Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 02.03.2017 betreffend Polizeieinsatz Windkraft Wald-Michelbach/Siedelsbrunn und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Die Kleine Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz , Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Hat Ministerpräsident Volker Bouffier in der Öffentlichkeit erklärt, dass zur Durchsetzung der energiepolitischen Ziele der Landesregierung und des Baus von Windkraftanlagen keine Polizeikräfte zum Einsatz kommen sollen? Frage 2. Wurden im Zusammenhang mit dem Bau von Windkraftanlagen im Bereich Wald- Michelbach/Siedelsbrunn Polizeikräfte eingesetzt, um den Beginn der Bauarbeiten gegen den Widerstand von Bürgerinitiativen durchzusetzen? Frage 3. Warum wurde der Einsatz der Polizei angeordnet? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam wie folgt beantwortet. Im Zusammenhang mit demokratischen Auseinandersetzungen (Versammlungen) hat sich die Polizei thematisch neutral zu verhalten und den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten. Das Eingreifen der Polizei ist nur geboten und zulässig, wenn der Inhalt oder die Art und Weise der Konfliktaustragung gegen Rechtsnormen und Gesetze verstößt. Gesellschaftliche Konflikte sind daher mit politischen und nicht mit polizeilichen Mitteln zu lösen. Die Erbauer- und Betreiberfirma ENTEGA hat am 30. Dezember 2016 vom Regierungspräsidium Darmstadt die Genehmigung erhalten, die Windkraftanlage Siedelsbrunn-Stillfüssel zu errichten und zu betreiben. Eine hiergegen durch die Bürgerinitiative Gegenwind Siedelsbrunn eingereichte Klage für einen vorläufigen Bau- und Rodungsstopp wurde am 6. Februar 2017 durch das Verwaltungsgericht Darmstadt abgewiesen. Die somit zulässige Zufahrt der Baumaschinen wurde am 13. Februar 2017 durch eine Gruppe von 21 Personen aus dem Bereich der Bürgerinitiativen mittels Straßenblockade verhindert. In Abstimmung mit der vor Ort befindlichen Versammlungsbehörde wurden die Blockadeteilnehmer drei Mal über Lautsprecher durch die Polizei aufgefordert, die Durchfahrt freizugeben. Dies blieb ohne Reaktion, genauso wie ein anschließendes Kooperationsgespräch mit dem Leiter der Versammlung. Nach einer vierten, ebenfalls erfolglosen Aufforderung der Polizei setzten sich die zuvor stehenden 21 Personen auf den Boden und hakten sich gegenseitig unter, um weiterhin die Durchfahrt zu verhindern. Diese Störung wurde von den eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten, im Einvernehmen mit der örtlichen Versammlungsbehörde, durch einfaches Wegtragen und Absetzen seitlich des Zufahrtweges beendet. Dies erfolgte ohne besondere ruckartige oder grobe Bewegungen. Die Versammlung wurde dadurch nicht beendet. Frage 4. Waren die Proteste gegen den Bau der Windkraftanlagen friedlich? Frage 5. Welche konkreten Maßnahmen wurden seitens der Landesbehörden ergriffen, um vor Ort zu einer Deeskalation der Lage beizutragen? Frage 6. Welche konkreten Maßnahmen wird der Ministerpräsident ergreifen, um eine mögliche Eskalation ähnlicher Zielkonflikte andernorts zu verhindern? Frage 7. Welche Argumente und Forderungen brachten die Demonstranten vor? Die Fragen 4 bis 7 werden gemeinsam wie folgt beantwortet. Eingegangen am 20. Juni 2017 · Ausgegeben am 27. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4608 20. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4608 Das große Ziel, Hessens Energie komplett aus erneuerbaren Ressourcen zu gewinnen, kann das Land nur erreichen, wenn alle den Weg dorthin gemeinsam gehen. Viele verschiedene Interessen von Land, Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern müssen berücksichtigt werden, denn häufig treffen unterschiedliche Auffassungen aufeinander - gerade wenn Flächen zur Windenergienutzung ausgewiesen werden oder konkrete Bauvorhaben bevorstehen. Daher setzt die Hessische Landesregierung auf aktive Information und Beteiligung und hat das Bürgerforum Energieland Hessen ins Leben gerufen. Kommunen werden mit maßgeschneiderten Angeboten dabei unterstützt, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern zu Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien auszutauschen und nach konkreten Lösungen zu suchen. Das Land Hessen bindet Interessierte möglichst früh in die Planungsvorhaben ein und sichert somit Handlungsspielraum für alle Akteure. Das Bürgerforum Energieland Hessen wird im Auftrag des Landes von der Hessen Agentur umgesetzt. Sie wird dabei von Projektpartnern unterstützt, die vor Ort beraten, moderieren und zur Konfliktlösung beitragen. Seit Mai 2016 gab es diverse Protestaktionen, die störungsfrei und friedlich verliefen. Von einem anonymen Verfasser wurden Drohbriefe gegen die Firma ENTEGA und den Bürgermeister von Wald-Michelbach gesandt. Vor Beginn der Rodungsarbeiten war festzustellen, dass für die Baumaßnahmen erforderliche Markierungen der Bauflächen und die Verkehrskennzeichnung zur Zufahrtssperrung entfernt wurden. Verursacher sind bisher nicht bekannt. Dies gilt auch für Sachbeschädigungen am letzten Februarwochenende. Dabei wurden in Wald-Michelbach an einem dort abgestellten Doppelachsanhänger der beauftragten Rodungsfirma alle vier Reifen beschädigt . In der gleichen Straße gab es Eierwürfe gegen das Gebäude eines beauftragten Planungsbüros . In beiden Fällen erstatteten die Geschädigten Anzeige, die durch die Polizeistation Wald-Michelbach bearbeitet werden. Am 7. Februar 2017 fand durch die örtliche Versammlungsbehörde, unter Beteiligung der Polizei , ein Kooperationsgespräch mit dem Verantwortlichen der Bürgerinitiative Gegenwind Siedelsbrunn statt, wobei dieser keine konkreten Angaben zur Form der Protestaktionen machte. Am 9. Februar 2017 erging durch die Gemeinde Wald-Michelbach, als zuständige Versammlungsbehörde , eine Verfügung mit Auflagen an die Bürgerinitiative Gegenwind Siedelsbrunn. Im Zuge der Blockadeaufhebung am 13. Februar 2017 wurde lediglich die räumlich begrenzte Blockade des Zufahrtsweges durch das Umsetzen der Teilnehmer aufgehoben. Die Versammlung wurde dadurch nicht beendet. Im Rahmen einer Versammlung am 14. Februar 2017 am Baugelände wurde den Teilnehmern in Absprache mit dem Bauleiter ein Betreten der Baustelle für eine Kundgebung für 15 Minuten genehmigt. Dafür wurden die Bauarbeiten unterbrochen. Nach circa einer Stunde verließen die letzten Kundgebungsteilnehmer friedlich das Baugelände. Argumente und Forderungen brachten die Demonstranten gegenüber der Polizei nach hier vorliegender Kenntnislage nicht vor. Frage 8. Sind die Vorwürfe des NABU-Kreisverbandes Bergstraße zutreffend, die dieser in einem Schreiben vom 14. Februar 2017 an das Regierungspräsidium Darmstadt formulierte, wonach die Genehmigung der Windkraftanlagen ohne ausreichende Prüfung der artenschutzrechtlichen Belange erteilt worden sei und der Horst eines Uhus in unmittelbarem Umfeld der Windkraftanlagen zum Einsturz gebracht worden sei? Die Vorwürfe des NABU-Kreisverbandes Bergstraße (Schreiben vom 14. Februar 2017) sind nicht zutreffend. Sämtliche zum Zeitpunkt der Genehmigung vorliegenden natur- und artenschutzrechtlichen Hinweise wurden im Zulassungsverfahren berücksichtigt. Der angeführte Horstabsturz steht in keinem Zusammenhang mit dem Genehmigungsbescheid und den darin getroffenen Festsetzungen. Darüber hinaus ist nicht bekannt, welche Art diesen Horst genutzt hat. Der Sachverhalt wurde von der Polizei wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz von Amtswegen zur Anzeige gebracht und wird bei der zuständigen Dienststelle bearbeitet. Frage 9. Welche konkreten Hinweise von Bürgerinitiativen und Naturschutzverbänden bezüglich des Vorkommens geschützter Arten lagen den Genehmigungsbehörden zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung vor? Der Genehmigungsbehörde lag eine Vielzahl unterschiedlicher, weitgehend unkonkreter Hinweise von Bürgerinitiativen und Naturschutzverbänden vor. Insbesondere wurden zahlreiche zu diesem Zeitpunkt ungenutzte Horstfunde geltend gemacht, bei denen jedoch unklar blieb, ob, wann und durch welche Art eine Nutzung erfolgt war. Es handelte sich dabei um potenzielle Lebensstätten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 12. März 2008, Az. 9 A 3.06, Rdnr. 222, Beschluss vom 13.03.2008, Az.: 9 VR 9.07, Rdnr. 30, Urteil vom 9. Juli 2008, Az.: 9 A 14/07, Rdnr. 100). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4608 3 Potenzielle Lebensstätten sind hiernach grundsätzlich nicht geschützt, da es am erforderlichen Individuenbezug fehlt. Die bis weit in den Dezember 2016 vorgebrachten Einwendungen und Gutachten zu weiteren Horstfunden lieferten mangels Konkretisierungsgrad keine Artinformationen, die im Genehmigungsverfahren hätten berücksichtigt werden können bzw. die die Erforderlichkeit weiterer Untersuchungen substanziell begründet hätten. Frage 10. Wäre es nach Ansicht der Landesregierung vertretbar gewesen, die Hinweise der Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände bezüglich des Vorkommens geschützter Arten vor Erteilung der Baugenehmigung für die Windkraftanlagen ausreichend zu prüfen? Windenergieanlagen mit einer Höhe von über 50 m sind nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig. Es ist Aufgabe des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens , im Einzelfall zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch das Vorhaben entsteht. Im Rahmen dieses Verfahrens wird detailliert überprüft, ob alle rechtlichen Anforderungen an einen umweltkonformen Betrieb der Windenergieanlage gegeben sind und ob die Auswirkungen auf Mensch, Natur und Umwelt auf das zulässige Maß beschränkt werden. Im Zuge des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zum Windpark Stillfüssel wurden die naturschutzrechtlichen Belange auf Basis der vorgelegten Antragsunterlagen, der im Rahmen der öffentlichen Auslegung eingegangenen Einwendungen und deren Erörterung sowie der im Nachgang zur Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Artdaten ihrer Substantiierung entsprechend berücksichtigt. Wiesbaden, 31. Mai 2017 Peter Beuth