Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 29.03.2017 betreffend Portalpraxen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Zahl der Patientinnen und Patienten, die die Notaufnahmen von Krankenhäusern aufsuchen, ohne ein Notfall zu sein, steigt ständig an. Vielfach ist den Betroffenen unklar, wie die Aufgaben zwischen ärztlichem Notdienst und Notaufnahmen an Krankenhäusern verteilt sind. Die steigende Inanspruchnahme der Notaufnahmen führt dazu, dass diese überlastet werden und ihrer eigentlichen Aufgabe nicht mehr gerecht werden können. Sogenannte Portalpraxen an den Krankenhäusern sollen steuern, welche Patientinnen und Patienten als Notfall im Krankenhaus behandelt werden müssen und welche in die ambulante Praxis verwiesen werden sollen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass keine einheitliche Definition der "Portalpraxis" existiert. Insbesondere fehlt bisher eine Legaldefinition des Begriffs, da dieser selbst im Krankenhausstrukturgesetz wie auch im SGB V keine Verwendung findet. Es wird in der Folge davon ausgegangen , dass damit die in § 75 Abs. 1b Satz 2 SGB V durch das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) neu aufgenommene Vorschrift gemeint ist, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) auch durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäusern sicherstellen sollen und hierzu entweder Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst einbinden sollen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. An welchen Standorten in Hessen gibt es derzeit Portalpraxen? Es befindet sich in Hessen der überwiegende Teil der Bereitschaftsdienstzentralen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (ÄBD-Zentralen) für den Notdienst an Krankenhäusern. Zusätzlich dazu wird in einem Pilotprojekt mit dem Klinikum Höchst eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der ÄBD-Zentrale der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) und dem Krankenhaus erprobt werden. Die KVH betreibt derzeit in bzw. an 45 Krankenhäusern in Hessen eine ÄBD-Zentrale. Die ÄBD-Zentralen bilden zusammen mit den ÄBD-Hausbesuchsdiensten das Versorgungssystem, mittels dessen der Sicherstellungsauftrag außerhalb der Praxiszeiten von der KVH organisiert wird. Während die ÄBD-Hausbesuchsdienste die vollständigen ÄBD-Zeiten und damit die sprechstundenfreien Zeiten abdecken, sind die ÄBD-Zentralen zusätzlich in den Zeiträumen geöffnet , in denen regional ein relevantes Patientenaufkommen besteht. Frage 2. An welchen Standorten sind zu welchem jeweiligen Zeitpunkt weitere Portalpraxen geplant? Gemäß Antwort vom 10. April 2017 plant die KVH, an folgenden Krankenhäusern weitere ÄBD-Zentralen zu eröffnen bzw. ÄBD-Zentralen dort hin zu verlagern: Universitätsklinikum Marburg (Planung: Juli 2017), Klinikum Frankfurt Höchst (Planung: Juli 2017), Main-Taunus- Kliniken Bad Soden (Planung: 4. Quartal 2017), Klinikum Kassel (Planung: 4. Quartal 2017). Eingegangen am 9. Mai 2017 · Bearbeitet am 10. Mai 2017 · Ausgegeben am 15. Mai 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4756 09. 05. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4756 Die am Klinikum Frankfurt Höchst geplante ÄBD-Zentrale wird Teil eines Pilotprojektes zur Einführung einer koordinierten Inanspruchnahme ambulanter medizinischer Leistungen sein. Deren Kern ist eine gemeinsame zentrale Aufnahmestelle mit Portalfunktion (Triage) zur Leitung der Patientenströme in die dem Behandlungsbedarf angemessene Versorgungsstruktur (ÄBD-Zentrale vs. Notaufnahme Klinikum): Durch den Einsatz einer erfahrenen, qualifizierten Pflegekraft soll die Versorgung mittels der Triage für hilfesuchende, fußläufige Patienten und die Unterstützung bei Orientierungsproblemen in den unterschiedlichen Versorgungssystemen sichergestellt werden. Es erfolgt zudem eine Hilfestellung bei der Definition des Notfalles, wodurch die Patienten auf der Versorgungsebene betreut werden sollen, die der jeweilige Krankheitszustand erfordert. Soweit erkennbar, stellt dieser gemeinsame Triageansatz von KVH und Krankenhaus ein Novum dar. Frage 3. Welche Vorteile und welche Nachteile sieht die Landesregierung in den bereits etablierten Portalpraxen ? Frage 4. Welche Optimierungsbedarfe ergeben sich aus den Erfahrungen und ggf. ersten Evaluationen? Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die jeweilige personelle Ausstattung der Portalpraxen? Die Fragen 3, 4, und 5 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Es ist noch zu früh, um bereits heute endgültige Schlüsse ziehen zu können. Es ist aber zu erwarten , dass das am Klinikum Höchst geplante Pilotprojekt vorteilhaft sein dürfte. Frage 6. Hält die Landesregierung die Portalpraxen für ein geeignetes Instrument zur Steuerung bei akuten Erkrankungen bzw. Notfällen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Landesregierung unterstützt den von der KVH eingeschlagenen Weg, den Notdienst ausschließlich an Krankenhausstandorten anzusiedeln. Frage 7. Welchen Einfluss hat die Einrichtung von Portalpraxen in Hessen auf die Zahl der aufzunehmenden Notfälle in den jeweiligen Krankenhäusern gehabt? Die KVH erläutert hierzu in ihrem Schreiben vom 10. April 2017, dass die Kooperationsverträge zwischen den Kliniken und der KVH über die Einrichtung einer ÄBD-Zentrale den Ansatz beinhalten, alle fußläufigen Patienten vor Ort zunächst in die ÄBD-Zentrale zu leiten. Daher müsste ihrer Ansicht nach die Einrichtung einer ÄBD-Zentrale in/an einem Krankenhaus zu einer wesentlich Reduktion von dessen ambulanten Notfällen führen. Da aus der Vergangenheit keine entsprechenden Analysen vorliegen und zudem zahlreiche Effekte, wie etwa generell steigende Patientenzahlen oder Veränderungen innerhalb der Struktur der Patientengruppen, nicht isoliert werden können, lassen sich leider keine allgemeinen, validen Aussagen über den Nettoeffekt der Einrichtung von ÄBD-Zentralen an Kliniken treffen. Die Ursachen, dass die Patientensteuerung nicht oder nicht in dem erwarteten Maße stattfindet, sind vielfältig und reichen von der Anspruchshaltung der Patienten bzw. deren Wahrnehmung, im Krankenhaus umfangreicher und daher auch besser versorgt zu werden ("viel hilft viel"), bis hin zu Orientierungsschwierigkeiten im Krankenhaus oder auf dessen Gelände. Die KVH setzt daher nun auf eine intensivere, gemeinsame Patientensteuerung, die im o.g. Pilotprojekt am Klinikum Frankfurt-Höchst erprobt werden soll. Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) ist ein Partner bei diesem innovativen Projekt. Frage 8. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und der Hessischen Kassenärztlichen Vereinigung zu vermitteln, um den Konflikt in Sachen der Budgets für die Abrechnung von Notfällen zu klären? Das HMSI hat am 6. April 2017 in einer sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre zusammen mit der KVH und der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG) die Probleme in der ambulanten medizinischen Notfallversorgung erörtert. Die Beteiligten sind sich einig, dass Lösungen dem Patientennutzen dienen müssen. Hierzu wurden bereits Konzepte abgestimmt, die nun zeitnah auf Landesebene umgesetzt werden sollen. Insbesondere wurden Wege erörtert, wie die Patienten mit ihren medizinischen Problemen zu den für sie geeigneten medizinischen Versorgungseinrichtungen in der vertragsärztlichen oder stationären Versorgung geführt werden können. Zudem wird die KVH unverzüglich eine Clearing -Stelle für unklare Fälle einrichten, die -insbesondere im Vorfeld der Quartalsabrechnung - die Krankenhäuser bei der Abrechnung unterstützen wird. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4756 3 Die Beteiligten sind sich bewusst, dass die Kooperation zwischen Rettungsdienst, niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern bei der Versorgung von Notfallpatienten verbessert werden muss und haben dazu notwendige Schritte vereinbart. Die KVH wird durch eine Informationskampagne darauf hinwirken, dass der Bekanntheitsgrad der bundeseinheitlichen Rufnummer 116117 für den vertragsärztlichen Notdienst deutlich erhöht wird. Es wurde vereinbart, den konstruktiven Dialog durch regelmäßige Treffen fortzusetzen. Zusätzlich befasst sich ein Arbeitsausschuss des Gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a SGB V mit der sektorenübergreifenden Notfallversorgung. Auch hier steht die Optimierung der Notfallversorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, des ÄBD und in den Krankenhausnotfallambulanzen im Fokus der Diskussionen und der zu entwickelnden Lösungsvorschläge. Wiesbaden, 2. Mai 2017 Stefan Grüttner