Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 17.03.2017 betreffend Praxiserfahrungen im Medizinstudium und Antwort des Ministers für Wissenschaft und Kunst Vorbemerkung der Fragestellerin: Nach Aussagen von Medizinstudentinnen und Medizinstudenten sind gerade die Praxiserfahrungen neben den theoretischen Inhalten besonders wichtig für den beruflichen Einstieg und um Wissenstransfer überhaupt erst zu ermöglichen. Vorbemerkung des Ministers für Wissenschaft und Kunst: Die praktischen Einheiten machen einen großen Teil des Studiums der Medizin aus. Vorgaben dazu finden sich in der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) und den jeweiligen Studienordnungen . Zur Beantwortung der nachstehenden Fragen sind die Goethe-Universität Frankfurt, die Justus- Liebig-Universität Gießen und die Philipps-Universität Marburg um Stellungnahme gebeten worden. Die eingegangenen Stellungnahmen sind in die Beantwortung eingearbeitet worden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Soziales und Integration wie folgt: Frage 1. An welchen Hessischen Hochschulen gibt es welche praktischen Lehreinheiten? (Bitte aufgeschlüsselt nach Hochschulstandorten sowie den Standorten von Kooperationspartnern.) Der Begriff "praktische Lehreinheit" ist nicht eindeutig definiert. Gemäß Kapazitätsrecht werden klinisch-praktische Lehreinheit, klinisch-theoretische und vorklinische Lehreinheit unterschieden . Inhaltlich-strukturell betrachtet, findet die patientennahe, praktische Ausbildung in der direkten Verantwortung der Universitäten/Fachbereiche in allen klinischen und auch vorklinischen Fächern in verschiedenen Lehrformen (Praktikum & Unterricht am Krankenbett, begleitende Seminare ) und verschiedenen Einrichtungen und Versorgungsebenen statt (z.B. Klinik, Ambulanz, Lehrkrankenhäuser, Lehrpraxen, Skills Lab/Simulations-Zentrum). Der Gesamtumfang ist gemäß Vorgabe der ÄApprO durch die jeweilige Studienordnung festgelegt. Von den Universitäten wurden folgende Beispiele benannt: Vorklinischer Studienabschnitt: - Praktische Lehreinheiten der Vorklinik (Physik, Chemie, Biochemie, Physiologie, Anatomie ohne Patientenkontakt), - Einführung in die Klinische Medizin (Untersuchungs- und Anamnesekurs mit Simulationspatienten ), - Berufsfelderkundung (Studierende besuchen Ärzte in deren Umfeld), - Krankenpflegepraktikum (kann auch schon vor Beginn des Studiums absolviert werden). Klinischer Studienabschnitt: - Kurs der Klinischen Chemie (ohne Patientenkontakt), - Basic Life Support-Kurs (BLS) zum Querschnittsbereich QB "Notfallmedizin" (nur am Universitätsklinikum Frankfurt mit Simulationspatienten), Eingegangen am 10. Mai 2017 · Bearbeitet am 11. Mai 2017 · Ausgegeben am 17. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4693 10. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 - Untersuchungskurs klinischer Fertigkeiten (UkliF), - Blockpraktikum Innere Medizin, - Blockpraktikum Urologie, - Blockpraktikum Geriatrie, - Blockpraktikum Chirurgie, - Blockpraktikum Anästhesie, - Blockpraktikum Orthopädie, - Blockpraktikum Pädiatrie, - Blockpraktikum Gynäkologie, - Blockpraktikum Dermatologie, - Blockpraktikum Psychiatrie, - Blockpraktikum Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, - Blockpraktikum Augenheilkunde, - Blockpraktikum Allgemeinmedizin, - Kurs Allgemeinmedizin, - Praktisches Jahr (PJ). Des Weiteren werden im klinischen Ausbildungsabschnitt vorbereitende Kleingruppen-Kurse für klinisch-praktische, ärztliche Basiskompetenzen inklusive ärztlicher Gesprächsführung im Simulationszentrum für ärztliche Ausbildung (PLUS-Med) und praktischer Sonographie-Kurs mit 12 Lehrstunden zur Übung von Ultraschalluntersuchungen (48 Lehrstunden in Gruppen à 4 Studierende ) angeboten. Klinische Praktika beinhalten neben dem direkten patientennahen Unterricht in der Regel auch fortgeschrittene, fachbezogene und praktische Übungen im Simulationszentrum. Hier erproben Studierende, um nur einige Beispiele zu nennen, Nahttechniken, Augen- oder HNO-ärztliche Untersuchungstechniken, Lumbalpunktion, Blasenkatheterismus sowie besondere Formen der Gesprächsführung. Nach § 3 Abs. 2 ÄApprO wird die Ausbildung in den Universitätskrankenhäusern oder in anderen Krankenhäusern durchgeführt, mit denen die Universität eine Vereinbarung hierüber getroffen hat (Lehrkrankenhäuser). Bei der Auswahl der Krankenhäuser ist die Universität verpflichtet , eine breite Ausbildung auch in den versorgungsrelevanten Bereichen zu ermöglichen und einer angemessenen regionalen Verteilung Rechnung zu tragen. Eine Übersicht der Akademischen Lehrkrankenhäuser ist als Anlage beigefügt. Frage 2. Wie viele Lehrpraxen gibt es in Hessen und welche Rahmenbedingungen (inkl. Kooperationsvertrag und finanzielle Anreize) sowie Auswahlkriterien liegen bei diesen zugrunde? (Bitte aufgeschlüsselt nach Hochschulstandorten.) Die Universitäten können nach § 3 Abs. 2a ÄApprO geeignete ärztliche Praxen (Lehrpraxen) und andere geeignete Einrichtungen der ambulanten ärztlichen Krankenversorgung in die Ausbildung einbeziehen; sie treffen hierzu Vereinbarungen mit den Lehrpraxen und Einrichtungen. Im Wahlfach Allgemeinmedizin wird die Ausbildung während des gesamten Ausbildungsabschnitts in einer allgemeinmedizinischen Lehrpraxis absolviert. Zu der Vereinbarung der Universität mit einem Lehrkrankenhaus oder einer Lehrpraxis ist das Einvernehmen mit dem Gesundheitsressort herzustellen. Die Auswahl der akademischen Lehrkrankenhäuser und Lehrpraxen durch die Universitäten erfolgt gemäß einem Kriterienkatalog und Anforderungsprofil auf der Basis einschlägiger Empfehlungen. Die entsprechende Einrichtung muss dabei gewährleisten, dass das Logbuch der jeweiligen Universität für das Fach "Allgemeinmedizin " eingehalten wird. Der Fachbereich Medizin der Goethe-Universität Frankfurt hat Verträge mit 115 Lehrpraxen, von denen 44 auch für die Ausbildung im Rahmen des Wahlfachtertials Allgemeinmedizin des Praktischen Jahres zur Verfügung stehen. Interessierte Praxen für das Blockpraktikum Allgemeinmedizin werden zunächst angeschrieben und mit allgemeinen Informationen versorgt, z.B. dass es sich um Studierende des 5. und 6. klinischen Semesters handelt, die bereits über gute Grundlagen in Anamneseerhebung, Untersuchungstechniken und Pharmakotherapie verfügen. Weitere Informationen umfassen die Dauer des Blockpraktikums, die zu erfüllenden Aufgaben des/der Studierenden (Patientendokumentation nach SOAP (Subjektives-Objektiv-Assessment-Plan) und die Höhe der Aufwandsentschädigung (225 € je Studierender bzw. Studierendem und Block). Die Informationen werden mit einem Fragebogen abgeschlossen, den die Praxis auszufüllen hat. Die Lehrpraxen sind vor der Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 3 Aufnahme einer/eines Studierenden dazu verpflichtet, an einer Einführungsveranstaltung zu den Unterrichtsmaterialien und an einem allgemeinen Didaktik-Workshop teilzunehmen. Mindestens zweimal jährlich müssen sie am Qualitätszirkel "Innovationsdialog Allgemeinmedizin" teilnehmen . Diese Teilnahmen werden kontrolliert und gegebenenfalls gemahnt. Es erfolgen Evaluationen durch die Studierenden, auf deren Grundlage zum Abschluss eines Semesters mit den Lehrenden Rücksprache gehalten wird. Sollten Kriterien auch nach Rücksprache im nächsten Block nicht erfüllt werden, kann die Lehrtätigkeit für die Praxis wieder entzogen werden. Die Lehrpraxen werden auch über die Möglichkeit informiert, nach einer Orientierungsphase von zwei bis drei Semestern eine Akkreditierung als Akademische Lehrpraxis der Goethe- Universität Frankfurt zu beantragen. Hierzu werden die Akkreditierungsrichtlinien erneut überprüft , die Praxis visitiert und die Evaluationen der vergangenen Semester mit dem gesamten Praxisteam durchgesprochen. Erst nach der Orientierungsphase und nach guten Evaluationen kann eine Lehrpraxis auch die Aufnahme von Studierenden im Rahmen des Wahlfachtertials Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr beantragen. Am Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen sind zurzeit 92 Lehrpraxen am Blockpraktikum und Praktischen Jahr im Fach Allgemeinmedizin beteiligt; im Fach Innere Medizin beteiligen sich vier fachärztliche internistische Praxen an der Ausbildung der Studierenden im Rahmen des Curriculums der Inneren Medizin. Die Auswahl dieser akademischen Lehrpraxen erfolgt gemäß eines Kriterienkatalogs und Anforderungsprofils auf der Basis einschlägiger Empfehlungen; obligate Anforderungen für das Fach Allgemeinmedizin sind: 1. Qualifikation der Lehrärztin/des Lehrarztes - Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin, ggf. hausärztlich tätige/r Internistin /Internist, - mehrjährige hausärztliche Tätigkeit in eigener Verantwortung, - seit 2 Jahren Beteiligung am Blockpraktikum Allgemeinmedizin, mind. 1 Studentin /Student pro Semester (nur PJ), - Gewährleistung, dass das PJ-Logbuch für das Fach "Allgemeinmedizin" (nur PJ) bzw. das Logbuch für das Blockpraktikum "Allgemeinmedizin" eingehalten werden, - regelmäßige Teilnahme an Lehrqualitätszirkeln o.ä., möglichst alle 6 Monate, - Bereitschaft zur Mitwirkung als Prüfer am mündlichen Staatsexamen (nur PJ). 2. Struktur und Organisation der Praxis - Labor in der Praxis oder Laborgemeinschaft, - Praxispräsenz mind. 35 Stunden /Woche, - Bereitstellung eines separaten Raumes für Anamnese und Untersuchung durch Studierende (nur PJ), - Aufnahme eines/einer Studierenden pro Kohorte pro Tertial (PJ) oder pro Semester, sofern entsprechende Nachfrage besteht, - Gelegenheit zu Selbststudium, - Teilnahme-Möglichkeit für PJ-Seminare und allgemeinmedizinische Fortbildungen (nur PJ), - Teilnahme an der Lehr-Evaluation gemäß Vorgabe der ÄApprO. 3. Arbeitsspektrum der Praxis - Typische allgemeinmedizinische Praxis ohne einseitige Ausrichtung (< 20 % der Zeit für Spezialisierung), - Orientierung an wissenschaftlich begründeten Behandlungskonzepten, - Patienten aller Altersgruppen, - regelmäßige Hausbesuche, - regelmäßige Durchführung von fallorientierten Besprechungen, - Gewährleistung selbstständiger Übernahme von Aufgaben durch Studierende und Supervision/Rückmeldung. Diese Kriterien gelten sinngemäß auch für fachärztliche internistische Lehrpraxen. Der Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg unterhält Kooperationsverträge mit 118 Lehrpraxen (davon 15 Praxen, in denen das Praktische Jahr absolviert werden kann). Rahmenbedingungen: 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 Finanzielle Anreize für das Blockpraktikum Allgemeinmedizin: 250 € pro Blockpraktikum und Studierenden, Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an einer obligatorischen Schulung pro Jahr 80 €. Finanzielle Anreize für PJ Allgemeinmedizin: 1.300 € pro Tertial und Studierenden. Für alle Lehrpraxen werden Kooperationsverträge geschlossen. Die obligatorischen Akkreditierungskriterien für Akademische Lehrpraxen sind: 1. Qualifikation des Lehrarztes/der Lehrärztin - Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin, ggf. hausärztl. Internist/in, - 3 Jahre hausärztliche Tätigkeit in eigener Verantwortung (Praxis), - Persönliche Eignung, - Beteiligung an vereinbarter Qualitätssicherung der Lehre. 2. Praxisstruktur - GKV-Versicherte: Mindestens 500/Quartal, - Zahl der Helferinnen: Mindestens 1, - Bereitstellung eines Raumes für Kontakt Patient/Studierende, - Ruhe-EKG, - Labor (eigen oder Laborgemeinschaft), - EDV-gestütztes Praxisverwaltungssystem. 3. Arbeitsspektrum der Praxis - Regelmäßige Hausbesuche, - Typische allgemeinmedizinische Praxis ohne einseitige Praxisausrichtung, - Patienten aller Altersgruppen. Frage 3. Inwiefern gibt es eine Anleitung für die Lehrpraxen, für Ärzte sowie für Personal, in denen Studierende ihre Praxiserfahrungen sammeln sollen? Für die verschiedenen praktischen Lehreinheiten, die in Lehrpraxen abgehalten werden, stehen den Studierenden und Lehrenden an der Goethe-Universität Frankfurt Informationsmaterialien, Vorlagen wie z.B. Patientendokumentation nach SOAP (Subjektives-Objektiv-Assessment-Plan), Selbsteinschätzung und Schulungsbedarf in allgemeinärztlichen Tätigkeiten mit Fremdeinschätzung des Lehrarztes zum Ende der Einheit, Logbücher für das Praktische Jahr und Erreichbarkeiten für Nachfragen zur Verfügung. Einen Einblick bieten die Materialien auf der Homepage des Instituts für Allgemeinmedizin.1 An der Justus-Liebig-Universität Gießen dienen als Arbeitsgrundlage das PJ-Logbuch für das Fach "Allgemeinmedizin" (entspricht dem Basis Muster-Logbuch der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin) und das mit Unterstützung der Universitätsmedizin Göttingen entwickelte Logbuch für das Blockpraktikum "Allgemeinmedizin". An der Philipps-Universität Marburg sind alle Informationen zur Organisation, Gestaltung der Lehre und Benotung der Leistungen in einem Informationsblatt für die Lehrärzte zusammengefasst . Jeder Lehrarzt/jede Lehrärztin verpflichtet sich zur Teilnahme an einer Lehrärzteschulung pro Jahr. Die Praxen werden durch die Studierenden evaluiert. Bei wiederholten negativen Evaluationen nimmt die Abteilung Allgemeinmedizin der Philipps-Universität Marburg Kontakt zu den Lehrärzten und -ärztinnen auf. Geschulte Mitarbeiter der Abteilung Allgemeinmedizin (Lehrkoordination) stehen für Anfragen oder Probleme der Lehrärzte und -ärztinnen im Rahmen der Lehre zur Verfügung. Die Abteilung Allgemeinmedizin richtet einen "Tag der Allgemeinmedizin " pro Jahr aus, der besonders (aber nicht ausschließlich) die Lehrärztinnen und – Lehrärzte adressiert und ihnen eine unabhängige Fortbildungsmöglichkeit bietet. Bei diesem Tag der Allgemeinmedizin gibt es zusätzliche Fortbildungen für medizinische Fachangestellte (Praxispersonal ). 1 Zum Kurs Allgemeinmedizin: http://www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/lehre/allgemeinmedI.html Zum Blockpraktikum Allgemeinmedizin: http://www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/lehre/allgemeinmedII_tools.html Zum Wahlfachtertial Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr: http://www.allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de/lehre/pj.html Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 5 Frage 4. Wie beurteilt die Landesregierung andere Lern-/Lehrmethoden wie in der Schweiz, in Skandinavien oder das System in Frankreich, bei dem Studierende vormittags in der Klinik arbeiten und nachmittags Seminare besuchen, um Theorie und Praxis durch direkte Bezüge verbinden zu können ? Pauschalisierende Vergleiche zwischen verschiedenen Ausbildungssystemen erscheinen wenig hilfreich. Zielführender ist, wie auch vom Wissenschaftsrat vorgeschlagen, eine differenzierte Betrachtung, die, orientiert am Lernergebnis (z.B. Erwerb von Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Haltungen), eine angemessene Form der Vermittlung (z.B. Lernspirale) und der Überprüfung (z.B. constructive alignment) anstrebt. Frage 5. Unter welchen Rahmenbedingungen und Regelungen findet der "Unterricht am Krankenbett" (UAK) statt? Die ÄApprO legt fest, dass bei dem vorgeschriebenen Gesamtumfang von 476 Lehrstunden "jeweils nur eine kleine Gruppe von Studierenden gleichzeitig unmittelbar am Patienten unterwiesen werden (darf), und zwar - beim Unterricht in Form der Patientendemonstration eine Gruppe von höchstens sechs, - bei der Untersuchung eines Patienten durch Studierende eine Gruppe von höchstens 3." (§ 2 Abs. 3 ÄApprO). Bei der praktischen Unterweisung am Patienten entfällt gem. der ÄApprO je die Hälfte der Unterrichtszeit auf den Unterricht in Form der Patientendemonstration und auf den Unterricht mit Patientenuntersuchung. Unzumutbare Belastungen des Patienten durch den Unterricht sind zu vermeiden. Frage 6. Inwiefern werden Case Studies im UAK berücksichtigt und als Unterrichts- sowie Forschungsmethode eingesetzt? UaK als Unterricht direkt am Patienten erfolgt notwendigerweise als reale "case study". In den gemeinsamen Einheiten vor dem Blockpraktikum Innere Medizin und vor dem Blockpraktikum Chirurgie an der Goethe-Universität Frankfurt wird mit Simulationspatienten gearbeitet. Zusätzlich lernen die Studierenden nicht nur, wie man z.B. eine Magensonde legt, sondern auch, wann dies warum notwendig ist und welche Voraussetzungen dafür beim Patienten vorliegen müssen. In den begleitenden Seminaren, teilweise auch den vorbereitenden Vorlesungen der Justus- Liebig-Universität Gießen wird von den meisten Dozentinnen und Dozenten eine konkrete Kasuistik oder ein definiertes klinisches Problem (problem-based learning) als Ausgangspunkt der Lehre eingesetzt. Case study bei einem Patienten, der an einer klinischen Studie teilnimmt, kommt nur vor, wenn auf der jeweiligen Station, in der die Studierenden ihr Blockpraktikum, ihre Famulatur oder ein Tertial des Praktischen Jahres ableisten, eine solche Studie stattfindet. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Studierenden zum Zwecke der Datenerhebung für eine Promotion an solch einer klinischen Studie mitarbeiten. Frage 7. Inwiefern werden Studierende bei den praktischen Lehreinheiten (Pflichtpraktikum, Famulatur, PJ, UAK etc.) unterstützt betreut und begleitet? (Bitte aufgeschlüsselt nach Hochschulen sowie Kooperationspartnern.) Vermutlich bezieht sich das "Pflichtpraktikum", auch aufgrund der Reihenfolge in der Aufzählung , auf das Krankenpflegepraktikum (§ 6 ÄApprO). Dieser Ausbildungsabschnitt muss gegenüber dem Landesprüfungsamt nachgewiesen werden, steht aber nicht in Verantwortung der Universität. Famulaturen werden von den Studierenden selbst organisiert, denn sie werden nicht von den Fachbereichen überprüft, sondern müssen nur zur Anmeldung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung beim Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen nachgewiesen werden. Im Übrigen bestehen an den Hochschulen folgende Betreuungs- und Unterstützungsangebote: Goethe-Universität Frankfurt Untersuchungskurs klinischer Fertigkeiten (UkliF): - Skript mit Vorbereitungsfragen für die praktische Prüfung in Form einer objektiven, strukturierten klinischen Examination (OSCE), 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 - Online-Lehre-Fundus mit Informationen, Lehrfilmen, Ton- und Bildbeispielen (z.B. Herztöne , Atemgeräusche, etc.), - Ein Dozent für eine Sechsergruppe, - Testatheft mit vorgegebenen abzuarbeitenden Lernzielen. Betreuung im Blockpraktikum: In allen unter Frage 1 genannten Blockpraktika werden die Studierenden in Dreiergruppen pro Dozentin bzw. Dozenten zugeteilt, die sich wiederum bei den UaK-Demonstrationen abwechseln , außer im Blockpraktikum Allgemeinmedizin (1:1-Betreuung) und im Kurs Allgemeinmedizin (1:8-Betreuuung), in denen anhand der unter Frage 3 genannten Unterrichtsmaterialen ein kontinuierliches Feedback stattfindet (z. B. Checkliste Lernziele, Anamneseerhebung nach SOAP, Bewertungsbogen). Blockpraktikum Innere Medizin: - Einführungswoche zur Vorbereitung mit Seminaren (Zentrale Unterrichtseinheit Blockpraktikum , ZUB), - praktische Kurse (z.B. Sonographie), - Demonstrationen an aktuellen Patienten, - Kommunikationstraining (z.B. für die Anamnese und Untersuchung), - Testatheft, - Eine Dozentin bzw. ein Dozent für maximal drei Studierende auf Station, - Online-Lehre-Fundus mit Informationen, Lehrfilmen, Ton- und Bildbeispielen (z.B. Herztöne , Atemgeräusche, etc.). Blockpraktikum Chirurgie: - Einführungswoche zur Vorbereitung mit praktischem Lernen (Training praktischer Fertigkeiten , TPF), alle Studierenden lernen hierbei die notwendigen praktischen Tätigkeiten in der Chirurgie, - Erstellung und Besprechung eines Portfolios über die zwei Blockpraktikumswochen auf Station (mind. zwei Ambulanzpatienten, mind. zwei OPs und mind. zwei Verbandwechsel) mit anschließendem individuellen Feedback durch einen Oberarzt, - Ein Dozent für zwei Studierende auf Station, manchmal auch 1:1-Betreuung, im OP auch zwei Dozenten mit einem Studierenden, - Vorbereitung auf die OSCE (s. oben) mit den Grundlagen aus dem TPF sowie dem Lernzielkatalog Chirurgie (entspricht Nationalem kompetenzbasierten Lernzielkatalog Chirurgie, NKLZ, aus dem Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin, NKLM). Blockpraktikum Dermatologie, Neurologie, HNO, Augenheilkunde, Psychiatrie: - Für das Blockpraktikum freigestellte Ärzte betreuen die Studierenden in Dreiergruppen (UaK) und Sechsergruppen (UaK-Demo) ganztägig, - Wenn aktuelle Krankheitsbilder fehlen, die jedoch nach NKLM gelehrt werden sollen, so wird auf virtuelle Patienten und Krankheitsbilder zurückgegriffen, - Notfallsimulationen, - Demonstrationen an aktuellen Patienten, - Unterricht in Zusatzdiagnostik, - Hausaufgaben an Fallbeispielen, deren Ergebnisse am nächsten Tag individuell besprochen und rückgemeldet werden. Blockpraktikum Geriatrie: Neben verschiedenen praktischen Erfahrungen lernen die Medizinstudenten anhand konkreter Fälle, die sie bearbeiten. Die Studierenden erfahren eine umfangreiche Unterstützung; so werden ihnen von den verschiedenen Mitgliedern des therapeutischen Teams (Physiotherapie, Ergotherapie , Logopädie, Sozialarbeit, der Ärztinnen und Ärzte) der Geriatrie deren Tätigkeiten im Alltag vorgestellt. In der Regel findet hier eine 1:2 oder 1:1 Betreuung statt. Praktisches Jahr: - Einführungsveranstaltungen z.B. zu juristischen Aspekten, elektronischem Patientendokumentationssystem des jeweiligen Krankenhauses, Hygiene, Ausfüllen des Logbuches, etc., - Begleitseminare (z.B. einmal pro Woche oder eine ganze Woche des Tertials) mit Vorbereitung auf den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Besprechung von Fallbeispielen, - Lehrvisiten, - Regelmäßiges Feedback, - Seminare für PJ-Studierende mit den Oberärzten, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 7 - Besprechung des Lernfortschrittes, - Überprüfung des Logbuches nach noch fehlenden Erkrankungsbildern / OPs etc. und gezielter Einsatz der Studierenden in den Bereichen. Der Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen bietet seit einigen Jahren Vorbereitungskurse für das Krankenpflegepraktikum nach § 6 ÄApprO an. Der Famulatur-Ausbildungsabschnitt muss gegenüber dem Landesprüfungsamt nachgewiesen werden, steht aber nicht in Verantwortung der Universität. Aufgabe der Universität ist es, die Studierenden auf die Famulatur ("Famulaturreife") vorzubereiten. Hierzu dienen insbesondere auch Kurse im Simulationszentrum PLUS-Med unter Einbeziehung von Schauspielpatienten. Der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) beschreibt dieses Anforderungsprofil als "Ärztliche Basiskompetenzen". Der Ausbildungsabschnitt PJ steht in Verantwortung der Universitäten und wird inhaltlich durch die PJ-Logbücher festgelegt. Die Einhaltung der PJ-Logbücher ist für das Universitätsklinikum, die Akademischen Lehrkrankenhäuser und die akademischen Lehrpraxen verbindlich. Zudem sind sie zur Teilnahme an der regelmäßigen Lehr-Evaluation (§ 3 Abs. 7 ÄApprO) verpflichtet. Zur Sicherung der Ausbildungsqualität im PJ wurde ein eigenständiges QM-System etabliert (Auswahl der Lehrkrankenhäuser gemäß Qualitätskriterien des Medizinischen Fakultätentages, Auswertung der Logbücher, Nutzung evidenzbasierter Datenbanksysteme zur klinischen Entscheidungsfindung u.a.m.). Für den UaK hat der Fachbereich Medizin für sein Praktikumssemester (4 x 4 Wochen patientennaher Unterricht mit begleitenden Seminaren und Praktika) eine papiergebundene Lehrevaluation (Rücklaufquote 85 bis 95 %) mit expliziter Erfassung der patientennahen Lehrzeiten zwecks Erfassung und Steuerung dieses sehr personalintensiven Unterrichtes von zwei Semestern etabliert. Parallel zum Blockpraktikum Allgemeinmedizin finden an der Philipps-Universität Marburg Seminare statt, die Bezüge zur Tätigkeit in der Praxis bieten. Lehrbeauftragte aus den Praxen beteiligen sich an der Ausgestaltung der Seminare und nehmen aktiv Einfluss auf die Unterrichtsorganisation . Die Studierenden erhalten Begleitmaterialien in Form von Leitlinien, Medikamenteninformationen etc. Individuelle Lernziele werden im Rahmen eines Portfolio-Ansatzes ermittelt und adressiert. Studierende im praktischen Jahr erhalten ein Seminarangebot. Frage 8. Ist der Landesregierung bekannt, dass Studierende sich bessere Unterstützung und Begleitung nicht nur im Studium, sondern vor allem in den praktischen Einheiten wünschen, um besser auf den beruflichen Alltag vorbereitet zu werden und wie beurteilt sie dies? Frage 9. Inwiefern ist der Landesregierung bekannt, dass Studierende Strukturprobleme in den Krankenhäusern bemängeln und sich gerade im Praktischen Jahr als "billige Arbeitskraft" ausgenutzt fühlen , die personelle Engpässe in Krankenhäusern abdecken? Vor allem die praktischen Einheiten machen einen großen Teil des Studiums der Medizin aus. Dem Wunsch der Studierenden nach einer besseren Vorbereitung auf den Arbeitsalltag wird bereits an vielen Stellen entsprochen. Hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen wird auf die Ausführungen zur Frage 7 verwiesen. Es ist bekannt, dass es in der Ausbildung im Praktischen Jahr ein großes Spannungsfeld gibt. Studierende lernen hier den beruflichen Alltag in behüteter Form kennen, denn sie sollen lernen , selbstständig zu handeln und zu entscheiden, dürfen aber ohne Aufsicht keine Handlungen am Patienten durchführen. Dies entspricht den Regelungen zum Patientenschutz. Der Klinikalltag jedoch ist nach Abschluss des Studiums oft ein anderer. Nach Bestehen des dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und mit Erhalt der Approbation müssen die ehemaligen Studierenden nun selbstständig als Ärztinnen und Ärzte entscheiden und handeln. Des Weiteren hat die Zahlung einer Aufwandsentschädigung durch die ausbildenden Kliniken auch gewisse Erwartungen an die seitens der Studierenden zu erbringenden Leistungen im klinischen Arbeitsalltag geweckt. Ebenso ist zu bedenken, dass ärztliche Fertigkeiten (körperliche Untersuchung, Blutentnahme, Verbandswechsel u.v.a.) auch einer gewissen regelmäßigen Übung bedürfen. Grundsätzlich dürfen Studierende natürlich nicht als "billige Arbeitskraft" ausgenutzt werden. Dies ist auch rechtlich nicht möglich, da sie nur unter Aufsicht handeln dürfen. Frage 10. Wie will die Landesregierung gemeinsam mit den Hessischen Hochschulen und den entsprechenden Kooperationspartnern den Wünschen bezüglich der Fragen 8 und 9 konkret begegnen? Die Einführung des verbindlichen PJ-Logbuchs und die systematische Anwendung von Qualitätskriterien für die PJ-Ausbildung haben der Ausnutzung von PJ-Studierenden als "billige 8 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4693 Arbeitskräfte" entgegengewirkt. Eine regelmäßige kriteriengestützte Prüfung der Ausbildungsqualität durch die Fachbereiche ist deshalb erforderlich. Der Fachbereich Medizin der Goethe-Universität Frankfurt zum Beispiel evaluiert nach jedem Tertial die Stationen, auf denen PJ-Studierende der Universität eingesetzt waren. Sollte es dabei zu Beschwerden über Strukturmängel kommen, so wendet sich der Studiendekan der Klinischen Lehreinheit direkt an die jeweiligen PJ-Koordinatoren vor Ort. Des Weiteren wird derzeit die berechtigte Nachfrage der Studierenden nach realen Trainingsszenarien für diese sehr frühe Phase des Berufslebens aufgegriffen und ein Projekt im Rahmen des Frankfurter interdisziplinären Simulationstrainings (FIneST) im neuen Lehr-, Lern- und Prüfungszentrum Medicum, gefördert durch die fachbereichsinternen Fördermittel zur Verbesserung der Lehre, initiiert. In diesem geplanten Projekt "Nachtschicht" werden zwei Studierende als Stationsärzte in der Simulationsstation verschiedene im Krankenhausalltag bei einer Nachtschicht entstehenden Notfallund Komplikationenszenarien aus den Bereichen Chirurgie, Innere Medizin, Pädiatrie und Neurologie zu bewältigen haben. Das Erlernte wird im Feedback mit Dozenten und anderen Studierenden des Kurses "Nachtschicht" bearbeitet. Wiesbaden, 26. April 2017 Boris Rhein Anlagen Anlage 1 Akademische Lehrkrankenhäuser der Goethe-Universität Frankfurt am Main • Agaplesion Diakonissen Krankenhaus • Agaplesion Markus Krankenhaus • Agaplesion Elisabethenstift gGmbH Darmstadt • Asklepios Klinik Langen und Asklepios Klinik Seligenstadt • BGU Frankfurt am Main • Bürgerhospital Frankfurt am Main • Clementine Kinderhospital • DKD Helios Klinik Wiesbaden • Klinikum Darmstadt GmbH • Darmstädter Kinderklinik Prinzessin Margaret • Hochtaunus-Kliniken gGmbH ® Hospital zum heiligen Geist GmbH • Kliniken Katharina Kasper, St. Elisabethen-Krankenhaus • Kliniken Katharina Kasper, St. Marienkrankenhaus • Ketteier Krankenhaus gGmbH • Kliniken des Main-Taunus-Kreises GmbH, Krankenhaus Bad Soden • Klinikum Frankfurt Höchst GmbH • Klinikum Hanau GmbH • Sana Klinikum Offenbach GmbH • Krankenhaus Nordwest • Krankenhaus Sachsenhausen • Main-Kinzig-Kliniken GmbH, Krankenhaus Gelnhausen • Sankt Katharinen-Krankenhaus GmbH • Universitätsklinikum Frankfurt am Main Akademische Lehrkrankenhäuser der Philipps-Universität Marburg • Asklepios Klinikum Melsungen • Asklepios Klinikum Schwalmstadt • Asklepios Stadtklinik Bad Wildungen • Diakoniekrankenhaus Wehrda • DRK Kinderklinik Siegen gGmbH • Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft GmbH • Helios Klinik Attendorn • Helios Klinik Bad Berleburg • Helios Klinikum Warburg • Klinik Sonnenblick Marburg • Klinikum Fulda gAG • Kreisklinikum Siegen gGmbH • Kreiskrankenhaus Frankenberg gGmbH • Neurologisches Zentrum Bad Zwesten • SRH Krankenhaus Waltershausen-Friedrichroda GmbH • St. Marienkrankenhaus Siegen gGmbH • Vitos Orthopädische Klinik Kassel GmbH • Kreiskrankenhaus Rotenburg a. d. Fulda • Neurologische Klinik GmbH Bad Neustadt/Saale ® Herz- und Gefäß-Klinik GmbH Bad Neustadt • Psychosomatische Klinik Bad Neustadt der RHÖN-Klinikum AG KA 19/4693 • Diakonie-Klinikum Jung Stilling Siegen • Schön Klinik Berchtesgardener Land • Dill-Kliniken, Dillenburg Akademische Lehrkrankenhäuser der Justus-Liebig-Universität Gießen: • Gesundheitszentrum Wetterau, Bürgerhospital Friedberg • Gesundheitszentrum Wetterau, Hochwaldkrankenhaus Bad Nauheim • Gesundheitszentrum Wetterau, Kreiskrankenhaus Schotten • Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim • BDH-Klinik Braunfels • Klinikum Vitos Kurhessen, Bad Emstal KA 19/4693