Kleine Anfrage der Abg. Löber und Müller (Schwalmstadt) (SPD) vom 23.12.2016 betreffend Lebensmittelbelastung durch die Pflanzenschutzmittel Pendimethalin und Prosulfocarb und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Die Pflanzenschutzmittel Pendimethalin und Prosulfocarb werden aktuell in der konventionellen Landwirtschaft verwendet, um Schädlinge fernzuhalten und unnötiges Unkraut zu bekämpfen. Die Verwendung dieser Stoffe ist durch EU-Verordnung geregelt und an strenge Richtlinien geknüpft. Pendimethalin und Prosulfocarb dürfen in Lebensmitteln, die für Babynahrung verwendet werden laut § 14 der Verordnung über diätische Lebensmittel nicht enthalten sein. In der biologischen Landwirtschaft wird auf diese Stoffe verzichtet, jedoch wurden durch Messungen bei Betrieben beispielsweise in der Uckermark erhöhte Werte von Pendimethalin und Prosulfocarb festgestellt, die dafür sorgten, dass diese Lebensmittel nicht mehr wie vorgesehen als Erzeugnisse der biologischen Landwirtschaft vermarktet werden konnten. Dies führt nicht nur zu einem wirtschaftlichen Schaden für die Betriebe, sondern zu einer Verunreinigung von Lebensmitteln und einer Gefahr für die Verbraucher. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Pendimethalin und Prosulfocarb sind Wirkstoffe von in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln , die der Regulierung von Konkurrenzbewuchs, wie beispielsweise Schadgräsern oder Unkräutern in Kulturpflanzenbeständen, dienen. Zuständige Behörde für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Zulassungen werden im Benehmen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Julius-Kühn-Institut (JKI) sowie im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) erteilt. Im Rahmen des Zulassungsprozesses werden mögliche Verunreinigungen und Rückstände sowie damit verbundene Risiken beurteilt. Die Verfrachtung von bestimmten Pflanzenschutzmitteln aufgrund ihrer hohen Flüchtigkeit wurde auf der Agrarministerkonferenz am 2. Oktober 2015 thematisiert. Auch Hessen sieht diese Verfrachtung mit Sorge und hat sich dafür eingesetzt, die gewonnenen Erkenntnisse durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf europäischer Ebene im Rahmen der Neubewertung des Wirkstoffes Pendimethalin einzubringen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die gesundheitliche Gefährdung für den Menschen durch die Pflanzenschutzmittel Pendimethalin und Prosulfocarb? Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden die gesundheitlichen Wirkungen auf Mensch und Tier geprüft. Eine Zulassung erfolgt nur, wenn durch bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung des Pflanzenschutzmittels keine nicht vertretbaren Auswirkungen für die Gesundheit zu erwarten sind. Dieses Prüfverfahren haben auch alle Pflanzenschutzmittel, die die Wirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb enthalten, durchlaufen. Entsprechend dieser risikobezogenen Bewertung erfolgen Kennzeichnungen und Zulassungsauflagen, wie zum Beispiel zu Wartezeiten zwischen Anwendung und Inverkehrbringen als Lebensmittel. Eine gesundheitliche Gefährdung für den Menschen durch die zugelassenen Pflanzenschutzmittel Pendimethalin und Prosulfocarb ist bei sachgerechter Anwendung sowie der Einhaltung der festgelegten Rückstandshöchstmengen nicht zu erwarten. Eingegangen am 2. Februar 2017 · Bearbeitet am 2. Februar 2017 · Ausgegeben am 3. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4358 02. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4358 Frage 2. Wer ist in Hessen mit der Messung und Überprüfung der von der EU vorgegebenen Richtwerte für Pendimethalin und Prosulfocarb beauftragt? Die Überwachung der Höchstmengen von Pflanzenschutzmittelrückständen auf Lebensmitteln erfolgt durch den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern für Veterinärwesen und Verbraucherschutz der Landkreise und kreisfreien Städte. Im Rahmen dieser Tätigkeit werden auch Richtwerte hinsichtlich Pflanzenschutzmittelrückständen auf Erzeugnissen aus ökologischer Produktion geprüft und Ergebnisse oder Hinweise den zuständigen Behörden mitgeteilt. Die Überwachung zur Einhaltung der Richtwerte aus ökologischer Produktion erfolgt durch staatlich zugelassene Öko-Kontrollstellen des Landes bzw. durch das Regierungspräsidium Gießen als zuständige Behörde. Frage 3. Wie häufig kam es in den vergangenen zehn Jahren zu Überschreitungen der Richtwerte? (Bitte angeben, wo die Überschreitungen gemessen wurden) Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung wurde im LHL in den vergangenen zehn Jahren eine Überschreitung im Jahr 2015 festgestellt. Sowohl der Richtwert als auch die Höchstmenge für Pendimethalin wurden in einer Probe "Bio-Schachtelhalm" (Kräutertee) überschritten . In dem genannten Zeitraum wurden mehr als 9300 Proben an Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs wie Obst, Gemüse, Kartoffeln und Getreide sowie verarbeitete Erzeugnisse daraus (inklusive Babynahrung und Tee) auf Pendimethalin und Prosulfocarb untersucht. Davon waren 804 Proben Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs aus ökologischer Produktion. Frage 4. Sind der Landesregierung Fälle von Überschreitungen der Richtwerte bekannt, die dazu geführt haben, dass landwirtschaftliche Produkte nicht für Babynahrung verwendet werden durften? Dem LHL sind Fälle von Überschreitungen der Grenzwerte der Wirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb, die dazu geführt haben, dass landwirtschaftliche Produkte nicht für Babynahrung verwendet werden durften, nicht bekannt. Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Risiken für die biologische Landwirtschaft durch die nicht sachgemäße Verwendung von Pendimethalin und Prosulfocarb ein? Durch eine nicht sachgemäße Anwendung von Pflanzenschutzmitteln können Gefahren sowohl für den biologischen Anbau als auch die konventionelle Landwirtschaft entstehen. Diese können z. B. die mangelnde Wirksamkeit und Verträglichkeit der Maßnahme für die Kulturpflanze betreffen oder aber auch den Verbleib von Pflanzenschutzmittelrückständen in oder auf dem Erntegut . Pendimethalin und Prosulfocarb zählen aufgrund ihrer stofflichen Eigenschaften zu den abdriftgefährdeten Wirkstoffen, für die im Zulassungsverfahren besondere Anwendungsbestimmungen festgelegt sind. Frage 6. Welche Risiken bestehen aus Sicht der Landesregierung durch Abdrift in der Nähe von Pendimethalin und Prosulfocarb nutzenden Betrieben für die biologische Landwirtschaft? Frage 7. Welche Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelbelastung durch Pendimethalin und Prosulfocarb strebt die Landesregierung an? Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet. Sofern Pflanzenschutzmittel auf Ökoflächen abdriften, besteht die Gefahr, dass die Betriebe ihre Ware nicht vermarkten können oder ihre Ökozertifizierung verlieren. Die hessische Offizialberatung kommuniziert alle Maßnahmen zur Vermeidung von Abdrift, um ein Miteinander und Nebeneinander von konventionellen Betrieben und Ökobetrieben zu ermöglichen. In Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich Ökologischer Landbau, dem Beratungsteam Pflanzenproduktion des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) und dem hessischen Pflanzenschutzdienst beim Regierungspräsidium Gießen wurde aktuell eine Broschüre als Fachinformation für Landwirtinnen und Landwirte und Gärtnerinnen und Gärtner erstellt, die die Vermeidung von Abdrift thematisiert und das Thema Pendimethalin und Prosulfocarb aufgreift. Diese Broschüre wird in den kommenden Fortbildungsveranstaltungen an die Landwirtinnen und Landwirte verteilt und wird auch online verfügbar sein. Des Weiteren wird das Thema allgemein in der Beratung und in Fortbildungsveranstaltungen zur Sachkunde im Pflanzenschutz vermittelt. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4358 3 Frage 8. Wird die Landesregierung verstärkt die Belastung von Lebensmitteln durch Pendimethalin und Prosulfocarb prüfen? Wenn nein, warum nicht? Die Belastung von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmitteln wird im Rahmen der Lebensmittelüberwachung risikoorientiert untersucht. Wiesbaden, 25. Januar 2017 Priska Hinz