Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 10.01.2017 betreffend Fach Wirtschaftswissenschaft und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Das Kerncurriculum für das Fach Wirtschaftswissenschaft wurde durch die Verordnung über die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe (ABl. 2016 S. 52 vom 15.03.2016) zum Schuljahr 2016/2017 in Kraft gesetzt . Vorbemerkung des Kultusministers: Das Hessische Kultusministerium ist den mit der Einführung der Bildungsstandards (Kerncurricula und Inhaltsfelder) für die Sekundarstufe I eingeschlagenen Weg der Kompetenzorientierung einen Schritt weitergegangen, indem die Erarbeitung anschlussfähiger Kerncurricula für alle Fächer der gymnasialen Oberstufe umgesetzt worden ist. Grundlage hierfür ist ein Beschluss der KMK vom Oktober 2012. Hiernach sind Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife beginnend mit der Einführungsphase im Schuljahr 2014/2015 für die Fächer Deutsch, Englisch und Französisch (als fortgeführte Fremdsprache) und Mathematik verbindliche Grundlage der fachspezifischen Anforderungen und sollen in standardbasierte Abiturprüfungen im Schuljahr 2016/2017 münden. Die im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums entwickelten Kerncurricula für alle allgemeinbildenden Fächer der gymnasialen Oberstufe, die in den genannten Fächern die KMK-Bildungsstandards in Landesrecht umsetzen, sind anschlussfähig an die Kerncurricula für die Sekundarstufe I (Bildungsstandards und Inhaltsfelder), schreiben Bewährtes aus den bislang geltenden Lehrplänen fort und formulieren neben den allgemeinen fachlichen Kompetenzen (Bildungsstandards) die unverzichtbaren fachinhaltlichen Wissenselemente, gegliedert nach Kurshalbjahren der gymnasialen Oberstufe, in Form von Themenfeldern. Die Erstellung eines Schulcurriculums ist daher für die gymnasiale Oberstufe nicht erforderlich. Die Kerncurricula für die gymnasiale Oberstufe werden die jetzigen Lehrpläne in allen Schulformen, die zur Allgemeinen Hochschulreife führen, ablösen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Weshalb wird im Kerncurriculum des Faches Wirtschaftswissenschaft die Fachbezeichnung um die Worte "(und Politik)" ergänzt? Die Fachbezeichnung für das Fach Wirtschaftswissenschaften wurde gemäß § 32 Abs. 3 HSchG nicht verändert und nicht um die Worte "und Politik" ergänzt. Eine Änderung bzw. Ergänzung ist auch zukünftig nicht beabsichtigt. In den Kapiteln 2.1 "Beitrag des Faches zur Bildung" und 2.3 "Strukturierung der Fachinhalte" des Kerncurriculums wurde die genannte Ergänzung aufgenommen , um dem fachinhaltlichen Unterschied im Vergleich zum bisherigen Rahmenplan zur besseren Orientierung für die Lehrkräfte Rechnung zu tragen (vgl. Antwort auf die Frage Nr. 2). Frage 2. Welche konkreten Veränderungen der Unterrichtsinhalte und in den Stundenvorgaben wurden im Fach Wirtschaftswissenschaft im Vergleich zum Rahmenplan Wirtschaftswissenschaften vorgenommen und wie begründen sich diese im Einzelnen? Im Unterschied zu dem bisherigen Rahmenplan wird das Fach Wirtschaftswissenschaften wie das Fach Politik und Wirtschaft integrativ angelegt, d.h. es verbindet politische und wirtschaftswissenschaftliche Kompetenzen und Wissenselemente miteinander. Neu ist insbesondere der Aspekt, dass auch im Fach Wirtschaftswissenschaften eine profunde politische Allgemein- Eingegangen am 28. Februar 2017 · Bearbeitet am 28. Februar 2017 · Ausgegeben am 2. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4393 28. 02. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4393 bildung gesichert wird. Um dieser inhaltlichen Erweiterung des Curriculums in den Stundenvorgaben angemessen Rechnung zu tragen, wurde die Stundenzahl für das Fach Wirtschaftswissenschaften auf insgesamt vier Wochenstunden im ersten Jahr der Qualifikationsphase und auf mindestens drei Wochenstunden im zweiten Jahr der Qualifikationsphase erhöht. Begründung für diese Veränderungen ist die Schaffung der Möglichkeit für die Schülerinnen und Schüler, das Fach Wirtschaftswissenschaften zukünftig alternativ zum Fach Politik und Wirtschaft zu belegen und damit das Fach insgesamt zu stärken. Bisher war nur eine Belegung zusätzlich zum Fach Politik und Wirtschaft möglich. Frage 3. Aus welchen Gründen wurde die Möglichkeit, das Fach Wirtschaftswissenschaften als Wahlpflichtkurs zur Erlangung der Fachhochschulreife bei der Notenberechnung einzubringen in der Oberstufen- und Abiturverordnung abgeschafft? Es trifft nicht zu, dass die Möglichkeit zur Einbringung des Fachs Wirtschaftswissenschaften in die Erfüllung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des schulischen Teils der Fachhochschulreife in der gymnasialen Oberstufe abgeschafft wurde, da diese gar nicht bestanden hat. Vielmehr ist beabsichtigt, diese Möglichkeit durch eine entsprechende Änderung von § 48 Abs. 2 der Oberstufen- und Abiturverordnung (OAVO) zum Beginn des Schuljahres 2017/18 zu schaffen. Diese Änderung wird möglich, weil das Fach zukünftig in der Qualifikationsphase alternativ zum Fach Politik und Wirtschaft belegt werden kann. Frage 4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass durch diese Änderung Schülerinnen und Schüler, die das Fach Wirtschaftswissenschaft anstelle des Fachs Politik und Wirtschaft belegen, in ihren Auswahlmöglichkeiten beschränkt werden, so dass das Fach Wirtschaftswissenschaft langfristig benachteiligt wird? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Frage 5. Steht diese Änderung nicht im Widerspruch zur Veränderung der Stundenzahl des Fachs Wirtschaftswissenschaft , wonach dieses ʺim ersten Jahr der Qualifikationsphase mit mindestens vier Wochenstunden und im zweiten Jahr der Qualifikationsphase mit mindestens drei Wochenstunden ʺ in den Grundkursfächern erteilt werden muss? Auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. Frage 6. Welche Veränderungen wurden hinsichtlich der Unterrichtsinhalte und der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit im Fach Politik und Wirtschaft vorgenommen? Die verpflichtend vorgesehene Anzahl der Wochenstunden im Fach Politik und Wirtschaft wurde nicht verändert. In der Sekundarstufe I hat es des Weiteren im Fach Politik und Wirtschaft seit Einführung der Kerncurricula (Bildungsstandards und Inhaltsfelder) zu Beginn des Schuljahres 2011/12 keine curricularen Änderungen gegeben. Mit der Einführung des Kerncurriculums für die gymnasiale Oberstufe wurden im Vergleich zu dem bisherigen Lehrplan einige fachdidaktische Aktualisierungen vorgenommen. Einige Grundlagen des (markt-)wirtschaftlichen Systems (wie Produktionsfaktoren und der Wirtschaftskreislauf) wurden von der Qualifikationsphase in die E-Phase verschoben. Dafür ist im zweiten Halbjahr der Qualifikationsphase (Q2) das fakultative Themenfeld "Sicherung der Preisniveaustabilität in der Europäischen Währungsunion " aufgenommen worden. Im letzten Halbjahr der Qualifikationsphase (Q4) stehen im Kerncurriculum Fragen in Bezug auf die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung Europas und der EU im Mittelpunkt der Themenfelder. Im Unterschied dazu sah der bisherige Lehrplan in diesem Halbjahr eine fundierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten der Globalisierung vor. Frage 7. Wie haben sich die Schülerzahlen, die das Fach Wirtschaftswissenschaft belegen und darin auch Prüfungen ablegen, in den letzten zehn Jahren verändert? Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die im Fach Wirtschaftswissenschaften an den schriftlichen Abiturprüfungen teilgenommen haben, kann der folgenden Tabelle entnommen werden. Jahr der Abiturprüfung Anzahl der Prüflinge im Fach Wirtschaftswissenschaften 2007 209 2008 165 2009 153 2010 171 2011 163 2012 197 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4393 3 2013 216 2014 215 2015 174 2016 196 Frage 8. Wie hat sich der Lehrkräftebedarf in den letzten zehn Jahren verändert und (unter Angabe von Gründen) wie viele Stellen sind derzeit nicht besetzt? Der Lehrkräftebedarf für das Fach Wirtschaftswissenschaften hat sich in den letzten zehn Jahren nicht verändert. Der Unterricht im Fach Wirtschaftswissenschaften ist an den Schulen, die das Fach derzeit in der gymnasialen Oberstufe anbieten, über eine entsprechende Stellenzuweisung zu 100 % abgedeckt. Eine aktuelle Abfrage an den betreffenden Schulen ergab zudem, dass dort das Fach an keiner Schule fachfremd unterrichtet wird, d.h. keine Stelle ist unbesetzt. Frage 9. Plant die hessische Landesregierung langfristig, das Fach Wirtschaftswissenschaft (und Politik) in das Fach Politik und Wirtschaft zu integrieren oder durch dieses abzulösen? Nein, es ist nicht beabsichtigt, das Fach Wirtschaftswissenschaften in das Fach Politik und Wirtschaft zu integrieren oder durch dieses abzulösen. Vielmehr wurde das Fach Wirtschaftswissenschaften durch das neue Kerncurriculum, eine Änderung der Belegverpflichtungen und die Erhöhung der Wochenstundenzahl in der Qualifikationsphase gegenüber dem Fach Politik und Wirtschaft gestärkt (vgl. die Antwort auf die Frage Nr. 2). Frage 10. Welche Maßnahmen ergreift die hessische Landesregierung, um die Vermittlung von finanziellen, ökonomischen sowie unternehmerischen Kompetenzen und Unterrichtsinhalten zu fördern und in angemessener Art und Weise im Unterricht als auch in der Lehreraus- und -weiterbildung umzusetzen ? In Hessen ist das sog. Leitfach für die ökonomische Bildung seit 2002 das Fach Politik und Wirtschaft, das im Hauptschulbildungsgang, im mittleren Bildungsgang, im gymnasialen Bildungsgang sowie an beruflichen Schulen unterrichtet wird. Ökonomische Bildung bzw. Finanzbildung findet jedoch nicht nur im Fach Politik und Wirtschaft, sondern auch in anderen Fächern , beispielsweise im Fach Mathematik, statt. In den curricularen Vorgaben des Landes Hessen hat sich der Anteil der ökonomischen Themen in den letzten Jahren deutlich erhöht. Im Kerncurriculum für die Sekundarstufe I (Bildungsstandards und Inhaltsfelder) des Faches Politik und Wirtschaft werden die ökonomische Bildung und insbesondere die Finanzbildung in den lernzeitbezogenen Kompetenzerwartungen am Ende der Jahrgangsstufe 9/10 entsprechend berücksichtigt. Auch im neuen Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe des Faches Politik und Wirtschaft weisen vier von sechs Halbjahren (Einführungsphase und Qualifikationsphase) ökonomische Inhalte bzw. Bezüge auf. Über ein hessenweites Multiplikatoren-Netzwerk zur ökonomischen Bildung, das im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums die Aufgabe verfolgt, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte zur ökonomischen Bildung zu organisieren, werden gezielt Fortbildungen zu Themenstellungen angeboten , die den Bereich der Wirtschafts- und Finanzbildung betreffen. Die Fachlehrkräfte ("Multiplikatoren") sind für die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer in der ökonomischen Bildung zuständig und tauschen sich auf Landesebene bezüglich geeigneter Unterrichtsmaterialien und -methoden untereinander aus. Im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen werden Vorträge von Wirtschaftsvertretern angeboten; ebenso besteht die Möglichkeit der Vermittlung von geeigneten Referentinnen und Referenten aus Unternehmen und Wirtschaft an einzelnen Schulen. Im Rahmen der Lehramtsstudiengänge ist Hessen auf dem Weg, die ökonomische Bildung in der Lehrerausbildung für das Fach Politik und Wirtschaft weiter zu stärken. Für alle Lehramtsstudierenden ist ein Betriebspraktikum von mindestens acht Wochen Dauer verpflichtend. An der Universität Frankfurt wurde in den letzten Jahren eine weitere Professur für Didaktik der Wirtschaftswissenschaften eingerichtet, welche einen Beitrag zur Stärkung wirtschaftswissenschaftlicher Kompetenzen im Lehramtsstudium für das Fach Politik und Wirtschaft leistet. Im Rahmen des pädagogischen Vorbereitungsdienstes für die Lehrämter sowie im Rahmen der Fort- und Weiterbildung werden ebenfalls Anstrengungen unternommen, um wirtschaftswissenschaftliche Lerngegenstände stärker ins Blickfeld zu rücken. Wiesbaden, 21. Februar 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz