Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 31.01.2017 betreffend Informationsaustausch der Behörden bezüglich religiös motivierter Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragesteller: Aus der Beantwortung der kleinen Anfrage Drs. 19/3786 haben sich Nachfragen bzgl. des Informationsaustauschs zwischen den Sicherheitsbehörden, den Jugendämtern, den Schulen und den sonstigen die Extremismusprävention tragenden Stellen in Hessen bei religiös motivierter Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen ergeben. In der Antwort zu Frage 1 führt die Landesregierung unter anderem aus, dass ihr Einzelfälle im einstelligen Bereich bekannt sind, in denen Kinder mit Verwandten oder einem Elternteil zusammenleben, die der islamistischen Ideologie anhängen. In der Antwort zu Frage 4 führt sie zwei Fälle auf, in denen Hinweise auf eine gewaltverherrlichende Erziehung im islamistischen Umfeld bei einem Jugendamt geprüft wurden. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Ein "Präventionsnetzwerk VPN" existiert in Hessen nicht. Im Jahr 2014 wurde das "Hessische Präventionsnetzwerk gegen Salafismus" eingerichtet und die "Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus" eröffnet. Die Beratungsstelle ist neben dem Fachbeirat und der Landeskoordinierungsstelle ein zentrales Element im Präventionsnetzwerk und wird in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft von Violence Prevention Network (VPN) umgesetzt. Insofern bezieht sich der Antwortbeitrag zu den Fragen 4, 5 und 6 auf die Aktivitäten der "Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus". Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport wie folgt: Frage 1. Inwieweit erfolgt eine Information an die zuständigen Jugendämter durch Sicherheitsbehörden (LfV, Staatsschutzkommissariate), wenn diesen bekannt wird, dass Eltern/Verwandte von Kindern und Jugendlichen der islamistischen/salafistischen Szene zugehörig sind, sodass diese ggf. weitere Erkenntnisse erlangen (können), die eine Überprüfung auf eine Kindeswohlgefährdung notwendig machen? Von Seiten der Polizeibehörden erfolgt eine Information an die zuständigen Jugendämter im Rahmen der eröffneten Übermittlungsmöglichkeiten des Polizeirechts immer dann, wenn der Polizei Hinweise bekannt werden, dass im Umfeld der Kinder/Jugendlichen Umstände festzustellen sind, die das Kindeswohl beeinträchtigen könnten. Frage 2. In wie vielen Fällen ist eine Überprüfung durch die Jugendämter auf eine Kindeswohlgefährdung auf Hinweis der hessischen Sicherheitsbehörden bisher erfolgt und mit welchem Ergebnis? Auf Landesebene wird hierzu keine Statistik geführt. Es liegen daher keine Informationen vor, in wie vielen Fällen Meldungen der Sicherheitsbehörden an die Jugendämter erfolgt sind. In der Praxis erfolgt in den Kommunen eine enge Vernetzung von Polizei und Jugendämtern über Fallkonferenzen, so dass Informationen gegenseitig ausgetauscht und bewertet werden. Eingegangen am 3. Mai 2017 · Bearbeitet am 3. Mai 2017 · Ausgegeben am 5. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4486 03. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4486 Frage 3. Inwieweit und nach welchen Regeln erfolgt eine Information an die Sicherheitsbehörden durch die zuständigen Jugendämter, wenn diesen bekannt wird, dass Eltern/Verwandte von Kindern oder Jugendlichen der islamistischen/salafistischen Szene zugehörig sind und sich dergestalt betätigen, dass ggf. ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden notwendig sein kann? Die Jugendämter arbeiten grundsätzlich mit den Polizeidirektionen zusammen. Diese Kooperation erfolgt anlassbezogen, so dass bezogen auf bekannt werdende Einzelfälle auch die Kontaktaufnahme zum Verfassungsschutz erfolgt. Sollte es in den Landkreisen eine entsprechende Szene geben, geht die Kooperation über anlassbezogene Kontakte zwischen den Behörden hinaus. Zur Praxis gehören dann beispielsweise Jour fixe, Fachtage (z.B. mit VPN) oder generelle Absprachen mit der Polizei. Frage 4. Inwieweit erfolgt eine Information an die Jugendämter durch das Präventionsnetzwerk VPN, wenn diesem bekannt wird, dass Eltern/Verwandte der islamistischen/salafistischen Szene zugehörig sind bzw. eine Radikalisierung von Kindern oder Jugendlichen festzustellen ist und daher ggf. eine Überprüfung auf eine Kindeswohlgefährdung notwendig sein kann? Prinzipiell unterliegen die Beratungsgespräche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Violence Prevention Network (VPN) dem Datenschutz, wodurch eine Weitergabe von persönlichen Daten nur im Fall einer klar definierten Sicherheitsrelevanz geschieht. Wenn bekannt wird, dass Eltern/Verwandte der islamistischen/salafistischen Szene zugehörig sind bzw. eine Radikalisierung von Kindern oder Jugendlichen festzustellen ist und eine Kindeswohlgefährdung bzw. Radikalisierung der Jugendlichen vorliegen könnte, erfolgt die Information je nach Fallkonstellation über eine regelmäßig stattfindende Sicherheitskonferenz (Teilnehmer sind Vertreter des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen, der hessischen Polizei sowie des VPN). Über diese Sicherheitskonferenz wird das weitere Vorgehen abgesprochen und ggf. das Jugendamt informiert . Frage 5. Inwieweit erfolgt eine Information an die betroffenen Schulen durch die Sicherheitsbehörden, Jugendämter , das Präventionsnetzwerk VPN und umgekehrt, wenn einer Seite bekannt wird, dass Eltern/Verwandte der islamistischen/salafistischen Szene zugehörig sind bzw. eine Radikalisierung von Kindern oder Jugendlichen festzustellen ist? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VPN befolgen einen klaren Sicherheitsleitfaden, der sowohl die Sicherheit der Beraterinnen und Berater als auch die Persönlichkeitsrechte der Klientinnen und Klienten wahrt. Eine Informationsweitergabe an die Schulen erfolgt im Falle einer Sicherheitsrelevanz nach Absprache in der Sicherheitskonferenz. Es gab bisher Schulen, die sich bei VPN gemeldet haben, als bekannt wurde, dass Eltern/Verwandte der islamistischen /salafistischen Szene zugehörig bzw. eine Radikalisierung von Kindern oder Jugendlichen festzustellen sind. In solchen Fällen raten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VPN den Schulen auch, die Sicherheitsbehörden zu benachrichtigen bzw. wird dies je nach Fall durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von VPN in der Sicherheitskonferenz thematisiert. Wenn VPN dies bekannt wird, wird je nach Fallkonstellation auch auf die Schulen zugegangen. Auch hier erfolgt eine Information an die Sicherheitsbehörden im Rahmen der Sicherheitskonferenz. Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Polizeibehörden mit den Schulen auf örtlicher Ebene werden Informationen im Einzelfall auf der Basis der rechtlichen Möglichkeiten ausgetauscht. Darüber hinaus findet in der Regel auch ein wechselseitiger Austausch zwischen den Schulen und den Jugendämtern statt. Dies kann z.B. durch die Schulsozialarbeit erfolgen, die im weiteren Vorgehen auch inhaltlich involviert ist. Frage 6. Wie gestaltet sich in solchen Fällen generell der weitere Informationsaustausch zwischen den Jugendämtern in kommunaler Verantwortung, den Schulen, dem Präventionsnetzwerk VPN und den Sicherheitsbehörden des Landes, um ein möglichst abgestimmtes Vorgehen in Verdachtsfällen zu gewährleisten und eine (weitere) Radikalisierung von betroffenen Kindern oder Jugendlichen zu verhindern? In solchen Fällen erfolgt der Informationsaustausch je nach Fallkonstellation durch vor Ort initiierte sogenannte “Helferrunden“, an denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes, der Schule, des VPN und der Sicherheitsbehörden teilnehmen. Die Jugendämter legen in der Konsequenz für ihren Verantwortungsbereich (mit den weiteren Akteuren) je nach Fallkonstellation ein geeignetes Verfahren individuell fest. Wiesbaden, 18. April 2017 Stefan Grüttner