Kleine Anfrage des Abg. Schaus (DIE LINKE) vom 21.03.2017 betreffend Einordnung des rassistischen Mordes an Charles W. in Limburg als PMK rechts oder als Hasskriminalität in Hessen bzw. als Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung des Fragestellers: Am 13. November 2014 wurde im Innenausschuss über Ermittlungen wegen Verdachts auf Totschlag an dem ruandisch-stämmigen Charles W. aus möglicherweise fremdenfeindlichen Motiven berichtet.1 In ihrer Anklage ging dann auch die Staatsanwaltschaft von "Mord aus fremdenfeindlichen Motiven" aus.2 Die Vorsitzende Richterin der Limburger Strafkammer folgte in ihrem Urteilsspruch dieser Einschätzung und sprach von einer "verachtenswerten Tat" aus fremdenfeindlichen Motiven. Im Januar 2016 bestätigte dann der Bundesgerichtshof das Urteil der Limburger Strafkammer wegen Mordes aus fremdenfeindlichen Motiven , sodass die langjährigen Haftstrafen gegen zwei Täter rechtsgültig wurden.3 Ob der Mord auch Eingang in die Statistik des Landes als politisch motiviertes Tötungsdelikt rechts bzw. Hasskriminalität gefunden hat, konnte im Berichtsantrag der Fraktion DIE LINKE zu rechten Straftaten4 sowie auf Nachfrage5 am 1. September 2016 im Innenausschuss seitens des Ministeriums nicht abschließend beantwortet werden, sodass eine Nachprüfung angekündigt wurde.6 Ein Ergebnis wurde im Innenausschuss bislang nicht mitgeteilt. Die Differenzen zwischen der Anerkennung der Opfer rechter Gewalt durch Behörden und Bundesregierung einerseits und den deutlich höheren Zahlen von Opferverbänden und Journalisten andrerseits waren bereits häufig Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport Am 23. Oktober 2014 wurde ein ruandischer Staatsangehöriger tot in seinem Zimmer einer Obdachlosenunterkunft in Limburg aufgefunden. Im Rahmen der Obduktion wurde festgestellt, dass er durch massive Gewalteinwirkung zu Tode gekommen war. Drei deutsche Staatsangehörige wurden noch in der Nacht festgenommen und gingen am Folgetag, auf Anordnung des Amtsgerichts Limburg, in Untersuchungshaft. Einer der drei Tatverdächtigen beging in der Nacht vom 31. Oktober 2014 auf den 1. November 2014 Suizid. Zur Klärung der Tat wurde bei der Polizeidirektion Limburg eine besondere Aufbauorganisation eingerichtet, in der von Beginn an im Rahmen der Ermittlungen zu den Tatabläufen und -hintergründen das Staatsschutzkommissariat zur Prüfung eines Staatsschutzbezugs eingebunden war. Frühzeitig ergaben sich erste Hinweise auf eine rechte Gesinnung bei zumindest einem Tatverdächtigen , der bereits in der Vergangenheit wegen Verstößen gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) aufgefallen war. Die Tatverdächtigen bestritten jedoch in ihren Vernehmungen den fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat. Erst im Februar 2015 konnten die Ermittlungen aufgrund der Auswertung von Telefon- und Computerdaten den Anfangsverdacht der fremdenfeindlichen Tat so weit verdichten, dass die zuständige Staatsanwaltschaft die Tat als gemeinschaftlich begangenen, fremdenfeindlichen Mord zur Anklage brachte. 1 INA/19/14, S.7 2 http://www.fr-online.de/rhein-main/rassismus-mord-aus-rassismus-in-limburg,1472796,30082072.html 3 http://www.fnp.de/rhein-main/Haftstrafen-wegen-fremdenfeindlichen-Mordes-bestaetigt;art1491,1818272 4 Siehe Antwort der Landesregierung auf Berichtsantrag 19/3258 der Fraktion DIE LINKE, INA 19/37, S.7 5 INA 19/57, 01.09.2016, S.8 6 Ebd. S.9 Eingegangen am 20. Juni 2017 · Ausgegeben am 27. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4703 20. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4703 Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Ministerin der Justiz wie folgt: Frage 1. Wurde der am 22. Oktober 2014 ermordete Charles W. Opfer rechter Gewalt in Deutschland? Frage 2. Handelt es sich dabei um eine politisch motivierte Straf- bzw. Gewalttat (PMK rechts) bzw. um einen Fall von Hasskriminalität? Die Fragen 1 und 2 werden im Sachzusammenhang gemeinsam beantwortet. Ja, Charles W. wurde Opfer einer Straftat der politisch motivierten Kriminalität - rechts -, die aufgrund der fremdenfeindlichen Motivation dem Themenfeld Hasskriminalität zugeordnet wird. Frage 3. Fand dies so Eingang in die Kriminalstatistik des Landes Hessen und die des Bundeskriminalamtes ? Wenn ja, wann in welche Statistik? Wenn nein, warum nicht? Als Tötungsdelikt wurde die Tat, unabhängig von ihrem politisch motivierten Hintergrund, in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. Eine Berücksichtigung innerhalb der Jahreserhebung der politisch motivierten Kriminalität (PMK) war vor dem Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft die Tat erst im Februar 2015 als gemeinschaftlich begangenen, fremdenfeindlichen Mord zur Anklage brachte, nicht möglich. Bundesweit festgelegter Stichtag für die Jahreserhebung ist der 31. Januar des jeweiligen Folgejahres (für das Jahr 2014, der 31. Januar 2015). Eine nachträgliche Korrektur findet auch für das Folgejahr nicht statt. Dem BKA wurde die Tat jedoch als "Nachmeldung" übermittelt. Frage 4. Ist Charles W. Teil der von der Bundesregierung anerkannten Liste rechter Mordopfer in Deutschland? Eine "anerkannte Liste rechter Mordopfer in Deutschland" ist der hessischen Landesregierung nicht bekannt. In der Antwort der Bundesregierung (Drucks. 18/5639) vom 24. Juli 2015 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucks. 18/5488) betreffend Stand der polizeilichen Überprüfung möglicher rechter Tötungsdelikte in den Jahren 1990 bis 2011 ist der hessische Fall als Nachmeldung einer politisch motivierten Gewalttat, bei der ein Opfer zu Tode kam, angeführt. Darüber hinaus ist Charles W. auch Teil der von der Amadeu Antonio Stiftung veröffentlichten Liste "Todesopfer rechter Gewalt seit 1990". Wiesbaden, 15. Juni 2017 Peter Beuth