Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 27.03.2017 betreffend Einschulungsuntersuchungen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele Einschulungsuntersuchungen haben in den letzten fünf Jahren stattgefunden und in wie vielen Fällen erfolgte diese in einem anderen Land gemäß § 2 SchulGesPflV? In den Jahren 2012 bis 2016 haben 274.453 Schuleingangsuntersuchungen für Erstklässler (S1) stattgefunden. Erfasst wird die Anzahl untersuchter Kinder / Schuljahr, d.h. für den Zeitraum 01.08. bis 31.07. eines Jahres, damit bezieht sich die oben stehende Anzahl auf die Schuljahre 2012/13, 2013/14, 2014/15, 2015/16 und 2016/17. Die Kinder, die im Sommer 2017 für das Schuljahr 2017/18 eingeschult werden, sind teilweise noch nicht untersucht und in der hessischen Landesstatistik nicht erfasst. Im Mittel werden pro Schuljahr 54.890 Kinder zur Einschulung untersucht. Wie viele Kinder in anderen Bundesländern eine Schuleingangsuntersuchung (S1) durchlaufen haben, wird in der Statistik nicht erfasst. Neben den Kindern, die vor Aufnahme in die erste Klasse eine Schuleingangsuntersuchung S1 erfahren haben, wurden von den Ärztinnen und Ärzten der Kinder- und Jugendärztlichen Dienste der Gesundheitsämter auch die sogenannten "Seiteneinsteigenden" untersucht. Dabei handelt es sich um Kinder, die nach Hessen ziehen und erstmals in hessischen Schulen im Geltungsbereich des Schulgesetzes aufgenommen werden, ohne eine Schuleingangsuntersuchung in einem anderen (Bundes-)Land erhalten zu haben. In der Verordnung über die Zulassung und die Ausgestaltung von Untersuchungen und Maßnahmen der Schulgesundheitspflege vom 19. Juni 2015 wird diese Aufgabe der Gesundheitsämter im § 2 Abs. 1 verdeutlicht. Eine landesweite Erfassung der Daten, die im Rahmen der Seiteneinsteigenden-Untersuchung (SE) erhoben werden, war bisher nicht etabliert, wird aber mit Beginn des Schuljahres 2017/18 verbindlich eingeführt. Die Zahl der von den Kinder- und Jugendärztlichen Diensten untersuchten Seiteneinsteiger ist erheblich, oft ergibt sich dabei das Problem einer hohen Sprachbarriere. Die Anzahl der in den vergangenen 5 Jahren untersuchten Seiteneinsteigenden beträgt etwa 21.300, dabei ist allerdings zu unterstreichen, dass einige Gesundheitsämter die Seiteneinsteigenden erst seit Sommer 2015 untersuchen, sodass die Anzahl bezogen auf einen 5-Jahreszeitraum deutlich höher zu erwarten wäre. Frage 2. Wie viele Personen führen die Einschulungsuntersuchungen in den jeweiligen Gesundheitsämtern durch? (Bitte aufgelistet nach Standort) Gesundheitsamt Anzahl gesamt Differenzierte Angaben soweit vorhanden (Ärzte, medizinisches Assistenzpersonal , Verwaltungsangestellte) Qualifikation der Ärzte Bergstraße 7 2 Ärzte, 5 Verwaltungsangestellte und medizinisches Assistenzpersonal, z.T. Teilzeit davon bis April 2017 ein Facharzt für Kinderheilkunde Darmstadt 19 7 Ärzte, 12 Arzthelfer (alle 50%Stellen) Keine Fachärzte für Kinderheilkunde Frankfurt 28 14 Ärzte und 14 MFA, teilweise in Teilzeitstellen davon 12 Fachärzte für Kinderheilkunde Eingegangen am 5. Mai 2017 · Bearbeitet am 5. Mai 2017 · Ausgegeben am 10. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4749 05. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4749 Fulda 8 8 Personen, vorwiegend Teilzeitkräfte mit 0,3 bis 0,5 Stellenanteilen davon ein Facharzt für Kinderheilkunde Gießen 9 9 Personen, teilweise in Teilzeitstellen davon 1 Fachärztin für Innere Medizin, 1 Fachärztin für Allgemeinmedizin , 1 Ärztin mit Weiterbildung in Kinderheilkunde (ohne Facharztanerkennung ) Groß-Gerau 6 2 Ärzte, 4 Arzthelferinnen (2 Teams), z.T. Teilzeit Keine Facharztausbildung Hersfeld-Rotenburg 6 3 Ärzte und 3 medizinisches Assistenzpersonal und Verwaltungsangestellte, teilweise in Teilzeitstellen davon 1 Facharzt für Urologie Hochtaunuskreis 12 sechs Ärzte/-innen (2 x 100%; 1 x 32 Std; 1 x 20 Std.; 1 x 19,5 Std.; 1 x 12 Std.) und jeweils 1 medizinisches Assistenzpersonal teils langjährig erfahrene Ärzte, aber keine Fachärzte Kassel 19 9 Ärztinnen und 10 Schulassistentinnen , teilweise Teilzeit Fachärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin, für Öffentliches Gesundheitswesen, für Allgemeinmedizin Lahn-Dill-Kreis 8 3 Ärzte (2 VZ Stellen), 5 Verwaltungsangestellte (2,5 VZ Stellen) 1 FA für ÖGW + Allgemeinmedizin , 1 FA für ÖGW, 1 MPA (Master of Public Administration ) Limburg-Weilburg 7 3 Ärzte, 4 Helfer, teilweise Teilzeit pädiatrische Erfahrungen, Teilgebietsbezeichnungen Sportund Sozialmedizin bzw. Sportmedizin Main-Kinzig-Kreis 16 7 Ärztinnen, alle in Teilzeitbeschäftigung , sowie 2 Honorarärztinnen. Gesamtstellenanteile : 3,37 VZ Stellen, es untersuchen 7 nichtärztliche Mitarbeiterinnen , 1 davon Vollzeit, insgesamt: 5,62 VZ Stellen davon eine Fachärztin für Kinderheilkunde Main-Taunus-Kreis 8 4 Ärzte, 4 Arzthelfer (4 Teams), z.T. Teilzeit 1 Facharzt für Kinder-und Jugendmedizin Marburg-Biedenkopf 8 4 Ärzte, alle Ärzte in Teilzeit (3x75%, 1x50%), 3 Helferinnen in VZ, 1 Helferin 75 % 1 FA Pädiatrie, 1 FA Allgemeinmedizin , 2 ohne FA- Bezeichnung mit langjähriger Erfahrung im KJGD Odenwaldkreis 8 davon 3 Ärzte, teilweise Teilzeit Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen , Facharzt für Innere Medizin, Notfallmedizin, Umweltmedizin, Sportmedizin; Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen , Fachärztin für Innere Medizin, Notfallmedizin, Betriebsmedizin Offenbach Stadt 3 3 Ärzte und med. Assistenzpersonal, teilweise in Teilzeit Ärztin für Allgemeinmedizin, als Schulärztin erfahrene Radiologin und Kinderärztin mit pädiatrischer Facharztqualifikation (ohne Facharztprüfung) Offenbach Landkreis 13 7 Ärzte, 6 Arzthelfer, teilweise Teilzeit Fachärztin für Innere Medizin und eine Fachärztin für ÖGW Rheingau-Taunuskreis 6 3 Ärzte, 3 Arzthelfer, teilweise Teilzeit spezifische Fortbildungen an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen Düsseldorf Schwalm-Eder-Kreis 9 3 Schulärztinnen (zus. 73 Wochenstunden ) und 6 Assistenzkräfte (zus. 144 Wochenstunden) Fachärztin für Allgemeinmedizin und Diplompsychologin Vogelsbergkreis 5 2 Arzthelferinnen (1x Vollzeit/ 1x Teilzeit ) / 3 Ärzte (1x Vollzeit/ 2x Teilzeit) davon ein Facharzt für Kinderheilkunde Waldeck- Frankenberg 5 2 halbe Arztstellen, 3 Teilzeitstellen Verwaltung und Arzthelfer ab 1.5.2017 Kinderarzt, ansonsten Klinikerfahrung Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4749 3 Werra-Meißner-Kreis 5 2 Ärzte, 3 Arzthelfer, teilweise Teilzeit langjährige ÖGD-Erfahrung Wetteraukreis 7 3 Ärzte, 4 Helfer, teilweise Teilzeit 1 Fachärztin Kinder- und Jugendmedizin; Kinder- und Jgdl.psychotherapeutin Wiesbaden 10,5 5 Vollzeitäquivalent Ärzte; 5,5 VZÄ Arzthelferin 1 Fachärztin für Innere Medizin Wie in der oben aufgeführten Tabelle ersichtlich, erlaubt die reine Anzahl der an der Schuleingangsuntersuchung beteiligten Personen keine differenzierte Bewertung. Es wurde daher auch, soweit bekannt, der Stellenumfang erfasst, zwischen ärztlichem und Assistenz-Personal unterschieden sowie die Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte mit aufgenommen. Frage 3. Über welche beruflichen Qualifikationen (z.B. Facharzt für Kinderheilkunde aber auch Mehrfachqualifikationen ) verfügen die Schulärztinnen und Schulärzte) Hierzu wird auf die Tabelle zu Frage 2 verwiesen. Frage 4. In wie vielen Fällen gab es Beschwerden bezogen auf die Art und Weise der Untersuchung oder die daraus resultierenden Untersuchungsergebnisse sowie Empfehlungen? (bitte aufgelistet nach Standort) Gesundheitsamt Angabe zu Beschwerden Bergstraße Keine Darmstadt Keine Frankfurt Keine Statistik, extrem selten Fulda Keine Gießen Keine Statistik Groß-Gerau Keine Hersfeld-Rotenburg Keine Hochtaunuskreis Ca. 3 Fälle in 5 Jahren Kassel 1 bis 4 Lahn-Dill-Kreis 10-20 /Jahr Limburg-Weilburg Einzelfälle Main-Kinzig-Kreis Im Promillebereich Main-Taunus-Kreis vereinzelt, keine Dokumentation Marburg-Biedenkopf Keine Odenwaldkreis Keine Offenbach Stadt Keine Offenbach Landkreis Nicht erfasst, ca. 10 bis 15 Rücksprachen pro Jahr Rheingau-Taunuskreis Keine Schwalm-Eder-Kreis 1 Vogelsbergkreis Keine Waldeck-Frankenberg Keine Werra-Meißner-Kreis Keine Wetteraukreis Keine Wiesbaden Keine Ein Anspruch an die Schuleingangsuntersuchung ist, dass sie in einer wertschätzenden Weise durchgeführt wird, wobei sich die Wertschätzung auf die Kinder und die Erziehungsberechtigten bezieht. Die damit befassten Schulärztinnen und -ärzte haben Erfahrung auch in schwierigen Untersuchungs- und Gesprächssituationen, sodass insgesamt Beschwerden nur sehr vereinzelt geführt werden. Eine landesweite statistische Erfassung dieses Umstandes erfolgt nicht. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4749 Frage 5. In wie vielen Fällen wurde gegebenenfalls gegen das schulärztliche Gutachten Widerspruch eingelegt und wie wurde diesbezüglich entschieden? (bitte auflisten nach Standort) Die Schuleingangsuntersuchung hat nach § 10 des Hessischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (HGöGD) "den Zweck, Einschränkungen, die die Teilnahme am Unterricht betreffen, festzustellen". Schülerinnen und Schüler, die Sorgeberechtigten sowie die Schulen, sollen zu gesundheitlichen Fragen, die den Schulbesuch betreffen, beraten werden, notwendige, stützende Maßnahmen sollen angeboten werden. Die Schulärztinnen und Schulärzte geben an die Schülerinnen und Schüler, an deren Sorgeberechtigte und an die Schule Empfehlungen ab. Es liegt in der Verantwortung der Sorgeberechtigten, diesen Empfehlungen zu folgen, ein formaler Widerspruch ist nicht notwendig. Die Entscheidung über die Schulaufnahme oder eine Zurückstellung trifft gemäß § 9 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) und der Abschlussprüfungen in der Mittelstufe (VOBGM) die Schulleitung. Widersprüche der Sorgeberechtigten betreffen in der Regel diese Entscheidungen der Schulleitungen. Frage 6. In wie viel Fällen wurde die Schuleingangsuntersuchung wiederholt oder im Rahmen eines Folgetermins fortgesetzt? Da eine gezielte statistische Erfassung nicht erfolgt, ist eine Zahlenangabe nicht möglich. In Einzelfällen wird die Schuleingangsuntersuchung abgebrochen, da zum Beispiel: Kinder Angst vor der Untersuchung zeigen, Kinder die Mitarbeit verweigern, Kinder einen kranken, beeinträchtigten Eindruck machen, bei hoher Sprachbarriere und Beratungsbedarf die Hinzuziehung eines Dolmetschers notwendig wird. In diesen Fällen wird die Untersuchung an einem zweiten Termin fortgesetzt. Frage 7. Wie wird die Standardisierung der Schuleingangsuntersuchung und somit auch die Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse sowie Validität der Diagnosestellung gewährleistet? Bei der Schuleingangsuntersuchung S1 erfolgt ein Entwicklungsscreening. Seit 2006 wird dafür in Hessen obligat das "Screening des Entwicklungsstandes bei Einschulungsuntersuchungen (kurz: S-ENS)" eingesetzt. S-ENS ist ein standardisiertes und validiertes Verfahren. Durch ein solches Screeningverfahren können sich Hinweise auf Entwicklungsstörungen ergeben, die eine weitere Diagnostik erforderlich machen. Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen ist eine Diagnosestellung von Entwicklungsstörungen nicht möglich, den Sorgeberechtigten wird bei auffälligen Befunden die Empfehlung gegeben, das Ergebnis mit der behandelnden Kinderärztin oder dem behandelnden Kinderarzt zu besprechen und mit ihr oder ihm die weiteren Schritte festzulegen. Die Sorgeberechtigten erhalten als Grundlage für die Konsultation einen Brief, in dem die Untersuchungsergebnisse festgehalten sind. Die kommerzielle Verbreitung des S-ENS und die nicht mehr erfolgende Aktualisierung dieses Instrumentes haben es notwendig gemacht, SEN-S bei der Schuleingangsuntersuchung für Schulneulinge (S1) durch ein anderes Verfahren zu ersetzen. Als Nachfolgeverfahren wird ab 01.08.2017 das "Sozialpädiatrische Screening für Schuleingangsuntersuchungen (SOPESS)" verbindlich eingeführt. SOPESS wurde im Auftrag des Landeszentrums für Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt, wird von Nord-Rhein-Westfalen kontinuierlich aktualisiert und nachvalidiert. SOPESS ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte im Sinne des Urheberrechts liegen beim Landeszentrum für Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Es darf ausschließlich für die schulärztlichen Untersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst genutzt werden. Dadurch wird vermieden, dass einzelne Items beispielweise in Kindertagesstätten "geübt " werden, mit der Folge, dass Untersuchungsergebnisse verfälscht werden. Deshalb wird SOPESS nicht veröffentlicht. Hessen hat das Nutzungsrecht für SOPESS für die ausschließliche Verwendung bei den schulärztlichen Untersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Hessen vom Landeszentrum für Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen erworben . Der sach- und fachgerechte Umgang mit den zur Verfügung gestellten Materialien wird durch Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreicht, die in Zusammenarbeit mit der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen durchgeführt werden. Die Umstellung auf SOPESS als weiter entwickeltes Screeninginstrument sichert die Qualität der Schuleingangsuntersuchung S1 in Hessen. Die Anamneseerhebung und die Untersuchung werden bei den Schuleingangsuntersuchungen gestützt durch landesweit eingesetzte einheitliche Frage- und Dokumentationsbögen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4749 5 Die Testung des Hör- und Sehvermögens erfolgt nach festgelegten Kriterien unter standardisierten Bedingungen, auch hier handelt es sich um ein Screening, das bei auffälligen Befunden eine weitere Abklärung durch den Facharzt erfordert. Die körperliche Untersuchung wird von den Schulärztinnen und Schulärzten nach aktuellen medizinischen Standards durchgeführt. Auch hierbei wird bei Verdacht auf das Vorliegen von Gesundheitsstörungen eine Vorstellung beim Kinderarzt empfohlen. Die Arztbriefe sind so konzipiert, dass der Kinder- oder Facharzt eine Rückmeldung an den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst gibt, ob sich Verdachtsmomente erhärtet haben, Diagnosen gestellt oder gesichert wurden und welches weitere Vorgehen geplant ist. Auf diese Weise erfolgt eine Rückspiegelung der Bedeutung der vom Kinder- und Jugendärztlichen Dienst erhobenen Befunde. Im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) ist eine Landesarbeitsgruppe Kinder- und Jugendärztlicher Dienst etabliert, in der Schulärztinnen und Schulärzte, Mitarbeiter des Hessischen Landesprüfungs- und Untersuchungsamtes im Gesundheitswesen (HLPUG) und Mitarbeiterinnen des HMSI zusammenarbeiten. Von dieser Arbeitsgruppe wurden Handbücher zur S1 und zu den Seiteneinsteigenden-Untersuchungen erstellt, die fortlaufend aktualisiert werden . Dort ist der gesamte Ablauf der Schuleingangsuntersuchungen erfasst und wird im Detail beschrieben, Bewertungskriterien werden erläutert und Musterformulare zum Beispiel für Arztbriefe und die Informationsschreiben an die Schulen zur Verfügung gestellt, um ein landeseinheitliches Vorgehen zu gewährleisten. Die von der Landesarbeitsgruppe erarbeiteten Materialien sind eine entscheidende Grundlage der Qualitätssicherung der Schuleingangsuntersuchungen. Mindestens einmal im Jahr organisiert das HMSI eine Dienstversammlung der hessischen Kinder - und Jugendärzte, die zur Fortbildung, zur Erörterung aktueller Anliegen und Probleme sowie zur Abstimmung der Vorgehensweisen dient. Frage 8. Erfolgt eine zentrale Erfassung und Auswertung der Daten der Schuleingangsuntersuchungen und lassen sich grundsätzliche Aussagen hinsichtlich des Gesundheitszustandes und der sprachlichen, motorischen, sozial-emotionalen sowie kognitiven Entwicklung der Kinder in den letzten fünf Jahren treffen? Die landesweit bei jeder Schuleingangsuntersuchung zu erhebenden Daten sind in einem "Landesdatensatz " definiert. Anonymisiert werden diese Daten an das Hessische Statistische Landesamt weitergeleitet, dort aggregiert und an das HLPUG weitergeleitet. Dort erfolgt die Aufarbeitung der Daten, die dann hessenweit, aber auch regional als wichtige Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung dienen. Die erfassten Parameter lassen eine orientierende Einschätzung der gesundheitlichen und sprachlichen, motorischen und sozial-emotionalen sowie kognitiven Entwicklung in den Jahren 2012 bis 2016 zu. Zum Gesundheitszustand: Die Anzahl der Kinder mit mindestens einem auffälligen Befund in der körperlichen Untersuchung ist über den Erfassungszeitraum hin weitgehend konstant geblieben und lag zwischen 27,72 und 28,19 %. Auch die Anzahl der Kinder mit Behinderungen zeigt keine nennenswerten Abweichungen (zwischen 3,67 und 3,91 %). Kontinuierlich zugenommen hat der Anteil der Kinder mit chronischen Erkrankungen, von 9,87 % in 2012 auf 14,65 % in 2016. Beim Sinnesscreening sind die Zahlen konstant. Auffällige Ergebnisse beim Sehtest lagen bei 19,20 bis 20,99 % der Kinder vor, beim Hörtest bei 7,20 bis 8,56 %. Zu den sprachlichen Fähigkeiten: Im Wesentlichen konstant geblieben ist über den Erfassungszeitraum der Anteil der Kinder mit Sprachstörungen bei 19,20 bis 20,20 %. Zugenommen hat dagegen der Anteil der Kinder mit geringen Deutschkenntnissen von 9,08 % in 2012 auf 13,11 % in 2016. Zur motorischen Entwicklung: Auch bei der motorischen Entwicklung ergibt sich keine auffällige Veränderung im Erfassungszeitraum : Die Feinmotorik war bei 9,83 bis 10,69 % der Kinder auffällig, die Grobmotorik bei 5,89 bis 6,47 %. 6 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4749 Zur sozial-emotionalen Entwicklung: Auch bei der Beurteilung der Psyche und des Verhaltens treten keine auffälligen Veränderungen über die Beobachtungsjahre hervor. Manifeste Auffälligkeiten zeigten sich bei 0,68 bis 0,77 % der untersuchten Kinder. Zur kognitiven Entwicklung: Auch hier sind keine besonders auffälligen Veränderungen erkennbar. Im Erfassungszeitraum zeigten 3,31 bis 3,89 % der erfassten Kinder auffällige Befunde. Frage 9. Wie hat sich die Zahl der Kinder im Vergleich der letzten 5 Jahre entwickelt, die ohne Vorsorgeuntersuchungsheft an der Schuleingangsuntersuchung teilgenommen haben? Der Anteil der Kinder, für die kein Untersuchungsheft vorgelegt wurde, hat im Laufe der Beobachtungsjahre kontinuierlich und deutlich zugenommen, von 6,23 % in 2012 auf 9,30 % in 2016. Gleichzeitig hat aber auch der Anteil von Kindern zugenommen, bei denen die U-Untersuchungen komplett dokumentiert waren, von 62,26 % in 2012 auf 78,78 % in 2016, während der Anteil der inkompletten U-Untersuchungen entsprechend gesunken ist, von 28,86 % in 2012 auf 11,92 % in 2016. Frage 10. Gibt es vergleichende Analysen hinsichtlich der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen und der Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen in Bezug auf den Gesundheits- und Entwicklungszustand der Kinder? Die Ergebnisse der Vorsorgeuntersuchungen, durchgeführt durch Hausärzte und Kinderärzte, werden nicht standardisiert erfasst (nur abrechnungstechnisch), weder auf der regionalen noch auf der Landesebene. Das würde auch nur Sinn machen, wenn man die Ergebnisse der unterschiedlichen Untersucher miteinander vergleichen könnte. Dazu wiederum wäre es erforderlich, einen sehr standardisierten Untersuchungsablauf festzulegen, wie das bei der Schuleingangsuntersuchung der Fall ist. So bildet die S 1 die Basis der regionalen und landesweiten Auswertung des Gesundheitszustandes der Kinder in Hessen. Bei der Schuleingangsuntersuchung ist es möglich, die Ergebnisse nicht nur in Bezug auf die individuellen Erkrankungen auszuwerten und die daraus abzuleitenden Empfehlungen zu prüfen, sondern die Ergebnisse auch danach zu betrachten, wie sich in der Gesamtheit eines Jahrgangs die Gesundheitszustände der Kinder verschieben - z. B nehmen über die Jahre die Adipositas und die chronischen Erkrankungen zu. Das ist insbesondere für die Ableitung von Präventionsmaßnahmen in der Schule oder im Stadtteil interessant. Zielführend wäre es, wenn man die Kinder auch in der zeitlichen Entwicklung begleiten könnte, also weitere Schuluntersuchungen standardmäßig durchgeführt werden (vgl. Ergebnisse des Modellversuches "Grund Gesund"). Insbesondere bei den Jugendlichen zeigen sich erhebliche Versorgungslücken z.B. hinsichtlich des Impfstatus, aber auch körperliche und psychische Auffälligkeiten . Diese Kinder besuchen oftmals die angebotene Untersuchung für Jugendliche (J 1) nicht mehr. Außerdem ist das Ziel der Schuleingangsuntersuchung nicht nur die Feststellung von "Befunden " und die Beratung bzw. Überweisung an einen weiter behandelnden Kinderarzt, sondern auch die Beratung der Sorgeberechtigten und der Schule in Hinblick auf die Teilnahme am Unterricht. Der Schule können gezielt Vorschläge für die den individuellen Bedürfnissen des Kindes gerecht werdende Förderung unterbreitet werden - schlecht hörende Kinder sollten z.B. vorne sitzen und vom Lehrer auch anders angesprochen werden. Da dem Kinder und Jugendärztlichen Dienst die Gegebenheiten des Schulsystems wie auch die regionalen Verhältnisse im Schulgebiet vertraut sind, sind neben den individuellen Aspekten und der Begleitung der Kinder in schwierigen gesundheitlichen Situationen auch die Beratung der Schule, des Kollegiums etc. zur gesundheitsförderlichen Gestaltung der Lebenswelt Schule möglich. Wiesbaden, 26. April 2017 Stefan Grüttner