber hinaus von der Gefahr einer "Verwässerung des eigenständigen Profils" sowie "von zu geringer Sammeltätigkeit in vielen kleinen Häusern". Im Zusammenhang mit der Übernahme von Sammlungsgut wird eine besondere Differenzierung vorgenommen , die von der Aufnahme öffentlicher Sammlungen in das "Gesamtverzeichnis national wertvollen Kulturguts " ausgeht. Alle diese Feststellungen machen deutlich, dass der einstimmige Beschluss der Enquetekommission des Deutschen Bundestages von einer selbstständigen, eigenständigen und verantwortungsvollen Priorisierung der Sammlungsschwerpunkte und der Sammlungszusammenhänge in jedem Museum ausgeht. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Hessen besitzt ein reiches kulturelles Erbe; die Museen sind ein bedeutender Teil davon. Neben den staatlichen Museen - Landesmuseum Darmstadt, Museumslandschaft Hessen Kassel, Museum Wiesbaden, Keltenwelt am Glauberg, Römerkastell Saalburg - gibt es weitere rund 400 Museen und Sammlungen in kommunaler oder privater Trägerschaft. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage kann im Hinblick auf die dafür geltenden Fristen nur für die staatlichen Museen erfolgen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche jeweiligen Sammlungsschwerpunkte und Sammlungszusammenhänge haben die Hessischen Landesmuseen sowie weitere städtische oder private Museen, in denen für die regionale oder hessische Geschichte relevante Kunstgegenstände gesammelt, gekauft, bewahrt, wissenschaftlich bearbeitet und ausgestellt werden? Hessisches Landesmuseum Darmstadt (HLMD): Das HLMD ist seit der Gründung 1820 ein enzyklopädisch ausgerichtetes Museum mit Sammlungen der Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte entsprechend seinem allgemeinen Sammlungsprofil . Es ist eines der letzten Universalmuseen Europas. Mit dem "Block Beuys" - mehr als 270 Objekte in sieben Räumen - beherbergt das HLMD zudem den weltweit umfangreichsten Werkkomplex von Joseph Beuys. Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK): Die MHK verwaltet als Kern die in ihren Anfängen bis in das Spätmittelalter zurückgehenden kunst- und kulturhistorischen Sammlungen der Landgrafen und Kurfürsten von Hessen-Kassel. Dazu gehört beispielsweise die Gemäldegalerie Alte Meister, die mit rund 500 präsentierten Werken einen Überblick über die europäische Malerei von der Spätgotik bis zum Klassizismus Eingegangen am 9. Februar 2017 · Bearbeitet am 9. Februar 2017 · Ausgegeben am 15. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4344 09. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4344 bietet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf niederländischer und flämischer Malerei des 17. Jahrhunderts; der Bestand an Rembrandt-Gemälden ist einer der größten weltweit. Die Gemäldegalerie Alte Meister insgesamt gehört zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen ihrer Art. Im späten 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden die Bestände erweitert um das Fundarchiv für Nordhessen, um volkskundliche und kunsthandwerkliche Bestände zur nordhessischen Geschichte, um die gemeinsam mit der Stadt geführte Sammlung zur Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts und um die Sammlung des Vereins Deutsches Tapetenmuseum. Museum Wiesbaden: Das Museum Wiesbaden sammelt schwerpunktmäßig Kunstgegenstände aus dem 19. und 20. Jahrhundert sowie der Gegenwart. Internationale Bedeutung besitzt die Sammlung der Klassischen Moderne vor allem durch das Konvolut der rund 100 Werke des russischen Expressionisten Alexej von Jawlensky. Es ist weltweit eine der umfangreichsten Sammlungen zum Werk dieses Künstlers. Keltenwelt am Glauberg: Die Keltenwelt am Glauberg als Bestandteil des Archäologischen Landesmuseums Hessen hat seit der Eröffnung 2011 den Schwerpunkt Kelten am Glauberg. Sie unterhält keine eigene Sammlung, die archäologischen Funde sind Bestand der hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Römerkastell Saalburg: Das Römerkastell Saalburg als Bestandteil des Archäologischen Landesmuseums Hessen hat seit seiner Gründung 1907 den Sammlungsschwerpunkt Grabungsfunde vom römischen Limes im Hochtaunus. Zusätzlich kamen Funde von Grabungen des Saalburgforschungsinstituts in Stockstadt am Main (Beginn 20. Jh.) und in Echzell (1960er Jahre) in das Museum. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangten durch Schenkungen Kaiser Wilhelms II. kleinere Sammlungen auf die Saalburg wie z.B. ein Teil der Sammlung des Konsul N. aus Köln und sieben römische Marmorporträts aus einer Freiburger Privatsammlung. Frage 2. Hat es, bitte einzeln aufgeschlüsselt, in den vergangenen zehn Jahren Änderungen bzw. Fokussierungen der jeweiligen Prioritätsbildung in den einzelnen Häusern gegeben und wenn ja, in welche Richtung? In keinem der fünf Häuser hat es in den vergangenen zehn Jahren eine Änderung der jeweiligen Prioritätsbildung gegeben. Im Zug der Sanierung des Hessischen Landesmuseums Kassel wurde die Dauerausstellung des Hauses durch die MHK vollständig überarbeitet und präsentiert jetzt chronologisch nordhessische Landes- und Kulturgeschichte von den Anfängen menschlicher Besiedlung bis in die jüngste Gegenwart. Frage 3. Hat bei diesen Prioritätssetzungen Berücksichtigung gefunden, dass diese eine ausschließlich eigenständige Entscheidung der jeweiligen Häuser sind oder wurde seitens der Ministerialbürokratie dort argumentativ eingegriffen? Die jeweiligen Sammlungen sind in der Geschichte der einzelnen Häuer begründet (siehe Antworten zu Frage 1). Prioritäten und Schwerpunkte zu setzen, ist die alleinige Entscheidung des jeweiligen Museums und seiner Direktion. Das Ministerium für Wissenschaft und Kunst greift nicht in die Ausrichtung ein. Frage 4. Haben die jeweiligen Häuser bei der Evaluation bzw. Durchführung der Priorisierung festgestellt, dass die hinzukommenden Kunstgegenstände die vorhandenen Sammlungen ergänzen oder erweitern ? Wie hoch ist die Zahl der Ablehnung von Angeboten, Schenkungen und/oder Erbschaften? Die Erweiterung einer Sammlung, ob durch Ankauf oder als Schenkung, ist immer am Sammlungsprofil des einzelnen Hauses orientiert. Grundsätzlich werden Schenkungen nur im Fall sammlungsrelevanter Kunstgegenstände angenommen. Dasselbe Kriterium gilt für Ankäufe. Aus diesem Grund wird die überwiegende Zahl der Angebote abgelehnt; eine genaue Zahl ist nicht zu ermitteln. Zur Neuausrichtung der Dauerausstellung des Hessischen Landesmuseums Kassel mit der Darstellung der Landesgeschichte bis in die jüngste Gegenwart hat die MHK gezielt einzelne Kunstund Kulturgegenstände zumeist unentgeltlich neu erworben, welche die vorhandenen Sammlungen ergänzen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4344 3 Die archäologischen Museen greifen für Sonderausstellungen auf Objekte aus dem Bestand der hessenARCHÄOLOGIE oder anderer Leihgeber zurück. Sie nehmen keine Ankäufe vor. Ein Objekt in der Dauerausstellung der Keltenwelt am Glauberg wurde vom Heimat- und Geschichtsverein Glauberg ausgeliehen. Frage 5. Hat es im Zusammenhang mit erfolgten Schenkungen bzw. Übertragungen aus Erbschaften Veränderung in der Priorisierung gegeben und wenn ja an welchem Haus und in welche Richtung? Wurde vielleicht in dem einen und/oder anderen Haus sogar der Sammlungsschwerpunkt wegen einer veränderten Struktur neu definiert? Da nur sammlungsrelevante Kunstgegenstände angenommen werden, hatten Schenkungen oder Übertragungen aus Erbschaften keinen Einfluss auf die Prioritätssetzung der einzelnen Häuser. Frage 6. In welchen in Ziffer 1 bereits angesprochenen Häusern sind in den letzten zwanzig Jahren welche Kunstwerke nicht mehr gezeigt worden, weil sie nicht mehr in den Sammlungszusammenhang passen? Die Schausammlungen der einzelnen Häuser sind immer am jeweiligen Sammlungsprofil ausgerichtet . Soweit dies räumlich möglich ist, werden alle relevanten Kunstgegenstände präsentiert, teilweise im Wechsel oder auch im Rahmen von Sonderausstellungen. Insofern sind keine Kunstgegenstände zu verzeichnen, die im Verlauf der vergangenen 20 Jahre dauerhaft aus dem Blickfeld gerückt wären. Wiesbaden, 3. Februar 2017 Boris Rhein