Kleine Anfrage des Abg. van Ooyen (DIE LINKE) vom 10.03.2017 betreffend nachhaltige Anlagen im Rahmen des Sondervermögens Versorgungsrücklage und Antwort des Ministers der Finanzen Vorbemerkung des Fragestellers: Das Land Hessen hält im Rahmen des Sondervermögens Versorgungsrücklage auch Aktien des sogenannten Index Euro Stoxx ESG Leaders 50. Nach Darstellung des Hessischen Finanzministeriums umfasst dieser Index "der größten nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen des Euroraums, die innerhalb ihrer Branche unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten sowie guter Unternehmensführung zu den Besten zählen. Die Unternehmen müssen sich unter anderem an den Nachhaltigkeitskriterien der sogenannten UN Global Compact Compliance Principles messen lassen." (Pressemitteilung des HMdF vom 16.9.2016) Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Hält das Land Hessen im Rahmen seiner Versorgungsrücklage Anteile an Unternehmen, die an der Finanzierung der sogenannten Dakota/Bakken-Pipeline beteiligt sind? Das Land Hessen hält im Rahmen seiner Versorgungsrücklage Aktien der Kreditinstitute Société Générale, Intesa Sanpaolo und BNP Paribas sowie an der niederländischen ING Groep N.V., zu deren Konzern die ING Bank gehört. Nach Informationen der Medien sind diese vier Institute Teil des Konsortiums aus 38 Großbanken, das dem Unternehmen Energy Transfer Partners Darlehen über 10,25 Mrd. US-Dollar für den Bau der Dakota Access Pipeline gewährte. Diese Unternehmen sind auch im Index EuroStoxx ESG Leaders 50 enthalten, den das passiv verwaltete Aktienportfolio des Sondervermögens Versorgungsrücklage in seiner Zusammensetzung abbildet . Frage 2. Wenn ja, in welcher Höhe? (Marktwert und Nominalwert) Das Land Hessen hält in seinem Sondervermögen Versorgungsrücklage folgende Beteiligungen an den genannten Banken: Finanzinstitut Par value (Nennwert pro Aktie) Stückzahl Nominalwert der Beteiligung Kurswert der Beteiligung zum 28.02.2017 Anteil am Aktieninvestment des Sondervermögens BNP Paribas 2 359.858 719.716,00 € 19.838.971,54 € 2,37 % ING Groep N.V. 0,01 1.627.094 16.270,94 € 21.176.628,41 € 2,53 % Intesa Sanpaolo 0,52 7.655.401 3.980.808,52 € 16.841.882,20 € 2,02 % Société Générale 1,25 498.819 623.523,75 € 20.905.504,29 € 2,50 % Frage 3. Bewertet die Landesregierung Beteiligungen an Unternehmen, die mit mehreren hundert Millionen US-Dollar am Bau einer Ölpipeline beteiligt sind, als nachhaltiges Investment? Die Vorgaben des Hessischen Versorgungsrücklagengesetzes für die Anlage der Mittel des Sondervermögens sehen vor, dass die Anlage der größtmöglichen Sicherheit, Liquidität und Rentabilität dienen muss. Um insbesondere den Aspekten der Sicherheit und Liquidität gerecht zu Eingegangen am 13. April 2017 · Bearbeitet am 18. April 2017 · Ausgegeben am 20. April 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4651 13. 04. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4651 werden, ist bei einer Aktienanlage eine breite Diversifikation und Branchenvielfalt, aber auch eine hohe Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen unerlässlich. Aus diesem Grund hat sich Hessen in seinem Nachhaltigkeitsansatz dazu entschlossen, Sektorenausschlüsse (wie z.B. den Ausschluss von Banken insgesamt) zu vermeiden, um eine größtmögliche Branchenvielfalt zu erhalten und die Marktentwicklung in ihrer Breite abzubilden. In dem vom Land Hessen ausgewählten Nachhaltigkeitsindex sind Hersteller kontroverser Waffen aufgrund ihres Geschäftsfelds ausgeschlossen. Weiterhin ausgeschlossen werden in einem ersten Schritt des Ausleseverfahrens Unternehmen, die sich besonders schwere Verstöße gegen die Nachhaltigkeitsgrundsätze der Vereinten Nationen, die sog. "UN Global Compact Principles ", haben zuschulden kommen lassen. In einem zweiten Schritt werden im Rahmen eines "Best-in-Class"- Ansatzes aus dem Kreis der geeigneten Unternehmen diejenigen ausgewählt, die mindestens zu den besten 50 % ihrer Branche in den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung zählen und in einem dieser drei Bereiche sogar zu den besten 25 % ihrer Branche gehören. Die vier genannten Banken (Société Générale, ING Groep, BNP Paribas und Intesa Sanpaolo) liegen, trotz einzelner inhaltlich begrenzter Kontroversen, in diesem positiven Bereich (Top 50 %), der sie für den ESG Index qualifiziert. Nachhaltiges Investment im Sinne des hessischen Ansatzes - wie es der Konzeption des Index ESG Leaders 50 zugrunde liegt - basiert auf der Analyse der Geschäftspraktiken börsennotierter Unternehmen verbunden mit der Gewichtung potentieller und aktueller Risikofaktoren. Nach diesem seit zehn Jahren praktizierten Nachhaltigkeitsansatz gibt das relative "Bessersein" als die anderen in der Branche den Ausschlag, um in den Index aufgenommen zu werden. Eine "absolut " weiße Weste wird nicht gefordert, da dies in der Praxis zwangsläufig zum Ausschluss ganzer Wirtschaftszweige führen müsste. Die Unternehmen, in die das Sondervermögen investiert, sind aber in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur gegenüber anderen Akteuren ihrer Branche mindestens überdurchschnittlich aufgestellt. Die Beteiligung an den genannten Finanzunternehmen erfolgt damit in konsequenter Umsetzung des "Best-in-Class"-Ansatzes. Frage 4. Wie prüft und bewertet die Landesregierung die Nachhaltigkeit der Unternehmen, in die sie Mittel des Sondervermögens Versorgungsrücklage investiert? Die Landesregierung hat im Jahr 2012 mit Zustimmung des Haushaltsausschusses festgelegt, bei der Aktienanlage des Sondervermögens den Index EuroStoxx ESG Leaders 50 nachzubilden. Sowohl die Auswahl geeigneter, nachhaltiger Unternehmen als auch deren Gewichtung im Index erfolgt durch unabhängige externe Dritte, die über langjähriger Expertise in diesem Bereich verfügen . Auswertung und Research zu der Einhaltung der UN Global Compact Principles erfolgt durch das Unternehmen Sustainalytics. Dieses reagiert auf Berichte von Nichtregierungsorganisationen und Presse, sucht durch Übersendung von standardisierten Fragebögen und ggf. einzelfallbezogenen Anfragen den direkten Kontakt mit den Unternehmen und überprüft sämtliche Veröffentlichungen von den zu beurteilenden börsennotierten Unternehmen selbst. In den Begutachtungen von Sustainalytics sind sämtliche Vorfälle aufgeführt, aus denen sich Rückschlüsse darauf ergeben , inwieweit das Unternehmen den Nachhaltigkeitsanforderungen in den Bereichen Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung Rechnung trägt. Verstöße gegen die UN Global Compact Principles (sog. "Kontroversen") fließen je nach Häufigkeit und Schweregrad negativ in das Gesamt-Rating eines Unternehmens ein und führen dazu, dass das jeweilige Unternehmen es schwerer hat, in den Nachhaltigkeitsindex aufgenommen zu werden. Sustainalytics hat die Vorgänge rund um Bau und Finanzierung der Dakota Access Pipeline sorgfältig verfolgt und - zusätzlich zu seiner Begutachtung der einzelnen an der Finanzierung beteiligten Banken - einen Bericht über die Thematik verfasst. Diesem kann u.a. entnommen werden, dass teilweise seitens der finanzierenden Banken Druck auf den Bauherrn Energy Transfer Partners ausgeübt wurde, mit dem Ziel einen Ausgleich der betroffenen Interessen zu suchen. Die Auswahl und Gewichtung der einzelnen Unternehmen im Index nimmt dann der Indexanbieter Stoxx nach Maßgabe der unter 3. beschriebenen Kriterien vor. Die Landesregierung sieht unter den gegebenen Umständen keine Veranlassung, von ihrem bisherigen Nachhaltigkeitsansatz abzuweichen. Mit Blick auf die bei der Geldanlage zu beachtenden Kriterien der Liquidität und der Sicherheit und der sich daraus ergebenden Fokussierung Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4651 3 auf hochkapitalisierte, große Unternehmen mit einem umfänglichen Geschäftsmodell kann realistischer Weise nicht erwartet werden, dass jedwede Kontroverse und jedweder reputationsschädigender Geschäftsvorfall gänzlich und in jeder Hinsicht vermieden werden kann. Durch den gewählten Best-in-Class-Ansatz und damit die Investition in die "relativ" nachhaltigsten Unternehmen einer Branche ist jedoch sichergestellt, dass wesentliche und substanzielle Verstöße zum Indexausschluss führen und somit die Nachhaltigkeit der Kapitalanlage nicht in Frage steht. Wiesbaden, 1. April 2017 Dr. Thomas Schäfer