Kleine Anfrage der Abg. Eckert, Barth, Frankenberger, Faeser, Gremmels, Grüger, Weiß (SPD) vom 11.01.2017 betreffend Weiterentwicklung touristischer Rahmenbedingungen in Hessen und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Tourismus ist in den unterschiedlichen Destinationen unseres Landes von besonderer Bedeutung für Wertschöpfung und Beschäftigung vor Ort. Hierzu haben die unterschiedlichen Akteure unterschiedliche Aufgaben um gemeinsam Hessen und seine Regionen als Tourismusland zu vermarkten und weiter zu entwickeln. Die Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport und der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Wie hat sich die hessische Tourismuswirtschaft in den letzten 4 Jahren entwickelt? Nachdem im Jahr 2012 mit 30 Mio. statistisch erfassten Übernachtungen und 13 Mio. Gästeankünften die höchsten jemals erreichten Werte erzielt wurden, sind diese touristischen Kennzahlen kontinuierlich weiter gestiegen. Im Jahr 2015 wurden 32,2 Mio. Übernachtungen und 14,3 Mio. Gästeankünfte statistisch erfasst. Dies entspricht einer Steigerungsrate von 7,3 % bei den Übernachtungen und 10,0 % bei den Gästeankünften im Zeitraum 2012 bis 2015. Für das Jahr 2016 ist eine erneute Steigerung zu erwarten. Die Schätzung auf Basis der Novemberwerte ergibt 32,5 Mio. Übernachtungen und 14,5 Mio. Gästeankünfte. Damit werden voraussichtlich neue Höchstwerte bei moderatem Wachstum von 1,2 % erreicht. Frage 2. Welche konkreten Auswirkungen hatten der "Tourismuspolitische Handlungsrahmen Hessen 2015" und der "Strategische Marketingplan für den Tourismus 2014 bis 2018"? Ein prioritäres Handlungsfeld im Tourismuspolitischen Handlungsrahmens Hessen 2015 ist die Finanzierung von Infrastruktur und Marketing. Mit der Änderung des § 13 im Hessischen Kommunalabgabengesetz im Dezember 2015 wurde touristisch geprägten Kommunen die Möglichkeit eröffnet, einen Tourismusbeitrag von Übernachtungs- und Tagesgästen zu erheben. Das Verfahren für die Anerkennung als Tourismusort wird in der "Verordnung über die Anerkennung als Kur-, Erholungs- oder Tourismusort" (GVBl Nr. 18/2016) geregelt. Eine weitere Auswirkung des Tourismuspolitischen Handlungsrahmens Hessen 2015 ist die Installation eines systematischen Umsetzungsmanagements. Hierfür wurde im Mai 2016 ein Dienstleistungsauftrag an den Hessischen Tourismusverband (HTV) über drei Jahre mit der Option auf Verlängerung um zwei Jahre vergeben. Mit dem Umsetzungsmanagement wird eine kontinuierliche Beratung der touristischen Akteure vor Ort gewährleistet. Eine erste Auswirkung ist, dass die Prozesse zur Verbesserung der Organisationsstrukturen in den Destinationen deutlich intensiviert wurden und konkrete Schritte angegangen werden. Der Strategische Marketingplan 2014-2018 setzt klare Schwerpunkte für die touristische Entwicklung Hessens. Er dient in der täglichen Arbeit als Leitlinie und Orientierung für die Ausrichtung aller Marketingaktivitäten der touristischen Akteure. Er hat zur Konsensbildung in der strategischen Ausrichtung durch Einbindung aller wichtigen Akteure gesorgt. Insbesondere dient er als Grundlage für die jährliche operative Marketingplanung und -durchführung. Eingegangen am 17. Februar 2017 · Bearbeitet am 20. Februar 2017 · Ausgegeben am 24. Februar 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4381 17. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4381 Frage 3. Welche Akteure sind bei der Evaluierung der v. g. Pläne beteiligt? Bereits bei der Erstellung des Tourismuspolitischen Handlungsrahmen Hessen 2015 waren touristische Akteure in der Lenkungsgruppe beteiligt (Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hessischer Tourismusverband e.V., HA Hessen Agentur GmbH, Hessischer Heilbäderverband e.V., Arbeitsgemeinschaft der hessischen Industrie - und Handelskammern, Deutscher Hotel- und Gastronomieverband Hessen e.V., Tourismusbeirat bei der HA Hessen Agentur GmbH). Diese Lenkungsgruppe begleitet auch das Umsetzungsmanagement und wurde um den Hessischen Städte- und Gemeindebund, den Hessischen Städtetag und den Hessischen Landkreistag erweitert. Die Lenkungsgruppe ist in alle Arbeitsschritte eingebunden. Grundlage für die Evaluierung des Handlungsrahmens bildet während des Umsetzungsprozesses der jährliche Monitoringbericht , der durch den Auftragnehmer HTV vorzulegen ist. In den Prozess der Weiterentwicklung des Strategischen Marketingplans 2014-2018 waren neben der Abteilung Tourismus- und Kongressmarketing der HA Hessen Agentur GmbH vor allem der Touristische Marketingbeirat bei der HA Hessen Agentur GmbH sowie seine thematischen Arbeitskreise eingebunden. Vor allem über die im Touristischen Marketingbeirat vertretenen Akteure konnte eine Rückkopplung in alle wesentlichen Verbände, Institutionen und Akteursgruppen im hessischen Tourismus erreicht werden. In regelmäßigen Sitzungen des Marketingbeirats wird die Umsetzung der in den thematischen Arbeitskreisen entwickelten Maßnahmen nachverfolgt und evaluiert. Frage 4. Welche Themenfelder werden nach Ansicht der Landesregierung die Schwerpunkte der kommenden Jahre am Tourismusstandort Hessen sein? Die wichtigen Themenfelder für die nächsten Jahre werden durch den Tourismuspolitischen Handlungsrahmen Hessen 2015 definiert. Er stellt die strategische Orientierung für die Tourismuspolitik des Landes und für die tourismusrelevanten Akteure dar und enthält Ziele, Strategielinien und Handlungsfelder für die folgenden Themenkomplexe: Optimierung der Organisationsstrukturen. Finanzierungsmodelle für eine wettbewerbsfähige Ressourcenausstattung im Tourismus. Digitalisierung auf allen Ebenen des Tourismus. Inhaltliche Weiterentwicklung der bestehenden Handlungsansätze in den Bereichen Nachfolgeproblematik , Fachkräftemangel, Qualitätsverbesserung, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit und Markenbildung. Intensivierung der Zusammenarbeit und Ableitung strategischer Handlungsansätze mit den Funktionalpartnern der ländlichen Entwicklung, der Schutzgebiete und der regionalen Produkte . Für den Bereich des landesweiten Tourismusmarketings definiert der Strategische Marketingplan 2014 bis 2018 das zielgruppen- und quellmarktorientierte Themenmarketing als zentrale Säule. Die Marktbearbeitung entsprechend der Bedürfnisse der in klar definierte Zielgruppen eingeteilten Gäste und die quellmarktscharfe Bearbeitung haben sich als erfolgreich erwiesen. Folgende Profilthemen wurden für Hessen auf Grundlage von Marktforschung ermittelt und mit den Destinationen verbindlich vereinbart: Natur- und Landerlebnis, Städteerlebnis, Wellness, Tagungen. Neueste Marktforschungserkenntnisse darüber, welche Zielgruppen und Themen zukünftig auf Landesebene anzusprechen sind, werden bei einer Fortschreibung des Strategischen Marketingplans über das Jahr 2018 hinaus berücksichtigt. Frage 5. In welchen Bereichen besteht nach Ansicht der Landesregierung noch Handlungsbedarf? Der prioritäre Handlungsbedarf für die nächsten Jahre im hessischen Tourismus wird im Tourismuspolitischen Handlungsrahmen Hessen 2015 beschrieben. Alle in der Antwort zu Frage 4 genannten Handlungsfelder werden bearbeitet. Frage 6. Wie hoch sind die für die Förderung der Hessischen Tourismuswirtschaft zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel in den vergangenen 5 Haushaltsjahren und erachtet die Landesregierung eine Änderung der Fördermittel und ihrer Struktur für notwendig? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Ziel und Umfang? Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung setzt Mittel des Landes, des Bundes und der Europäischen Union für die Tourismusförderung ein. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4381 3 Unterstützt werden Projekte der öffentlichen touristischen Infrastruktur, touristische Marketingmaßnahmen , Tourismuskonzepte auf Landes- und Destinationsebene sowie landesweite und regionale Beratungsmaßnahmen zur Qualitätsverbesserung. In den Jahren 2012 bis 2016 wurden insgesamt Fördermittel in Höhe von 26 Mio. € eingesetzt, davon Fördermittel des Landes in Höhe von 12,5 Mio. €, der Bund-Länder Gemeinschaftsinitiative "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" in Höhe von 3,9 Mio. € und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in Höhe von 9,6 Mio. €. Für öffentliche touristische Infrastruktur wurden 2012 bis 2016 insgesamt 15,5 Mio. € aus Landes-, Bundes- und EU-Mitteln eingesetzt. Damit wurde ein Investitionsvolumen in Höhe von 37,4 Mio. € ausgelöst. Das touristische Landesmarketing wurde in diesem Zeitraum mit 9,4 Mio. € gefördert. Die Tourismuswirtschaft wird auch im Rahmen der Unternehmensförderung unterstützt. In den Jahren 2012 bis 2016 wurden im Kreditprogramm "Gründung und Wachstum" in der touristischen Kernbranche "Beherbergung" (Hotels, Gasthöfe, Pensionen, Campingplätze und sonstige Beherbergungsbetriebe) Darlehen in Höhe von insgesamt 23,7 Mio. € bereitgestellt. Im Rahmen der Bund-Länder Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wurden im selben Zeitraum 3,4 Mio. € Zuschüsse für Beherbergungsbetriebe eingesetzt. Im ländlichen Raum Hessens werden touristische Projekte außerdem in den Fördergebieten des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) unterstützt . Für touristische Infrastruktur und Naturparkinfrastruktur wurden 2007 bis 2014 insgesamt 6,5 Mio. € aus EU- und Landesmitteln eingesetzt. Seit 2014 werden jährlich 125.000 € für das Marketing im Profilthema "Natur- und Landerlebnis" bereitgestellt; einmalig wurden im Jahr 2016 100.000 € für Qualifizierungsmaßnahmen zur regionalen Produktentwicklung aus Mitteln der EU und des Landes bereitgestellt. Eine Änderung der Fördermittel in ihrer Struktur ist nicht geplant, da sich die Förderinstrumente bewährt haben. Frage 7. Welche Qualitätsanforderungen werden an Destinationen gestellt, um in eine unmittelbare Mitfinanzierung des Landes zu gelangen? Im Tourismuspolitischen Handlungsrahmen Hessen 2015 werden für die Destinationsorganisationen Mindestanforderungen festgelegt. Die Kriterien beziehen sich auf Personalausstattung (mindestens 7 Vollzeitäquivalente, mindestens 5 Beschäftigte mit tourismusfachlicher Ausbildung , regelmäßige Weiterqualifizierung), finanzielle Ressourcen (mindestens 800.000 € p.a. Gesamtbudget, mindestens 350.000 € p.a. Maßnahmenbudget, mindestens 200.000 € p.a. aus Marketingbeteiligungen), Destinationsnachfrage (mindestens 1,5 Mio. Übernachtungen, mindestens 15.000 Gästebetten, mindestens 10 Mio. Tagesreisen), stabile Destinationsidentität (z.B. gemeinsame Entwicklung von Infrastruktur und Angeboten, Vernetzung), Destinationsmanagement (z.B. Tourismuskonzept, mit allen Partnern verzahnte Marketingplanung) sowie Destinationsresonanz und -wirkung (z. B. mindestens 80 % gestützte Markenbekanntheit, mindestens 80 % TrustYou-Score). Bisher erfüllt lediglich die Destination Nordhessen die Mindestkriterien. Die Destinationen sind aufgefordert bis 2020 die Mindestkriterien zu erfüllen. Es ist zu erwarten , dass die Destinationen mit Unterstützung des Umsetzungsmanagements die Kriterien bis zu diesem Zeitpunkt erfüllen dürften. Frage 8. Welche finanziellen Förderungen können touristischen Arbeitsgemeinschaften seitens des Landes zur Verfügung gestellt werden? Touristische Arbeitsgemeinschaften können für die Zusammenführung ihrer kommunalen Tourismusorganisationen nach der "Rahmenvereinbarung zur Förderung der Interkommunalen Zusammenarbeit " des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport Fördermittel in Anspruch nehmen. Aus diesem Programm wurden seit 2012 sechs Kooperationen gefördert. Nach den Richtlinien des Landes Hessen zur Förderung der regionalen Entwicklung können touristische Marketingaktivitäten ausschließlich auf Destinations- und Landesebene gefördert werden. Eine Unterstützung von Marketingmaßnahmen der touristischen Arbeitsgemeinschaften ist nicht vorgesehen, da die finanziellen und personellen Ressourcen der Kommunen in den touristischen Arbeitsgemeinschaften gebündelt werden und somit wirkungsvoll eingesetzt werden können. Nach den Richtlinien des Landes Hessen zur Förderung der ländlichen Entwicklung werden Vorhaben gefördert, die der Umsetzung eines regionalen Entwicklungskonzeptes dienen . In der aktuellen Förderperiode 2014 bis 2020 konnten einige Vorhaben bewilligt werden, die den Aufbau von touristischen Arbeitsgemeinschaften zum Gegenstand haben. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4381 Frage 9. Wie betreibt das Land Hessen nationales und internationales Marketing für den Tourismusstandort Hessen und welche Mittel standen in den letzten 5 Haushaltsjahren jeweils zur Verfügung sowie welche Co-Finanzierer waren an diesen Maßnahmen in welchem Umfang beteiligt? Auf Basis mehrerer Marktforschungen in den letzten Jahren wurde die Themenkompetenz hessischer Tourismusdestinationen bestimmt und die Ausrichtung des Destinationsmarketings in den Jahren 2015/2016 neu justiert. Der Touristische Marketingbeirat bei der HA Hessen Agentur GmbH hat die Ergebnisse und konkrete Ausrichtung der Marketingmaßnahmen gebilligt. Als primäre Inlands-Quellmärkte für das Landesmarketing wurden definiert: Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern (Nord). Darüber hinaus erfolgt ein fokussiertes Auslandsmarketing in den Niederlanden, Großbritannien, USA, Schweiz und China . Als reiseverhaltensbedingte Zielgruppen für das Landesmarketing wurden auf Landesebene definiert : "Aktive Natur-Genießer", "Qualitätsorientierte Entschleuniger", "Anspruchsvolle kulturorientierte Städtereisende". Das touristische Marketing in Hessen stellt sich auf die Entwicklungen in der Digitalisierung ein und bearbeitet daher den Quellmarkt Hessen vorrangig durch Social-Media-Aktivitäten und Pressearbeit. Die zur Verfügung stehenden Mittel in den letzten fünf Haushaltsjahren definieren sich über den jeweiligen "Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen des Tourismus- und Kongressmarketing" zwischen der HA Hessen Agentur GmbH und dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Hierfür werden jährlich 1,6 Mio. € an Landesmitteln eingesetzt. Hinzu kommen weitere Verträge wie z.B. mit dem Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für das Profilthema Natur- und Landerlebnis in Höhe von aktuell 125.000 €. In fast allen Bereichen des touristischen Landesmarketings sind Co-Finanzierer eingebunden, deren finanzieller Beitrag sich aber nicht pauschal benennen lässt. Co-Finanzierungen erfolgen z.B. durch Messebeteiligungen, Marketingaktionen im In- und Ausland, Kooperation der Städte, Bündelung von Mitteln der Destinationen und Städte zur gemeinsamen Marktbearbeitung. Tarek Al-Wazir