Kleine Anfrage des Abg. Rock (FDP) vom 09.05.2017 betreffend ärztliche Honorare in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung des Fragestellers: Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen vereinbaren gemäß § 87a Absatz 2 SGB V jedes Jahr einen Punktwert, der zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen im Folgejahr anzuwenden ist. Dabei können Zuschläge oder Abschläge zum bundesweiten Orientierungswert vereinbart werden, um regionale Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur zu berücksichtigen. Die Vertragsparteien vereinbaren zudem gemäß § 87a Absatz 3 SGB V eine von den Krankenkassen an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zu zahlende morbiditätsbedingte Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung auf der Grundlage eines vereinbarten Behandlungsbedarfs. Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarte Gesamtvergütung gemäß § 87b Absatz 1 SGB V getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Die Systematik der Vergütung und die unterschiedlichen regionalen Vereinbarungen haben dazu geführt, dass ärztliche Vergütungen in Hessen unter denen anderer Bundesländer liegen. Auffällig ist hier insbesondere, dass die Honorare bei gleicher Morbidität der Versicherten auseinanderfallen. So liegt nach dem neuesten Honorarbericht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Stand Januar 2017) der Honorarumsatz je Behandlungsfall im I. Quartal 2015 für alle Vertragsärztinnen/-ärzte und Psychotherapeutinnen /Psychotherapeuten im Bezirk der KV Hessen nur bei 60,64 €, während der Bundesdurchschnitt bei 62,38 € liegt. Insbesondere in direkt an Hessen angrenzenden Regionen liegen die entsprechenden Werte im gleichen Zeitraum beispielsweise bei 64,13 € (Bayern), 61,59 € (Rheinland-Pfalz), 63,71 € (Niedersachsen) und 67,07 € in Baden-Württemberg. Ähnliche Differenzen sind bei einer Trennung nach Haus- und Fachärzten festzustellen. Auch die für die Verhandlungen über die in § 87a Abs. 4a SGB V einmalig für das Jahr 2017 vorgesehene "Konvergenzregelung" (Angleichung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung maximal an den Bundesdurchschnitt ) maßgeblichen Berechnungen des Instituts des Bewertungsausschusses (InBA) kommen zu einem vergleichbaren Ergebnis. Danach liegt die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten im Bereich der KV Hessen nur bei 329,56 € und damit um 4,2 % unter dem Bundesdurchschnitt (344,10 €). Demgegenüber sind die vergleichbaren Werte in den "Nachbar-KVen" bei 361,55 € (Bayern), 345,59 € (Rheinland- Pfalz), 351,55 € (Niedersachsen) und 335,71 € (Baden-Württemberg) angesiedelt. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Der Gesetzgeber hat bewusst sowohl auf der Bundesebene (Festsetzung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs nach § 87 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – SGB – V) als auch auf der Landesebene (Vereinbarung des regionalen Punktwertes nach § 87a Abs. 2 SGB V, Verteilung der Gesamtvergütung nach § 87b Abs. 1 SGB V) den Selbstverwaltungen der gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen die Aufgabe übertragen, die ärztlichen Leistungen zu bewerten, ihr Verhältnis zueinander zu definieren sowie die Vergütungen für diese unterschiedlich gewichteten Leistungen unter Beachtung regionaler Besonderheiten zu vereinbaren. Dies deshalb, weil die Vertragspartner selbst viel besser in der Lage sind, sowohl die strukturellen auch die medizinischen Gegebenheiten zu beurteilen, hieran die medizinischen Leistungen auszurichten und die Vergütung für diese Leistungen zu vereinbaren. Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde den regionalen Gesamtvertragspartnern der Selbstverwaltung für die Honorarverhandlungen 2017 ein einmalig angelegter Verhandlungsgegenstand vorgegeben. So ist mit Wirkung ab 01.01.2017 über eine einmalige basiswirksame Erhöhung des nach § 87a Abs. 4 Satz 1 SGB V für das Jahr 2016 angepassten Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf zu verhandeln, sofern die für das Jahr 2014 durchschnittliche unbereinigte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) je Versicherten des KV-Bezirks die durchschnittliche MGV aller KVen im Bundesgebiet unterschreitet (Konvergenz, § 87a Abs. 4a SGB V). Eingegangen am 23. Juni 2017 · Bearbeitet am 28. Juni 2017 · Ausgegeben am 30. Juni 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4884 23. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4884 Nach den Berechnungen des InBA liegen die MGV-Werte je Versicherten in sieben KV- Bezirken unterhalb des Bundeswertes. Dies betrifft u.a. den Wert im KV-Bezirk Hessen. Eine einmalige basiswirksame Erhöhung des Aufsatzwertes ist allerdings nur dann zu vereinbaren , wenn in den Verhandlungen festgestellt wird, dass der Aufsatzwert im Jahr 2014 unbegründet zu niedrig war. Ob und in welchem Umfang der Aufsatzwert unbegründet zu niedrig war, ist gemäß § 87a Ab. 4a Satz 5 SGB V von der jeweiligen KV auch unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des stationären Sektors nachzuweisen. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung die unterdurchschnittlichen Vergütungen je Behandlungsfall für niedergelassene Ärzte in Hessen? Frage 2. Wie bewertet die Landesregierung die unterdurchschnittliche morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versicherten in Hessen? Die Fragen 1 und 2 werden wie folgt gemeinsam beantwortet. Die von den Krankenkassen in Hessen an die KV Hessen gezahlte Gesamtvergütung für die niedergelassenen Ärzte setzt sich aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und der extrabudgetären Gesamtvergütung (EGV) zusammen. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass die MGV im Gegensatz zur EGV ein gedeckeltes Budget hat. Somit kommt es im Rahmen der ärztlichen Vergütungen (bundesweit) zu Quotierungen. Die EGV-Leistungen hingegen werden unquotiert, das heißt in voller Höhe an die Ärzte ausgezahlt, da diese nicht gedeckelt sind. Laut Auskunft der Verbände der Krankenkasse in Hessen gebe es in Hessen die Besonderheit , dass im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich mehr Leistungen in der EGV vergütet würden. Dies führe denklogisch dazu, dass die MGV in Hessen im Bundesvergleich geringer sein müsse. Weiterhin sei die offensichtlich unterdurchschnittliche MGV aber auch durch die gute Morbiditätsstruktur der hessischen Versicherten zu erklären. Nach den Auswertungen der Verbände der Krankenkassen in Hessen und der Ersatzkassen seien die hessischen Versicherten im Schnitt jünger als der bundesdurchschnittlich Versicherte. Daraus folge, dass auch weniger Behandlungsfälle in der ärztlichen Versorgung generiert würden. Demzufolge sei es folgerichtig, dass die MGV auch nicht dem Bundesdurchschnitt entspreche. Den gesetzlich geforderten Nachweis, dass der Aufsatzwert unbegründet zu niedrig war, habe die KV Hessen in den aktuellen Vertragsverhandlungen bisher noch nicht erbracht, so dass die Verbände der Krankenkassen in Hessen davon ausgehen, dass die durchschnittliche MGV in Hessen begründet unter dem Bundesdurchschnitt liege und es insoweit keine Notwendigkeit für eine Konvergenzzahlung gebe. Dagegen führt die KV Hessen aus, das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung habe errechnet, dass die stationäre Inanspruchnahme im Bundesvergleich um 2 % unter dem Bundesdurchschnitt liege. Dies bedeute, dass zusätzliche Finanzmittel für vertragsärztliche Leistungen bereitgestellt werden müssten, da diese Leistungen im erwarteten Umfang im stationären Sektor nicht erbracht würden. Darüber hinaus könne ein Nachweis insbesondere unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme des stationären Sektors durch die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht geführt werden, da die Krankenkassen die Hoheit über die ausschlaggebenden Daten für das im Gesetzestext (§ 87a Abs. 4a Satz 5 SGB V) ausdrücklich hervorgehobene Kriterium "Berücksichtigung der Inanspruchnahme des stationären Sektors" haben und diese nicht offenlegten. Der Landesregierung ist eine Bewertung nicht möglich, da sie weder an den Vertragsverhandlungen oder -umsetzungen beteiligt ist noch entsprechende Daten oder Informationen vorliegen. Frage 3. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen dieser Vergütungsstruktur auf die Bereitschaft zur Niederlassung insbesondere in ländlichen Regionen an der Grenze zu anderen Bundesländern mit höheren Vergütungen? Die Bedarfsplanung ist die Aufgabe der KV Hessen im Einvernehmen mit den Krankenkassen in Hessen, wobei die Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu beachten ist. Nach Auffassung der Landesregierung lassen sich niederlassungswillige Vertragsärztinnen und -ärzte nicht allein von finanziellen Interessen leiten. So sind die Gründe für eine Tätigkeit als Vertragsärztin und Vertragsarzt sehr vielfältig, die Vergütung ist hierbei nur ein Grund von vielen anderen, neben z.B. freiberuflicher Tätigkeit mit eigener Organisationskompetenz (worklife -balance). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4884 3 Frage 4. Wie wirkt die Landesregierung auf die Vertragsparteien und insbesondere auf die der Landesaufsicht unterliegenden Krankenkassen ein, um eine Umsetzung nach § 87a Abs. 4a SGB V zur Angleichung der Vergütungen in Hessen an den Bundesdurchschnitt zu erreichen? Die Landesregierung hat keine rechtliche Handhabe, die Verhandlungen zu beeinflussen. Letztlich müssen sich die Vertragspartner auch in der Frage einigen, wie der Nachweis, dass der Aufsatzwert unbegründet zu niedrig war, von der KV Hessen geführt werden kann, und welche weiteren Kriterien neben der Inanspruchnahme des stationären Sektors ggf. zusätzlich zu berücksichtigen sind. Vor dem Hintergrund der sehr weit auseinander liegenden Positionen von KV Hessen und den Verbänden der Krankenkassen in Hessen sowie der in den Fragen 1 und 2 dargelegten Problematik zur Ermittlung einer Über- bzw. Unterschreitung des Bundesdurchschnitts werden die Vertragspartner aufgefordert, sich bezüglich des vom Bundesgesetzgeber geforderten Nachweises auf ein konsensuales Vorgehen zu verständigen und die Landesregierung hierüber entsprechend zu informieren. Frage 5. Welche Initiativen ergreift die Landesregierung, um zum Beispiel über eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen im SGB V eine Konvergenz der Vergütungen in Hessen an den Bundesdurchschnitt zu erreichen? Die Hessische Landesregierung sieht keine Notwendigkeit für über § 87 a Abs. 4 SGB V hinausgehende entsprechende Initiativen. Wiesbaden, 19. Juni 2017 Stefan Grüttner