Kleine Anfrage des Abg. Eckert (SPD) vom 06.06.2014 betreffend Kanutouren in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung des Fragestellers: Der Kanutourismus spielt als naturnaher Tourismus in Hessen eine wichtige Rolle. Neben Touristen nutzen auch Schulklassen die hessischen Wasserstraßen. Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung und dem Kultusminister wie folgt: Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung die touristische Bedeutung von Hessens Wasserstraßen? Im Jahr 2003 wurde erstmals für ganz Deutschland eine grundlegende Situationsanalyse über den Wassertourismus durch die Hamburg Messe und Congress GmbH / DTV durchgeführt. Im Auftrag der Bundesvereinigung Kanutouristik e.V. wurde im Jahr 2005 mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) die Publikation "Grundlagenuntersuchung zur Bedeutung und Entwicklung des Kanutourismus in Deutschland" erarbeitet. Zudem erschien 2012 die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) erarbeitete Publikation "Wassertourismus in Deutschland, Praxisleitfaden für wassertouristische Unternehmen, Kommunen und Vereine". Die Publikationen spiegeln das stetig wachsende Interesse an der touristischen Bedeutung des Wassertourismus deutlich wider. Ein wichtiges Segment beim Wassertourismus übernimmt das sogenannte Wasserwandern, zu dem thematisch auch der Kanutourismus gezählt wird. Der Wassertourismus ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht von Interesse, sondern ist eine altersübergreifend umsetzbare Sportart. So ist laut der oben genannten Publikation des BMWi die Altersstruktur der wassersporterfahrenen Deutschlandurlauber für den Kanutourismus wie folgt: Bev. 14 bis 29 Jahre 30 %, 30 bis 49 Jahre 44 % und 50 bis 70 Jahre 26 %. (Quelle: "Wassertourismus in Deutschland, Praxisleitfaden für wassertouristische Unternehmen, Kommunen und Verei- ne" 2012). In Hessen bieten die Gewässer Lahn, Fulda, Werra, Weser, Eder und Diemel sowie die Flüsse Rhein, Neckar und Main attraktive Strecken zum Wasserwandern. Für den Kanutourismus ist die Lahn - auch bundesweit - als das herausragende Ziel zu nennen. Die Lahn bietet, als eine der längsten durchgängig befahrbaren Wasserwanderflüsse Deutschlands (rund 160 Kilometer), ein bewährtes Besucherlenkungs- und Informationssystem einschließlich einer kanutouristischen Infrastruktur. (Quelle: "Grundlagenuntersuchung zur Bedeutung und Entwicklung des Kanutourismus in Deutschland", 2005). Der Kanutourismus stellt im Lahntal einen wichtigen Faktor für die touristische Attraktivität der gesamten Destination dar. Die Zahl der Kanutouristen auf der gesamten Lahn liegt bei ca. 150.000 Besuchern im Jahr. Im Schnitt gibt ein Wassertourist an der Lahn 68,00 € am Tag für Unterkunft, Restaurantbesuch, Freizeit, Unterhaltung und sonstige Dienstleistungen aus, wobei die direkte Wertschöpfung (Löhne/Gehälter, Gewinne) auf 30 % der Ausgaben geschätzt wird (Angabe: "Marketinginitiative Wassertourismus" vom BMVBS). Durch eine weiterführende und weiter zu entwickelnde Verknüpfung mit landseitigen touristischen Angeboten kann eine Erhöhung der Wertschöpfung erwartet werden. Eingegangen am 30. Juli 2014 · Ausgegeben am 1. August 2014 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/473 06. 06. 2014 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/473 Frage 2. Wie fördert die Landesregierung die touristische Weiterentwicklung des naturnahen Tourismus an Hessens Wasserstraßen? Im Rahmen der Tourismusförderung ist die Unterstützung von Infrastruktureinrichtungen, die dem Kanutourismus dienen, in den Regionalfördergebieten des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur " möglich. Der Entwurf des Operationellen EFRE-Programms für die Förderperiode 2014 bis 2020 sieht diese Fördermöglichkeit vor. Mit der Genehmigung des Programms ist in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 zu rechnen. Zudem hat auch die neue Förderperiode 2014 bis 2020 zum Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung der ländlichen Räume (ELER) am 1. Januar 2014 begonnen. Hessen wird auch zukünftig den ländlichen Regionen die Möglichkeit eröffnen, dass sie als LEADER-Gebiete anerkannt werden. Vor Ort werden derzeit die sogenannten regionalen Entwicklungskonzepte erarbeitet , die die Grundlage für die fachliche Auswahl der zu fördernden Projekte darstellen. Die Bewerbungsfrist endet zum 31. August 2014, anschließend findet das Auswahl- und Anerkennungsverfahren statt. Es ist damit zu rechnen, dass ab 2015 mit der projektbezogenen Bezuschussung begonnen werden kann. Projekte des Kanutourismus könnten sodann in der Förderung Berücksichtigung finden, wenn das regionale Entwicklungskonzept ein diesbezügliches Handlungsfeld aufweist und die lokale Aktionsgruppe das entsprechende Projekt zur Förderung auswählt. Frage 3. Wie viele Schulklassen aus Hessen haben in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen von Ex- kursionen/Klassenfahren o.ä. Kanutouren auf hessischen Wasserstraßen als schulische Veranstaltungen unternommen? Diese Frage kann nicht abschließend beantwortet werden, da das Kultusministerium keine Statistik über die Nutzung hessischer Wasserstraßen durch Schülergruppen führt. Die Schulen sind diesbezüglich nicht berichtspflichtig. Jedoch ist ersichtlich, dass das Interesse zur Durchführung von Wassersportaktivitäten bei hessischen Schulen ungebrochen hoch ist. Hierbei werden unter anderem Kanus im Rahmen des Sportunterrichts, im Wahl(pflicht)angebot der Schule, in Arbeitsgemeinschaften, bei Klassenfahrten mit sportlichem Angebot oder im Rahmen der Zusammenarbeit von Schulen und Sportvereinen genutzt. Frage 4. Welche Voraussetzungen müssen für Kanutouren von hessischen Schulklassen in Hessen erfüllt werden (Aufsichtspersonen, Qualifikationen u.a.m.) und wie haben sich diese Voraussetzungen in den vergangenen zwei Jahren verändert? Zur Durchführung von Kanutouren von hessischen Schulklassen müssen die Lehrkräfte eine Qualifikation im Kanusport erworben haben. Diese wird fachunabhängig gefordert und kann über eine Fortbildungsteilnahme an einer Veranstaltung der Zentralen Fortbildungseinrichtung für Sportlehrkräfte des Landes (ZFS) erworben werden. Zwischen 150 und 200 Lehrkräften nehmen pro Jahr an einer solchen Qualifikation teil. Alternativ sind die Trainerlizenz-C des Fachverbandes oder der universitäre Leistungsnachweis in dieser Sportart gleichgestellt. Auch die Naturschutz-Akademie Hessen (NAH) hat im Jahr 2013, auf Initiative des Ski- und Kanuclubs Gießen, auf Grundlage der "Richtlinie zur Durchführung einer Ökoschulung zum Erwerb des Wanderfahrerabzeichens" des Deutschen Kanuverbands (DKV) eine Schulung von Multiplikatoren auf der Lahn durchgeführt. Für die fachgerechte Begleitung von Schulklassen bei einer Kanutour gibt es zwei Varianten. Entweder organisiert und leitet eine qualifizierte Lehrkraft die Fahrt und wird von mindestens einer zweiten Lehrkraft unterstützt, wobei die Schülergruppe zwischen diesen beiden Lehrern fährt. Oder, alternativ hierzu, kann für die Kanutour qualifiziertes Personal eines zertifizierten Anbieters gebucht werden, wobei hierbei dann nur eine qualifizierte Lehrkraft der Schule die Fahrt begleiten muss. Die Anforderungen an Kanutouren haben sich in den letzten Jahren nicht geändert und gelten unabhängig davon, ob die Veranstaltung in Hessen durchgeführt wird. Frage 5. Welche Hilfestellungen für die Durchführungen von Kanutouren auf hessischen Wasserstraßen werden für Schulen seitens der Landesregierung angeboten? Wie werden diese kommuniziert und wie wurden diese Angebote in den letzten zwei Jahren in Anspruch genommen? Die Landesregierung bietet auf verschiedenen Wegen Unterstützung an. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/473 3 Insgesamt werden sieben mobile Kanueinheiten (MKE, bestehend aus mehreren Kajaks auf einem PKW-Anhänger inklusive dem kompletten Zubehör) und zwei mobile Kanupoloeinheiten (wie oben genannt, jedoch für den Kanu-Polo-Sport) vorgehalten, die in Zusammenarbeit mit hessischen Kanuvereinen verwaltet werden und für schulsportliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Hierbei werden die Verfügbarkeit, die Mobilität und die Finanzierbarkeit für alle Schülerinnen und Schüler sichergestellt. Im Jahr 2012 wurden die Kanueinheiten 191 Mal und 244 Mal im Jahr 2013 ausgeliehen. Beworben werden die MKEs über das Internet (Homepage Hessisches Kultusministerium), dem hessischen Kanuverband, über einen Schulflyer sowie über Beratungs- und Fortbildungsangebote . Über die Zentrale Fortbildungseinrichtung (ZFS) wird die Qualifizierung der Lehrkräfte sichergestellt . Zudem sind speziell Angebote im Rahmen von schulinternen Maßnahmen möglich. An den staatlichen Schulämtern wird über die Fachberatung Sport die Durchführung von schulsportlichen Aktivitäten, auch im Wassersport im Rahmen von Schulwanderungen und -fahrten, aktiv beworben. Im Zuge des Landesprogramms "Talentsuche - Talentförderung" wird derzeit eine Talentfördergruppe in Lampertheim betrieben. Wiesbaden, 16. Juli 2014 Priska Hinz