Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 10. Januar 2017 betreffend Umstellung von Lehrplänen zu Schulcurricula und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Kerncurricula bilden seit dem Schuljahr 2011/2012 die curriculare Grundlage des Unterrichts in der Primarstufe und den Bildungsgängen der Sekundarstufe I. Inzwischen wurden ergänzend Kerncurricula für alle allgemeinbildenden Fächer der gymnasialen Oberstufe entwickelt. Der einzelnen Schule obliegt eine weitere Konkretisierung der Kerncurricula. Sie kann sich für die Entwicklung eines schulinternen Curriculums entscheiden. Die Schulcurricula werden auf Basis der Kerncurricula, die den Erwerb verbindlicher Inhalte und Kompetenzen zum Ende der Schulstufe festlegen, individuell entwickelt. Solange kein Beschluss der Schule zu einem Schulcurriculum vorliegt, gelten der bisherige Rahmenplan für die Grundschule beziehungsweise die bisherigen Lehrpläne für die Bildungsgänge der Sekundarstufe I. Vorbemerkung des Kultusministers: In der Primarstufe und der Sekundarstufe I gelten die Lehrpläne und Rahmenpläne für die Grundschule und die Bildungsgänge der Sekundarstufe I an den Schulen, in denen kein Beschluss über ein Schulcurriculum vorliegt. Dies gilt jedoch nur unter der Maßgabe, dass die Schule festlegt, wie die Inhalte der Lehrpläne und Rahmenpläne mit den Kompetenzfestlegungen der Kerncurricula verknüpft werden. Die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe sind keine Ergänzung der Kerncurricula für die Primarstufe und die Sekundarstufe I. Vielmehr ist das Hessische Kultusministerium durch die Erarbeitung eines anschlussfähigen Kerncurriculums für die gymnasiale Oberstufe einen weiteren Schritt auf dem Weg der Kompetenzorientierung gegangen, der mit der Einführung der Kerncurricula für die Primarstufe und die Sekundarstufe I eingeschlagen wurde. Im Unterschied zu der Primarstufe und der Sekundarstufe I obliegt der einzelnen Schule in der gymnasialen Oberstufe keine weitere Konkretisierung der Kerncurricula in Form eines Schulcurriculums. Frage 1. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung der Schulcurricula an den einzelnen hessischen Schulen? (Darstellung bitte nach Schulform) Beschließt eine Schule ein Schulcurriculum nach § 4 Abs. 4 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG), bildet dieses den schulinternen, verbindlichen Rahmen für die Arbeit im Unterricht, d.h. das Schulcurriculum ist ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung verbindlich umzusetzen. Zum Stand der Umsetzung der Schulcurricula an den einzelnen hessischen Schulen wurden vom Hessischen Kultusministerium keine Erhebungen durchgeführt. Es liegen dementsprechend keine Angaben vor. Frage 1. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung der Schulcurricula an den einzelnen hessischen Schulen? (Darstellung bitte nach Schulform) Beschließt eine Schule ein Schulcurriculum nach § 4 Abs. 4 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG), bildet dieses den schulinternen, verbindlichen Rahmen für die Arbeit im Unterricht, d.h. das Schulcurriculum ist ab dem Zeitpunkt der Beschlussfassung verbindlich umzusetzen. Zum Stand der Umsetzung der Schulcurricula an den einzelnen hessischen Schulen wurden vom Hessischen Kultusministerium keine Erhebungen durchgeführt. Es liegen dementsprechend keine Angaben vor. Eingegangen am 22. Februar 2017 · Bearbeitet am 23. Februar 2017 · Ausgegeben am 28. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4369 22. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4369 Frage 2. Ab welchem Zeitpunkt sollen nach Auffassung der Landesregierung alle Schulen nach ihren jeweiligen Schulcurricula arbeiten bzw. ab wann verlieren die früheren Lehrpläne final ihre Gültigkeit? Gemäß der Verordnung über die hessischen Kerncurricula (Bildungsstandards und Inhaltsfelder) für die Primarstufe und die Sekundarstufe I vom 31. Mai 2011 (ABl. 7/11 S. 230, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Mai 2013 (ABl. 10/13 S. 666),2 besteht für die Schulen keine Verpflichtung zur Entwicklung und Verabschiedung eines Schulcurriculums. Eine Änderung dieser Vorgabe ist nicht beabsichtigt. Deshalb gibt es keinen Zeitpunkt, ab dem alle Schulen auf der Grundlage eines Schulcurriculums arbeiten sollen. An dieser Stelle wird nochmals auf die Vorbemerkung hingewiesen. Liegt kein Beschluss der Schule zu einem Schulcurriculum vor, gelten derzeit die bisherigen Lehrpläne und Rahmenpläne für die Grundschule und die Bildungsgänge der Sekundarstufe I unter der Maßgabe, dass die Schule festlegt, wie die Inhalte der Lehrpläne und Rahmenpläne mit den Kompetenzfestlegungen der Kerncurricula verknüpft werden. Eine Änderung dieser Regelung ist beabsichtigt. Zukünftig werden an den Schulen, in denen kein Beschluss über ein Schulcurriculum vorliegt, die "Konkretisierungen der Inhaltsfelder", die derzeit in Fachteams im Auftrag des Kultusministeriums und unter der Federführung der Hessischen Lehrkräfteakademie erarbeitet werden, unter der Maßgabe der entsprechenden Änderungsverordnung gelten. Das Inkrafttreten der Änderungsverordnung ist zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 beabsichtigt. Frage 3. Wie ist an den einzelnen Schulen zu verfahren, wenn zu diesem Zeitpunkt kein eigenes Schulcurriculum entwickelt wurde? Auf die Beantwortung zu Frage Nr. 2 wird verwiesen. Frage 4. Welchen Arbeitsaufwand veranschlagt die Landesregierung für die Entwicklung von Schulcurricula an jeder Schule durch dortige Lehrkräfte? (Darstellung nach bereits angefallener Arbeitszeit seit der Einführung einerseits und noch ausstehender Arbeitszeit zur Entwicklung andererseits) Eine derartige Angabe ist weder allgemeingültig noch schulspezifisch möglich, da alle Schulen eigenverantwortlich darüber entscheiden, ob, in welchem Zeitraum und in welchen Etappen sowie mit welcher Projektstruktur sie ein Schulcurriculum entwickeln und welche Elemente dieses enthält. Frage 5. Auf welche Art und Weise wird ein zeitlicher oder finanzieller Ausgleich für den geleisteten Mehraufwand durch die hessischen Lehrkräfte gewährt? Schulleiterinnen oder Schulleiter können Lehrkräften sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen besondere außerunterrichtliche Tätigkeiten sowie in selbstständigen Schulen nach § 127d HSchG die nach den §§ 127d Abs. 21 Nr. 2 und 127c Abs. 21 Satz 2 HSchG zugelassenen Aufgaben übertragen und dafür Anrechnungen auf die wöchentliche Pflichtstundenzahl aus dem Leiterdeputat, Leitungsdeputat, dem zusätzlichen Leiter- und Leitungsdeputat gemäß § 3 Abs. 5 und 6 der Pflichtstundenverordnung oder dem Zuschlag zur Grundunterrichtsversorgung gewähren (vgl. Verordnung über die Pflichtstunden der Lehrkräfte (Pflichtstundenverordnung) vom 25. Juni 2012 (ABl. 7/12 S. 322) § 3 Abs. 4). Frage 6. Kam es seit der Einführung der Kerncurricula durch die Entwicklung der Schulcurricula zu zusätzlichem Unterrichtsausfall, z.B. durch pädagogische Tage an Schulen? Der durch pädagogische Tage bedingte Unterrichtsausfall darf höchstens einen Unterrichtstag pro Schuljahr umfassen. Der Ausfall von Unterricht, um stattdessen Aufgaben im Kontext der Unterrichts- oder Schulentwicklung, zu der auch die Entwicklung eines Schulcurriculums gehört , wahrzunehmen, ist grundsätzlich nicht zulässig. Es liegen dem Kultusministerium keine Informationen vor, dass eine Schule im Kontext der Entwicklung ihres Schulcurriculums gegen diese Vorgaben verstoßen hat. Frage 7. Welchen pädagogischen und didaktischen Nutzen verfolgt die hessische Landesregierung mit ihrer Entscheidung, in allen Schulen durch nicht für die Lehrplanerstellung ausgebildete Lehrkräfte individuelle Schulcurricula entwickeln zu lassen? Die Entwicklung landesweit verbindlicher curricularer Grundlagen (Rahmenpläne, Lehrpläne, Bildungsstandards, Kerncurricula u.a.) erfolgt auf der Grundlage aktueller fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Kenntnisse sowie der fachlichen und pädagogischen Kompetenz erfahrener Lehrkräfte. Dies wurde auch bei der Entwicklung der hessischen Kerncurricula (Bildungsstandards und Inhaltsfelder) für die Primarstufe und die Sekundarstufe I durch die Bildung der entsprechenden Fachkommissionen mit erfahrenen Lehrkräften und durch die Einbeziehung fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Expertisen gewährleistet. Die Kerncurricula sind Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4369 3 seit ihrer Einführung zu Beginn des Schuljahres 2011/2012 die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen der Primarstufe und Sekundarstufe I. Eine schulspezifische Veränderung ist nicht zulässig. Ein Schulcurriculum stellt weitere inhaltliche Konkretisierungen dar, die aus den verbindlichen Kerncurricula entwickelt wurden. Auch bei der unterrichtlichen Arbeit auf der Grundlage von Lehrplänen sind inhaltliche Konkretisierungen und eine Auswahl aus fakultativen Vorgaben durch die Lehrkraft erforderlich. Diese nimmt die Lehrkraft auf der Grundlage ihres fachlichen Könnens und ihrer pädagogischen Befähigung vor. Gleiches gilt für die Entwicklung eines Schulcurriculums. Der Unterschied zwischen der Arbeit auf der Grundlage von Lehrplänen und der Entwicklung eines Schulcurriculums besteht einerseits in dem Umfang des Freiraums, der den Lehrkräften für die inhaltlichen Konkretisierungen gewährt wird, und andererseits in der Tatsache, dass die Entwicklung eines Schulcurriculums eine gemeinsame Festlegung der inhaltlichen Konkretisierungen in den Fachkommissionen sowie in der Gesamtkonferenz voraussetzt, während die Arbeit auf der Grundlage von Lehrplänen derartige Absprachen und Vereinbarungen zwar ermöglicht, jedoch nicht zwingend erfordert. Die Landesregierung verfolgt mit der Option zur Entwicklung und Verabschiedung eines Schulcurriculums das Ziel, der jeweiligen Schule einen größeren Freiraum zu ermöglichen, um in der konkreten methodischen und inhaltlichen Ausgestaltung des Unterrichts die Bedürfnisse und Interessen ihrer Schülerinnen und Schüler, die regionalen und schulspezifischen Bedingungen sowie ihr Schulprofil stärker zu berücksichtigen, als dies durch die bisherigen Lehrpläne gewährleistet werden konnte. Frage 8. Ist ausgeschlossen, dass jede Schule individuell festlegt, welches Thema sie in welcher Jahrgangsstufe behandelt, und somit Schulwechsel erschwert? Wie in der Beantwortung auf die Frage Nr. 7 bereits skizziert, sind auch bei der unterrichtlichen Arbeit auf der Grundlage von Lehrplänen inhaltliche Konkretisierungen und eine Auswahl aus fakultativen Vorgaben durch die Lehrkraft erforderlich. Die Arbeit auf der Grundlage der Bildungsstandards und Inhaltsfelder unterscheidet sich darin, dass der gewährte Freiraum größer ist. Dieser Freiraum wird sowohl in den Lehr- und Rahmenplänen als auch in den Bildungsstandards und Inhaltsfeldern bewusst gewährt, um für die jeweilige Lehrkraft die Handlungsspielräume zu schaffen, die sie für eine pädagogisch sinnvolle Schwerpunktsetzung in der Ausgestaltung des Unterrichts im Sinne einer individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler benötigt . Weder in den Zeiten, in denen die Lehrpläne und Rahmenpläne landesweit die curriculare Grundlage dargestellt haben, noch seit der Einführung der Bildungsstandards und Inhaltsfelder haben sich grundsätzliche strukturelle Schwierigkeiten, z.B. im Kontext von Schulwechseln, gezeigt, die sich aus der Gewährung dieses pädagogischen Freiraums ergeben. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass alle curricularen Grundlagen (d.h. auch die Lehrpläne und Rahmenpläne ) auf den Erwerb von Kompetenzen ausgerichtet sind, die verbindlich am Ende der Primarstufe und Sekundarstufe erworben sein müssen und die in den Zielformulierungen im Rahmenplan für die Grundschule, den Abschluss- und Übergangsprofilen für die Sekundarstufe I sowie in den Bildungsstandards landesweit einheitlich ausgewiesen sind. Wiesbaden, 10. Februar 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz