Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 02.02 2017 betreffend Schallprognosen Windkraftanlagen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Nach Aussagen von Fachleuten (u.a. Mitteilung der "VDI Nachrichten" vom 19.08.20 16) entsprechen die heute angewandten Berechnungsmodelle zur Beurteilung der Auswirkungen von Schall durch Windkraftanlagen nicht mehr den heutigen Gegebenheiten. Im tatsächlichen Betrieb werden deutlich höhere Schallimmissionen festgestellt, die zu erheblichen Belastungen für Anwohner führen. Das heute angewandte Berechnungsmodell nah DIN E ISO 9613-2, das von der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft empfohlen wird, geht von bodennahen Schallquellen mit einer mittleren Höhe von max. 30 Meter aus. In der Praxis haben die in Hessen genehmigten Windkraftanlagen eine Nabenhöhe von 140 Metern und mehr. Die Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Hält die Landesregierung das Berechnungsmodell nach DIN E ISO 9613-2 für aussagekräftig, um valide Prognosen in Hinblick auf die Schallemissionen von Windkraftanlagen zu treffen? Nach einer im Auftrag des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein- Westfalen (LANUV NRW) durchgeführten Messreihe aus dem Jahr 2014 unterschätzt das bisher verwendete Berechnungsmodell nach DIN E ISO 9613-2 die Immissionswerte in größerer Entfernung, d.h. deutlich über 800 m. Auf Initiative der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) - wurde daraufhin ein ad-hoc-Arbeitskreises eingerichtet, der die LAI- Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen überprüft und ggfs. fortschreibt. Die überarbeiteten LAI-Hinweise werden voraussichtlich Mitte des Jahres vorliegen. Bei der Bewertung der vorgelegten Prognosen wurde und wird in Hessen der prognostizierte Immissionswert plus dem Oberen Vertrauensbereich als Vergleichswert zu den einzuhaltenden Immissionsrichtwerten herangezogen. Damit wird sichergestellt, dass die zulässigen Immissionswerte auch bei der vermutlichen Unterschätzung der Immissionen in größeren Entfernungen eingehalten werden. Frage 2. Ist es aus Sicht der Landesregierung notwendig die Berechnungsmodelle, welche im Rahmen der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen unterstellt werden, an die technischen Veränderungen im Bereich der Windkraftanlagen, insbesondere in Bezug auf steigende Leistungsfähigkeit und Höhe, anzupassen? Ja. Frage 3. Sind der Landesregierung Beschwerden von Bürgern wegen zu hoher Schallbelastungen durch Windkraftanlagen bekannt? Ja. Frage 4. Gegen welche Standorte bzw. Windkraftanlagen wurden konkret Beschwerden von Bürgern vorgebracht ? Zwischen 2011 bis Anfang 2017 gab es folgende Beschwerden über Lärmbelästigungen durch Windenergieanlagen: Eingegangen am 19. April 2017 · Bearbeitet am 19. April 2017 · Ausgegeben am 21. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4493 19. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4493 Regierungspräsidium Darmstadt: WEA 1 im Windpark Neutsch in Ober-Beerbach, WEA 9 im Windpark Hainhaus in Michelstadt, Windpark Sinntal/Buchonia östlich von Schlüchtern/Ramholz, Windpark Schlüchtern/Wallroth/Kressenbach westlich von Wallroth, Windpark Hohenstein-Galgenkopf an der Burg Hohenstein. Regierungspräsidium Kassel: WEA 1 und 2 im Windpark Bad Arolsen (Massenhausen/Elverfeld) in Bad Arolsen, WEA 1 und 2 im Windpark Appenhain/Itzenhain in Gilserberg, WEA 1-5 im Windpark Eiterfeld Buchenau in Buchenau, WEA 1-6 im Windpark Wehneberg in Bad Hersfeld, WEA 1-7 im Windpark Ludwigsau in Hainrode/Hersrode, WEA 1-8 im Windpark Kreuzstein im Kaufunger Wald in Wickenrode Helsa. Regierungspräsidium Gießen: Windpark Hilsberg in Bottenhorn, Windpark Rixfeld in Rixfeld, Windpark Erksdorf in Erksdorf, Windpark Oberdieten in Oberdieten, Windpark Rüddingshausen in Rüddingshausen, Windpark Blessenbach in Blessenbach, Windpark Ruhlkirchen in Ruhlkirchen, Windpark Roßdorf in Roßdorf, Windpark Brauerschwend in Brauerschwend, Windpark Mengerskirchen in Mengerskirchen, Windpark Grebenhain in Hartmannshain, Windpark Freiensteinau in Freiensteinau. Frage 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um die im Rahmen der Beschwerden vorgebrachte Argumente zu prüfen? Die vorliegenden Beschwerden betreffen Lärmimmissionen im hörbaren Bereich und Infraschall . Von den Regierungspräsidien in Hessen als zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörden werden alle im Rahmen von Beschwerden vorgebrachten Argumente geprüft und falls erforderlich Schallpegelmessungen durchgeführt. Sollten Auflagen im Genehmigungsbescheid nicht eingehalten werden, werden entsprechende Anordnungen erlassen. Frage 6. An welchen Standorten von Windkraftanlagen wurden durch Behörden Schallmessungen durchgeführt ? Frage 7. Welche Ergebnisse haben behördliche Schallmessungen konkret ergeben? Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet: Von den Regierungspräsidien in Hessen wurden zwischen 2011 bis Anfang 2017 folgende Schallpegelmessungen durchgeführt: In Seeheim-Jugenheim (Windpark Neutsch in Ober-Beerbach) wurden die Immissionsrichtwerte eingehalten. An vier Immissionspunkten in Schlüchtern-Hinkelhof und in Schlüchtern-Ramholz (Windpark Schlüchtern/Ramholz) wurden an verschiedenen Tagen Messungen vorgenommen, an keinem der Messtermine wurden Überschreitungen der festgesetzten Immissionsrichtwertanteile festgestellt . In Schlüchtern-Wallroth (Windpark Schlüchtern/Wallroth/Kressenbach) wurden an drei Tagen an verschiedenen Immissionspunkten Messungen vorgenommen, an keinem der Messtermine wurden Überschreitungen der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwertanteile festgestellt. In Burg Hohenstein (Windpark Hohenstein-Galgenkopf) wurden an drei Immissionspunkten Messungen vorgenommen, an allen Messorten wurden deutliche Unterschreitungen der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwertanteile festgestellt. In Marsberg-Udorf (Windpark Bad Arolsen (Massenhausen/Elverfeld)) konnten keine messbaren Anlagengeräusche festgestellt werden. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4493 3 In Gilserberg (Windparks Appenhain/Itzenhain) wurden keine messbaren Anlagengeräusche des Windparks festgestellt. In Ludwigsau-Hainrode (Windpark Wehneberg Bad Hersfeld) ergab die Messung keine Überschreitung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwertanteile In Dautphetal-Holzhausen (Windpark Hilsberg in Bottenhorn) wurde eine Messung durchgeführt , die Ergebnisse liegen noch nicht vor. In Herbstein-Rixfeld (Windpark Rixfeld) wurde eine Messung durchgeführt, deren Ergebnis keine Überschreitung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwertanteile ergab. In Eiterfeld-Buchenau (Windpark Eiterfeld) ist die Durchführung einer Messung in 2017 geplant . Die Schallpegelmessungen auf Grund der Beschwerden in den Orten Erksdorf, Oberdieten, Rüddingshausen, Blessenbach, Ruhlkirchen, Roßdorf, Brauerschwend, Mengerskirchen, Hartmannshhain und Freiensteinau wurden von einer nach § 29b BImSchG anerkannten Messstelle im Rahmen der Inbetriebnahme durchgeführt. Die Einhaltung der im Genehmigungsbescheid festgesetzten Immissionsrichtwertanteile wurde nachgewiesen. Frage 8. Wurden neben Schallmessungen am Tage auch in den Nachtstunden, in denen geringere Grenzwerte im Bereich der Wohnbebauung einzuhalten sind, Messungen durchgeführt? Ja. Frage 9. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um sicherzustellen, dass rechtlich definierte Lärmgrenzen durch Windkraftanlagen nicht überschritten werden? Da in Hessen bei der Bewertung der von Windenergieanlagen ausgehenden Schallimmissionen der Prognosewert plus dem Oberen Vertrauensbereich als Vergleichswert zu den einzuhaltenden Immissionsrichtwerten herangezogen wird, sind in der Praxis bisher keine Überschreitungen der Immissionsrichtwerte festgestellt worden. Frage 10. Wie werden die von Landesbehörden verfügten Maßnahmen zur Verbesserung des Lärmschutzes durchgesetzt? Sofern Maßnahmen erforderlich sind, werden Anordnungen nach BImSchG von den Regierungspräsidien als zuständigen Überwachungsbehörden erlassen. Wiesbaden, 4. April 2017 Priska Hinz