Kleine Anfrage des Abg. Dr. Wilken (DIE LINKE) vom 20.12.2016 betreffend personengebundenen Hinweise (PHW) im polizeilichen Informationssystem (INPOL) und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Im polizeilichen Informationssystem INPOL - dem Verbundsystem von Bund und Ländern - sowie in einigen Datenverarbeitungssystemen der Länderpolizeien werden personengebundene Hinweise (PHW) erfasst. Betroffene werden unter anderem mit dem Hinweis "ANST" (Ansteckungsgefahr) versehen, wenn die betroffene Person mit HIV, Hepatitis B oder auch Hepatitis C infiziert ist. Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis und andere übertragbare Virusinfektionen sind allerdings nicht zu jedem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf ansteckend . Wird HIV zum Beispiel therapiert, sinkt das Infektionsrisiko gegen null. Der personengebundene Hinweis (PHW) hingegen bleibt mit seiner stigmatisierenden Wirkung - unabhängig von der tatsächlich bestehenden Ansteckungsgefahr - weiterhin im polizeilichen Informationssystem erhalten. Im Unterschied zu HIV und Hepatitis C stellt Hepatitis B ein höheres Infektionsrisiko dar, welches jedoch durch eine wirksame Schutzimpfung auf null reduziert werden kann. Diese Schutzimpfung sollte für Angehörige des öffentlichen Dienstes eine Selbstverständlichkeit sein. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport: Personengebundene Hinweise dienen dem Schutz des Betroffenen und der Eigensicherung von Polizeibediensteten. Dieser Schutzfunktion werden die personengebundenen Hinweise nur dann gerecht, wenn alle Teilnehmer sicherstellen, dass die Vergabe dieser Hinweise bundeseinheitlich erfolgt. Zur einheitlichen Anwendung haben die Polizeien der Länder den Leitfaden des Bundeskriminalamtes "Hinweise zur Vergabe personengebundener Hinweise (PHW) im INPOL- Verbund" erarbeitet. Auf dieser Grundlage sollen ein gemeinsames Verständnis und eine einheitliche Einschätzung von Gefahrensituationen für die Betroffenen und die einschreitenden Polizeibediensteten gewährleistet werden. Die Vergabe eines PHW erfolgt im Einzelfall und umfasst jeweils die Prüfung der Erforderlichkeit , Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sowie eine entsprechende Dokumentation . Die Speicherung der Daten erfolgt grundsätzlich im Polizeilichen Auskunftssystem des Landes Hessen (POLAS-HE). Die Daten von POLAS-HE können von allen hessischen Polizeibehörden abgefragt werden (vgl. Nr. 5 des Verfahrensverzeichnisses für POLAS-HE nach § 28 HSOG). Eine Übermittlung der Informationen an das Polizeiliche Informationssystem INPOL-Zentral erfolgt nur unter den Vorgaben aus den Rahmenrichtlinien für den Kriminalaktennachweis (KAN- Rahmenrichtlinien) beziehungsweise wenn zu der Person eine Fahndungsausschreibung vorliegt. Gemäß § 7 Abs. 8 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten kann das Bundeskriminalamt in den Fällen, in denen in einer Datei bereits Daten zu einer Person gespeichert sind, hierzu auch solche personengebundenen Hinweise speichern, die zum Schutz dieser Person oder zur Eigensicherung von Beamten erforderlich sind. Zur Vergabe des PHW "Ansteckungsgefahr" ist es erforderlich, dass die Hinweise von einem Arzt oder einer anderen öffentlichen Stelle auf der Grundlage eines ärztlichen Attestes oder einer entsprechenden ärztlichen Unterlage (Gesundheitsamt, Verwaltungsbehörde, Justizvollzugsanstalt u.Ä.) oder dem Betroffenen selbst vorliegen. Die Löschung der Daten orientiert sich an den allgemeinen Löschfristen für kriminalpolizeiliche Sammlungen, wobei der PHW bereits zu löschen ist, wenn die Voraussetzungen für die Vergabe entfallen sind. Diese Prüffristen sind in den §§ 15 bis 17 HSGOG-DVO geregelt (vgl. Nr. 9 des Verfahrensverzeichnisses POLAS-HE nach § 28 HSOG). Eingegangen am 7. Februar 2017 · Ausgegeben am 10. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4349 07. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4349 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Werden in Hessen mit HIV, Hepatits B oder Hepatitis C infizierte Personen in Datenverarbeitungssystemen mit dem Hinweis "ANST" (Ansteckungsgefahr) versehen? Ausschließlich bei Personen, die in POLAS-HE bzw. im polizeilichen Informationsverbund INPOL gespeichert sind, kann bei Vorliegen der in der Vorbemerkung genannten Erfassungsvoraussetzungen der personengebundene Hinweis "Ansteckungsgefahr" vergeben und zum vorhandenen Datensatz gespeichert werden. Frage 2. Wieviel Personen sind mit dem PHW "ANST" registriert? In POLAS-HE waren zum Stichtag 11. Januar 2017 489 Personen mit dem PHW "ANST" registriert. Frage 3. Haben die betroffenen Personen Kenntnis von ihrer Registrierung? Wenn nein, ist eine entsprechende Information in Zukunft geplant? Die betroffenen Personen werden nur dann über ihre Speicherung mit dem PHW "ANST" informiert , wenn diese einen Antrag auf Auskunft oder Löschung gespeicherter Daten aus POLAS-HE nach § 29 HSOG an das Hessische Landeskriminalamt stellen. Frage 4. Wie oft kam es aufgrund des PHW "ANST" im Einsatz zu bestimmtem Handeln? Hierzu besteht keine Dokumentationspflicht, sodass keine entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt werden können. Die Beantwortung der Frage ist daher nicht möglich. Frage 5. Kam es schon einmal zu einem Notfall, in dem Beamtinnen oder Beamte mit einer Postexpositionsprophylaxe versorgt werden mussten? Und wenn ja, war der PHW "ANST" ausschlaggebend? In den zurückliegenden Jahren gab es immer wieder Einzelfälle, bei denen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte aufgrund des Kontaktes mit Personen mit Ansteckungsgefahr in Kliniken mit einer Postexpositionsprophylaxe versorgt wurden oder nach dem Kontakt fachärztlich beraten wurden. In der Regel werden entsprechende Hinweise auf die Ansteckungsgefahr aus dem Informationssystem durch den PHW "ANST", durch Angaben des Probanden selbst oder von Personen aus dem Umfeld sowie gegebenenfalls durch die Umstände des Einzelfalls (Fund von Medikamenten, Rezepten, Attesten) bekannt. Da allerdings weder eine Statistik über die Anzahl der Fälle noch eine Zusammenführung der jeweiligen Dokumentationen der Einzelbefassungen erfolgt, ist eine konkrete Beantwortung der Frage nicht möglich. Frage 6. Ist im Falle einer Risikoverletzung ein Facharzt für Infektionskrankheiten bzw. eine Postexpositionsprophylaxe ohne große Zeitverzögerung greifbar? Grundsätzlich sind Fachärzte für eine Postexpositionsprophylaxe ohne große Zeitverzögerung für die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten erreichbar, da diese in Kliniken mit Maximalversorgung (Notfallaufnahme) vorgehalten werden müssen. Die Liste entsprechender Fachärzte und Anlaufstellen ist im Intranet der hessischen Polizei eingestellt oder kann über die Einsatzzentralen abgerufen werden. Zusätzlich dazu besteht eine telefonische Erreichbarkeit der Polizeiärzte des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums sowie der Arbeitsmediziner der medical airport service GmbH. Frage 7. Werden Polizistinnen und Polizisten in der Ausbildung und in Weiterbildungsveranstaltungen über die realen Infektionswege der o.g. Infektionen informiert? Infektionskrankheiten, damit verbundene Ansteckungsgefahren und prophylaktische Maßnahmen sind Inhalte der regelmäßig durchgeführten Erste-Hilfe-Seminare des Polizeiärztlichen Dienstes. Zusätzlich finden regelmäßig Beschulungsmaßnahmen der Beschäftigten durch fachkundiges Personal über Infektionskrankheiten, Infektionwege und -zeiten sowie Maßnahmen der Eigensicherung im Rahmen von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen statt. Darüber hinaus stehen den Organisationseinheiten Hygienebasisboxen und Infektionsvorsorgeboxen mit entsprechender Betriebsanweisung zur Verfügung. Gleichzeitig sind Informationen im Intranet der hessischen Polizei zu den Themen verfügbar. Darüber hinaus werden die Beschäftigten im Rahmen von Impfungen gegen Hepatitis B vom Arzt beraten und informiert. Frage 8. Sind alle Polizistinnen und Polizisten gegen Hepatitis B geimpft? Allen Polizistinnen und Polizisten werden regelmäßig Impfungen gegen Hepatitis B und Blutuntersuchungen zur Überprüfung des vorhandenen Impfschutzes durch den Polizeiärztlichen Dienst angeboten. Eine generelle Impfpflicht für alle Polizistinnen und Polizisten würde jedoch gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen. Wiesbaden, 30. Januar 2017 Peter Beuth