Kleine Anfrage des Abg. Quanz (SPD) vom 16.02.2017 betreffend Schwierigkeiten bei Schulen in freier Trägerschaft und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Bei Gesprächen mit Schulen in freier Trägerschaft geht es immer wieder um nicht ausreichende Finanzierungen , aber auch um weitere andere Probleme. Vorbemerkung des Kultusministers: Durch die Novellierung des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes zum 01.01.2013 wurde die Finanzsituation der Ersatzschulen grundlegend verbessert und diese Verbesserung in einem Stufenplan bis 2022 fortgeschrieben. Das Kultusministerium steht mit den Verbänden der Privatschulen zur Verbesserung der Kommunikation in turnusmäßigem Austausch. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass alle Staatlichen Schulämter in Hessen die gleichen Kriterien und Maßstäbe handhaben, um die Unterrichtsgenehmigung an Schulen in freier Trägerschaft einheitlich zu regeln? Zur Vereinheitlichung der Verfahren im Zusammenhang mit den Schulen in freier Trägerschaft wurde seitens des Kultusministeriums der "Leitfaden Privatschulen" im Januar 2008 herausgegeben . Da die ausreichende wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte an den Schulen in freier Trägerschaft nach § 174 Abs. 1 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) Voraussetzung zur Genehmigung von Ersatzschulen ist, wurde das Thema der Unterrichtsgenehmigung zur Vereinheitlichung der Beurteilungskriterien in den Leitfaden Privatschulen aufgenommen. Frage 2. Ist es richtig, dass bisher Staatliche Schulämter in Hessen unterschiedliche Genehmigungsverfahren für die Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen in freier Trägerschaft zugrunde legen? Für die Erteilung von Unterrichtsgenehmigungen gibt es bei den Staatlichen Schulämtern in Hessen keine unterschiedlichen Genehmigungsverfahren. Die Verfahrensweise ist für alle Staatlichen Schulämter im "Leitfaden Privatschulen" und durch Erlass vom 13.02.2007 einheitlich vorgegeben. Der private Schulträger hat in geeigneter Weise darzulegen, dass die von ihm eingestellte Lehrkraft die erforderliche Fach- und Unterrichtskompetenz besitzt. Die Staatlichen Schulämter prüfen die Nachweise der wissenschaftlichen und pädagogischen Eignung der Lehrkräfte an Schulen in freier Trägerschaft sowohl im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 171 HSchG als auch anschließend im Rahmen der Schulaufsicht. Liegt bei einer Lehrkraft eine für öffentliche Schulen notwendige Qualifikation nicht vor, kann das Staatliche Schulamt als Genehmigungsbehörde eine Unterrichtsgenehmigung nach § 174 Abs. 1 Satz 2 HSchG erteilen. Die Feststellung, ob eine Lehrkraft gleichwertige Leistungen nachweist, ist immer eine Überprüfung im Einzelfall und setzt in der Regel eine schulaufsichtliche Überprüfung durch das zuständige Staatliche Schulamt voraus. Dazu sind im "Leitfaden Privatschulen" und durch Erlass die nachfolgenden Grundsätze aufgestellt. Bei einer schulaufsichtlichen Überprüfung muss die Lehrkraft nachweisen, dass sie über ausreichende fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Erfahrung zur Erteilung des Unterrichts verfügt. Sie muss darlegen, dass sie den Bildungs- Eingegangen am 3. April 2017 · Ausgegeben am 5. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4548 03. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4548 und Erziehungsauftrag (der Schule im Allgemeinen und der Ersatzschule im Besonderen) in der entsprechenden Schulform und Schulstufe erfüllen kann. Der Umfang der Überprüfung richtet sich nach den erworbenen Kompetenzen, die durch die bisherigen Ausbildungen und Tätigkeiten von der Lehrkraft nachgewiesen sind. Die Feststellung der Gleichwertigkeit der erworbenen Kompetenzen durch das Staatliche Schulamt kann unter Mitwirkung der Hessischen Lehrkräfteakademie erfolgen. Frage 3. Welche Qualifikationen und welche alternativen Voraussetzungen müssen Bewerberinnen und Bewerber für eine Unterrichtsgenehmigung an Schulen in freier Trägerschaft vorweisen, um eine entsprechende Stelle wahrnehmen zu können? a) Inwieweit stellt die Landesregierung sicher, dass Schulen in freier Trägerschaft Unterrichtsgenehmigungen nach § 174 Abs.1 S. 2 HSchG erhalten und die dort geforderten Nachweise erbringen können? b) Sind hier Veränderungen nicht zuletzt im Hinblick auf den angedachten Stellenmarkt geplant? Der Träger einer Ersatzschule muss dem Staatlichen Schulamt den Nachweis erbringen, dass die für einen bestimmten Unterrichtseinsatz vorgesehene Lehrkraft eine fachliche und pädagogische Ausbildung absolviert hat, die der Ausbildung und der Prüfung einer Lehrkraft an öffentlichen Schulen im Werte gleichkommt. Lehrkräfte mit diesen Nachweisen dürfen in Ersatzschulen der jeweiligen Schulform, für die sie das Lehramt oder die Lehrbefähigung erworben haben, unterrichten . Für andere Lehrkräfte kann nach § 174 Abs. 1 Satz 2 HSchG der Unterrichtseinsatz genehmigt werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass ihre wissenschaftliche und pädagogische Eignung gleichwertig ist. Dafür kommen zum Beispiel Magistergrade, Diplome oder Promotionen im Fachgebiet infrage oder Ausbildungen zu den Lehrämtern in nahestehenden Berufen . Defizite in der Ausbildung können durch gleichwertige freie Leistungen ausgeglichen werden, und zwar gleichgültig, ob es sich um fachwissenschaftliche, pädagogische oder unterrichtspraktische handelt. Freie Leistungen sind zum Beispiel eine bereits in Bildungseinrichtungen ausgeübte Lehrtätigkeit, die Ausübung eines pädagogisch geprägten Berufs, etwa in der Kinder- und Jugendhilfe, oder eine einschlägige wissenschaftliche Tätigkeit. Freie Leistungen müssen nicht schon erbracht worden sein; die Lehrkraft kann ihre Fähigkeit in Pädagogik und Unterrichtspraxis auch durch schulaufsichtlich begleiteten, mit Erfolg überprüften Unterricht an der Schule unter Beweis stellen. Der Nachweis der Eignung durch gleichwertige Leistungen ist nach der gesetzlichen Vorgabe allerdings nur als Ausnahme zulässig. Die so gewonnenen Lehrkräfte dürfen nicht die Regel werden. Bei der Überprüfung der Lehrkräfte zur Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung muss das Staatliche Schulamt über die Eignung aufgrund einer umfassenden , alle maßgeblichen Umstände würdigenden Überprüfung entscheiden. Allerdings ist ihm bei der Bewertung der individuellen freien Leistungen als gleichwertig ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zu der individuellen Überprüfung der Lehrkräfte zur Feststellung einer gleichwertigen Ausbildung zur Erteilung einer Unterrichtsgenehmigung bei fehlender Ausbildungsvoraussetzung gibt es keine Alternative, die eine Änderung des Verfahrens zulassen würde. Frage 4. Inwieweit stellt die Landesregierung sicher, dass Schulen in freier Trägerschaft Leerstellen erhalten? a) Sind im Rahmen dieser Leerstellenvergaben auch Funktionsstellen (A 15 und höher) für die Schulen in freier Trägerschaft vorgesehen? b) Wie erfolgt die Verteilung dieser Stellen und sind an dieser Stelle Änderungen geplant? Die Leerstellen zur Beurlaubung von beamteten Lehrkräften in den Privatschuldienst sind den Staatlichen Schulämtern zur Bewirtschaftung zugewiesen. In diesen Zuweisungen sind Stellen der Besoldungsgruppe A 13 bis A 16 enthalten. Das bisherige Verfahren der Stellenzuweisung erfolgt nach einer Schlüsselzuweisung. Dieses Verfahren wird zurzeit überprüft und soll modifiziert werden. Frage 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Schulen in freier Trägerschaft die nötigen finanziellen Mittel bzw. die personellen Kapazitäten von den Staatlichen Schulämtern vor Ort für die Beratung bei sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten? Die direkte Beratung einer Ersatzschule durch ein regionales oder überregionales Beratungsund Förderzentrum bzw. eine durch das Staatliche Schulamt bestimmte Förderschule bezieht sich ausschließlich auf die Erstellung einer förderdiagnostischen Stellungnahme nach § 3 Abs. 2 des Ersatzschulfinanzierungsgesetzes (ESchFG), in der vorhandene Gutachten, Berichte, Zeugnisse , individuelle Förderpläne oder Hilfepläne sowie die Ergebnisse von Beobachtungen, Gesprächen und diagnostischen Verfahren, welche den Förderprozess der Schülerin oder des Schülers über einen längeren Zeitraum dokumentieren, zusammengefasst sind. Darüber hinausgehende Bedarfe sind aus der allgemeinen finanziellen Förderung durch Zuschüsse nach dem ESchFG zu decken. Eine kostenfreie Beratung der Ersatzschulen kann sich damit beispielsweise nicht auf Fragen zur konkreten Umsetzung eines Förderkonzeptes beziehen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4548 3 Jeder öffentlichen, allgemeinen Schule ist nach § 26 Abs. 3 VOSB für die Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprachheilförderung ein für sie zuständiges regionales Beratungs- und Förderzentrum zugeordnet. Für die Förderschwerpunkte Sehen, Hören , emotionale und soziale Entwicklung, geistige Entwicklung und körperlich-motorische Entwicklung stehen die überregionalen Beratungs- und Förderzentren oder vom Staatlichen Schulamt bestimmte Förderschulen zur Verfügung. Diese Zuordnung gilt entsprechend für Ersatzschulen . Frage 6. Ist es richtig, dass selbst wenn durch Beratungs- und Förderzentren (BFZ) sonderpädagogischer Förderbedarf bei Schülerinnen und Schülern festgestellt wurde, trotzdem den Schulen nicht genügend Mittel bzw. Stunden/Stellen für entsprechende Beratung und Förderung zur Verfügung gestellt werden? Nach § 3 Abs. 2 ESchFG erhält eine Ersatzschule für eine Schülerin oder einen Schüler nur dann den entsprechenden Schülersatz eines Förderschwerpunktes, wenn der Anspruch auf sonderpädagogische Förderung und der entsprechende Förderschwerpunkt durch eine Bestätigung des zuständigen Staatlichen Schulamtes nachgewiesen werden. Die Bestätigung des Staatlichen Schulamtes beruht dabei auf einer Stellungnahme des zuständigen regionalen oder überregionalen Beratungs- und Förderzentrums. Erforderlichenfalls kann durch das Staatliche Schulamt ein schulärztliches sowie in Zweifelsfällen ein schulpsychologisches Gutachten angefordert werden. Die Bestätigung des Anspruchs einer Schülerin oder eines Schülers auf sonderpädagogische Förderung erfolgt auf Antrag der Ersatzschule durch das zuständige Staatliche Schulamt. Im Antrag sind die präventiven Maßnahmen zur Vorbeugung eines Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung, die der Antragsstellung vorausgegangen sind, sowie die aktuelle schulische Situation der Schülerin oder des Schülers darzustellen. Grundlagen der Stellungnahme des BFZ sind vorhandene Gutachten, Berichte, Zeugnisse, individuelle Förderpläne oder Hilfepläne sowie die Ergebnisse von Beobachtungen, Gesprächen und diagnostischen Verfahren, welche den Förderprozess der Schülerin oder des Schülers über einen längeren Zeitraum dokumentieren. Die Beauftragung des zuständigen Beratungs- und Förderzentrums bzw. der zuständigen Förderschule zur Erstellung einer Stellungnahme erfolgt durch die zuständige Dezernentin oder den zuständigen Dezernenten für die sonderpädagogische Förderung im Staatlichen Schulamt. Die Feststellung eines Anspruchs auf sonderpädagogische Förderung durch ein BFZ findet darüber hinaus nicht statt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Frage 7. Wie wirken sich die momentan bestehenden personellen Engpässe bei der Unterrichtsversorgung im Grundschul- und Förderschulbereich wegen fehlender qualifizierter Lehrerinnen und Lehrer auf den Bereich der Schulen in freier Trägerschaft aus? Die Schulen in freier Trägerschaft sind für die Akquirierung ihrer Lehrkräfte selbst verantwortlich . Es gibt keine Erkenntnisse darüber, inwieweit sich Lehrkräfte, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben, nun weniger für Schulen in freier Trägerschaft interessieren als vorher. Neben der Einstellung von Lehrkräften mit einer abgeschlossenen Ausbildung für öffentliche Schulen haben Schulen in freier Trägerschaft - wie beschrieben - die Möglichkeit, auch Lehrkräfte einzustellen , die gleichwertige Leistungen nachweisen. Frage 8. Wird die Landesregierung auch künftig im Kultusministerium eine besondere Stelle etatisieren, die ausschließlich für Schulen in freier Trägerschaft zuständig ist? Es ist vorgesehen, im Kultusministerium auch künftig eine Person mit der Aufgabe als Ansprechpartner für die Schulen in freier Trägerschaft zu betrauen. Wiesbaden, 22. März 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz