Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 04.05.2017 betreffend Screening auf multiresistente Keime bei Krankenhausaufnahme und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Das Kasseler Marienkrankenhaus testet alle Patientinnen und Patienten bei stationärer Aufnahme auf multiresistente Keime und hat dabei eine überraschende Entdeckung gemacht. 10 % der Träger des Bakteriums MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) wären bei den Vorgaben nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts nicht erfasst worden. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, Risikopatienten wie Pflegeheimbewohner oder Kranke, die Antibiotikatherapien hinter sich haben, zu testen. Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Wie viele Patientinnen und Patienten mit MRSA sind in hessischen Krankenhäusern in den letzten fünf Jahren positiv getestet worden? Es besteht lediglich eine Meldepflicht für den direkten Nachweis von MRSA in Blut oder in Liquor, erfasst werden von den Gesundheitsbehörden also nur die erkrankten (infizierten) Personen . Im Falle einer Häufung, d.h. mehr als zwei Fälle in einem epidemiologischen Zusammenhang, werden auch Fälle miterfasst, bei denen lediglich eine Besiedelung vorliegt. Die MRSA-Meldungen im Fünf-Jahres-Zeitraum 2012 bis 2016 sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt: Meldedatum (Kalenderjahr) Anzahl 2012 298 2013 256 2014 202 2015 167 2016 159 Frage 2. Gibt es Schätzungen zu einer Dunkelziffer von MRSA-infizierten Patientinnen und Patienten? Wenn ja, in welcher Höhe? Der Begriff "infiziert" wird gewählt, wenn tatsächlich Symptome einer Infektion vorliegen und ein Keim nachgewiesen wird. Dies kann man nur erkennen, wenn bei Patienten mit Beschwerden nach dem Keim gesucht wird (Wundabstrich, Blutkultur usw.). Es gibt mehrere Gründe, weshalb Infektionen nicht gemeldet werden: Zunächst muss der Verdacht auf eine Infektion durch den Arzt gestellt und die Diagnostik veranlasst werden. Eine Infektion wird eher diagnostiziert, wenn die Erkrankung schwer ist. Weitere Gründe für eine Untererfassung können darin liegen, dass keine adäquate Blutkultur- Diagnostik erfolgte oder bedingt durch eine empirisch durchgeführte antibiotische Therapie die kulturelle Isolierung des Erregers nicht gelingt. Eingegangen am 20. Juni 2017 · Bearbeitet am 26. Juni 2017 · Ausgegeben am 30. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4872 20. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4872 Möglich ist auch, dass die Ergebnisse geführter Labornachweise im Krankenhaus nicht weiter gegeben werden. Für die laborgestützte Meldepflicht nach § 7 Infektionsschutzgesetz wird allerdings i.A. davon ausgegangen, dass nachgewiesene Erreger von den Laboren auch an die Gesundheitsämter gemeldet werden. Eine Überschätzung von MRSA-Infektionen muss ebenfalls in Betracht gezogen werden, da bei der Entnahme von Blutkulturen Kontaminationen vorkommen können. Eine andere Frage ist, ob und wie viele "Keimträger" es gibt. Es ist davon auszugehen, dass in Deutschland viele Menschen in die Krankenhäuser kommen, die MRSA auf der Haut haben, also besiedelt sind. Oft ist das bei Personen der Fall, die in den letzten Monaten in einem Krankenhaus oder im Ausland waren bzw. dort medizinisch behandelt wurden. Auch im Zusammenhang mit Tierkontakten kann es zu einer Besiedelung kommen. In den letzten Jahren wurden in vielen Krankenhäusern in Hessen sogenannte Prävalenzstudien durchgeführt, d.h. man hat entweder alle Patientinnen oder Patienten nach Risikogruppen auf MRSA untersucht und analysiert , in welchen Einrichtungen oder Umfeldern besonders häufig Besiedlungen vorkommen (denkbar z.B. bei Übernahme von Patienten aus Altenpflegeheimen). Für den Krankenhausaufenthalt ist es wichtig, dass mit MRSA-besiedelte Patienten möglichst isoliert und saniert werden. Dann ist die Übertragungsgefahr unter den Bedingungen eines Krankenhauses geringer. Bei elektiven Operationen kann diese Untersuchung und ggf. auch die notwendige Sanierung auch ambulant durchgeführt werden. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung das Ergebnis des Kassler Krankenhauses? Im Zusammenhang mit einem Aufnahmescreening kann nur ein universelles Screening, also eine Abstrichuntersuchung aller Patienten bei Krankenhausaufnahme (in den Grenzen der Sensitivität des angewandten mikrobiologischen Verfahrens) alle MRSA besiedelten Patienten detektieren . Neben den aufgeführten Kasseler Zahlen gibt es vergleichbare, veröffentlichte Zahlen weiterer Kliniken. Nach Einschätzung der KRINKO werden bei dem sogenannten risikobasierten Screening 69 % bis 85 % der bei Krankenhausaufnahme MRSA- besiedelten Patienten erkannt (KRINKO, 2014). So wären in einer Studie mit 5.900 Patienten aus 24 Krankenhäusern aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen nur 78 % bis 82 % der Patienten als MRSA-Träger identifiziert worden, wären die Patienten nur entsprechend den Empfehlungen der KRINKO untersucht worden (Epidemiologische Bulletin, 5, 2013). Anzumerken ist allerdings, dass MRSA-besiedelte Patienten nicht krank sein müssen, sie können jedoch unter den Behandlungsbedingungen eines Krankenhauses (z.B. Verwendung von Fremdmaterial) leichter an einer MRSA-Infektion erkranken oder den Keim auf andere geschwächte Patienten übertragen, die dann erkranken. Ein risikobasiertes Vorgehen (also eine Beschränkung der Untersuchung auf Patienten mit definierten Risikofaktoren) reduziert den Diagnostik- und Versorgungsaufwand in einem Krankenhaus und ist kostengünstiger als ein Screening aller Personen. Fraglich ist, ob ein allgemeines Screening bessere Ergebnisse in Bezug auf die Infektionshäufigkeit bringt. Das wäre zu erwarten , wenn aus der Diagnose auch Konsequenzen gezogen werden - d.h. bessere Hygiene oder Isolierung aller Patienten bis zum Vorliegen des Screening Ergebnisses. Die Frage ist aber, mit welchem Vorgehen (z.B. universelles oder risikobasiertes Screening, präemptive Isolierung bis zum Vorliegen eines Screening-Ergebnisses oder z.B. gleich antiseptische Waschungen aller Patienten) die MRSA-Infektionszahlen am kosteneffektivsten reduziert werden können. Eine Grundvoraussetzung ist, dass qualifiziertes Personal ausreichend Zeit hat, die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen auch umzusetzen. Theoretisch sollte es seltener zu Übertragungen kommen, wenn alle MRSA-Träger im Krankenhaus konsequent erkannt und isoliert werden. Damit wird die Übertragungswahrscheinlichkeit niedriger und damit könnte letztlich auch die Zahl der Infektionen mit MRSA sinken. Der dafür notwendige Aufwand bei der höher einzuschätzenden Prävalenz in Deutschland ist jedoch hoch (Einzelzimmer, Hygienemaßnahmen bei allen Patienten). Frage 4. Gibt es weitere Krankenhäuser in Hessen, die über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinaus Tests bei allen Patientinnen und Patienten auf MRSA durchführen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Daten zur Umsetzung des MRE-Screenings werden im Meldesystem nicht erfasst (nicht meldepflichtig ). Allerdings werden die Daten zur Vorgehensweisen bei MRE-Screenings in allen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4872 3 MRE-Netzwerken erhoben. In den überregional strukturierten Netzwerken sind unter Leitung der Gesundheitsämter fast alle Kliniken in Hessen organisiert. Qualitätssiegel erhalten nur Krankenhäuser, die mindestens das von der KRINKO empfohlene risikobasierte Screening durchführen. Frage 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Krankenhäuser zu unterstützen, um bei Aufnahme von allen Patientinnen und Patienten MRSA-Tests durchzuführen? Derzeit ist die Frage nach dem Kosten-Nutzen-Verhältnis einer "universellen" Empfehlung nicht geklärt. Laut Aussagen der KRINKO ist unklar, ob universelle Ansätze per se eine bessere infektionspräventive Effektivität haben, da es eine regional sehr unterschiedliche Inzidenz von MRSA-Infektionen gibt und auch das Patientenklientel in den verschiedenen Krankenhäusern und Krankenhausabteilungen höchst unterschiedlich ist. Frage 6. Wie hoch sind die Mehrkosten pro Patientin/Patient für den Test auf MRSA? Screening auf MRSA Beim MRSA-Screening werden in der Regel 2 bis 3 Abstriche genommen: Nasenvorhöfe und Rachen und ggf. von Wunden oder Hautveränderungen oder an der Einstichstelle (Haut) von Sonden z.B. PEG (Magensonde). Die Untersuchungskosten können je nach gewährtem Rabatt stark variieren. Die unten aufgelisteten Preise beziehen sich auf den Einfachsatz GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte, angewendet für privatärztliche Leistungen). Mikrobiogische Verfahren Kulturelle Anzucht: Der Abstrich wird auf einem Spezialnährmedium ausgestrichen und mindestens 24 Stunden im Inkubator bei 37° C bebrütet. Das ist das gängige Routineverfahren. Vorteile: Bei dem kostengünstigen Verfahren sind Erreger für epidemiologische Untersuchungen vorhanden. Nachteil: Es dauert 1 bis 2 Tage, bis ein endgültiges Ergebnis vorliegt. Bei Vorliegen eines negativen Ergebnisses (MRSA nicht nachgewiesen) belaufen sich die Kosten auf 3,00 € bis 15,00 € pro Abstrich. Ist das Ergebnis positiv (MRSA nachgewiesen), erfolgt eine Bestätigung durch Keimdifferenzierung und Antibiogramm. Die Kosten bei einem Nachweis von MRSA betragen insgesamt 35,00 € bis 75,00 € pro Abstrich . PCR-basierte Schnelltests: Testprinzip: molekularbiologischer Nachweis von bestimmten Genen. (Mec A Gen und Markergen von S. aureus sowie Markergenen von koagulasenegativen Staphylokokken) Vorteil: Das Ergebnis liegt innerhalb von 2 bis 3 Stunden vor. Nachteil: Die Kosten betragen circa 99,00 € pro Abstrich. Bei positivem Nachweis ist die Bestätigung durch ein kulturelles Verfahren erforderlich. Die Kosten für die Isolierung und weitere Hygienemaßnahmen sind nicht beziffert. Wiesbaden, 12. Juni 2017 Stefan Grüttner