Kleine Anfrage der Abg. Müller (SPD) vom 14.03.2017 betreffend Lärmbelastung entlang der A 7 im Bereich der Gemeinde Knüllwald und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragestellerin: In den letzten Jahren hat sich die Lärmbelastung entlang der A 7 im Bereich der Gemeinde Knüllwald wesentlich erhöht. Seit der Erneuerung des Autobahnbelags vor einigen Jahren, der verstärkt vorgenommenen Abholzung bzw. Rodung von Baum- und Strauchbestand im Bereich der Gemarkung Knüllwald und dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen, haben Lärm und Nebengeräusche für die Bevölkerung in den unmittelbar an der Autobahn gelegenen Ortsteilen in deutlichem Maße zugenommen. Die Lärmemission ist, je nach Witterung , Windverhältnissen und Tageszeiten, unterschiedlich. Lärmmessungen, die diese Kriterien berücksichtigen und entsprechend breit angelegt wären, haben nicht stattgefunden. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Für die A 7 im Bereich der Gemeinde Knüllwald sind durch Hessen Mobil - Straßen- und Verkehrsmanagement im Februar 2017 Lärmberechnungen auf der Grundlage der aktuellen Verkehrszahlen 2015 im Rahmen der Lärmsanierung durchgeführt worden. Dabei wurde berücksichtigt , dass in dem betreffenden Bereich bereits aktiver Lärmschutz durch eine Lärmschutzwand besteht. Aus diesem Grund sind die Überschreitungen der Auslösewerte der Lärmsanierung sowohl in Anzahl als auch in der Höhe gering. Daher kommt nach dem derzeitigen Kenntnisstand in Anwendung der Richtlinien des Bundes nur passiver Schallschutz in Betracht. Die Ergebnisse der Lärmberechnungen wurden auf Wunsch der Gemeinde Knüllwald dem Bürgermeister von Knüllwald und den Ortsbeiräten am 21.03.2017 durch die Mitarbeiter der Fachebene von Hessen Mobil vorgestellt. In dem Termin konnten dabei nach Mitteilung der Gemeinde Knüllwald alle aufgeworfenen Fragen - die weitestgehend deckungsgleich mit dem Inhalt der Kleinen Anfrage waren - zufriedenstellend beantwortet werden. Ebenfalls wurde die weitere Vorgehensweise für die von den Überschreitungen der maßgeblichen Auslösewerte betroffenen Bürgerinnen und Bürgern erläutert. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Ist geplant, auf die Klagen der Bevölkerung einzugehen und breit gefächerte Lärmmessungen im Bereich Knüllwalds bzw. angrenzender Gemeinden vorzunehmen? Straßenverkehrslärm wird in Deutschland rechtsverbindlich nicht gemessen, sondern computergestützt mit Schallausbreitungsprogrammen modelliert und berechnet. Lärmmessungen stellen im Gegensatz zu Berechnungen immer nur eine Momentaufnahme der Geräuschsituation dar, die von Umwelt- und sonstigen Messbedingungen beeinflusst wird und darüber hinaus nicht repräsentativ für den Jahresverlauf ist. Als wissenschaftlich anerkannt gilt, dass die einschlägigen Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Lärmbelastung aus dem Straßenbereich die Lärmimmissionen generell zu Gunsten der Betroffenen überschätzen und diesen damit einen höheren Schutzanspruch einräumen. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Frage 2. Stimmt die Landesregierung zu, dass die Verwendung von sog. Flüsterasphalt anstelle der bisherigen Deckschicht die Fahrgeräusche bzw. den Verkehrslärm wesentlich reduzieren würde? Grundsätzlich ist es möglich, eine Deckschicht als offenporige Asphaltdecke (OPA) auszuführen und damit die Lärmemissionen zu reduzieren. Da diese Bauweise aber auch Nachteile beispielsweise hinsichtlich baulicher Lebensdauer aufweist, unterliegt die Entscheidung für einen OPA immer einer intensiven Abwägung hinsichtlich Aufwand und erzielbarer Wirkung. Eingegangen am 23. Mai 2017 · Bearbeitet am 24. Mai 2017 · Ausgegeben am 29. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4677 23. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4677 Frage 3. Ist geplant, dort wenigstens ein Tempolimit entlang bewohnter Bereiche neben der Autobahn einzurichten ? Frage 4. Stimmt die Landesregierung zu, dass ein Tempolimit kurzfristig die einfachste, kostengünstigste und effektivste Maßnahme zur Lärmreduzierung wäre? Die Fragen 3 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Eine von Hessen Mobil durchgeführte Lärmberechnung hat ergeben, dass die maßgeblichen Richtwerte der Bundes-Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm vom 23.11.2007 (Lärmschutz-Richtlinien-StV) im betreffenden Bereich entlang der A 7 nicht überschritten sind, sodass die rechtlichen Voraussetzungen für die rechtssichere Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung nicht vorliegen. Unabhängig vom Ergebnis des konkreten Verfahrens ist darauf hinzuweisen, dass die Auslösewerte für die Lärmsanierung nach den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesstraßen (VLärmSchR 97) um jeweils 3 dB (A) niedriger sind als die Richtwerte der Lärmschutz- Richtlinien-StV. Das hessische Verkehrsministerium hatte im Jahr 2015 per Erlass vorgegeben, bei der Entscheidung über die Anordnung von lärmbedingten Geschwindigkeitsbeschränkungen die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV des Bundes im Gleichklang mit den Lärmsanierungswerten um jeweils 3 dB(A) niedriger anzusetzen. Nachdem der Bund dieses Vorgehen im August 2016 beanstandet hatte, kommen seitdem wieder die höheren Bundes-Richtwerte in Hessen zur Anwendung. Aktuell befindet sich das Land Hessen in einem intensiven Diskurs mit dem Bund, um die niedrigeren Richtwerte in Hessen im Rahmen von Geschwindigkeitsbeschränkungen durchzusetzen. Frage 5. Warum ist in einigen Bereichen der Gemarkung Knüllwald der Baum- und Strauchbestand zwischen Ortsteilen und der Autobahn so massiv entfernt worden? Gehölze entlang von Straßen sind als Straßenbegleitgrün in der Regel Bestandteil der Straße. Das Straßenbegleitgrün erfüllt im Gegensatz zu Biotopen oder Bepflanzungen allgemeiner Art (z.B. Park- und Gartenanlagen) vorwiegend technische Funktionen (Einbindung des Straßenkörpers in die Umgebung, die Sicherung des Straßenkörpers durch das Wurzelwerk und die Lenkung der Verkehrsteilnehmer). Die Gehölzpflege des Straßenbegleitgrüns orientiert sich daher nicht an der Erholungsfunktion, an der Ökologie, sondern es stehen die Gewährleistung der technischen Funktionen sowie die Verkehrssicherheit im Vordergrund. Bei Gehölzarbeiten entlang von Straßen sind folgende Fälle zu unterscheiden: Turnusmäßig alle ein bis zwei Jahre erfolgt ein Freihalten des Lichtraumprofils und der Sichtflächen in Knotenpunkten, da hier die Verkehrssicherheit unmittelbar berührt ist. Durch diese Arbeiten wird sichergestellt, dass durch Baum- und Strauchbestände entlang der Straßen dem Verkehrsteilnehmer nicht die Sicht auf die Fahrbahn und die Beschilderung versperrt wird. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen geringfügigen Eingriff in den Baum- und Strauchbestand. In Abständen von etwa 10 bis 15 Jahren sind Pflegeschnitte in größerem Umfang notwendig. Diese sind deutlich umfangreicher als die Lichtraumarbeiten. Nur so kann die Standfestigkeit und die Funktion der Gehölze gewährleistet werden. Wenn dieser Turnus nicht eingehalten wird, bildet sich Stangenholz, das durch Regen oder Schneelasten sich in den Straßenraum biegt oder sogar bricht (Verkehrssicherheitsproblem), der innere Gehölzbestand verkahlt (Lichtmangel ) und wird damit für Kleinlebewesen wertlos. In dem angesprochenen Bereich in der Gemarkung Knüllwald mussten diese umfangreicheren Pflegeschnittarbeiten (Verjüngungsmaßnahmen) durchgeführt werden. In enger Abstimmung mit den Naturschutzbehörden werden diese Pflegearbeiten im Wege eines abschnittsweise versetzten Rückschnitts durchgeführt. Frage 6. Ist geplant, zum Schutz der Bevölkerung vor Luftschadstoffen und zum Schutz vor Lärm, wieder eine Aufforstung in den betroffenen Gebieten vorzunehmen? Bei Verjüngungsmaßnahmen werden die Gehölze bzw. Sträucher auf den Stock gesetzt, d.h. das Gehölz wird bis auf 15 bis 25 cm zurückgeschnitten und ausgedünnt. Das Wurzelwerk bleibt jedoch erhalten. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass bereits in der ersten Vegetationsperiode nach dem Schnitt durch Ausschlag der Gehölze ein Zuwachs von 1 m im Mittel gegeben ist. Einzelne, bewusst freigestellt und dauerhaft standsichere "Zielbäume" geben dem Gehölz eine Struktur und werden in den kommenden Jahren durch Baumpflege entsprechend aufgebaut. Eine Nach- oder Ersatzpflanzung ist daher nicht notwendig. Nach zwei Jahren ist der Zuwachs bereits zwischen 2 und 3 m hoch. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4677 3 Das Straßenbegleitgrün besitzt grundsätzlich keine Lärm mindernde Wirkung. Eine durch Gehölz in die Umgebung angepasste Straße erscheint lediglich in der subjektiven Wahrnehmung weniger störend. Dieser subjektive Lärmschutz ist objektiv allerdings nicht nachweisbar. Daher findet auch keine entsprechende Berücksichtigung bei der Lärmberechnung nach den Richtlinien des Bundes für Lärmschutz an Straßen (RLS-90) statt. Frage 7. Ist der Bau von Lärmschutzwällen in besonders belasteten Gebieten vorgesehen? Wenn in besonders belasteten Gebieten an Bestandsstraßen die Auslösewerte der Lärmsanierung überschritten werden, kann der Bau von Lärmschutzwällen in Betracht kommen. Im Rahmen der Lärmsanierung wird nach Möglichkeit dem aktiven Lärmschutz Vorrang vor passivem Lärmschutz eingeräumt. Frage 8. Inwiefern kann das Land Hessen Einfluss auf den Bund nehmen, damit im weiteren Verlauf möglicher Baumaßnahmen auf der A 7 wirkungsvolle Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden? Änderungsbaumaßnahmen an Autobahnen sind grundsätzlich nach § 17 Bundesfernstraßengesetz planfeststellungsbedürftig. Das Planfeststellungsverfahren wird nach der derzeit gültigen Rechtslage durch das Land Hessen durchgeführt. Daher ist das Land auch dafür verantwortlich, dass die gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Wohnbevölkerung vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen eingehalten werden und gegebenenfalls wirkungsvolle Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Einer zusätzlichen Einflussnahme auf den Bund bedarf es nicht. Wiesbaden, 14. Mai 2017 Tarek Al-Wazir