Kleine Anfrage der Abg. Schott (DIE LINKE) vom 02.02.2017 betreffend Verletzung des Naturschutzrechtes: Problematische Rodungsarbeiten im Odenwald - gibt es ein systematisches Problem bei der Umsetzung des § 9 Abs. I Nr. 25 Baugesetzbuch? und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Am 11.12.2015 erhielt der BUND (Kreis Odenwald) Kenntnis von Rodungsarbeiten am Oberhöchster Bach in Höchst im Odenwald. Die Fläche der Rodungsarbeiten ist im Bebauungsplan "In der Hainamuh" der Gemeinde Höchst im Odenwald aus dem Jahr 2003 als Fläche für Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft gemäß § 9 Abs. I Nr. 25 Baugesetzbuch (BauGB) ausgewiesen. Die verantwortliche Gemeinde hat durch ihren Bürgermeister in der Presse mitteilen lassen, von den Schutzvorschriften nichts gewusst zu haben. Bis auf die völlig unzureichende Pflanzung von ca. zehn Gehölzen, hat die Gemeinde Höchst im Odenwald keinerlei Schritte unternommen, den entstandenen Schaden auszugleichen. Die untere Naturschutzbehörde des Odenwaldkreises hat bis zum 09.01.2017 weder eine Verletzung nach Naturschutzrecht festgestellt noch eine Ersatzanordnung getroffen. Die Bauaufsichtsbehörde des Odenwaldkreises hat ein angestoßenes Ordnungswidrigkeitsverfahren entweder nicht eingeleitet oder ohne einen Bescheid abgeschlossen. Die Dienstaufsicht im Regierungspräsidium Darmstadt hat auf die Beschwerde des BUND (Kreis Odenwald) vom 12.11.2016 über die Versäumnisse, bis zum 09.01.2017 nicht reagiert. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Naturschutzrecht und Baurecht stellen zwei unabhängige Rechtskreise dar, die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben folgen. Verstöße, die im Zusammenhang mit baulichen Anlagen stehen, werden von den Bauaufsichtsbehörden verfolgt (vgl. § 53 Abs. 2 Hessische Bauordnung - HBO). Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften werden von den Naturschutzbehörden verfolgt (vgl. § 2 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz). Wenn einer in einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchstabe b festgesetzten Bindung für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern dadurch zuwidergehandelt wird, dass diese beseitigt, wesentlich beeinträchtigt oder zerstört werden, kann dies nach § 213 Abs. 1 Nr. 3 Baugesetzbuch (BauGB) als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Zuständig für die Durchführung eines solchen Ordnungswidrigkeitsverfahrens sind nach § 22 Abs. 7 Nr. 2 der Hessischen Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuches der Kreisausschuss bzw. der Magistrat. Dies können die Untere Bauaufsichtsbehörde oder die Untere Naturschutzbehörde sein. Handelt es sich um Verstöße, die im Zusammenhang mit baulichen Anlagen begangen worden sind (etwa, wenn es bei der Errichtung eines Gebäudes zu einer Verletzung von Pflanzbindungen eines Bebauungsplans kommt), ist die Untere Bauaufsichtsbehörde zuständig (vgl. § 53 Abs. 2 HBO). Geht es um Verstöße gegen Pflanzbindungen, die nicht im Zusammenhang mit baulichen Anlagen begangen worden sind, fehlt die Zuständigkeit der Unteren Bauaufsichtsbehörden. Hier dürften regelmäßig die Unteren Naturschutzbehörden zuständig sein. Der Kreisausschuss des Odenwaldkreises, Untere Bauaufsichtsbehörde, hat mit seinem am 16. Dezember 2016 eingegangenen Bericht zu der Beschwerde des BUND-Odenwald vom 15. November 2016 Stellung genommen. Mit E-Mail vom 10. Januar 2017 hat sich das Regierungspräsidium in Darmstadt zu den vom BUND-Odenwald in seiner Beschwerde erhobenen Vorwürfen fachaufsichtlich geäußert. Das Antwortschreiben an den BUND-Odenwald datiert vom 18. Januar 2017. Eingegangen am 22. März 2017 · Bearbeitet am 24. März 2017 · Ausgegeben am 29. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4491 27. 03. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4491 Die durch die Baumfällarbeiten betroffene Fläche befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "In der Hainamuh" der Gemeinde Höchst aus dem Jahre 2003. Dieser trifft für das betroffene Gebiet eine textliche Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 b BauGB mit folgendem Inhalt: "Pflanzbindung vorh. Hecken/Gebüschpflanzung (Überwiegend naturnah, standortgerecht) Ahorn (1), Erle (5), Obst (17), Weide (24). Bei Absterben von Sträuchern sind diese durch die vorgegebenen Arten nachzupflanzen § 9 (1) 25. b) BauGB". Für die betroffene Fläche entlang des Bachlaufs enthält der Bebauungsplan eine mit Planzeichen markierte Festsetzung Pflanzbindung Bäume (3 Bäume) und für den Rest Hecke (Gebüsch, Sträucher). Die gefällten Bäume entsprachen bei Aufstellung des Bebauungsplanes nicht den in der Planung getroffenen Festsetzungen, die in diesem Bereich lediglich drei (Obst)bäume und ansonsten eine Gebüsch /Heckenpflanzung aus Sträuchern im Rahmen der Pflanzbindung vorsehen . Damit entsprach der vorhandene und beseitigte Bestand nicht den Festsetzungen des Bebauungsplanes "In der Hainamuh" der Gemeinde Höchst. Nach den Feststellungen der unteren Bauaufsichtsbehörde entwickelt sich die Hecke zur Zeit frei und es habe bisher nicht festgestellt werden können, dass die Fläche eingeschränkt oder der Aufwuchs in irgendeiner Art behindert worden sei. Der vorhandene Bewuchs sei nicht gerodet, sondern auf den Stock gesetzt worden, sodass von einer schnellen und vollständigen Umsetzung der Forderungen des Bebauungsplanes ausgegangen werde. Die Beseitigung der Vegetationsbestände im vorliegenden Fall stellte gleichwohl nach Art und Umfang einen ungenehmigten naturschutzrechtlichen Eingriff nach den §§ 14-17 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) dar. Inzwischen hat sich die Gemeinde Höchst im Odenwald mit der unteren Naturschutzbehörde zur Umsetzung der planungsrechtlichen Vorgaben des Bebauungsplanes in Verbindung gesetzt. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. Wie viele Verstöße in Hessen gegen § 9 Abs. I Nr. 25 BauGB sind der obersten Umweltbehörde des Landes, seit seines Inkrafttretens bekannt geworden? Verstöße gegen diese Norm werden allenfalls ausnahmsweise der Obersten Naturschutzbehörde oder der Obersten Bauaufsichtsbehörde mitgeteilt. Eine entsprechende Information ist nicht vorgesehen . Auch über naturschutzrechtliche Ordnungswidrigkeiten wird keine landesweite Statistik geführt. Frage 2. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 213 BauGB hat die Landesregierung registriert und mit welchen Ergebnissen wurde dies Verfahren beendet? Für Ordnungswidrigkeiten nach § 213 BauGB besteht keine Meldepflicht. Eine entsprechende landesweite Statistik wird nicht geführt. Frage 3. Welche Konsequenzen zieht die Hessische Landesregierung aus dem eingangs skizzierten Fall? Die Untere Naturschutzbehörde hat das Vorliegen einer naturschutzrechtlichen Ordnungswidrigkeit geprüft, konnte aber aus Mangel an Beweisen keinen schuldigen Verursacher feststellen. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Opportunitätsprinzips die Ordnungswidrigkeit nicht weiter verfolgt. Dessen ungeachtet behandelt die Untere Naturschutzbehörde die erfolgte Maßnahme als ungenehmigten Eingriff und drängt auf einen naturschutzrechtlichen Ausgleich im Rahmen der baurechtlichen Festsetzungen. Frage 4. Wird die Hessische Landesregierung Maßnahmen ergreifen, um die Schutzwirkung des Bundesbaugesetzes für Natur und Umwelt in Hessen zu verbessern (z.B. eine Ausweitung von § 213 BauGB auf andere naturschutzfachliche Sachverhalte.)? Eine Ausweitung des § 213 BauGB auf andere Sachverhalte ist eine Bundesangelegenheit. Im vorliegenden Fall fehlte es nicht an einer passenden Rechtsvorschrift. Im Übrigen sind im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des BauGB (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt, BT Drs. 18/10942 vom 23. Januar 2017) Verbesserungen vorgesehen. So soll künftig ausdrücklich geregelt werden, dass zu den Überwachungspflichten der Gemeinden bezüglich der Umweltauswirkungen ihrer Bauleitpläne auch die Durchführung von naturschutzfachlichen Ausgleichsmaßnahmen zählen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4491 3 Frage 5. Hält die Hessische Landesregierung die derzeitigen Regelungen zur Dienstaufsicht betreffend des Naturschutzes für ausreichend? Ja. Frage 6 a) Wann wird die Hessische Landesregierung die Kommunen verpflichten, Flächen mit Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB in das Datenportal "Natureg" einzupflegen? b) Wie wird die Hessische Landesregierung auf die offensichtliche Nichteinpflegung dieser Daten im oben geschilderten Fall reagieren? § 4 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) regelt, dass die Behörden des Landes, die unteren Naturschutzbehörden und die sonstigen öffentlichen Planungsträger die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten oder Aufgaben erhobenen Naturschutzfachdaten an NATUREG übermitteln. Dies gilt nach § 4 Abs.2 Satz 3 Nr. 3 HAGBNatSchG auch für flächengebundene Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere Förderungen, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, auch nach § 1a Abs. 3 Satz 2 bis 4 BauGB. Soweit Festsetzungen nach § 9 Abs.1 Nr. 25 Maßnahmen i.S.d. § 4 Abs.2 Satz 3 Nr. 3 HAG- BNatSchG sind, sind diese in NATUREG einzupflegen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um Regelungen zur Erhaltung vorhandener Vegetationsbestände, nicht um Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Abs.3 Satz 2 bis 4 BauGB. Vermeidungsmaßnahmen werden nicht in NATUREG eingetragen. Frage 7 a) Wann wird der Schutzkatalog im System "Natureg" an die aktuelle gesetzliche Liste der geschützten Biotope angepasst? b) Wann werden alle geschützten Biotope dort dargestellt sein? Im vorliegenden Fall sind entsprechend der rechtlichen Definition keine gesetzlich geschützten Biotope betroffen. Nach § 30 Abs.7 BNatSchG werden die gesetzlich geschützten Biotope registriert und die Registrierung wird in geeigneter Weise öffentlich zugänglich gemacht. Die Registrierung und deren Zugänglichkeit richten sich nach Landesrecht. Für Hessen ist diese Regelung in § 13 Abs. 2 HAGBNatSchG umgesetzt. Danach werden für Zwecke der Registrierung gesetzlich geschützter Biotope nach § 30 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie nähere Informationen über diese nach den Bestimmungen des § 4 Abs. 2 HAGBNatSchG in NATUREG bereitgehalten. Die entsprechenden Informationen können im NATUREG-Viewer (Im Internet abrufbar unter natureg .hessen.de) öffentlich eingesehen werden. Da es sich bei Biotopen um Objekte der Natur handelt, deren Grenzen nicht parzellenscharf dargestellt werden können, sind sie als "Hinweise zu gesetzlich geschützten Biotopen" veröffentlicht. Handelt es sich um ein Komplexvorkommen verschiedener unterschiedlicher Biotoptypen, sind sie als "Hinweise zu gesetzlich geschützten Biotopkomplexen" dargestellt. Die Darstellungen beruhen auf der in den Jahren 1992 bis 2006 durchgeführten Hessischen Biotopkartierung. Eine große Zahl derartiger Biotope ist fortlaufenden geringfügigen natürlichen Veränderungen unterworfen. Deshalb ist mit vertretbarem Aufwand auch nie ein exakter Bestand an gesetzlich geschützten Biotopen registrierbar. Diesem Umstand trägt die gesetzliche Regelung Rechnung. Eine Aktualisierung der Kartierung ist in Arbeit. Wiesbaden, 13. März 2017 Priska Hinz