Kleine Anfrage des Abg. Greilich (FDP) vom 21.04.2017 betreffend lnteA- und Alphabetisierungsklassen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Kultusministers: Bei "InteA- und Alphabetisierungsklassen" gilt es zu beachten, dass der Alphabetisierungsgrad der betroffenen Schülerinnen und Schüler ein weiches Kriterium ist und daher sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Schülerinnen und Schüler, die einen Alphabetisierungskurs bzw. eine Alphabetisierungsklasse im Rahmen des schulischen Gesamtsprachförderkonzepts besuchen, können zum einen solche sein, die noch nie eine Schule besucht haben (Analphabetismus /Illiteralität), zum anderen aber auch Neuankömmlinge, die zwar schon schulische Vorerfahrung haben, jedoch das lateinische Alphabet als weitere Schrift erlernen müssen. Die Übergänge, ab wann eine Seiteneinsteigerin oder ein Seiteneinsteiger an einem InteA-Standort einer Alphabetisierungs- statt einer Intensivklasse zuzuweisen ist, sind fließend. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. An wie vielen Schulen bestehen derzeit wie viele lnteA-Klassen und/oder Alphabetisierungsklassen und wie haben sich die Zahlen in den letzten drei Jahren verändert? (Bitte aufgelistet nach Standort.) Im Schuljahr 2014/15 wurden lediglich an drei Modellschulen im Vorgriff auf die Einführung von InteA spezielle Intensivmaßnahmen für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger eingerichtet . Flächendeckend wurden die Intensivklassen an beruflichen Schulen (InteA - Integration durch Anschluss und Abschluss) im Schuljahr 2015/16 eingeführt. Ab dem Schuljahr 2016/17 wird zuweisungsrelevant bei einem InteA-Standort pro vier Klassen eine dieser Klassen als Alphabetisierungsklasse mit einer maximalen Klassengröße von 12 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ermöglicht. Mit Stand Mai 2017 werden an 84 InteA-Schulen in Hessen gemäß der Zielgruppe 7.637 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die sich auf insgesamt 437 Klassen verteilen. Die schulbezogene Darstellung ist in Anlage 1 dargestellt. Frage 2. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Bedarf an Alphabetisierungsplätzen, inwieweit beruht diese Schätzung auf der Übernahme der Angaben der Schulen und haben lnteA-Standorte von sich aus, ggf. in welchem Umfang, erhöhte Bedarfe im Bereich der Alphabetisierung gemeldet? Grundlage für die nachfolgende Einschätzung der Landesregierung ist die statistische Auswertung der Daten der Aprilabfrage zur Verwendung der zugewiesenen Lehrerstellen im Bereich Deutsch- Fördermaßnahmen und Beschulung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern im Schuljahr 2015/2016, welche für die Gruppe der InteA-Schülerinnen und -Schüler mit Alphabetisierungsbedarf (sowohl ohne schulische Vorkenntnisse als auch ohne Kenntnisse der lateinischen Schrift) einen Anteil von rund 22 % ergeben hat. Natürlich gibt es Schulen, die in ihrem jeweils aktuellen Bedarf von diesem ermittelten Wert abweichen. Dadurch, dass die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger unterjährig aufgenommen werden, um ihnen möglichst frühe Beschulung und Förderung zu ermöglichen, sind Schwankungen einkalkuliert. Aus diesem Grund steuert das Hessische Kultusministerium monatlich Lehrerstellen nach, sodass sowohl auf Über- als auch auf Unterversorgung zeitnah reagiert werden kann und vor allem neue Klassen gebildet werden können. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass in Absprache mit den Verantwortlichen an den Staatlichen Schulämtern bezüglich des Antragsverfahrens für neue InteA-Standorte über die Erlassregelung von mindestens zwei zu bildenden Gruppen hinaus darauf zu achten ist, dass grundsätzlich mindestens vier Lerngruppen gebildet werden sollten, damit an jedem InteA-Standort die Option be- Eingegangen am 8. Juni 2017 · Ausgegeben am 13. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4797 08. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4797 steht, die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit dem geringsten Lernstand in einer kleineren Gruppe, einer sogenannten "Alphabetisierungsklasse", stärker fördern zu können. Bei der Zuweisung für die Einrichtung von Alphabetisierungsklassen eine einheitliche Erlassgrundlage zu schaffen, hat den Vorteil, allen InteA-Standorten das Einrichten von Alphabetisierungsklassen zu ermöglichen. Natürlich wird keine Schule gezwungen, eine Alphabetisierungsklasse zu bilden, die Differenzierung kann in jeder InteA-Klasse erfolgen. Die Meldung von Bedarfen im Bereich der Alphabetisierung, die über dem errechneten Durchschnittswert liegen, erfolgte in der Aprilabfrage 2016 in acht Schulamtsbereichen; in den restlichen sieben Schulamtsbereichen lagen die Bedarfe darunter. Die Spannweite der Anteile der rückgemeldeten Alphabetisierungsbedarfe liegt bei 39,9 Prozentpunkten (Minimalwert: 4,8 %; Maximalwert: 44,7 %); dies untermauert zusätzlich, dass es sich bei dem Merkmal "mit Alphabetisierungsbedarf " um ein weiches Kriterium handelt, bei dem - die zeitliche Instabilität einer solchen Angabe mit berücksichtigt - eine einheitliche Regelung der sinnvollste Weg zur Unterstützung der Schulen scheint. Frage 3. Wie viele Schulen wurden seitens der Staatlichen Schulämter dazu aufgefordert, zusätzliche Klassen zu eröffnen, und wie viele wurden tatsächlich eingerichtet? Um den Seiteneinsteigerinnen/Seiteneinsteigern die notwendigen Beschulungskapazitäten zu bieten , werden den InteA-Schulen im Rahmen der monatlichen Nachsteuerung zusätzliche Klassen zugewiesen. Dies erfolgt in Abstimmung mit den Aufnahme- und Beratungszentren der Staatlichen Schulämter, den Schulen auf Basis der LUSD-Daten, die einer Plausibilisierung unterzogen werden, den Schulträgern und dem Hessischen Kultusministerium. Die monatliche Nachsteuerung gibt den Schulen die für ihre Planung notwendige Ressourcensicherheit. Wenn eine Erhöhung der Klassenanzahl an den InteA-Schulen nicht möglich ist, kann eine weitere kooperierende InteA-Schule beantragt werden, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Mit Stand vom 01.05.2017 wurden gegenüber der geplanten Zahl (129) zu Beginn der Maßnahme 308 zusätzliche Klassen eingerichtet. Frage 4. Wie viele lnteA-Gruppen bzw. Klassen wurden zunächst genehmigt und dann aus welchen Gründen nicht eingerichtet bzw. in wie vielen Fällen wurde die Genehmigung wieder zurückgenommen? Im Rahmen der monatlichen Nachsteuerung werden die InteA-Gruppen auf Basis der LUSD- Daten und der Rückmeldungen der Aufnahme- und Beratungszentren zugewiesen. Die Einrichtung der Klassen hängt dann vom notwendigen Personal und den Planungen der Schulen in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Staatlichen Schulamt ab. Eine Genehmigung des Hessischen Kultusministeriums ist nur für die Aufnahme von neuen Schulen in das Programm InteA notwendig, da in diesem Zusammenhang geprüft werden muss, ob die bisherigen Standorte komplett ausgelastet sind und der neue Standort mit mindestens 2 Klassen, die für die notwendige Differenzierung erforderlich sind, von Beginn an starten kann. Frage 5. Aus welchen Gründen werden bei der Zuweisung von lnteA-Klassen und/oder Alphabetisierungsklassen nicht alle Schülerinnen und Schüler zahlmäßig berücksichtigt? Vor der Zuweisung von InteA-Klassen werden die Schülerdaten einer Plausibilisierung unterzogen . Hierbei werden z.B. Zuzugsdatum, Eintrittsdatum in die Maßnahme, Alter und Schulformhistorie geprüft, um sicherzustellen, dass nur Schülerinnen und Schüler in der Maßnahme bedacht werden, die im Rahmen der Zielgruppen liegen. Frage 6. Welche konkreten Pläne und/oder Maßnahmen gibt es hinsichtlich von "Optimierungsmaßnahmen ", bei denen zunächst freie Plätze an anderen Schulen besetzt werden sollen? Über das in den Antworten auf die übrigen Fragen dargelegte derzeitige Vorgehen hinaus gibt es keine weiteren Pläne, die sich auf die Verteilung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern auf die vorhandenen InteA-Standorte oder auf die Einrichtung neuer InteA-Standorte beziehen. Frage 7. Wie viele Stellen (Lehrkräfte aber auch Schulpsychologen und Sozialarbeiten) können nach Ansicht des Kultusministeriums durch das Auffüllen von bestehenden Klassen und Gruppen an anderen Schulstandorten eingespart werden? Vor der Eröffnung neuer Klassen sind die Aufnahme- und Beratungszentren aufgefordert, die bestehenden Klassen aufzufüllen. Da hier aber auch regionale Gegebenheiten beachtet werden müssen, ist die angesprochene Berechnung nicht möglich. Es wird darauf hingewiesen, dass neben Überlegungen zu sinnvollem Ressourceneinsatz auch pädagogische Kriterien wie die in den Ausführungen zu den Fragen 2 und 8 erwähnte Möglichkeit zur äußeren Differenzierung eine Rolle spielen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4797 3 Frage 8. Welche pädagogischen und fachlichen Erwägungen sowie sprachlichen Kenntnisse und welcher Stand der Alphabetisierung der einzelnen Schülerinnen und Schüler werden bei der Umverteilung von Schülern berücksichtigt? Die Zuweisung von neu ankommenden Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern an eine Schule durch das für die Gesamtkoordination zuständige Aufnahme- und Beratungszentrum des jeweiligen Staatlichen Schulamtes richtet sich nach organisatorisch-strukturellen Kriterien (wie beispielsweise möglichst kurze Fahrtwege und vorhandene Raumkapazitäten). Für die Genehmigung eines neuen InteA-Standortes ist es erforderlich, dass mindestens 21 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger aufgenommen werden und damit zwei Lerngruppen gebildet werden können. Bei der Prüfung, ob ein neuer InteA-Standort zu eröffnen ist, findet auch die Auslastung umliegender Schulen Berücksichtigung. Dieses Vorgehen ist durchaus pädagogisch, da durch das Aufstocken auf mehrere Klassen gerade die Möglichkeit der äußeren Differenzierung, insbesondere die Zuweisung von Alphabetisierungsklassen, verstärkt ermöglicht wird. Auf diese Weise wird jeder Standort in die Lage versetzt, bei den Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern eine Differenzierung nach Klassen vorzunehmen. Dabei ist die Gesamtzahl der gebildeten InteA-Klassen pro Standort per se zum Beispiel durch Raumkapazitäten und andere äußere Bedingungen nach oben begrenzt. Eine genauere Einschätzung der fachlichen und sprachlichen Kompetenzen der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger und eine entsprechende Förderung gehören zum Kerngeschäft der dafür ausgebildeten Lehrkräfte. Frage 9. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es gerade vor dem Hintergrund der persönlichen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler (z.B. Fluchterfahrung, Traumatisierungen sowie fachliche und sprachliche Kenntnisse) zweckdienlich ist, einen Schulstandort nach pädagogischen sowie nach (sozial-)psychologischen Aspekten auszuwählen, anstatt die Auffüllung von beliebigen Standorten zum entscheidenden Kriterium zu machen? Die Landesregierung teilt die Auffassung, dass auf die unterschiedlichen Bedarfe der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger unter den oben genannten Gesichtspunkten eingegangen werden sollte. Aus diesem Grund soll jeder Standort durch entsprechende Unterstützung dazu in die Lage versetzt werden, auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler fachgerecht einzugehen. Dass dies unter pädagogischen, fachlichen und sprachlichen Aspekten geschieht, wurde in der Antwort auf Frage 8 bereits dargelegt. Darüber hinaus wird auf das umfassende und mit den regionalen Angeboten der Staatlichen Schulämter abgestimmte Fortbildungs - und Beratungsprogramm zur Integration von Schülerinnen und Schülern nicht deutscher Herkunftssprache der Hessischen Lehrkräfteakademie hingewiesen, das neben zahlreichen Angeboten im Kernbereich der Sprachförderung wie z.B. "Alphabetisierung in der Zweitsprache" auch viele Unterstützungsangebote zu Themenbereichen wie "Interkulturelle Kompetenz", "Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen" oder "Netzwerkarbeit mit außerschulischen Institutionen" für alle an schulischen Integrationsprozessen Beteiligten anbietet. Zusätzlich haben alle Klassen im Rahmen von InteA den Anspruch auf sozialpädagogische Unterstützung. Ebenfalls wurde die Schulpsychologie um den Schwerpunkt "Migration und Flüchtlingsberatung" erweitert. Mindestens eine entsprechende Ansprechperson steht in jedem Staatlichen Schulamt zur Verfügung und kann bei Bedarf durch die für die Schule zuständige Schulpsychologin/den zuständigen Schulpsychologen hinzugezogen werden, ggf. auch mit Unterstützung einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers. Hierdurch soll eine migrationssensible Beratung auch im Umgang mit traumatisierten Schülerinnen und Schülern an jeder Schule ermöglicht werden. Wiesbaden, 29. Mai 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz