Kleine Anfrage des Abg. Eckert (SPD) vom 04.01.2017 betreffend soziale Kriterien in der Wirtschaftsförderung und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Wirtschaftsförderung wird nicht um ihrer selbst willen getätigt, sondern muss auf nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung von morgen ausgerichtet sein. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Hessen ist ein wachstumsstarkes Land mit einem hohen Beschäftigungsstand - aktuell ist der Beschäftigungsstand der höchste jemals gemessene überhaupt bei der niedrigsten Arbeitslosenquote seit 25 Jahren. Die hessische Wirtschaftsförderung hat insbesondere die positive Entwicklung in Nord- und Mittelhessen nachhaltig unterstützt. Vorrangiges Ziel ist die Sicherung vorhandener und die Schaffung neuer wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze insbesondere in den hessischen Regionalfördergebieten . Diese Förderung der Bereitstellung eines ausreichenden Arbeitsplatzangebotes in strukturschwachen Regionen ist ein zentraler Baustein der Wirtschaftspolitik. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Welche inhaltlichen Anforderungen werden an die Empfänger staatlicher Zuwendungen im Rahmen der Landeswirtschaftsförderung gestellt? Die Wirtschaftsförderung des Landes Hessen verfolgt generell das Ziel, durch die Förderung geeigneter Investitionen zum Aufbau neuer und zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze in wettbewerbsfähigen Unternehmen beizutragen. Im Rahmen der Regionalförderung wird nicht jede beliebige Investition eines grundsätzlich förderfähigen Unternehmens gefördert. So muss es sich bei der Gemeinschaftsaufgabe "Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vielmehr vom Umfang her um außergewöhnliche Investitionen mit den entsprechenden finanziellen Belastungen für das Unternehmen handeln. Dementsprechend sind Investitionsvorhaben nur förderfähig, wenn der Investitionsbetrag bezogen auf ein Jahr zum Zeitpunkt der Antragstellung die durchschnittlich verdienten Abschreibungen der letzten drei Jahre - ohne Berücksichtigung von Sonderabschreibungen - um mindestens 50 % übersteigt oder die Zahl der bestehenden Dauerarbeitsplätze um mindestens 10 % erhöht wird. Ziel der Arbeitsplatzförderung ist, in strukturell benachteiligten Regionen zusätzliches Einkommen zu generieren, um damit - einschließlich der damit verbundenen und gewünschten regionalen Sekundäreffekte - zum Abbau bestehender regionaler Disparitäten beizutragen. Dabei kommen nur solche Investitionen in Betracht, die eine besondere Förderwürdigkeit aufweisen und ohne Förderung unterbleiben würden. Damit wird vermieden, dass die begrenzten Fördermittel in Mitnahmeeffekten verpuffen - also bei Investitionen eingesetzt werden, die auch ohne öffentliche Förderung in vollem Umfang realisiert würden. Bereits bei der Bearbeitung der Förderanträge durch die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) wird dahin gehend ausgewählt, dass neben den formalen Anforderungen an eine Förderung auch eine hinreichende Solvenz und Solidität nachgewiesen wird. Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des antragstellenden Unternehmens sowie dessen betriebliches Erscheinungsbild müssen erwarten lassen, dass es das geplante Investitionsvorhaben umsetzen und dabei die Arbeitsplatzziele erreichen kann, die Grundlage der Förderungswürdigkeit sind. Eingegangen am 7. März 2017 · Bearbeitet am 8. März 2017 · Ausgegeben am 10. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4364 08. 03. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4364 In der Schaffung und Sicherung dauerhafter und sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze wird der originäre soziale Aspekt der Förderung gesehen: Erzielung von eigenem Einkommen in strukturschwachen Regionen, Vermeidung von Pendelbewegungen in die Ballungsgebiete sowie Unabhängigkeit von Transfereinkommen. Es werden zudem fast nur neue Investitionsgüter gefördert, sodass implizit auch Aspekte der Nachhaltigkeit, der Energieeffizienz sowie der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zum Tragen kommen. Frage 2. Gibt es neben den Anforderungen an zu schaffende oder zu sichernde Arbeitsplätze konkrete arbeitnehmerorientierte Vorgaben zum Erhalt einer staatlichen Unterstützungsleistung? Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Dauerarbeitsplätze in strukturschwachen Räumen . Mit der Förderung zielt die Landesregierung darauf ab, dass ordentliche und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Durch die Einbindung der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit in das Bewilligungsverfahren werden auch die Belange der Arbeitnehmer hinsichtlich der Einhaltung der tariflichen Bestimmungen oder der ortsüblichen Entlohnung in den zu fördernden Unternehmen mit berücksichtigt. Gesetzliche Bestimmungen wie der Mindestlohn müssen selbstverständlich eingehalten werden. Frage 3. Lehnt die Landesregierung die Einführung sogenannter sozialer Kriterien in der Wirtschaftsförderung grundsätzlich ab? Wenn ja, wieso? Die Landesregierung lehnt die Einführung sozialer Kriterien der Wirtschaftsförderung nicht grundsätzlich ab, sofern dadurch der Aufbau und die Sicherung von Dauerarbeitsplätzen als Hauptziel nicht eingeschränkt werden und kein steigender Überwachungsaufwand und damit höhere Programmkosten (gleich verminderte Programmeffizienz) verbunden sind. Die Ausrichtung der Regionalförderung am reinen Arbeitsplatzziel hat sich als erfolgreich und ausreichend erwiesen. Insbesondere die ehemals besonders strukturschwachen Regionen Nordund Mittelhessens haben inzwischen derart deutliche Fortschritte in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu verzeichnen, dass weiten Teilen davon seit der letzten Anpassung der Fördergebiete nach der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zur Jahresmitte 2014 kein Förderbedarf mehr zuerkannt wird. Weiter hat sich das (reine) Arbeitsplatzkriterium auch fördertechnisch als geeignet und als einfach anwendbar bewährt. Die geförderten Unternehmen sind verpflichtet, die geförderten Arbeitsplätze nach Abschluss der Investitionsmaßnahme über den Überwachungszeitraum von 5 Jahren zu besetzen. Während dieser Zeit melden sie jährlich ihren Besetzungsstand. Verzögerungen oder Verfehlungen des Arbeitsplatzziels können anhand dieses einfachen Kriteriums leicht erkannt und eine eventuelle Reaktion hierauf frühzeitig eingeleitet werden. Die Einführung und Bewertung weiterer (auch sozialer) Förderkriterien würde nicht nur die Programmkosten steigern, weil der Überwachungsaufwand steigt. Zudem bestünde die Gefahr, dass Fördermittel wegen zu hoher Anforderungen und unpraktikabler Regelungen von den Unternehmen gar nicht mehr nachgefragt werden. Frage 4. Welche Kennzahlen könnten nach Ansicht der Landesregierung Grundlage für eine Wirtschaftsförderung mit sozialen Kriterien sein? Das Förderkriterium ist die Anzahl der geschaffenen bzw. gesicherten Arbeitsplätze in den Förderprogrammen Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW), IWB-EFRE und dem Hessischen Strukturförderprogramm. Ein wesentliches soziales Kriterium ist hier die Dauerhaftigkeit der geschaffenen Arbeitsplätze, die nach Abschluss der Förderung überprüft wird. Eine weitere Differenzierung wird vor folgendem Hintergrund nicht für sinnvoll gehalten: Die EU-beihilferechtlich zulässigen, relativ geringen Fördersätze von 30/20/10 % (bis Mitte 2014 35/25/15 %) für kleine/mittlere/große Unternehmen im Werra-Meißner-Kreis bzw. von 20/10 % für kleine/mittlere Unternehmen im übrigen Fördergebiet lassen zudem aus grundsätzlichen Anreizerwägungen keine weiteren Differenzierungen mehr zu, um eventuellen weiteren Unterkriterien gerecht zu werden. Das gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass bis Mitte 2014 im direkt angrenzenden Fördergebiet Thüringens Fördersätze bis 50 % (EUbeihilferechtlich max. zulässiger Fördersatz zur Förderung von kleinen Unternehmen in Thüringen ) zur Anwendung kamen und nur durch Ausschöpfung der hessischen Fördersätze das Fördergefälle halbwegs kompensiert werden konnte. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4364 3 Vor diesem Hintergrund hat die hessische Förderpraxis ohnehin fast ausnahmslos die hier gültigen Höchstfördersätze bei der Verfolgung des Arbeitsplatzziels zur Anwendung gebracht bzw. bringen müssen. Ein Spielraum für Zuschläge/Abschläge bei der Förderung wegen der Erreichung /Verfehlung denkbarer Zusatzkriterien hat in dieser Situation überhaupt nicht bestanden. Unter diesen Gesichtspunkten ist in der Ausrichtung der Förderung auf das reine Arbeitsplatzziel und der damit verbundenen Einkommensentstehung implizit die Verfolgung des wichtigsten sozialen Kriteriums zu sehen: Der Erzielung von eigenem Einkommen in der Region, Vermeidung von Pendelbewegungen in die Ballungsgebiete und Unabhängigkeit von Transfereinkommen . Frage 5. Wäre ein Bonussystem, bei der die Einhaltung bestimmter Vorstellungen nach guter Arbeit erfüllt werden, für die Landesregierung vorstellbar? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie könnte dies aussehen? Die Einführung von Zusatzkriterien und deren finanzielle Würdigung im Rahmen der bestehenden Förderung können nicht als Aufschlag auf die üblichen Fördersätze erfolgen. Der EUrechtlich höchstzulässige Fördersatz wird in der hessischen Förderpraxis bereits im Hinblick auf das Arbeitsplatzziel ausgeschöpft. Ein Bonussystem für das Erreichen weiterer qualitativer Ziele bei der Arbeitsplatzförderung ist demnach nicht möglich. Theoretisch käme also nur ein "Malussystem" in Betracht, indem bei Verfehlen der weiteren Ziele Abschläge von der Förderung vorzunehmen wären. Dies wird aus den in der Antwort zu Frage 4 genannten Gründen nicht für sinnvoll erachtet. Frage 6. Wie bewertet sie die Erfahrung in anderen Bundesländern mit eben solchen sozialen Kriterien in der Wirtschaftsförderung? Es ist bekannt, dass beispielsweise das Land Thüringen, zumindest in der Zeit, als dort noch Förderhöchstsätze von bis zu 50 % angewandt werden konnten, auch soziale Kriterien als Nebenziele in die Förderung aufgenommen hat. Eine hierzu aus hessischer Perspektive vorgenommene Behandlung des Themas war bereits damals zur vorstehenden Einschätzung gelangt. Welche einschlägigen Erfahrungen das Land Thüringen mit dieser Förderpraxis gemacht hat und ob diese dort auch bei den inzwischen stark abgesenkten Höchstfördersätzen (aktuell max. 35 %) beibehalten wird, ist nicht bekannt. Wiesbaden, 22. Februar 2017 Tarek Al-Wazir