Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 10.01.2017 betreffend Racial Profiling in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragesteller: Racial Profiling bezeichnet eine in Deutschland unzulässige Methode, wonach äußerliche Merkmale einer Person wie Hautfarbe oder Gesichtszüge Grundlage für Maßnahmen der Polizei wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen sind. In Zusammenhang mit dem Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln hat dieser Begriff wieder an Aktualität gewonnen. Laut Medienberichten sortiert die Polizei am Ausgang des Kölner Hauptbahnhofs Männer dunkler Hautfarbe durch eine gesonderte Tür in einen abgeriegelten Bereich des Bahnhofsvorplatzes. Diesen Bereich konnten sie nur nach Überprüfung ihrer Personalien verlassen, teilweise erst nach Stunden. Während des Einsatzes erklärte die Polizei auf Twitter: "Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft." Diese Abkürzung steht offensichtlich für "nordafrikanische Intensivstraftäter". Laut Amnesty International handelt es sich bei dem Einsatz der Polizei in Köln um einen eindeutigen Fall von Racial Profiling. Die Polizei habe gegen völker- und europarechtliche Verträge und auch gegen das im deutschen Grundgesetz verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wird die Abkürzung "Nafri" auch von der hessischen Polizei verwendet und wofür steht sie? Nein, die Abkürzung "Nafri" wird von der hessischen Polizei nicht verwendet. Frage 2. Falls zutreffend: In welchen Zusammenhängen wird der Begriff verwendet? Frage 3. Falls zutreffend: Welche Herkunftsländer umfasst der Begriff? Frage 4. Falls zutreffend: Nach welchen äußerlichen Merkmalen werden Menschen bei Polizeieinsätzen unter diesen Begriff subsumiert? Die Beantwortung der Fragen 2 bis 4 entfällt, da die Abkürzung "Nafri" von der hessischen Polizei nicht verwendet wird. Frage 5. Welche anderen Abkürzungen verwendet die hessische Polizei zur Bezeichnung von Menschen aus bestimmen Herkunftsländern? Zum Schutz nationaler Minderheiten vor Verwendung diskriminierender Kennzeichnungen durch die Polizeibehörden in Hessen ist verbindlich festgelegt, dass sich die Angehörigen der hessischen Polizei keiner Stigmatisierung, Kategorisierung oder pauschalen Bezeichnung von Menschen bedienen und keine Ersatzbezeichnungen oder Begriffe, die tatsächlich oder subjektiv geeignet sind, einen Menschen, eine Ethnie, eine Volkszugehörigkeit oder eine Minderheit zu diskriminieren, zu stigmatisieren oder abzuqualifizieren, verwenden. Frage 6. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, wonach äußerliche Merkmale einer Person wie Hautfarbe oder Gesichtszüge Grundlage für Maßnahmen der Polizei wie etwa Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen waren? Bei der hessischen Polizei sind keine Fälle im Sinne der Fragestellung bekannt. Gleichwohl sind äußerliche Merkmale einer Person in der täglichen Arbeit der Polizei, beispielhaft anlässlich Eingegangen am 23. März 2017 · Bearbeitet am 24. März 2017 · Ausgegeben am 29. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4379 23. 03. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4379 von Personenfahndungen oder Ermittlungen bedeutsam. Neben Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körperstatur, Haarfarbe ist beispielsweise auch die Hautfarbe ein äußerliches Merkmal, das zur Identifizierung einer Person dienen und zum Fahndungserfolg führen kann. Frage 7. Wie viele Klagen, Anzeigen oder Beschwerden gab es seit 2000 wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Racial-Profiling-Maßnahmen der hessischen Polizei? (Bitte nach Jahren auflisten) Wie unter Frage 6 bereits beantwortet, sind bei der hessischen Polizei keine Fälle bekannt, bei denen polizeiliche Maßnahmen, insbesondere Personenkontrollen, ausschließlich aufgrund phänotypischer Merkmale einer Person, wie beispielsweise Haarfarbe, Hautfarbe, Ethnie, Religionszeichen , Sprache etc., durchgeführt wurden. Gleichwohl wurden im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen, die aufgrund anderer Ursachensetzung durchgeführt wurden, Vorwürfe vermeintlicher Racial-Profiling-Maßnahmen gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte vorgetragen. Eine statistische/anonymisierte Erhebung zu Vorwürfen betreffend vermeintlicher oder tatsächlicher Racial-Profiling-Maßnahmen durch die hessische Polizei wird nicht vorgehalten. Die Anzahl der in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Klagen, Anzeigen bzw. Beschwerden gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte beruht daher auf einer händischen Auswertung der Akten der Polizeibehörden, die noch innerhalb der Aufbewahrungsfristen des Erlasses zur Aktenführung in den Dienststellen des Landes Hessen (AfE) vom 14. Dezember 2012 (StAnz. 2013 S. 3) liegen und somit noch nicht ausgesondert werden mussten. In der Tabelle sind die Fälle aufgeführt, bei denen das polizeiliche Handeln aus Sicht des Klagenden/Anzeigenden bzw. des Beschwerdeführers explizit aufgrund phänotypischer Merkmale veranlasst war. Jahr Anzahl der Klagen, Anzeigen, Beschwerden gegen hessische Polizeibeamtinnen und -beamte aufgrund von Vorwürfen wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Racial-Profiling-Maßnahmen 2011 3 2012 7 2013 3 2014 5 2015 6 2016 8 Frage 8. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um ein rechtswidriges Racial Profiling zu verhindern(etwa durch Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen, Anti-Rassismus-Trainings, durch gesonderte Hinweise im Einsatzbefehl etc.)? Im Rahmen des Polizeistudiums an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) hat das Thema "Interkulturelle Kompetenz" einen hohen Stellenwert. Neben der allgemeinen und regelmäßigen themenbezogenen Behandlung in den Studienfächern Berufsethik, Kriminalistik, und Psychologie, sowie im Einsatztraining und den Rechtswissenschaften, wird das Themenfeld auch in verschiedenen zusätzlichen Veranstaltungen thematisiert. Damit verknüpfte Kompetenzziele sind - neben der Erweiterung der interkulturellen Kompetenz im Umgang mit kulturellen Unterschieden innerhalb und außerhalb der Polizei ("Managing Diversity ") - beispielhaft das Erkennen der Bedeutung von Wertentscheidungen als Grundlage rechtlichen Handelns, das Reflektieren von Werten, die als Orientierung für polizeiliches Handeln in Betracht kommen sowie das Erkennen und Beurteilen ethischer Problemlagen. Daneben wird z.B. bei der Vermittlung der Studieninhalte zum Thema "Fahndung" die Gefährlichkeit von auf Stereotypen und auf äußerlichen Merkmalen basierendem Handeln diskutiert und veranschaulicht sowie auf die Ineffektivität solcher Handlungsweisen hingewiesen. Diese Inhalte werden sowohl mit den Studierenden im Studiengang Schutzpolizei als auch mit den Studierenden im Studiengang Kriminalpolizei intensiv bearbeitet. Hierbei wird bei den Studierenden ein Bewusstsein für die generelle Kulturabhängigkeit des Denkens, Deutens und Handelns und für den wertschätzenden und korrekten Umgang mit allen Bürgerinnen und Bürgern entwickelt, gänzlich unabhängig von ihrer Herkunft. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4379 3 In der polizeilichen Fortbildung an der Polizeiakademie Hessen (HPA) wird der Schutz von Minderheiten u.a. in den Seminaren des Fachbereichs Einsatzmanagement /Recht umfassend thematisiert. Hierbei wird auch das Thema "Schutz vor der Verwendung diskriminierender Minderheitenkennzeichnungen durch Beschäftigte von Polizeibehörden" intensiv erörtert. Im Fachbereich Führungsmanagement/Personalentwicklung werden zudem spezielle Seminare zum Themenfeld "Interkulturelle Kompetenz" angeboten. Fester Bestandteil dieser Veranstaltungen sind Lehrgespräche und Diskussionen über Stereotype, Vorurteile, "racial profiling" und den sogenannten "labeling approach" bzw. Stigmatisierung. Ziel ist die Sensibilisierung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Hinblick auf die entsprechenden Begriffe, um damit zusammenhängende psychologischen Dynamiken, Verhaltensweisen und letztlich auch die Risiken für ein professionelles und ethisch korrektes Polizeihandeln bewusst zu machen. Das zugehörige Konzept sieht darüber hinaus die Qualifizierung von Multiplikatoren und sukzessive die dezentralisierte Vermittlung der Inhalte bei den Behörden vor. Auch im Rahmen der kriminalpolizeilichen Spezialfortbildung besitzt die Thematik "Interkulturelle Kompetenz" einen hohen Stellenwert und wird in verschiedenen Fortbildungsveranstaltungen - auch unter Einsatz von Fremdreferentinnen und Fremdreferenten aus unterschiedlichen Kulturkreisen - im Kontext der jeweiligen Fachspezifik behandelt (z.B. in den Seminaren Urkundendelikte, Jugendsachbearbeitung, Häusliche Gewalt oder Kriminalpolizeiliche Kompetenz ). Anlässlich von Lagen, die eine besondere Aufbauorganisation (BAO) erfordern oder Sonderlagen , wird durch den polizeilichen Führungsstab ein Sprachgebrauch vorbereitet und ggf. ad hoc in Abstimmung mit dem Polizeiführer festgelegt, der neben vielen weiteren Aspekten auch darauf achtet, dass keine diskriminierenden Begrifflichkeiten benutzt werden. Frage 9. Wie hoch ist der Anteil von Beamtinnen und Beamten mit Migrationshintergrund innerhalb der hessischen Polizei? (bitte nach Dienststellen aufschlüsseln) Die hessische Polizei führt keine Statistik darüber, wie viele Personen mit Migrationshintergrund in der hessischen Polizei tätig sind. Jedoch werden seit 2009 jeweils zu Studienbeginn die Anwärterinnen und Anwärter des gehobenen Polizeivollzugsdienstes im Rahmen einer anonymisierten Umfrage auch zu einem möglichen Migrationshintergrund (basierend auf der Definition des Mikrozensus) befragt. Aufgrund der hohen Rücklaufquote von über 90 % kann die Aussage getroffen werden, dass seit 2009 der Migrationshintergrund bei den Neueinstellungen durchschnittlich über 15 % liegt. Wiesbaden, 11. März 2017 Peter Beuth