Kleine Anfrage der Abg. Warnecke, Schmitt, Decker, Hofmeyer, Kummer, Löber, Weiß und Geis (SPD) vom 15.02.2017 betreffend Erhebung über den Wert von Grundstücken und Aufbauten für eine neue Grundsteuer und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung der Fragesteller: Vor dem Hintergrund der mit dem Fortschritt der Datenverarbeitung und -erfassung bei der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation erarbeiteten Kompetenz, sach- und fachkundig Grund und Boden sowie Gebäude zu lokalisieren und einzuschätzen, stellen sich folgende Fragen. Vorbemerkung des Ministers der Finanzen: Soweit in der Fragestellung vom "Wert von Grundstücken und Aufbauten" die Rede ist, wird davon ausgegangen, dass damit der Verkehrswert (Marktwert) nach § 194 des Baugesetzbuches (BauGB) referenziert werden soll. Nach § 194 des BauGB wird der Verkehrswert einer Immobilie durch den Preis bestimmt, der zum Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage der Immobilie ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Nach den Bestimmungen der Immobilienwertermittlungsverordnung sind der Verkehrswertermittlung die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt am Wertermittlungsstichtag und der Grundstückszustand am Qualitätsstichtag zugrunde zu legen. Der Zustand eines Grundstücks bestimmt sich nach der Gesamtheit der wertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks (Grundstücksmerkmale). Zu den Grundstücksmerkmalen gehören insbesondere der Entwicklungszustand, die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung, die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen, der abgabenrechtliche Zustand, die Lagemerkmale und die weiteren Merkmale. Als wertbeeinflussende Rechte und Belastungen kommen insbesondere Dienstbarkeiten, Nutzungsrechte, Baulasten sowie wohnungs- und mietrechtliche Bindungen in Betracht. Für den abgabenrechtlichen Zustand des Grundstücks ist die Pflicht zur Entrichtung von nichtsteuerlichen Abgaben maßgebend . Lagemerkmale von Grundstücken sind insbesondere die Verkehrsanbindung, die Nachbarschaft , die Wohn- und Geschäftslage sowie die Umwelteinflüsse. Weitere Merkmale sind insbesondere die tatsächliche Nutzung, die Erträge, die Grundstücksgröße, der Grundstückszuschnitt und die Bodenbeschaffenheit wie beispielsweise Bodengüte, Eignung als Baugrund oder schädliche Bodenveränderungen. Bei bebauten Grundstücken sind zusätzlich die Gebäudeart, die Bauweise und Baugestaltung, die Größe, Ausstattung und Qualität, der bauliche Zustand, die energetischen Eigenschaften, das Baujahr und die Restnutzungsdauer zu berücksichtigen. Die Ermittlung des Verkehrswertes setzt grundsätzlich eine wertende gutachterliche Würdigung aller wertbeeinflussenden Umstände des konkreten Einzelfalls voraus. Eine Berechnung des Verkehrswertes ist deshalb nur in Ausnahmefällen möglich. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Eingegangen am 28. März 2017 · Bearbeitet am 29. März 2017 · Ausgegeben am 31. März 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4543 28. 03. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4543 Frage 1. Sind landesweit, über die in Grundbüchern erfassten Daten bei den Grundbuchämtern der Amtsgerichte hinaus, bei der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation flächendeckend diese aufgrund kartografischer oder fotografischer Erfassung vorhanden? Die Kataster- und Vermessungsbehörden führen in ihren digitalen Datenbanken eine Reihe von Informationen, die für die Ermittlung von Verkehrswerten einzelner Immobilien benötigt werden . Hierzu gehören insbesondere Informationen über die Lage, die Form und die Größe von Grundstücken sowie Informationen über den Grundriss liegenschaftsrechtlich bedeutsamer Gebäude . Andere wesentliche wertbeeinflussende Merkmale der Immobilie, wie z.B. die Größe, das Baujahr, die Restnutzungsdauer eines Gebäudes, der bauliche Zustand, die energetischen Eigenschaften und die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen, können den Datenbanken der Kataster- und Vermessungsbehörden nicht entnommen werden. Frage 2. Können aus diesen Daten Abschätzungen über den Wert von unbebauten und bebauten Grundstücken und die darauf gegebenenfalls vorhandenen Gebäude in größeren Arealen abgeleitet werden? Frage 3. Sind diese Abschätzungen nicht allein für Areale, sondern auch für die einzelnen Grundstücke und darauf gegebenenfalls vorhandene Gebäude möglich? Frage 4. Wenn Frage drei bejaht wird: Von welcher Genauigkeit der Bewertung der einzelnen Grundstücke und darauf gegebenenfalls vorhandenen Gebäuden ist auszugehen? Frage 5. Mit welchen durchschnittlichen Kosten pro Grundstück mit darauf gegebenenfalls vorhandenen Gebäuden und Gesamtkosten muss gerechnet werden? Die Fragen 2. bis 5. werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Der Verkehrswert eines bebauten Grundstücks lässt sich nicht allein auf der Grundlage der bei den Grundbuchämtern sowie den Kataster- und Vermessungsbehörden vorhandenen Daten abschätzen . Der Verkehrswert eines unbebauten Grundstücks lässt sich anhand der im Liegenschaftskataster geführten Grundstücksfläche und dem vom Gutachterausschuss für Immobilienwerte ermittelten durchschnittlichen Lagewert des Bodens (Bodenrichtwert) abschätzen. Der individuelle Verkehrswert des unbebauten Grundstücks kann aber im Einzelfall stark von dem abgeschätzten Wert abweichen, da bei der Abschätzung u. a. wertbeeinflussende Rechte und Belastungen oder schädliche Bodenveränderungen unberücksichtigt bleiben. Frage 6. Ist davon auszugehen, dass eine solche Bewertung eine valide Grundlage für die Erhebung der Grundsteuer A und B nach der vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform leisten kann? Frage 7. Wäre mit einer solchen Erhebungsgrundlage, die regelmäßig zu überarbeiten wäre, die Chance gegeben, relativ unbürokratisch und zugleich kostenschonend, eine solche „neue“ Grundsteuer zu erheben? Frage 8. Wie groß wird die Akzeptanz einer solchen für die Bürgerinnen und Bürger unbürokratischen und kostenschonenden Grundlage eingeschätzt? Die Fragen 6. bis 8. werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Auf der Basis von Verkehrswerten kann keine valide, unbürokratische und kostenschonende Grundlage für eine Reform der Grundsteuer geschaffen werden. Die für eine Ermittlung des Verkehrswertes erforderliche gutachterliche Würdigung im Einzelfall ist im grundsteuerlichen Massenverfahren mit über 35 Mio. Grundstücken und Betrieben der Land- und Forstwirtschaft nicht umsetzbar. Zur Begründung wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 5 verwiesen. Ein nicht umsetzbarer Reformansatz kann nicht auf Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern stoßen. Wiesbaden, 15. März 2017 Dr. Thomas Schäfer