Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 06.02.2017 betreffend Strukturveränderungen bei der schulischen Fußball-Talentförderung und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Der Förderung von Sport- und Bewegungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler misst die Hessische Landesregierung eine große Bedeutung bei. So hält Hessen, im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern, am Grundsatz des dreistündigen Sportunterrichts bis zur Klasse 8 fest. Kooperationsangebote zwischen Schulen und Sportvereinen werden durch das Hessische Kultusministerium und die Kommunen gefördert. Nicht zuletzt sind etwa 1/3 aller Angebote im Rahmen der ganztägigen Schule Angebote mit sportlichen Inhalten. In Ergänzung zu der Förderung von Breitensport- und Bewegungsangeboten verfolgt das Landesprogramm "Talentsuche - Talentförderung" in Hessen das Ziel, sportlich talentierte und interessierte Kinder und Jugendliche zum Leistungssport hinzuführen und gezielt zu fördern. Dies soll in enger Zusammenarbeit zwischen Schulen einerseits und Sportverbänden/Sportvereinen andererseits erfolgen. In diesem Rahmen sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um für Nachwuchstalente möglichst ideale Voraussetzungen für ein leistungsorientiertes Training zu ermöglichen und verantwortbar zu gestalten. Der Ansatzpunkt dieses Programms liegt schwerpunktmäßig darin, Kinder und Jugendliche zum Leistungssport zu führen und weniger darin, die breite Mehrheit der Kinder und Jugendlichen sportlich zu fördern. Bereits mehrfach wurde dem seit 1991 bestehenden Landesprogramm "Talentsuche - Talentförderung" attestiert, dass es grundsätzlich geeignet ist, sportliche Talente zu finden und diese angemessen zu fördern. Namhafte hessische Athleten konnten von dem Landesprogramm profitieren. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Evaluationsstudie (2013) Qualitätsentwicklung an den Partnerschulen des Leistungssports im hessischen Landesprogramm "Talentsuche - Talentförderung" des Sportinstituts der Universität Kassel wurde jedoch deutlich, dass eine Umstrukturierung erforderlich ist. Auch das in diesem Jahr vom Bundesministerium des Innern (BMI), der Sportministerkonferenz (SMK) und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) entwickelte Konzept der "Neustrukturierung des Leistungssports und der Spitzensportförderung" weist auf Schwächen der Talentförderung in Deutschland hin. Diese Analyse nimmt das Hessische Kultusministerium ernst und hat darauf aufbauend eine Weiterentwicklung des bestehenden Landesprogramms im Sinne der Talentförderung in Angriff genommen. Für die Schülerinnen und Schüler geht es darum, Strukturen zu schaffen, die eine möglichst optimale Förderung und einen langfristigen Leistungsaufbau ermöglichen. Diese Voraussetzungen können indes nicht an jedem Standort in Hessen geschaffen werden. Im Zuge dieser Weiterentwicklung sollen nach Vorgaben der Sportfachverbände sukzessive sogenannte "Regionale Talentzentren" benannt und Fördermaßnahmen stärker auf einzelne Standorte konzentriert werden. Die Förderung soll dahingehend an den Partnerschulen des Leistungssports (PdL) gebündelt werden. Neben diesen Partnerschulen des Leistungssports werden als neues Element sogenannte "Profilschulen für Sporttalente" installiert. Diese Profilschulen arbeiten eng mit den Partnerschulen zusammen. Daher ist ferner vorgesehen, dass an diesen Schulen Talentfördergruppen (TFG) wenn möglich erhalten bleiben. Zentrales Gremium für die Planung und Weiterentwicklung des Landesprogramms ist die Landesarbeitsgruppe (LAG), die sich u.a. aus Vertretern der Fachverbände und des Landessportbundes zusammensetzt. Die Umsetzung des Landesprogramms erfolgt auf Basis einer breit aufgestellten Kommunikation zwischen allen Mitgliedern des Gremiums. Dies bedeutet, dass zukünftige personelle und strukturelle Veränderungen im Rahmen der Weiterentwicklung des Eingegangen am 15. März 2017 · Bearbeitet am 16. März 2017 · Ausgegeben am 17. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4495 15. 03. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4495 Landesprogramms Hand in Hand, d.h. nach Antrag der Fachverbände und auf Empfehlung der LAG, erfolgen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie ist derzeit die Zusammenarbeit zwischen dem Hessischen Fußball-Verband (HFV) und den Schulen zur Fußball-Talentförderung ausgestaltet? Der HFV arbeitet im Rahmen des Landesprogramms "Talentsuche - Talentförderung" mit ausgewählten hessischen Schulen zusammen. Im Land Hessen gibt es zwei sogenannte "Eliteschulen des Fußballs". Das sind zum einen die Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt am Main und zum anderen die Elly-Heuss-Schule in Wiesbaden. Diese Schulen haben vom Deutschen Fußballbund (DFB) das Zertifikat "Eliteschule des Fußballs" erhalten und müssen in regelmäßigen Abständen rezertifiziert werden. Darüber hinaus finden routinemäßig Regionaltreffen in den beiden Schulen statt, an denen Vertreter des Kultusministeriums, der Schulen, der kooperierenden Vereine, des HFV und des DFB teilnehmen. In Hessen sind insgesamt zehn Lehrer-Trainer-Stellen in der Sportart Fußball an neun verschiedenen Schulen etabliert. Außerdem gibt es an vier verschiedenen Standorten sogenannte Talentfördergruppen (TFG) Fußball. Überdies finden in jedem Schuljahr Wettbewerbe im Rahmen von "Jugend trainiert für Olympia" in den Kreisen, in den Regionen und auf Landesebene statt. Im zurückliegenden Schuljahr (2015/2016) haben 1.039 Mannschaften und 12.870 Schülerinnen und Schüler teilgenommen. In der Kontaktkommission, die die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb Jugend trainiert für Olympia setzt, ist der HFV vertreten. Außerhalb der Talentsichtungs- und Förderungsmaßnahmen finden Kooperationen statt, die sich auf den Sportunterricht beziehen. Beispielsweise engagieren sich der DFB und der HFV in den Schulen des Landes, etwa im Rahmen eines Schulfußball-Abzeichens oder durch Fortbildungsangebote für Lehrkräfte. Frage 2. An wie vielen und welchen Schulstandorten gibt es Talentförderprojekte? Bitte jeweils auch eine kurze Darstellung des konkreten Projektes, insbesondere bzgl. der Kooperationspartner (HFV). An Schulsportzentren, an denen besonders günstige Rahmenbedingungen vorhanden sind, wurden in Kooperation mit den Landesfachverbänden Lehrer-Trainer-Stellen für Schwerpunktsportarten geschaffen. Die Lehrer-Trainer erteilen über das TFG-Training hinaus und als Ergänzung des Vereins- bzw. Verbandstrainings auf der Grundlage der Rahmentrainingspläne der Spitzenverbände zusätzliches Spezialtraining in Leistungsgruppen (LG). Zurzeit arbeiten in Hessen über 70 Lehrer- Trainer in den jeweiligen Schwerpunktsportarten. Schulen mit Lehrer-Trainer-Stellen Fußball: Schulen Anzahl der Lehrer-Trainer- Stellen Kooperationspartner Carl-von-Weinberg-Schule (FFM) 2 Eintracht Frankfurt, FFC Frankfurt, FSV Frankfurt Elly-Heuss-Schule (WI) 1 SV Wehen Wiesbaden, FSV Mainz 05 Georg-Büchner-Schule (DA) 1 SV Darmstadt 98 Goethe-Gymnasium (KS) 1 KSV Baunatal, KSV Hessen Kassel, OSC Vellmar Gymnasium Taunusstein 1 SV Wehen Wiesbaden Rabanus-Maurus-Schule (FD) 1 RSV Petersberg, JVF Victoria Fulda Geschwister-Scholl-Schule (Melsungen) 1 (am SNZ Schwalmstadt, Carl- Bantzer-Schule, Ziegenhain) Kein Hauptkooperationsverein/- partner ausgewiesen Alfred-Wegener-Schule (Kirchhain) 1 (am SNZ Biedenkopf, Lahntalschule ) VFL Biedenkopf, FV 09 Breidenbach Liebigschule (GI) 1 TSG Wieseck Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4495 3 Die TFG sind innerhalb des hessischen Landesprogramms die zweite Strukturebene. An den Schulsportzentren werden in Abstimmung mit den Sportfachverbänden jeweils Schwerpunktsportarten festgelegt, für die vor Ort besonders günstige Rahmenbedingungen vorhanden sind. Nur in diesen Sportarten werden für Mädchen und Jungen der Klassen 4 bis 6 schulische TFG eingerichtet. Die Teilnehmer erhalten auf der Ausbildungsstufe des Grundlagentrainings in schulischer Zuständigkeit zwei Trainingseinheiten pro Woche (vier Stunden) zusätzlich zu ihrem Vereinstraining und werden in der Regel danach - auf der ersten Kaderebene im Kreisgebiet (E-Kader) - von den Sportfachverbänden in eigener Regie weiter gefördert. Gemäß den Kooperationsvereinbarungen mit den Sportfachverbänden werden TFG nur dort eingerichtet, wo diese Fortführung in den E-Kadern garantiert ist. Schulen, an denen TFG Fußball angeboten werden: Schulen Kooperationspartner Goetheschule Wetzlar FSV Hessen Wetzlar Heinrich-Grupe-Schule (Grebenstein) TSV Jahn Calden Modellschule Obersberg SVA Bad Hersfeld Gymnasium Nidda SC Viktoria Nidda Frage 3. Aktuell soll es Überlegungen zur Zentralisierung der schulischen Fußball-Talentförderung geben, wobei künftig drei Förderzenten in Hessen gebildet werden sollen. a) Inwieweit gibt es Überlegungen, die Fußball-Talentförderung an Schulen in Hessen umzustrukturieren , bspw. durch Zentralisierung der Angebote auf bestimmte Schulen? b) Ist im Zuge einer Zentralisierung geplant, die Anzahl der Lehrer-Trainer an den Schulen zu reduzieren bzw. an wenigen Standorten zusammenzuführen? c) Welche Auswirkungen hätte nach Auffassung der Landesregierung eine Zentralisierung der Angebote und eine damit einhergehende Abschaffung bestehender Angebote in der Fläche für die Förderung von Talenten, die in großer Entfernung zu den Zentren leben? d) Auf Grund wessen Initiative soll die Fußball-Talentförderung in Hessen umstrukturiert werden ? e) Inwieweit hält es die Landesregierung für erforderlich, die ländlichen Talentförderstrukturen zur erhalten, um eine wohnortnahe Förderung junger Talente sicherzustellen? Zu Frage 3 a: An dieser Stelle wird auf die Vorbemerkung des Kultusministers verwiesen. Zu Frage 3 b: Die Anzahl der Lehrer-Trainer-Stellen im Landesprogramm "Talentsuche - Talentförderung " beträgt 58,5 Stellen, davon entfallen, wie bereits ausgeführt, zehn auf die Sportart Fußball. Eine Reduktion der Gesamtanzahl ist nicht beabsichtigt. Im Zuge der Weiterentwicklung des Landesprogramms ist jedoch nicht auszuschließen, dass zukünftig Fördermaßnahmen nach Vorgabe des HFV auf einzelne Standorte (sogenannte regionale Talentzentren) konzentriert werden. Zu Frage 3 c: Eine flächendeckende Förderung einer Sportart ist in einem Flächenland weder im schulischen noch im außerschulischen Bereich möglich. Dies würde bedeuten, dass jede Schülerin oder jeder Schüler vor Ort gefördert werden müsste und hierfür personelle Ressourcen bereitzustellen wären. Das Landesprogramm konzentriert sich vielmehr darauf, die Verbände mit einer möglichst breiten Sichtung zu unterstützen und dort, wo vor Ort starke Strukturen bestehen, gezielter zu investieren. Durch die schulischen Fördermaßnahmen werden folglich die außerschulischen Strukturen unterstützt. Damit kommt es zu Synergieeffekten zwischen Schulen und Vereinen/Verbänden. Das Landesprogramm zielt ferner auf Klassenbildungen mit Schülerinnen und Schülern aus mehreren Sportarten ab, um schulorganisatorisch und inhaltlich auf die Belange des Nachwuchsleistungssports eingehen zu können, beispielsweise durch die Ermöglichung von Vormittagstraining. Zu Frage 3 d: Im Rahmen eines Evaluierungsprozesses des Landesprogramms "Talentsuche - Talentförderung" durch die Universität Kassel wurden Defizite bei der Talentförderung festgestellt , was dazu führte, dass in Zusammenarbeit mit dem Landesportbund Hessen und den Sportfachverbänden des Landes eine Umstrukturierung des Programms in Angriff genommen wurde. Eine stärkere Verzahnung zwischen schulischer und leistungsorientierter Förderung in Vereinen soll angestrebt und eine höhere Professionalität ermöglicht werden. Dadurch könnten auch Veränderungen bei der Fußballtalentförderung in Hessen stattfinden. So sollen zukünftig beispielsweise Lehrer-Trainer-Stellen ausschließlich auf Antrag des HFV (neu) besetzt werden. Die konzeptionellen Überlegungen sind abgestimmt mit dem Landesausschuss Leistungssport des Landessportbundes und dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4495 Zu Frage 3 e: Eine flächendeckende Talentförderung im Land Hessen ist auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben, da nicht alle im Landesprogramm verankerten Sportarten an allen Standorten gefördert werden können. Auch die gegenwärtigen Maßnahmen sind auf regionale Schwerpunkte konzentriert. So wird beispielsweise die Sportart Judo im Rahmen des Landesprogramms nur an den Standorten Wiesbaden, Rüsselsheim und Kassel mit Lehrer-Trainer- Stellen sowie an den Standorten Limburg (am SNZ Hadamar) und Nidda im Rahmen von TFG gefördert. Demgegenüber ist es grundsätzlich für Sportvereine an jedem Schulstandort in Hessen möglich zu kooperieren, beispielsweise im Rahmen des Landesprogramms "Schule & Sportverein". Des Weiteren steht es jeder Schule frei, im Rahmen des Ganztagsunterrichts zusätzliche Sport-Arbeitsgemeinschaften anzubieten (ggf. in Zusammenarbeit mit Übungsleitern aus Vereinen). Hiervon machen viele Vereine Gebrauch und werden dabei durch Beratungsstrukturen des Landessportbundes, der Sportjugend Hessen und der Staatlichen Schulämter unterstützt. Wiesbaden, 6. März 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz