Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 31.01.2017 betreffend Windkraftanlagen Grünberg - Teil II und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Die Jägervereinigung Oberhessen hat umfassende Einwendungen gegen das Vorhaben der Firma IGL Windenergie GmbH zur Errichtung und den Betrieb von drei Windkraftanlagen in Grünberg vorgebracht. Die Genehmigungsbehörde wurde darauf hingewiesen, dass das vom Antragsteller vorgebrachte avifaunistische Gutachten als Tatsachengrundlage Mängel aufweist und die Schlussfolgerungen hinsichtlich des Tötungsrisikos streng geschützter Arten angezweifelt werden müssten. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen zur Senkung des Risikos für kollisionsgefährdete Vogelarten (z.B. die Schaffung von Ablenkungsfutterplätzen, automatische Abschaltungen (DTBird) und zeitliches Abschalten) nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 17.03.2016, Az. 22 B 14.1875) unzureichend sind. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Warum wurde in diesem Zusammenhang keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt? Im Rahmen einer standortbezogenen Vorprüfung zur Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsstudie wurden alle Belange berücksichtigt und als Ergebnis festgestellt, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht erforderlich ist. Da nur drei WEA errichtet werden sollen, bestand zudem keine obligatorische UVP-Pflicht; diese beginnt erst ab 20 WEA. Es befanden sich in der näheren Umgebung auch keine Anlagen, die kumulativ zu berücksichtigen gewesen wären. Darüber hinaus befindet sich keine der Anlagen in einem Natura-2000- oder Naturschutzgebiet und auch artenschutzrechtliche Verbotstatbestände werden nicht erfüllt. Frage 2. Warum wurden bei der Ausweisung der Flächen im Regionalplan lange bekannte Rotmilan- Vorkommen nicht dokumentiert? Auf Ebene der Regionalplanung wurden unter Einbindung des amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutzes sogenannte Schwerpunkträume für den Rotmilan abgegrenzt, die der Sicherung der Lebensstätten für diese Vogelart dienen und daher von Windenergienutzung freigehalten werden sollen. Diese Methodik stützt sich auf den Leitfaden "Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen in Hessen", wonach sich bei den für eine Art zu schützenden Räumen auf Schwerpunktvorkommen konzentriert werden kann. Als Grundlage für die Abgrenzung der Schwerpunkträume diente zunächst das Fachgutachten "Abgrenzung relevanter Räume für windkraftempfindliche Vogelarten in Hessen". In das avifaunistische Gutachten sind insbesondere die Daten der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen , Rheinland-Pfalz und das Saarland (VSW) eingeflossen, die dementsprechend qualitätsgeprüft sind. Das Gutachten beruht auf einer nach einheitlichen Kriterien festgelegten Bewertungsmethodik und ermöglicht somit einen landesweiten Flächenvergleich, der für die Regionalplanungsebene zunächst angemessen ist. Im weiteren Planungsprozess wurde dieses Gutachten durch aktuelle Daten der VSW und weitere Hinweise, die im Zuge der Stellungnahmen zu den Offenlegungen des Teilregionalplans Energie Mittelhessen eingegangen sind, ergänzt. Insofern wurden bei der Ausweisung der Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie alle bekannten und lokalisierten Rotmilan-Vorkommen berücksichtigt. Eingegangen am 4. April 2017 · Ausgegeben am 7. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4472 04. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4472 Dabei ist eine valide Datengrundlage von hoher Bedeutung. Ein bloßer Hinweis auf Flugbewegungen ist somit nicht ausreichend und kann bei der Ermittlung von geplanten Vorranggebieten bzw. der Abgrenzung von Schwerpunkträumen nicht berücksichtigt werden. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen gelegentliche Flugbewegungen auch kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko. Über diese Abgrenzung der Schwerpunkträume hinaus ist eine Befassung mit konkreten Einzelvorkommen von windenergieempfindlichen Vogelarten, zum Beispiel über einzelne Horste, in der überörtlichen Planung weder vorgesehen noch angemessen. Eine entsprechend konkrete Prüfung des Artenschutzes findet vielmehr auf örtlicher Ebene im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens statt. Frage 3. Warum wurden Maßnahmen zugelassen, die den Lebensraum der streng geschützten Haselmaus tangierten und zu deren Vergrämung führten? Die Vergrämungsaktionen, die im November 2016 im Rahmen einer Zulassung nach § 8a BImSchG erfolgt sind, wurden erforderlich, weil zum Ende der von den Gutachtern durchgeführten Haselmaus-Kartierung erstmals deren Nachweis im Plangebiet erfolgte. Damit bestand ein artenschutzrechtlich relevantes, signifikant erhöhtes Tötungsrisiko im Rahmen der Baufeldfreimachung . Zur Vermeidung dieses Tötungsrisikos kam eine Vergrämung der Tiere aus dem Baufeld in Betracht. Als Regelauflage ist in solchen Fällen ein gestuftes Vorgehen beim Fällen der Bäume und der Baufeldvorbereitung zu beachten. Um evtl. im Winterschlaf befindliche Haselmäuse innerhalb des Baufeldes nicht durch das Befahren, Roden der Stubben und Abschieben des Oberbodens einem erhöhten Tötungsrisiko auszusetzen, muss das Fällen der Bäume ohne Befahrung der Fläche erfolgen. Eine Flächenräumung ist ebenfalls nur ohne Befahrung der Flächen zulässig, d.h., ist eine Räumung mithilfe von Greifarmen der außerhalb stehenden Harvester oder sonstiger Maschinen nicht möglich, müssen die Stämme bis zum Ende des Winterschlafes an Ort und Stelle verbleiben und können erst im Frühjahr (April) geborgen werden. Rechtliche Grundlage für dieses Vorgehen sind § 44 Abs. 1 Nr. 2 und § 44 Abs. 5 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Eine Störung einer Art i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG liegt nur dann vor, wenn sich durch die Störung einer Art der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert. Dem kann trotz einer Beseitigung der Nahrungspflanzen an den künftigen Standorten der WEA angesichts der hohen Reproduktionsrate der Art durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen zur Habitatverbesserung an anderer Stelle in der näheren Umgebung entgegengewirkt werden. Gleiches regelt § 44 Abs. 5 BNAtSchG für eine mögliche Beseitigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten oder europäische Vogelarten betroffen, liegt ein Verstoß gegen das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Kann der Vorhabenträger durch geeignete Maßnahmen vermeiden, dass artenschutzrechtliche Verbotstatbestände erfüllt werden, hat die Zulassungsbehörde keine Rechtsgrundlage für eine Ablehnung aus artenschutzrechtlichen Gründen. Dem Antragsteller war bekannt, dass das Auftreten von Haselmäusen die Vorbereitung des Baufeldes um Monate verzögern kann, sodass dieser sofort nach Bekanntwerden ein gutachtlich unterfüttertes Vorgehensszenario erstellt hat, welches unter Beachtung der witterungsbedingten Verhaltensweisen der Haselmaus eine vorzeitige Baufeldvorbereitung, noch vor dem Eintreten der Winterschlafphase, ermöglichte. In Anwendung des § 8a BImSchG wurde ein Antrag auf Vergrämung gestellt, dem nach Prüfung des vorgelegten Gutachtens und in Ergänzung bzw. Konkretisierung der zulässigen Rahmenbedingungen (Temperaturgrenzwerte, Ablenkungsmaßnahmen, Befristung und Monitoring) von der Oberen Naturschutzbehörde zugestimmt werden konnte. Wiesbaden, 22. März 2017 Priska Hinz