Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 01.03.2017 betreffend kultursensible Pflege im Pflege- und Medizinstudium und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Kultursensible Pflege trägt dazu bei, dass eine pflegebedürftige Person entsprechend ihrer individuellen Werte , kulturellen und religiösen Prägungen und Bedürfnisse behandelt werden kann. Angesichts des wachsenden Anteils älterer Migrantinnen und Migranten sowie deren Familien und Angehörigen wird zunehmend erkannt, dass sich das Gesundheits- und Pflegewesen interkulturell öffnen muss. Kultursensible Versorgung und Pflege bedeutet, dass der Mensch als Individuum vor dem Hintergrund seiner Biografie gesehen und die Pflege auf seine Bedürfnisse abgestimmt wird. Interkulturelle Kompetenzen, Sprachkenntnisse, Neugier und Toleranz sind wichtige Voraussetzungen, damit dies gelingen kann. Wissenslücken sowie kulturelle Barrieren sollen abgebaut werden. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Die Situation der Pflegestudiengänge ist dadurch gekennzeichnet, dass das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886), für die Ausübung pflegerischer Tätigkeiten in der Regel das Absolvieren einer Berufsausbildung voraussetzt. Eine unmittelbar für pflegerische Tätigkeiten qualifizierende Hochschulausbildung ist gegenwärtig nur auf der Grundlage einer Modellklausel möglich. Die Durchführung von Pflegestudiengängen auf der Grundlage der Modellklausel wird von vielen Hochschulen jedoch als unattraktiv empfunden, da die geltende Modellklausel den Hochschulen keine hinreichenden Ausgestaltungsspielräume eröffnet: Die vorgeschriebene enge Orientierung an Inhalten und Struktur der Berufsausbildung erschwert es für Hochschulen, eigenständig profilierte Studiengänge zu entwickeln, die sich signifikant von der Berufsausbildung abheben. Vor allem aus diesem Grund werden in Hessen entweder duale Studiengänge angeboten, die eine Ausbildung integrieren, oder Studiengänge, bei denen zur Erlangung einer Berufsbefähigung nach dem Krankenpflegegesetz das zusätzliche Absolvieren einer (verkürzten) Berufsausbildung erforderlich ist. Diese Situation führt dazu, dass die einschlägigen Studiengänge in Hessen nicht auf der Grundlage der Modellklausel angeboten werden und damit keinen gesetzlichen oder sonstigen inhaltlichen Vorgaben unterworfen sind sowie inhaltlich durch die Hochschulen individuell ausgestaltet werden können. Die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Pflege ist nicht primär Aufgabe des Medizinstudiums, auch wenn Fragen der Pflege im Kontext interprofessioneller Lehre sehr wohl angesprochen werden. In diesem Sinn werden die nachfolgenden Fragen hinsichtlich der Vermittlung interkultureller Kompetenzen im Rahmen des universitären Medizinstudiums beantwortet. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. An welchen hessischen Hochschulen können ein Pflege- oder ein Medizinstudium oder ein duales Pflegestudium absolviert werden und inwiefern wird dort die kultursensible Pflege in den Studiengängen an den einzelnen Hochschulstandorten berücksichtigt? (Bitte je Studiengang (Dezernat , Fachbereich) und Hochschulstandort aufschlüsseln). In Hessen gibt es die nachfolgend genannten grundständigen Pflegestudiengänge: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit: Pflege (B.Sc.) (auslaufend), Hochschule Fulda, Fachbereich Pflege und Gesundheit: Pflege (B.Sc.), Eingegangen am 20. April 2017 · Bearbeitet am 20. April 2017 · Ausgegeben am 26. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4606 20. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4606 Evangelische Hochschule Darmstadt, Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften: Pflege und Gesundheitsförderung (B.A.), Hochschule Fresenius, Fachbereich Gesundheit und Soziales, Standort Frankfurt: Gesundheits - und Krankenpflege (B.Sc.) dual. Folgende Universitäten bieten in Hessen ein Medizinstudium an: Goethe Universität Frankfurt am Main, Fachbereich Medizin: Medizin, Zahnmedizin (Staatsexamen), Justus-Liebig-Universität Gießen, Fachbereich Medizin: Medizin, Zahnmedizin (Staatsexamen), Phillipps Universität Marburg, Fachbereich Medizin: Medizin, Zahnmedizin (Staatsexamen). Frage 2. An welchen hessischen Hochschulstandorten wird aus welchen Gründen die kultursensible Pflege im Pflege- und Medizinstudium nicht berücksichtigt? (Bitte je Studiengang und Hochschulstandort aufschlüsseln.) Die kultursensible Pflege wird in allen unter Frage 1 genannten Studiengängen unmittelbar oder mittelbar in Abhängigkeit von der Schwerpunktsetzung der Studiengänge berücksichtigt. Frage 3. Wie sind die Angebote der kultursensiblen Pflege im Pflege- und Medizinstudium sowie im dualen Pflegestudium ausgestaltet? (Angebote/Seminare/Lehr- und Lerneinheiten) Im Bereich des Pflegestudiums wird die kultursensible Pflege nach Angaben der Hochschulen wie folgt berücksichtigt: Frankfurt University of Applied Sciences: Die Bearbeitung des Themenspektrums kultursensibler Pflege mit den Themen von Fremdheitserfahrung in der Pflegearbeit, Gestaltung von adressaten- und differenzsensibler Interaktion und Kommunikation mit von Krankheit, Behinderung und Alter betroffenen Menschen und Fragen der am Individuum orientierten Bedarfsermittlung ist in die Lehre unterschiedlicher Module eingebettet. So findet etwa innerhalb der Module Sozialpsychologie die Vermittlung von soziologischen und psychologischen Analysekategorien zur Bearbeitung des Themenbereichs der Kultursensibilität statt; im Rahmen curricular verankerter Reflexionsmodule besteht die Möglichkeit für Studierende, eigene Wahrnehmungs- aber auch Vorurteilsstrukturen und den Umgang mit Vielfalt und Differenz im beruflichen Handeln zu reflektieren. Die dem Komplex des Case Management zugehörigen Module zur Bedarfsermittlung und Interventionsplanung und - durchführung im pflegerischen Kontext bieten ebenfalls die Möglichkeit der Bearbeitung und Vertiefung des Themas kultursensibler Pflege. Eine explizite curriculare Verankerung des Themenschwerpunkts "Kultursensible Pflege" (bspw. als ausgewiesenes, eigenständiges Modul) ist derzeit in den benannten Studiengängen folglich nicht abgebildet bzw. nicht als zentrale Kernkompetenz der Absolventinnen und Absolventen formuliert. Hochschule Fulda: Im Bachelor-Studiengang Pflege sind in den nachfolgenden Modulen kultursensible Lehrinhalte fest verankert: P 1: Einführung in die Pflegewissenschaft u.a. mit dem Thema Interkulturelle Aspekte der Pflege, P 6: Pflegerische Konzepte anwenden, u.a. mit dem Thema Culture and Ethnicity in englischer Sprache, P 14: Komplexe Pflegesituationen. Hier ist kultursensible Pflege dann ein Thema, wenn Studierende ihr Fallverständnis für die Situation von Patienten mit Migrationshintergrund entwickeln und darstellen. Hinweise auf kulturelle Unterschiede und Anforderungen in der Lehre sind aber auch aus allen anderen Modulen mit Pflegeinhalten nicht wegzudenken. In curricular verankerten zweisemestrigen studentischen Projekten, beispielhaft sei hier das Projekt "Würdevoller Umgang mit Verstorbenen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen kulturellen Aspekte" genannt, werden gezielt Themenstellungen der kultursensiblen Pflege durch Studierende mit und ohne Migrationshintergrund erarbeitet. Kultursensible Pflege, interkulturelle Zusammenarbeit in der Pflege sowie entwicklungspolitische Fragestellungen sind darüber hinaus regelmäßig Gegenstand von angebotenen bzw. durch Studierende vorgeschlagenen Abschlussarbeiten, z.B.: Bachelorarbeit SoSe2016: Pflegerische Versorgung verstorbener Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Bedürfnissen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4606 3 Bachelorarbeit SoSe2016: Aufgabe der Pflegenden bei einer infektiösen Krankheit in afrikanischen Ländern: Malaria in Kamerun. Bachelorarbeit 2014: Konzeptionelle Überlegungen zur Implementierung eines ambulanten Pflegedienstes in der Versorgung von Diabetes Mellitus Patienten in Douala/Kamerun. Bachelorarbeit SoSe2010: Pflege in Äthiopien und HIV/AIDS - Problem oder Chance. Bachelorarbeit 2009: HIV/AIDS-Prävention in Afrika: Ein sozi-kultureller Ansatz. Hochschule Fresenius: Im dualen Bachelor-Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege sind folgende kultursensible Lehrinhalte fest verankert: 1. Fachsemester, Pflegephänomene Kultur: Definition und Einflussfaktoren auf Kulturen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen, Erleben von Fremdsein, Gesundheits- und Krankheitsverständnis verschiedener Kulturen, Der Mensch als Glied einer Gesellschaft und Träger einer Kultur, Bewertung pflegerischer Situationen unter dem Aspekt der kulturellen Einflussgrößen und Verhalten der Pflegenden anhand der Lebensaktivitäten. 1. Fachsemester, Modul Pflegehandeln personenbezogen ausrichten: Sozio-kultureller Hintergrund als Persönlichkeitsmerkmal, Kulturelle Unterschiede im Pflegealltag, Sterbende Menschen (Einführung), Individuelle Interpretation des Glaubens, Sinnfrage. 3. Fachsemester, Modul kulturbezogene Pflege: Kritische Auseinandersetzung mit dem Sunrisemodell nach Leiniger mit Beispielen aus verschiedenen Kulturen, Überblick über Migration in Deutschland und deren Ursachen in den letzten Jahrzehnten, Folgen der Migration im Gesundheitsbereich, Exemplarische Darstellung kulturbezogener Krankheitssyndrome und Fürsorgeaspekte. 5. Fachsemester, Modul Kommunikation mit ausländischen Patienten: Fachenglisch: The Hospital, Nursing, Medical Observation, Illness, Anatomy. Exemplarische Darstellung, um die Bedürfnisse ausländischer Patienten zu verstehen, entsprechend darauf zu reagieren und die Patienten über ausstehende Pflegemaßnahmen und - Prozesse zu informieren. Evangelische Hochschule Darmstadt: In Modul 8 finden Veranstaltungen zur kultursensiblen Pflege im Umfang von zwei Semesterwochenstunden in Seminarform statt. Im Bereich des Medizinstudiums ergibt sich folgende Situation: Die Lehrinhalte im Studium der Medizin und der Zahnmedizin sind durch die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) und die Approbationsordnung für Zahnärzte (ZÄPrO) vorgegeben. Ziel der ärztlichen Ausbildung ist danach der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt, der zur eigenverantwortlichen und selbstständigen ärztlichen Berufsausübung , zur Weiterbildung und zu ständiger Fortbildung befähigt ist. Nach der ÄApprO umfasst die ärztliche Ausbildung einen Krankenpflegedienst von drei Monaten, der vor der Anmeldung zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung abzuleisten ist. Diese krankenpflegerische Tätigkeit kann in einem Universitätsklinikum, in einem beliebigen anderen Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung mit einem vergleichbaren Pflegeaufwand oder durch sonstigen Krankenpflegedienst nach Maßgabe der ÄApprO nachgewiesen werden. Die ZÄPrO enthält eine entsprechende Regelung zum Krankenpflegedienst nicht. Im Medizinstudium werden spezielle Seminare oder Lehr- und Lerneinheiten zum Thema kultursensible Pflege zwar nicht angeboten, es werden jedoch interkulturelle Kompetenzen in der Aus- und Fortbildung der Studierenden sowie der Ärztinnen und Ärzte thematisiert und in diversen Bereichen abgedeckt. In der Lehre findet die Thematik der interkulturellen Kompetenzen in vielen Fachgebieten Eingang, sowohl im curricularen Unterricht als auch im Bereich der Wahlfächer. Die Universitäten haben dazu folgende Beispiele angeführt: 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4606 Goethe Universität Frankfurt: Es werden interkulturelle Aspekte und Kompetenzen bereits im ersten vorklinischen Semester behandelt, zum Beispiel im Kurs der Medizinischen Soziologie und Psychologie im Format eines interaktiven Seminars in der Unterrichtseinheit "Arzt-Patient-Beziehung". In der Pädiatrie hat das Thema eine hohe Relevanz und ist daher als "kultursensible Begleitung" ein fester Bestandteil verschiedener Unterrichtseinheiten wie zum Beispiel im Blockpraktikum Pädiatrie, in der Vorlesung und dem Praktikum "Einführung in die klinische Medizin" - hier Bestandteil der Unterrichtseinheit "Anamnese". Im Rahmen der Veranstaltungen der Arbeitsmedizin und der Umweltmedizin werden diese Themen immer wieder durch die Dozierenden berücksichtigt. Ebenso ist in der Ausbildung in den chirurgischen Bereichen die Vermittlung von Kommunikationskompetenzen fester Bestandteil, so zum Beispiel im Blockpraktikum Chirurgie im Rahmen des longitudinalen Kommunikationscurriculum. Das Themenfeld "interkulturelle Kompetenz" ist hier allerdings kein gesonderter Schwerpunkt. In der Neurologie erfolgt die Vermittlung im Blockpraktikum und im Rahmen der Famulaturen anhand von Fallbeispielen von Patientinnen und Patienten unterschiedlicher kultureller Herkunft mit den Lernzielen der Vermittlung ethischer Grundsätze und Empathie. Zudem finden sich außerhalb des curricularen Unterrichts im Rahmen der Wahlpflichtfächer Seminare mit den Titeln "Das Überbringen schlechter Nachrichten", "Wann ist ein Arzt ein guter Arzt?". Neben der Ausbildung der Studierenden am Universitätsklinikum erfolgt die Ausbildung auch an den Akademischen Lehrkrankenhäusern und Lehreinrichtungen des Fachbereichs. Als Beispiel kann hier die akademische Lehreinrichtung am Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt genannt werden, in der ein Tertial im Praktischen Jahr im Öffentlichen Gesundheitswesen abgeleistet werden kann. Studierende werden hier im Rahmen der "Humanitären Sprechstunde für Erwachsene und Kinder am Gesundheitsamt" auf die kulturellen, religiösen und sozialen Hintergründe der Patientinnen und Patienten hingewiesen. Die jeweiligen Gegebenheiten werden am praktischen Beispielfall ausführlich erklärt. Ebenso fließt die Vermittlung interkultureller Aspekte und Kompetenzen in die Betreuung der Studierenden in der studentischen Poliklinik (StuPoli) ein, die in den Räumen und unter ärztlicher Betreuung des Gesundheitsamtes stattfindet. Die StuPoli ist ein deutschlandweit einmaliges universitäres Wahlfach des Fachbereichs unter der Leitung des Studiendekans Klinik, in dem mit interessierten Studierenden ein ambulantes Angebot etabliert wurde, das es Patientinnen und Patienten ohne Krankenversicherungsschutz ermöglicht, eine allgemeinmedizinische Versorgung zu erlangen. Universität Gießen: Am Fachbereich Medizin wurde bereits 2004 das Wahlpflichtfach "Medizin und Migration" etabliert. Inzwischen wurde dieses Wahlangebot unter Federführung des Institutes für Geschichte , Theorie und Ethik in der Medizin zu einem longitudinalen Schwerpunktcurriculum "Global Health" im klinischen Studienabschnitt weiterentwickelt, das vor allem auch sozial- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen neben den klassischen medizinischen Aspekten aufgreift. Veranstaltungen dieses freiwilligen Curriculums erreichen inzwischen ca. 20 % der Studierenden ; bevorzugte Lehrformen sind Seminare, Praktika, Hospitationen und Exkursionen. Ausgehend von dieser longitudinalen Struktur werden zunehmend interkulturelle Aspekte in die Fachlehre (z.B. Psychosomatik, Pädiatrie, Psychiatrie, Innere Medizin) und die Querschnittsbereiche (z.B. Gesundheitswesen / Gesundheitsökonomie, Infektiologie, Prävention) einbezogen. Zurzeit entwickelt der Fachbereich gemeinsam mit dem Gesundheitsamt Gießen und dem Regierungspräsidium Gießen ein Praktisches-Jahr-Wahltertial "Öffentliches Gesundheitswesen" mit dem expliziten Schwerpunkt der Migrationsmedizin. Interkulturelle Kompetenzen werden in verschiedenen Studienabschnitten, Veranstaltungen und Lehrformen vermittelt. Der FB Medizin ist im Ausschuss "Interkulturelle Kompetenz und Global Health" der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und der Hochschulrektorenkonferenz federführend mit der Thematik der Interkulturellen Kompetenzen befasst und hat seit 2004 curriculare Veranstaltungen zu diesem Themenkreis aufgebaut. Universität Marburg: Kommunikative Kompetenzen werden im Rahmen des Medizinstudiums vermittelt, fallbezogen (Lehre am Krankenbett) auch kultursensibel. Hierbei werden auch Besonderheiten der Kommunikation berücksichtigt. Dazu dienen u. a. Kurse im Marburger Interdisziplinären Skills Lab "MARIS" im Rahmen des Dr. Reinfried-Pohl-Zentrums für medizinische Lehre. Ein empathisches , wertneutrales Gegenübertreten wird in einem Studiengang, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht, als selbstverständlich angesehen. Gleiches gilt für die Kultursensibilität und die interkulturelle Kompetenz. Im Rahmen der universitären Praktika und dem Praktischen Jahr Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4606 5 lernen die Studierenden im täglichen Umgang mit Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund unter Supervision von erfahrenen Klinikärzten Rücksichtnahme auf kulturelle und religiöse Unterschiede zu nehmen. Frage 4. Welche Herausforderungen gibt es bei der Umsetzung der kultursensiblen Pflege im Pflege- und im Medizinstudium sowie im dualen Pflegestudium? Die hauptsächliche Herausforderung besteht darin, den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen bei der Entwicklung der Curricula laufend Rechnung zu tragen und sinnvoll mit den übrigen Inhalten des Studiums zu verknüpfen, woran die Hochschulen kontinuierlich arbeiten. Frage 5. Ist geplant, die kultursensible Pflege als verpflichtenden Lehrinhalt in entsprechenden Studiengängen einzuführen? Aus den in der Vorbemerkung aufgeführten Gründen gibt es für die existierenden Pflegestudiengänge keine übergeordneten inhaltlichen Vorgaben. Das Hochschulrecht sieht keine Möglichkeiten für inhaltliche Vorgaben vor. Unabhängig davon haben die hessischen Hochschulen eigenverantwortlich dafür Sorge getragen, dass die kultursensible Pflege in die Pflegestudiengänge einfließt. Bereits deshalb stellt sich die Frage nach der Einführung verpflichtender Lehrinhalte nicht. Aus der Sicht der Hessischen Landesregierung ist zunächst der Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zum "Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz - PflBRefG)" abzuwarten. Der Gesetzentwurf, der auch die unmittelbar für Pflegetätigkeiten qualifizierende hochschulische Pflegeausbildung regelt, hat die Schaffung eines modernen, gestuften und durchlässigen Pflegebildungssystems zum Ziel. Dementsprechend geht der Gesetzentwurf von einem umfassenden Pflegeverständnis aus. In der Regelung über das Ausbildungsziel (§ 5 des Gesetzentwurfs) ist festgehalten, dass die Pflege die "konkrete Lebenssituation, den sozialen , kulturellen und religiösen Hintergrund, die sexuelle Orientierung sowie die Lebensphase der zu pflegenden Menschen" berücksichtigt. Dieses Pflegeverständnis ist auch Gegenstand der Ausbildungsziele der hochschulischen Pflegeausbildung . Daher wird die kultursensible Pflege fester Bestandteil der hochschulischen Pflegeausbildung auf der Grundlage des Pflegeberufsgesetzes sein. Die Lehrinhalte des Medizinstudiums sind durch die Ärztliche Approbationsordnung (ÄApprO) vorgegeben und werden im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) operationalisiert. Die dort angeführten Lehr- und Lernziele wie z.B. differenziertes Verständnis von Kultur, Selbstreflexion kultureller Aspekte und die Zusammenarbeit mit Dolmetschern, werden erfüllt und tragen den einschlägigen Erfordernissen der Medizinerausbildung hinreichend Rechnung. Frage 6. Welche Möglichkeiten zur Weiterbildung in diesem Bereich gibt es an welchen Standorten in Hessen, durch welche Anbieter und mit welchem Qualifikationsabschluss? In Hessen gibt es bislang nur vereinzelt Fort- und Weiterbildungsangebote zum Thema kultursensible Pflege. Beispielsweise bietet das Asklepios Bildungszentrum für Gesundheitsberufe Nordhessen eine Fortbildung auf dem Gebiet der Pflege von Menschen aus anderen Kulturkreisen an. Frage 7. Sind der Landesregierung Programme oder Weiterbildungen bezüglich der Thematik, wie zum Beispiel kultursensible Pflege als Unterrichtsfach in Altenpflegeschulen, bekannt? Ältere Migrantinnen und Migranten bleiben zwar bisher bei Pflegebedürftigkeit eher in der Familie , als in ein Pflegeheim umzuziehen, jedoch ändern sich auch in Familien mit Migrationshintergrund die familiären Strukturen. Da auch bei Migrantinnen und Migranten der Anteil der Hochbetagten ansteigt, ist zu erwarten, dass krankheitsbedingter Hilfe- und Pflegebedarf weiter zunehmen und die Nachfrage von Altenheimplätzen für zugewanderte Seniorinnen und Senioren insbesondere in Ballungszentren weiter ansteigen wird. Ein wichtiger Schwerpunkt in der Pflegearbeit ist daher die kultursensible Altenpflege. Diese greift spezifische Bedürfnisse älterer Migrantinnen und Migranten auf und berücksichtigt beispielsweise sprachliche Hürden, Ernährungsgewohnheiten oder religiöse Hintergründe. Nach umfangreicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die mit Landesmitteln unterstützt wurde, wurde das Thema der kultursensiblen Altenpflege in die hessischen Rahmenlehrpläne für die Altenpflege- und die Altenpflegehilfeausbildung bereits 2009 bzw. 2012 aufgenommen, um angehende Altenpflegekräfte von Beginn an für das Thema zu sensibilisieren: 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4606 Rahmenlehrplan für die schulische und betriebliche Ausbildung Fachkraft Altenpflege (Mai 2009/ 2. Auflage Okt. 2011), vgl. insb. Lernbereiche 1 und 2, Rahmenlehrplan für die schulische und betriebliche Ausbildung in der Altenpflegehilfe (Feb. 2012), vgl. insb. Lernbereich 2.1. Darüber hinaus befindet sich in der Ausbildung in den Altenpflegeberufen ein hoher Anteil von Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund (Stand 01.10.2016: rd. 22%). Einen wesentlichen Beitrag für die Verbesserung der kultursensiblen Altenpflege leistete auch das durch das Land Hessen geförderte Modellprojekt "Ausbildung junger Männer mit Migrationshintergrund in der Altenpflegehilfe - AjuMA" (Laufzeit: 01.07.2010 - 31.12.2014) in Offenbach. Hierdurch konnten Fachkräfte mit Migrationshintergrund gewonnen werden, die aufgrund ihrer Herkunft ein hohes Maß an interkultureller Handlungskompetenz mitbringen. Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung liegen im Zuständigkeitsbereich der Träger der Altenhilfe (ambulanten Dienste und stationären Einrichtungen der Altenpflege). Seitens des Landes Hessens erfolgt keine gesonderte Förderung von Fortbildungsangeboten für Träger der Altenhilfe bzw. ihrer Beschäftigten. Frage 8. Wie wird die kultursensible Pflege in anderen Bundesländern im Pflege- und Medizinstudium sowie im dualen Pflegestudium berücksichtigt? Auch in anderen Bundesländern obliegt die Ausgestaltung der einschlägigen Studiengänge den Hochschulen. Insoweit gibt es keine einheitliche Lage innerhalb der Bundesländer. Soweit es sich jedoch um Studiengänge auf der Grundlage der Modellklausel des Krankenpflegegesetzes handelt, sind die einschlägigen Vorgaben dieses Gesetzes zu beachten. Betreffend das Medizinstudium wird ergänzend auf die Antwort zu Frage 5 hingewiesen. Frage 9. Welche Bedeutung misst die Hessische Landesregierung dem Thema der kultursensiblen Pflege allgemein sowie im Pflege- und Medizinstudium bei? Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegende versorgen immer häufiger Menschen aus anderen Kulturkreisen, mit unterschiedlichen Einstellungen, Werten und religiösen Praktiken. Aus der Sicht der Hessischen Landesregierung wird die kultursensible Pflege daher weiter an Bedeutung gewinnen. Dementsprechend wird sich die kultursensible Pflege als Ausbildungsinhalt im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung und des Medizinstudiums noch stärker etablieren . Frage 10. Wie will sie die kultursensible Pflege in Wissenschaft und Praxis etablieren, um dieser Herausforderung gerecht zu werden? Die Fragestellungen rund um die kultursensible Pflege haben bereits Einzug in die Wissenschaft und Praxis gehalten. Die Krankenhäuser, stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste stellen sich tagtäglich den wachsenden Herausforderungen der kultursensiblen Pflege. Bei Inkrafttreten des Pflegeberufereformgesetzes wird sich die Hessische Landesregierung dafür einsetzen, dass die kultursensible Pflege in die Studieninhalte der hochschulischen Pflegeausbildung eingearbeitet wird. Auch im Zuge der anstehenden Fachgespräche zum Masterplan Medizinstudium 2020 und der zukünftigen Ausgestaltung der Ableistung des Krankenpflegedienstes wird die kultursensible Pflege zu berücksichtigen sein. Wiesbaden, 5. April 2017 In Vertretung: Ingmar Jung