Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 06.03.2017 betreffend Genehmigung einer Windmessanlage in Villmar-Seelbach II und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung des Fragestellers: In der Gemeinde Villmar (Gemarkung Seelbach) wurde am 26. September 2014 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Windmessmastes beantragt. Die Genehmigung wurde mit Datum vom 4. März 2015 erteilt, dem Antrag entsprechend befristet bis zum 31. Dezember 2016. Zusammen mit der Baugenehmigung wurden auch der naturschutzrechtliche Eingriff in Natur und Landschaft sowie die bau- und betriebsbedingte Störung des Schwarzstorches zugelassen. In diesen Wochen wird der Schwarzstorch voraussichtlich aus seinem Winterquartier zurückkehren. Entgegen der Erwartung ist jedoch der Windmessmast bislang noch immer nicht wieder abgebaut und die Genehmigung verlängert worden. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Hessischen Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wie folgt: Frage 1. Wie hoch bewertet die Landesregierung das Risiko, dass der Schwarzstorch sich bei seiner Rückkehr nicht in seinem bisherigen Umfeld ansiedelt, da er vom weiterhin bestehenden Windmessmast vertrieben wird? Bei dem Windmessmast handelt es sich um ein statisches Hindernis, das nicht zur Vertreibung eines Schwarzstorches führen würde, sondern von ihm, wie andere einzelne statische Hindernisse , gemieden wird, wenn es für ihn erkennbar ist. Eine Vertreibung durch den weiterhin bestehenden Windmessmast ist nicht zu erwarten. Frage 2. Ist der Landesregierung bekannt, warum der Windmessmast nach fast anderthalb Jahren immer noch nicht wieder entfernt worden ist? Grundintention des Bauantrages war die Nutzung des Windmessmastes für den Zeitraum von zwei Jahren. Die Wirtschaftlichkeit der Nutzung der Windenergie zur Stromerzeugung hängt neben der Anlagentechnik vor allem von der nutzbaren Windgeschwindigkeit ab. Genaue Windmessungen sind sinnvoll, weil schon geringe Abweichungen der tatsächlichen gegenüber der prognostizierten Windgeschwindigkeit zu hohen Ertragseinbußen führen. Damit repräsentative Daten vorliegen, ist ein Messzeitraum von mindestens zwölf Monaten, besser bis zu zwei Jahren sinnvoll, da dann die saisonalen Unterschiede erfasst werden und die Windgeschwindigkeit eines Jahres bis zu 20 % vom langjährigen Mittel abweichen kann. Aufgrund einer Bauzeitenbeschränkung konnte mit dem Aufbau des Mastes jedoch erst im September 2015 begonnen werden, also ein halbes Jahr nach der erteilten Genehmigung im März 2015, sodass nach Ablauf der Genehmigung der vorgesehene Zeitraum von zwei Jahren noch nicht erfüllt war. Um dem Betreiber des Mastes eine repräsentative Messkampagne zu ermöglichen , wurde der Weiterbetrieb des Windmessmastes im Wege einer Duldung bis zum Ablauf des vorgesehenen Zeitraums gestattet und dies vertraglich einschließlich des anschließenden Rückbaus geregelt. Frage 3. Für welchen Zeitraum und durch welche Fachabteilung wurde die Baugenehmigung für den Windmessmast "Auf der Nauscheid" in der Gemarkung Seelbach erteilt? Die Genehmigung wurde am 4. März 2015 befristet bis zum 31. Dezember 2016 vom Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Amt für Öffentliche Ordnung, Fachdienst Bauen und Naturschutz, erteilt. Eingegangen am 13. Juni 2017 · Ausgegeben am 14. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4613 13. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4613 Frage 4. Wurde der ursprünglich erteilte Genehmigungszeitraum nachträglich verändert? Frage 5. Wenn ja, mit welcher Begründung? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Nein. Mit Ablauf der Befristung erlosch die Baugenehmigung. Mit dem am 21. März 2017 geschlossenen Vertrag, der den vollständigen Rückbau der Windmessstation bis zum 30. September 2017 vorsieht, wurde der ursprünglich erteilte Genehmigungszeitraum nachträglich nicht verändert, sondern mit der nachträglich vertraglich vereinbarten Duldung bis September 2017 nachgeholt. Frage 6. Nach welcher Rechtsgrundlage lässt sich eine bereits ausgelaufene Genehmigung nachträglich erneut verlängern? Die Baugenehmigung für den Windmessmast in Villmar wurde nach § 64 Abs. 1 und 4 Hessische Bauordnung (HBO) befristet bis zum 31. Dezember 2016 erteilt. Sie erlosch mit Ablauf der Befristung (§ 43 Abs. 2 Hess. Verwaltungsverfahrensgesetz - HVwVfG). Ob eine rückwirkende Verlängerung einer durch Fristablauf untergegangenen Baugenehmigung möglich ist, ist zweifelhaft. § 64 Abs. 7 HBO gilt nur für den Sonderfall, dass von einer Baugenehmigung kein Gebrauch gemacht wird, § 31 Abs. 7 HVwVfG nur für behördlich gesetzte Fristen. Unabhängig davon, ob § 31 Abs. 7 HVwVfG anwendbar oder die Baugenehmigung neu zu beantragen ist (§ 60 HBO), handelt es sich um einen neuen Verwaltungsakt, bei dessen Erlass die materiellen Voraussetzungen insbesondere des Bauplanungs- und Naturschutzrechts vorliegen müssen. Es wurde jedoch weder ein Antrag auf Verlängerung noch ein Antrag auf Erteilung einer neuen Baugenehmigung gestellt, sondern es liegt eine aktive Duldung des Windmessmastes für den noch ausstehenden Zeitraum von einem halben Jahr vor, die vertraglich geregelt wurde. Rechtsgrundlage dafür ist § 72 HBO. Werden bauliche Anlagen benutzt, ohne dass die erforderliche Genehmigung vorliegt, kann ihre Benutzung untersagt (§ 72 Abs. 1 Satz 2 HBO) oder, insbesondere wenn sie zudem materiell rechtswidrig sind, ihre Beseitigung verfügt (§ 72 Abs. 1 Satz 1 HBO) werden. Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung nach § 72 Abs. 1 HBO ist eine solche Duldung als Folge einer Abwägung der verschiedenen öffentlich-rechtlichen Interessen und den Interessen des Betreibers des Windmessmastes zulässig, wenn die gegen eine Beseitigung der Anlage sprechenden Interessen nicht überwiegen. Die Abwägung fiel zugunsten des befristeten Weiterbetriebes des Windmessmastes aus, da dies aus den in der Antwort zu Frage 2 genannten Gründen sinnvoll war und keine überwiegenden insbesondere natur- und artenschutzrechtlichen Belange dagegenstanden. Angesichts des Ausnahmecharakters und der Folgen einer solchen aktiven Duldung, bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll. Zudem sollten sie, da sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt worden. Frage 7. Hätte zur Verlängerung eine Anhörung der Gemeinde und der örtlichen Naturschutzverbände erfolgen müssen? Aus naturschutzrechtlicher Sicht ist weder für die Verlängerung einer Genehmigung noch für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages eine Anhörung der Gemeinde und/oder der örtlichen Naturschutzverbände vorgeschrieben. Frage 8. Welcher Zeitraum für die Rückbauverpflichtung wurde bei der Genehmigung festgeschrieben? In der Baugenehmigung vom 4. März 2015 wurde kein Zeitraum für die Rückbauverpflichtung festgeschrieben. In der naturschutzrechtlichen Auflage (Nr. 7) wurde aufgenommen, dass nach Abschluss der Windmessung sämtliche Anlagebestandteile (Windmessmast, Fundamente) zurückzubauen sind, die Baugruben der Fundamente mit dem zwischengelagerten Erdaushub zurückzufüllen und die für die Montage- und Demontagearbeiten beanspruchten Flächen sowie sämtliche durch die Baumaßnahme verdichteten Bodenoberflächen zu rekultivieren und in ihren Ursprungszustand zurückzuversetzen sind. Frage 9. Welche Maßnahmen stehen der Genehmigungsbehörde zur Verfügung, sollte der Betreiber den Windmessmast nicht fristgerecht entfernen? In dem Vertrag vom 21. März 2017 wurden der vollständige Rückbau und die Wiederherstellung des ursprünglichen Bodenzustands bis spätestens 30. September 2017 vereinbart. Die Betreiberfirma hat sich diesbezüglich der sofortigen Vollstreckung nach § 61 HVwVfG unterworfen . Bei nicht fristgerechter Erfüllung wurde ein Zwangsgeld von 500 € vereinbart, das nach Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4613 3 den Regelungen des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes festgesetzt und wiederholt beigetrieben werden kann, so lange, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Frage 10. Wie beurteilt die Landesregierung die Vermutung, dass der Windmessmast absichtlich länger stehen bleiben soll, um eine Vertreibung des Schwarzstorches zu verursachen, um leichter eine Baugenehmigung für die Errichtung von Windrädern in dem entsprechenden Gebiet zu bekommen? Der Landesregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, die diese Vermutung unterstützen. Wiesbaden, 31. Mai 2017 Tarek Al-Wazir