Kleine Anfrage der Abg. Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 09.03.2017 betreffend Tierversuche in Forschungseinrichtungen der Wirtschaft in Hessen für die Jahre 2015 bis 2016 - Teil II und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Mit der Änderung des Tierschutzgesetzes am 4. Juli 2013 wurde der Tierversuchsbegriff dahingehend neu gefasst und erweitert, dass nunmehr nur noch zwischen Tierversuchen und Tötungen zu wissenschaftlichen Zwecken differenziert wird, wobei die Unterscheidung zwischen genehmigungspflichtigen und anzeigepflichtigen Tierversuchen weiterhin unverändert gilt. Genehmigungspflichtige Versuche sind wie bisher bei der zuständigen Behörde zu beantragen und dürfen erst nach Vorliegen der Genehmigung innerhalb eines bestimmten Zeitraums von max. fünf Jahren durchgeführt werden. Diese maximale Laufzeit gilt nunmehr auch für die anzeigepflichtigen Versuche. Wann innerhalb des Bewilligungszeitraumes Tierversuche jeweils durchgeführt werden, gelangt nicht zwangsläufig zur Kenntnis der zuständigen Behörde, da eine generelle gesetzliche Pflicht für eine solche Mitteilung nicht besteht. Gemäß Versuchstiermeldeverordnung müssen jedoch pro Kalenderjahr zu allen Tierversuchen und auch bei der Tötung zu wissenschaftlichen Zwecken Angaben zu den jeweils eingesetzten Tieren bei der zuständigen Behörde gemacht werden. Seit Änderung der Versuchstiermeldeverordnung vom 12. Dezember 2013 müssen Wirbeltiere und Kopffüßer erst dann gemeldet werden, wenn sie aus einem Tierversuch ausscheiden. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Wirbeltier, das im Jahr 2016 im Tierversuch eingesetzt wurde, jedoch erst in 2017 aus dem Versuch ausscheidet, entsprechend der Versuchstiermeldeverordnung auch erst für das Kalenderjahr 2017 gemeldet wird. Insofern kann zur Beantwortung der Frage 1a nicht abschließend angegeben werden, wie viele Tierversuche im jeweiligen Kalenderjahr tatsächlich durchgeführt wurden. Im Rahmen der Beantwortung der Frage 1b ist hervorzuheben, dass nicht jeder Tierversuch zwangsläufig zum Tod der eingesetzten Tiere führt. Je nach Tierversuch können Tiere auch nach dem Versuchsabschluss weiterleben, wenn vorausgesetzt werden kann, dass keine oder nur sehr geringfügige Schmerzen, Leiden oder Schäden vorliegen. Eine erneute Verwendung von solchen Versuchstieren in einem Tierversuch oder zu einer Tötung zu wissenschaftlichen Zwecken ist daher unter Umständen möglich, so dass somit die Gesamtzahl der in Tierversuchen und bei Tiertötungen zu wissenschaftlichen Zwecken eingesetzten Tiere insgesamt reduziert werden kann. Sofern daher Informationen zu der erneuten Verwendung oder zum Weiterleben nach Versuchsende vorlagen, wurden diese bei der Beantwortung der Frage 1b mit aufgeführt. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. a) Wie viele Tierversuche wurden jeweils in den Jahren 2015 und 2016 in Hessen ohne Einbezug der Hochschulen durchgeführt? b) Wie viele Tiere wurden in den jeweiligen Forschungseinrichtungen jeweils verbraucht (jeweils Anzahl und Art der Versuchstiere für die Jahre 2015 und 2016)? Zu Frage 1 a: An außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Wirtschaft war im jeweils angegebenen Jahr die folgende Anzahl von Tierversuchsprojekten insgesamt bewilligt. Bei den in Klammern aufgeführten Angaben handelt es sich um die Anzahl von Tierversuchsprojekten, die in der Versuchstiermeldung für das jeweilige Kalenderjahr gemeldet wurden: 2015: 274 (157), 2016: 247 (147). Eingegangen am 15. Mai 2017 · Bearbeitet am 15. Mai 2017 · Ausgegeben am 19. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4646 15. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4646 Zu Frage 1 b: Die aufgeführten Tierzahlen entsprechen den Angaben, die in der Versuchstiermeldung jeweils für das Kalenderjahr 2015 und 2016 gemacht worden sind. Hierzu wird auf die Anlage 1 verwiesen. Frage 2. Woher wurden die Versuchstiere bezogen? Gemäß Versuchstiermeldeverordnung werden als Bezugsquellen die folgenden Kategorien unterschieden: O1 - In der EU, in einem registrierten Zuchtbetrieb geborene Tiere, O2 - In der EU, jedoch nicht in einem registrierten Zuchtbetrieb geborene Tiere, O3 - Im restlichen Europa geborene Tiere, O4 - In der restlichen Welt geborene Tiere. Wildtiere werden, da diese nicht in einer Versuchstierhaltung geboren werden, je nach Geburtsort in die Kategorie O2, O3 oder O4 eingeordnet. Dies gilt grundsätzlich auch für landwirtschaftliche Nutztiere. Tierart O1 O2 O3 O4 Mäuse X - - X Ratten X X - - Goldhamster X - - - Meerschweinchen X - - - Andere Nager - X - - Kaninchen X - - - Hunde X - - X Schweine X X - X Schafe - X - - Rinder - X - - Pferde - X - - Ziegen - X - - Haushühner X - - Zebrabärblinge X X - - Andere Fischarten X - - Rotmilan - X - - Aale - - - X Feld- und Waldmäuse - X - - Frage 3. Wie viele Neuanträge wurden jeweils in den Jahren 2015 und 2016 gestellt und wie viele wurden davon abgelehnt? Im Jahr 2015 wurden von Forschungseinrichtungen der Wirtschaft 21 genehmigungspflichtige Tierversuche beantragt, davon wurden 20 Anträge genehmigt, ein Antrag wurde von der antragstellenden Einrichtung zurückgezogen. Im Jahr 2016 wurden 19 genehmigungspflichtige Tierversuchsanträge gestellt und genehmigt. Frage 4. Welche Anstrengungen wurden in den letzten beiden Jahren unternommen, um den Tierverbrauch in der Wirtschaft zu reduzieren? Grundsätzlich können in Deutschland auf Basis des Tierschutzrechtes nur dann Tierversuche durch die zuständige Behörde bewilligt werden, wenn diese zu dem jeweils verfolgten Zweck unerlässlich, d. h. unbedingt erforderlich und notwendig sind. Durch die Aufnahme des sog. 3R-Prinzips in die Richtlinie 2010/63/EU und den daraus resultierenden Änderungen des nationalen Tierschutzrechtes wird dem 3R-Prinzip im Rahmen der Bewilligung von Tierversuchen dem Tierschutzaspekt eine größere Gewichtung beigemessen. Tierversuchsprojekte sind daher verstärkt dahin gehend zu prüfen, ob die beantragten Vorhaben ggf. durch tierversuchsfreie Methoden ersetzt (Replacement), durch ein optimiertes Versuchsdesign in der Gesamttierzahl reduziert (Reduction) oder durch für die Tiere weniger belastende Verfahren ergänzt oder verbessert werden können (Refinement). Diesem Grundsatz folgend wurde in Hessen in den Jahren 2015 und 2016 jeweils ein anzeigepflichtiger Tierversuch von der zuständigen Behörde untersagt. Weiterhin wurde die Genehmigung eines Projekts mit Kaninchen, welches als gering belasten- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4646 3 der Versuch eingestuft wurde, mit der Auflage erteilt, zu prüfen, ob eine wiederholte Verwendung der Versuchstiere bei der Antikörperentwicklung im selben Vorhaben möglich ist. Durch diese Auflage konnten - entgegen den ursprünglichen Ausführungen der Versuchsplaner - ca. 90 % der Kaninchen zweimal in dem Vorhaben eingesetzt werden, was zu einer Reduktion der Gesamttierzahl führte. Bei gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen ist ein Ersatz oftmals nicht möglich, da alternative Verfahren z.T. noch nicht etabliert wurden oder eine entsprechende Zulassung noch nicht vorliegt. Umso mehr ist hervorzuheben, dass es einem in Hessen ansässigen Unternehmen gelungen ist, einen in-vitro-Zellkulturtest zum Ersatz eines von der FDA (Food and Drug Administration) geforderten Kaninchentests zur Qualitätskontrolle des Wirkstoffs Insulin Glargin zu entwickeln. Dieser Test wurde zudem nach den Vorgaben des amerikanischen Arzneibuchs validiert, so dass eine Wirkstofffreigabe von Insulinen künftig ohne Einsatz von Kaninchen möglich ist. Die Entwicklung dieser Alternativmethode wurde mit dem Hessischen Tierschutzforschungspreis des Jahres 2016 ausgezeichnet. Darüber hinaus bestehen weitere Forschungsaktivitäten der in Hessen ansässigen Einrichtungen der Wirtschaft, die die rechtlich vorgegebenen Standards unter dem Aspekt der 3R neu beleuchten . Frage 5. Ist der Landesregierung bekannt, welche nachweislich gewonnenen Erkenntnisse auf den durchgeführten Tierversuchen in Forschungseinrichtungen der Wirtschaft in den letzten beiden Jahren basieren ? Einrichtungen, die Tierversuche durchführen, sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, der Genehmigungsbehörde über die Ergebnisse der Versuche zu berichten. Mit der Implementierung der Richtlinie 2010/63/EU in die nationalen tierschutzrechtlichen Bestimmungen besteht seit Juli 2013 für die Genehmigungsbehörde die Möglichkeit, eine rückblickende Bewertung für Tierversuche im Zuge der Genehmigung festzulegen. Darüber hinaus ist die rückblickende Bewertung bei schwer oder besonders belastenden Versuchen nach Abschluss des Tierversuchs rechtlich verpflichtend vorgeschrieben. In einigen Fällen wurden rückblickende Bewertungen bei der Genehmigung von Versuchen festgelegt, allerdings wurde bisher noch keiner dieser Versuche abgeschlossen, so dass hierzu derzeit noch keine Erkenntnisse vorliegen. Wiesbaden, 2. Mai 2017 Priska Hinz Anlagen Anlage 1 Tierversuche (§ 7 Abs. 2 TierSchG) Tierart Tierzahl 2015 Tierzahl 2016 Unternehmen Rotmilan 4* 0 Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) Aale 60* 66* Institut für angewandte Ökologie Andere Fische 255* 0 Institut für angewandte Ökologie Mäuse 1216 948 CSL Behring GmbH Ratten 571 782 CSL Behring GmbH Kaninchen 326 284 CSL Behring GmbH Schweine 4 6 CSL Behring GmbH Mäuse 30.651 26.464 GSK Vaccines GmbH Meerschweinchen 4.505 3.463 GSK Vaccines GmbH Haushühner 12 20 GSK Vaccines GmbH Kaninchen 0 4 GSK Vaccines GmbH Ratten 24 0 NeuroCode AG Mäuse 2.850 1.920 Siemens Healthcare GmbH Kaninchen 47.850 47.746 Siemens Healthcare GmbH Schafe 35 35 Siemens Healthcare GmbH Andere Nager (Feld- und Waldmäuse) 5.093 180 Tier3solutions GmbH Andere Nager (Feldmäuse) 0 690 Rifcon GmbH Mäuse 542 442 Provadis GmbH Ratten 69 74 Provadis GmbH Meerschweinchen 34 10 Provadis GmbH Kaninchen 8 8 Provadis GmbH Ziegen 0 4 Mesocosm GmbH Haushühner 0 40 Mesocosm GmbH Schweine 8 0 TransMIT GmbH Zebrabärblinge 1.255 3.193 ECT Regenbogenforellen 202 0 ECT Mäuse 6.099 3.688 Envigo Ratten 313 624 Envigo Schafe 417* 1* Fiebig Haushühner 30* 30* Fiebig Kaninchen 6* 6* Fiebig Rinder 77* 100* Fiebig Pferde 24* 0 Fiebig Schafe 0 568* Acila AG Zebrabärblinge 117 6 Gobio GmbH Austral. Regenbogenfisch 19 13 Gobio GmbH Dickkopfelritze 57 9 Gobio GmbH Flussbarsch 48 0 Gobio GmbH Goldfisch 45 3 Gobio GmbH Karpfen 23 0 Gobio GmbH Reisfisch 10 44 Gobio GmbH Tialpia 57 0 Gobio GmbH Regenbogenforelle 0 35 Gobio GmbH Weißfischhybriden 0 8 Gobio GmbH KA 19/4646 Guppys 0 21 Gobio GmbH Dickkopfelritze 0 12 Ibacon GmbH Karpfen 96 126 Ibacon GmbH Regenbogenforelle 1.430 993 Ibacon GmbH Zebrabärbling 1.500 2.042 Ibacon GmbH Mäuse 10.836 11.795 Merck Ratten 1.671 2.407 Merck Meerschweinchen 3 20 Merck Kaninchen 68 73 Merck Hunde 55 84 Merck Schweine 13 38 Merck Zebrabärbling 0 4 Merck Mäuse 732 589 Provadis GmbH Ratten 214 178 Provadis GmbH Schweine 126 121 Kosa Pharma GmbH Mäuse 13.124 14.016 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Ratten 3.506 4.066 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Meerschweinchen 64 20 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Kaninchen 5.432 1.384 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Schweine 318 163 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Mäuse 37 2 Mophisto® Ratten 6 13 Mophisto® Zebrabärblinge 330 330 SGS Fresenius Feldmäuse 2.495* 0 Rifcon GmbH Aale 60* 60* Institut für angewandte Ökologie Tötungen zu wissenschaftlichen Zwecken (§ 4 Abs. 3 TierSchG) Tierart Tierzahl 2015 Tierzahl 2016 Unternehmen Mäuse 231 22 CSL Behring GmbH Ratten 10 0 CSL Behring GmbH Mäuse 114 237 Merck Ratten 135 91 Merck Meerschweinchen 108 158 Merck Mäuse 923 1.137 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Ratten 461 373 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Kaninchen 1 7 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Karpfen 5 0 Gobio GmbH Reisfisch 3 0 Gobio GmbH Karpfen, Reisfisch, Weissfisch, Goldfisch 0 60 Gobio GmbH Zebrabärblinge 0 2 Gobio GmbH Goldhamster 0 40 Envigo * Tiere haben das Versuchsvorhaben überlebt Erneut verwendete Tiere im Tierversuch (§ 7 Abs. 2 TierSchG) Tierart Tierzahl 2015 Tierzahl 2016 Unternehmen Mäuse 4.325 11.575 Envigo Mäuse 7 9 Merck Ratten 22 37 Merck Meerschweinchen 9 33 Merck Kaninchen 3 3 Merck Hunde 20 49 Merck KA 19/4646 Schweine 12 11 Merck Mäuse 13 0 Provadis GmbH Ratten 3 0 Provadis GmbH Mäuse 698 416 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Ratten 0 8 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Kaninchen 1 1.192 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Hunde 213 196 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Schweine 161 165 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Erneut verwendete Tiere für Tötungen zu wiss. Zwecken (§ 4 Abs. 3 TierSchG) Tierart Tierzahl 2015 Tierzahl 2016 Unternehmen Ratten 0 18 Merck Schweine 0 6 Merck Mäuse 0 20 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH Kaninchen 200 0 Sanofi-Aventis Deutschland GmbH KA 19/4646