Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 25.01.2017 betreffend Erfassung und Überwachung sogenannter "Gefährder" in Hessen und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz häufen sich die Vorschläge für Maßnahmen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit, die zu einem besseren Schutz vor terroristischen Anschlägen beitragen sollen. Im Fokus steht dabei der Umgang mit Personen, die von Sicherheitsbehörden als sogenannte "Gefährder" eingestuft werden. Laut Medienberichten werden bundesweit 547 Personen als "islamistische Gefährder" erfasst und in ein mehrstufiges Prognose-Modell zur Einschätzung der Gefahr eingeordnet . Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Was sind "Gefährder" und auf welche - sofern vorhanden: gesetzliche - Definitionen stützt sich die hessische Polizei dabei? Bei dem Begriff des Gefährders im polizeilichen Staatsschutz handelt es sich um einen polizeiinternen Arbeitsbegriff. Der Begriff ist nicht gesetzlich verankert, jedoch durch die nachfolgende Definition bundesweit einheitlich hinterlegt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Martina Renner, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/11369): "Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird." Eine Einstufung als "Gefährder" wird entsprechend dieser Definition einzelfallabhängig durchgeführt . Die Kategorisierung richtet sich nach den Erkenntnissen, welche den Sicherheitsbehörden entweder hinsichtlich der zu prognostizierenden Begehung politisch motivierter Straftaten von erheblicher Bedeutung oder hinsichtlich der Rolle, welche die jeweiligen Personen im extremistischen / terroristischen Spektrum einnehmen, vorliegen. Frage 2. Besteht gegen "Gefährder" auf Grund der vorausgesetzten Definition ein Anfangsverdacht einer Straftat, etwa im Sinne des § 100a Abs. 1 Nr. 1 StPO oder des § 152 Abs. 2 StPO? Bei jeder Person, die als Gefährder in Frage kommt, erfolgt eine Einzelfallprüfung. Grundsätzlich ist der Anfangsverdacht einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung ein Indikator für die Einstufung. Frage 3. Sind "Gefährder" auf Grund der vorausgesetzten Definition Störer bzw. Nichtstörer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts? Nein. Die Begriffe "Störer" und "Nichtstörer" werden im Zusammenhang mit der Abwehr einer konkreten Gefahr verwendet. Bei einer als Gefährder eingestuften Person sollen im Vorfeld einer konkreten Gefahr Straftaten verhindert werden. Eingegangen am 15. Mai 2017 · Bearbeitet am 15. Mai 2017 · Ausgegeben am 19. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4462 15. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4462 Frage 4. Welche Maßnahmen nach der StPO und dem HSOG werden gegen als sogenannte "Gefährder" eingestufte Personen durchgeführt, wenn gegen diese Personen kein Strafverfahren wegen politisch motivierter Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solcher im Sinne des § 100a StPO, betrieben wird? Bitte die jeweilige Rechtsgrundlage für die einzelnen Maßnahmen aufführen . Im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten prüft die Polizei einzelfallbezogen eine Vielzahl von Maßnahmen. Von einer Aufzählung der Maßnahmen wird aus polizeitaktischen Gründen abgesehen . Frage 5. In welche Kategorien der Wahrscheinlichkeit bzw. Prognose der Tatbegehung werden sogenannte "Gefährder" in Hessen erfasst? In Hessen erfolgt keine Erfassung von Gefährdern in Wahrscheinlichkeitskategorien. Frage 6. Wie viele sogenannte "Gefährder" hielten sich nach Erkenntnissen der hessischen Polizei in den Jahren 2010 bis 2016 in Hessen auf? Bitte nach Jahren und - soweit danach unterschieden wird - Wahrscheinlichkeits-Kategorien und politischer Motivation aufschlüsseln! Bezogen auf die Vorbemerkung des Fragestellers, die auf den Bereich des islamistischen Extremismus /Terrorismus abhebt, werden ausschließlich die hessischen islamistischen Gefährder angeführt. Die Anzahl der Gefährder mit Aufenthalt in Hessen (einschließlich Untersuchungsoder Strafhaft) bewegte sich im angefragten Zeitraum im einstelligen bis unteren zweistelligen Bereich. Frage 7. Gegen wie viele Personen, die von hessischen Sicherheitsbehörden als sogenannte "Gefährder" erfasst wurden, wurden zwischen 2010 und 2016 Ermittlungsverfahren wegen politisch motivierter Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solcher im Sinne des § 100a StPO, eingeleitet ? Bitte nach Jahren und - soweit danach unterschieden wird - Wahrscheinlichkeits-Kategorien und politischer Motivation aufschlüsseln! Frage 8. In wie vielen Fällen endeten diese Ermittlungsverfahren mit rechtskräftigen Verurteilungen? Bitte nach Jahren und - soweit danach unterschieden wird - Wahrscheinlichkeits-Kategorien und politischer Motivation aufschlüsseln! Die Fragen 7 und 8 werden in der folgenden Tabelle zusammen beantwortet. Die Zahlen der rechtskräftigen Verurteilungen beziehen sich jeweils auf die Zahlen der Ermittlungsverfahren aus derselben Zeile, auch wenn die Verurteilungen erst im Folgejahr erfolgten oder rechtskräftig wurden. Eine Vielzahl der Ermittlungsverfahren insbesondere ab dem Jahr 2014 ist noch nicht abgeschlossen, da die Beschuldigten sich beispielsweise im Ausland / in Kriegsgebieten aufhalten. Jahr Ermittlungsverfahren eingeleitet Personen Rechtskräftige Verurteilungen 2010 6 6 3 2011 3 3 3 2012 3 3 2 2013 0 0 0 2014 13 13 2 2015 11 11 3 2016 9 9 4 Frage 9. Nach welchen Voraussetzungen, Verfahren und Fristen erfolgt die Löschung von als "Gefährder" eingestuften Personen aus den jeweiligen Datenbeständen? Die Löschung von als Gefährder eingestuften Personen aus den polizeilichen Datenbeständen erfolgt in Hessen gemäß den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 27 HSOG und 483 Abs.3 StPO. Frage 10. Unter welchen Voraussetzungen beabsichtigt die Landesregierung, elektronische Fußfesseln für sogenannte "Gefährder" einzuführen? Die Landesregierung prüft, eine landesgesetzliche Rechtsgrundlage für Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) zu schaffen. Wiesbaden, 16. April 2017 Peter Beuth