Kleine Anfrage des Abg. Greilich vom 13.03.2017 betreffend Alphabetisierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger besuchen derzeit Intensivklassen und Intensivkurse an allgemeinbildenden und an beruflichen Schulen und wie haben sich diese Zahlen seit der Einrichtung dieser Angebote entwickelt? Mit Stand April 2017 besuchen 19.351 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger Intensivmaßnahmen an allgemeinbildenden Schulen (ohne die Sprachförderkurse an den Schulen für Erwachsene des ergänzenden freiwilligen Angebots im Rahmen des "Hessischen Aktionsplans zur Integration von Flüchtlingen und zur Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts"). Darüber hinaus besuchen 7.897 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger Intensivklassen an beruflichen Schulen (InteA - Integration durch Anschluss und Abschluss). Intensivklassen an allgemeinbildenden Schulen bestehen bereits seit über zehn Jahren als flächendeckendes Angebot in Hessen. Zum Schuljahr 2015/16 wurde das schulische Gesamtsprachförderkonzept um den Baustein InteA erweitert. Die Daten der beschulten Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger wurden bis zum Schuljahr 2015/16 über die Staatlichen Schulämter erhoben, seit November 2015 basieren diese Daten auf Einträgen in der LUSD, die ab diesem Zeitpunkt gezielt von den Schulen eingepflegt werden. Entwicklung der Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Hessen (jeweils mit Stand März/April bis 2014/15, ab 2015/16 Stand November, Beschulung in Intensivklassen und Intensivkursen) Schuljahr Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger 1 2005/2006 3.319 2006/2007 3.738 2007/2008 3.456 2008/2009 3.348 2009/2010 3.491 2010/ 2011 3.939 2011/ 2012 4.260 2012/ 2013 5.508 2013/ 2014 6.785 2014/ 2015 10.931 2015/ 2016 11.316 2016/ 2017 18.974 im November 2016 (aktuell im April 2017: 19.351) 1 Die Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger von 2006/2007 bis 2014/15 wurden im Rahmen einer jährlichen Aprilabfrage durch die Staatlichen Schulämter im Auftag des zuständigen Fachreferates erhoben. Die Zahlen ab 2015/2016 basieren auf Einträgen in der LUSD, die ab diesem Zeitpunkt gezielt von den Schulen eingepflegt werden. Eingegangen am 12. Mai 2017 · Bearbeitet am 15. Mai 2017 · Ausgegeben am 17. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4669 12. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4669 Entwicklung der Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger an öffentlichen beruflichen Schulen in Hessen (jeweils mit Stand November) Schuljahr Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger 2015/ 2016 2.458 2016/ 2017 7.395 im November 2016 (aktuell im April 2017: 7.897) Frage 2. Wie viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger besuchen derzeit Alphabetisierungskurse in den jeweiligen Schulformen und wie haben sich die Zahlen seit der Einrichtung dieses Angebotes entwickelt? Zunächst wird auf die Vorbemerkung des Kultusministers in der Antwort zu der Kleinen Anfrage , Drucksache 19/3798, verwiesen. Wie dort ausgeführt, ist der Alphabetisierungsgrad der betroffenen Schülerinnen und Schüler ein weiches Kriterium und kann daher sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Schülerinnen und Schüler, die einen Alphabetisierungskurs bzw. eine Alphabetisierungsklasse im Rahmen des schulischen Gesamtsprachförderkonzepts besuchen, können zum einen solche sein, die noch nie eine Schule besucht haben (Analphabetismus/Illiteralität), zum anderen aber auch Neuankömmlinge, die zwar schon schulische Vorerfahrung haben, jedoch das lateinische Alphabet als weitere Schrift erlernen müssen. Der Übergang, ab wann eine Seiteneinsteigerin oder ein Seiteneinsteiger als "zu alphabetisieren" zu bezeichnen ist, ist folglich fließend. Entsprechend finden Alphabetisierungskurse in der Regel während der Unterrichtszeit in den Intensivklassen oder Intensivkursen statt. Bei ausreichender Zahl können jedoch auch eigene Alphabetisierungskurse eingerichtet werden, sofern sie nicht im Rahmen von Intensivklassen oder Intensivkursen stattfinden. Ab dem Schuljahr 2016/17 wird zuweisungsrelevant bei einem InteA-Standort pro vier Klassen die Einrichtung einer dieser Klassen als Alphabetisierungsklasse mit einer maximalen Klassengröße von 12 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ermöglicht. Grundlage für diese Zuweisungsentscheidung ist die statistische Auswertung der hierzu erstmals für den beruflichen Bereich gezielt erhobenen Daten der Aprilabfrage zur Verwendung der zugewiesenen Lehrerstellen im Bereich Deutsch-Fördermaßnahmen und Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern im Schuljahr 2015/2016, welche für die Gruppe der InteA-Schülerinnen und - Schüler mit Alphabetisierungsbedarf (sowohl ohne schulische Vorkenntnisse als auch ohne Kenntnisse der lateinischen Schrift) einen Anteil von unter 22 % ergeben hat. Die Zahl der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit Alphabetisierungsbedarf ist z.B. durch Zuzüge jedoch eine veränderliche Größe. Im Rahmen der monatlichen Nachsteuerung von Lehrerstellen kann auf sich ändernde Bedarfe zeitnah reagiert werden, und es können auch neue Klassen gebildet werden. Auf diese Weise erhalten insbesondere alle InteA-Standorte eine verlässliche Planungsgröße und -sicherheit und die Option, eine äußere Differenzierung vorzunehmen, um gezielter auf die Bedarfe der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit dem größten Förderbedarf eingehen zu können. Natürlich wird keine Schule gezwungen, eine Alphabetisierungsklasse zu bilden, die Differenzierung kann in jeder InteA-Klasse erfolgen. Auf das Genehmigungsverfahren für die Einrichtung eines neuen InteA-Standortes wird hingewiesen . Demnach muss einerseits der Bedarf eines neuen Standorts gegeben sein, und andererseits müssen mindestens zwei Gruppen an einem neuen Standort gebildet werden können. In Absprache mit den Verantwortlichen an den Staatlichen Schulämtern bezüglich des Antragsverfahrens ist darauf zu achten, dass perspektivisch grundsätzlich mindestens vier Lerngruppen gebildet werden sollten. Aus der fachlichen Einschätzung und der daraus resultierenden organisatorischen Regelung folgt, dass Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in der LUSD mit dem Merkmal "nichtdeutscher Herkunftssprache", nicht aber mit dem Merkmal "Analphabet" versehen werden. Die Einrichtung von Alphabetisierungskursen, soweit sie nicht im Rahmen von Intensivklassen/ Intensivkursen stattfinden, an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen wird über die Staatlichen Schulämter erhoben. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4669 3 Entwicklung der Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger in Alphabetisierungskurse (soweit sie nicht im Rahmen von Intensivklassen/Intensivkursen stattfinden) an öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Hessen (jeweils mit Stand März/April bis 2015/2016, erhoben im Rahmen einer jährlichen Abfrage durch das Fachreferat) Schuljahr Zahl der Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger in Alphabetisierungskursen 2005/2006 205 2006/2007 205 2007/2008 221 2008/2009 55 2009/2010 60 2010/2011 54 2011/2012 97 2012/2013 110 2013/2014 167 2014/2015 136 2015/2016 472 Frage 3. Wie wird der tatsächliche Bedarf an Alphabetisierungskursen festgestellt und bemessen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Frage 4. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Alphabetisierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern bei? Die Landesregierung folgt der empirisch (z.B. durch IGLU und PISA) belegten Grundüberzeugung , dass das Erlernen der deutschen Bildungssprache der Schlüssel für eine erfolgreiche Schullaufbahn und folglich auch für eine gelingende Integration ist. Daher gehören für alle Schülerinnen und Schüler Sprachkompetenz, Lesen und Schreiben zu den so genannten Schlüsselqualifikationen . Aus diesem Grund ist in den Kerncurricula für die Primar- und die Sekundarstufe I in Hessen die Verpflichtung überfachlich festgeschrieben, dass alle Fächer in allen Bildungsgängen einen Beitrag zur Lesekompetenz, Schreibkompetenz und Kommunikationskompetenz leisten sollen. Auch im Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe ist der Erwerb von Sprachkompetenzen (im Sinne eines erweiterten Sprachbegriffs) als Verpflichtung aller Fächer ausgewiesen. Im Bereich der Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern geht die Landesregierung nicht davon aus, dass die Alphabetisierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern zu den Grundfähigkeiten einer jeden Lehrkraft zählt. Sie hat daher die Alphabetisierungskurse (bzw. -klassen im Rahmen von InteA) innerhalb der Intensivsprachfördermaßnahmen des schulischen Gesamtsprachförderkonzepts angesiedelt. Über Erlass geregelt, erhalten die für die neu eingerichteten Intensivklassen eingestellten Lehrkräfte eine verpflichtende DaZ-Fortbildung durch die Hessische Lehrkräfteakademie, sofern nicht die Fakultas im Fach "Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache (DaF/DaZ)" oder eine DaZ- Qualifikation im Rahmen des Referendariats nachgewiesen wird. Darüber hinaus wurde und wird in Weiterbildungskursen bis Februar 2018 über 500 Lehrkräften der Erwerb der Fakultas DaF/DaZ ermöglicht. Im Rahmen des umfassenden und mit den regionalen Angeboten der Staatlichen Schulämter abgestimmten Fortbildungs- und Beratungsprogramms zur Integration von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache werden zahlreiche Angebote im Bereich "Alphabetisierung in der Zweitsprache" unterbreitet. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 9 hingewiesen. Die Vielzahl der Angebote in diesem Bereich sowie die curriculare Einordnung von Lese- und Schreibkompetenz als überfachliche Schlüsselkompetenzen unterstreichen, dass das Hessische Kultusministerium diesem Themenbereich einen hohen Stellenwert beimisst. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4669 Frage 5. Wie viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sind ggf. direkt in den Unterricht der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eingestiegen? Da Intensivkurse organisatorisch eine intensive Sprachförderung während des regulären Unterrichts sind, erfolgt innerhalb dieser Intensivmaßnahme des schulischen Gesamtsprachförderkonzepts ein direkter Teileinstieg in den Unterricht an allgemeinbildenden Schulen. Intensivklassen an allgemeinbildenden Schulen folgen ebenfalls einem teilintegrativen Ansatz - möglichst mit Beginn der Maßnahme sollen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in einzelnen Fächern wie zum Beispiel Sport oder Englisch den Regelunterricht besuchen; eine sukzessive Ausweitung auf weitere Fächer erfolgt dann individuell je nach Leistungsbefähigung, -willen und Sprachstand. Der vollständige Übergang in eine Regelklasse und damit einhergehend die Zuordnung zu einem Bildungsgang soll erst bei ausreichenden Sprachkenntnissen stattfinden, die es ermöglichen, dem Regelunterricht folgen zu können. Die regionale Steuerung und Verteilung der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger erfolgt durch die Aufnahme- und Beratungszentren der Staatlichen Schulämter in enger Kooperation mit den Schulen. Diese Vorgehensweise verhindert, dass ein Neuankömmling bei nicht ausreichenden Deutschkenntnissen ohne intensive Sprachförderung direkt im Regelsystem beschult wird. Frage 6. Wie wird die Zielsetzung, dass die Kinder und Jugendlichen in den Intensivkursen und Intensivklassen die grundlegenden Kenntnisse der deutschen Sprache erwerben müssen, nach Beendigung des Kurses bzw. der Klassen überprüft und welchen Stellenwert nimmt die Überprüfung der Schriftsprache ein? Nach § 50 der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses (VOGSV) in der Fassung vom 19. August 2011 (ABl. S. 546), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. April 2014 (ABl. S. 234), kommt der Klassenkonferenz eine verantwortungsvolle Rolle bei der Entscheidung über die Beendigung einer Intensivsprachfördermaßnahme an allgemeinbildenden Schulen zu. Zusätzlich stärkt der "Schulische Integrationsplan" zur Unterstützung des vollständigen Übergangs von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern aus Intensivsprachfördermaßnahmen in den Regelunterricht allgemeinbildender Schulen bei der wichtigen Frage der Prüfung der Sprachkompetenz die Rolle der Schulleitung. Nur die Schülerinnen und Schüler, die über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen, um dem Regelunterricht grundsätzlich folgen zu können, sollen vollständig wechseln können. In der Regel können die Schulen vor Ort am besten entscheiden, wann dies der Fall ist und wann ein solcher Wechsel pädagogisch sinnvoll ist. Dies beinhaltet auch die Beurteilung der Schreibkompetenz. Innerhalb der schulbezogenen Sprachförderkonzepte, die insbesondere bei der Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern verpflichtend zu erstellen sind, greifen die Schulen auf unterschiedliche, individuell vor Ort bewährte, wissenschaftliche Diagnoseverfahren zur Erhebung des Sprachstandes (z.B. die Sprachprofilanalyse nach Professor Grießhaber oder den C- Test) zurück, um den Kompetenzstand in verschiedenen Teilfertigkeiten zu analysieren. Darüber hinaus wird den Schulen die Teilnahme am Deutschen Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD I an allgemeinbildenden Schulen und DSD I PRO an beruflichen Schulen) empfohlen. In Hessen wird bereits seit dem Schuljahr 2012/13 die Teilnahme am Deutschen Sprachdiplom (DSD I) angeboten, welches sich seither als Evaluations- und Qualitätssicherungsinstrument mit den höchsten Teilnehmerzahlen bundesweit etabliert hat. Seit diesem Schuljahr können in Hessen berufliche Schulen auch an der Pilotierung des DSD I PRO teilnehmen, das zielgruppenspezifisch einen Schwerpunkt auf berufsorientierten Sprachgebrauch setzt. Beide Prüfungsformate testen neben den Teilfertigkeiten "Leseverstehen", "Hörverstehen", "mündliche Kommunikation" auch die "schriftliche Kommunikation". Sie zertifizieren in Orientierung am Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) die deutschen Sprachkenntnisse auf den Niveaustufen A2 und B1 und stehen neuerdings auch auf einer Empfehlungsliste des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Frage 7. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Lehrkräfte, die in den speziellen Angeboten unterrichten , auch im Bereich der Alphabetisierung qualifiziert sind bzw. werden und welche Weiterbildungs - bzw. Qualifizierungsangebote werden bzw. wurden bereitgestellt? Im Rahmen des oben genannten Fortbildungs- und Beratungsprogramms bietet die Hessische Lehrkräfteakademie seit Januar 2016 landesweit eine "Basisqualifizierung Deutsch als Zweitsprache " mit folgenden Inhalten an: (1) Zugewanderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an hessischen Schulen, (2) Deutsch als Zweitsprache: Grundlagen des Spracherwerbs und der Diagnostik, (3) Deutsch als Zweitsprache: Didaktik und Methodik individualisierten Lernens, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4669 5 (4) Alphabetisierung und Förderung der Lese- und Schreibkompetenz, (5) Sprachbildung als Aufgabe der Schule. Zwischen Januar 2016 und Januar 2017 wurden bereits 3.000 Lehrkräfte, die in Intensivmaßnahmen unterrichten, in der landesweiten Basisqualifizierung fortgebildet. Darüber hinaus gab es vertiefende Fortbildungsangebote zum Thema "Alphabetisierung" in Kooperation mit den Universitäten Frankfurt a.M. und Kassel für Fortbildnerinnen und Fortbildner (02.12.2016, Frankfurt a.M.) und für Lehrkräfte in InteA-Klassen (20.06.16, Kassel; 24.06.16, Frankfurt a.M.). Im zweiten Schulhalbjahr 2016/17 werden aktuell 25 weitere Kurse der "Basisqualifizierung Deutsch als Zweitsprache" angeboten (Stand: März 2017). Auch im kommenden Schuljahr läuft das Kursangebot der Basisqualifizierung weiter. Vertiefende Angebote zum Thema "Alphabetisierung " sind vor allem für Lehrkräfte in Intensivklassen der Sekundarstufe I und in InteA- Klassen geplant - wiederum in Kooperation mit den o.g. Universitäten. In der "Weiterbildungsmaßnahme Deutsch als Zweitsprache" der Hessischen Lehrkräfteakademie ist das Thema "Alphabetisierung" Bestandteil des Curriculums. Des Weiteren findet der Bereich “Förderung der Bildungssprache Deutsch bei heterogenen Lerngruppen“ Eingang in die Lehrerausbildung (2. Phase der Lehrerbildung), momentan im Rahmen eines in die einzelnen Module integrierten Ansatzes. Neben Informationen zu rechtlichen Grundlagen und der Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen erhalten die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst vertiefendes Hintergrundwissen zur Diagnose und Förderung des Spracherwerbs im Rahmen des Moduls Diagnostizieren, Fördern, Beurteilen sowie Einblicke in Formen des Analphabetismus. Sprachbildung wird während dieser Ausbildungsphase als Aufgabe aller Fächer verstanden, sodass der Förderung bildungssprachlicher und fachsprachlicher Kompetenzen im Rahmen eines sprachsensiblen Fachunterrichts durchgängig Rechnung getragen wird. Solange der aktuelle Bedarf weiterhin besteht (z.B. Nachzug von syrischen Familienangehörigen ) sollen darüber hinaus DAZ-Basisqualifizierungen für alle Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nach dem erfolgreichen Abschluss der Ersten Staatsprüfung angeboten werden. Für die Kohorten der Prüfungsdurchgänge Januar 2018 sowie Juli 2018 sind diese Angebote momentan in der Planung und Vorbereitung. Neben dem landesweiten Fortbildungsangebot der Hessischen Lehrkräfteakademie und des Hessischen Kultusministeriums (z.B. Fachtage "InteA" und "ABZ-/DaZ- Fachtage" mit Workshops zum Thema "Alphabetisierung") bieten die Staatlichen Schulämter, abgestimmt mit den landesweiten Angeboten, regional eine große Anzahl an Fortbildungs- und Beratungsmöglichkeiten für Lehrkräfte in Intensivmaßnahmen zum Thema "Alphabetisierung" an. Weitere sind für das kommende Schuljahr geplant. Frage 8. Ist der Landesregierung die Kritik bekannt, dass Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger zwar im Rahmen der Intensivklassen und -kurse grundlegende Deutschkenntnisse auch in Verbindung mit einem beruflichen Fachsprachenerwerb erwerben bzw. erworben haben, jedoch nicht über eine ausreichende Lesefähigkeit sowie Schreibfähigkeit verfügen, um dem Regelunterricht folgen zu können und welche Maßnahmen zur Abhilfe stellt sie bereit? Auf die Regelungen zum Übergang in den Regelunterricht, dargelegt in der Antwort auf Frage 6, wird hingewiesen. Demnach sollen nur die Schülerinnen und Schüler, die über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen, um dem Regelunterricht grundsätzlich folgen zu können, vollständig wechseln. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Schülerinnen und Schüler nach in der Regel einbis zweijähriger Intensivsprachförderung den gleichen Sprachstand vorweisen können wie Mitschülerinnen oder Mitschüler, die unter Umständen mehrere Jahre Vorsprung haben. Aus diesem Grund sehen sowohl das schulische Gesamtsprachförderkonzept als auch der "Schulische Integrationsplan" in Hessen unter entsprechender Bereitstellung von Ressourcen eine Anschlussförderung in Deutsch vor. Zusätzlich werden im Rahmen des "Schulischen Integrationsplans " durch den Integrationsindex und die außerordentliche Mehrklassenzuweisung den Schulen , die Schülerinnen und Schüler nach der Intensivsprachförderung in ihre Regelklassen aufnehmen , weitere Ressourcen zur Integrationsförderung zur Verfügung gestellt, die flexibel in diesem Bereich eingesetzt werden können und so jeweils der gesamten Klassengemeinschaft zugutekommen . Zusätzlich gewinnt die curricular überfachlich festgeschriebene Förderung von sprachlichen Kompetenzen für jede Lehrkraft noch stärker an Bedeutung, der im Rahmen eines sprachsensiblen Fachunterrichts Rechnung zu tragen ist. Im Rahmen des oben bereits genannten Fortbildungs - und Beratungsprogramms der Hessischen Lehrkräfteakademie ist zur Unterstützung der 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4669 Lehrkräfte daher auch ein Angebotsschwerpunkt im Bereich des "sprachsensiblen Fachunterrichts " angesiedelt. Auch bei den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst wird Sprachbildung entsprechend als Aufgabe aller Fächer verstanden und folglich der Förderung bildungssprachlicher und fachsprachlicher Kompetenzen im Rahmen eines sprachsensiblen Fachunterrichts durchgängig Rechnung getragen . Weiterhin sind beispielsweise nach einem Übergang aus InteA in die Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung explizit Kurse zur Förderung des Erwerbs von Deutschkenntnissen vorgesehen . Zudem ist die Entwicklung und Erweiterung der Sprachkompetenz in der deutschen Sprache integraler Bestandteil der Förderung insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund . Frage 9. Welchen besonderen Stellenwert misst die Landesregierung der Alphabetisierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern im Rahmen der Nationalen Dekade für Alphabetisierung bei, die Bund und Länder dazu nutzen wollen, um in den nächsten zehn Jahren die Lese- und Schreibfähigkeiten von Erwachsenen in Deutschland deutlich zu verbessern? Mit der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (2016 bis 2026) wollen Bund und Länder gemeinsam mit den Partnern der Nationalen Strategie und allen interessierten gesellschaftlichen Kräften in den kommenden zehn Jahren dafür eintreten, dass der funktionale Analphabetismus Erwachsener in Deutschland spürbar verringert und das Grundbildungsniveau erhöht werden. In einem jährlich fortzuschreibenden gemeinsamen Arbeitsprogramm werden anhand von fünf Handlungsfeldern (verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, Forschung ausbauen, Lernangebote erweitern , Professionalisierung/Qualität des Unterrichts, Strukturen weiterentwickeln) Maßnahmen genannt, die ab dem Jahr 2017 ausgeführt, fortgesetzt und weiter konkretisiert werden. Sie sollen von den Partnern der Dekade im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit und Aufgaben bearbeitet und umgesetzt werden. Die Entwicklungen und Maßnahmen zur Alphabetisierung und Grundbildung beziehen sich gezielt auf Erwachsene mit Deutsch als Erstsprache, die laut der ersten leo.-Level-One Studie (2011) 58 % der funktionalen Analphabeten und Analphabetinnen ausmachen, sowie auf bereits länger in Deutschland lebende d.h. Deutsch sprechende Migranten und Migrantinnen (42 % der vom funktionalen Analphabetismus Betroffenen). Erst auf mittlere Sicht sollen auch Geflüchtete adressiert werden. Hier sollen Studien und der Austausch zu Fragen der Alphabetisierung in der Erst- und Zweitsprache verstärkt werden. Anschlussfähige bzw. gemeinsame Konzepte zur Alphabetisierung in Deutsch als Erst- und Zweitsprache sollen geprüft und ggf. in einer nächsten Phase entwickelt werden. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Wiesbaden, 2. Mai 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz