Kleine Anfrage der Abg. Martina Feldmayer und Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 10.05.2017 betreffend Länderermächtigungen im Rahmen der novellierten Düngeverordnung und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Der Bundestag hat am 31. März 2017 der Novelle der Düngeverordnung zugestimmt. Das so genannte Düngepaket (Novellierung des Düngegesetzes und Novellierung der Düngeverordnung) gibt damit strengere Regeln in der Düngepraxis der Landwirtschaft vor. Die Länder können durch eigene Ermächtigungen Verschärfungen für bestimmte Gebiete veranlassen. Vorbemerkung der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz : Das Erste Gesetz zur Änderung des Düngegesetzes und anderer Vorschriften vom 5. Mai 2017 trat am 16. Mai 2017 in Kraft. Dies war Voraussetzung, dass auch, nachdem der Bundesrat am 31. März 2017 der Novelle der Düngeverordnung zugestimmt hatte, diese verkündet werden konnte. Somit trat die Verordnung zur Neuordnung der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung) vom 26. Mai 2017 am 2. Juni 2017, einen Tag nach ihrer Verkündung, in Kraft. Das Düngegesetz enthält nicht nur die Ermächtigung zum Erlass der Düngeverordnung, sondern u.a. auch die Vorgabe, dass ab dem 1. Januar 2023 die Zufuhr von Nährstoffen in den Betrieb und die Abgabe von Nährstoffen aus dem Betrieb in Betrieben mit mehr als 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche oder mehr als 50 Großvieheinheiten je Betrieb in einer Stoffstrombilanz zu erfassen und zu bewerten sind. Diese Verpflichtung soll für Betriebe mit mehr als 50 Großvieheinheiten je Betrieb oder mit mehr als 30 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche bei einer Tierbesatzdichte von mehr als 2,5 Großvieheinheiten je Hektar bereits ab dem 1. Januar 2018 gelten. Die Verpflichtungen müssen auch von Betrieben beachtet werden, die die dort festgesetzten Schwellenwerte unterschreiten, wenn dem Betrieb im jeweiligen Wirtschaftsjahr Wirtschaftsdünger aus anderen Betrieben zugeführt wird. Das für Landwirtschaft zuständige Bundesministerium erlässt hierzu im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur näheren Bestimmung der Anforderungen an die gute fachliche Praxis beim Umgang mit Nährstoffen Vorschriften über eine verbindliche betriebliche Stoffstrombilanz (Stoffstrombilanzverordnung). Nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung soll der Verordnungsentwurf dem Kabinett am 14. Juni und danach dem Bundesrat für eine Befassung am 7. Juli 2017 vorgelegt werden. Sollte die Verordnung bis zu Beginn des Jahres 2018 nicht vorliegen, müssen die betroffenen Betriebe dennoch eine Stoffstrombilanz erstellen, da dies das Düngegesetz in § 11a Absatz 2 fordert. Hierzu würde das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Handreichung herausgeben, jedoch liegt letztendlich der Vollzug der Regelung in den Händen der zuständigen Landesbehörden . Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Eingegangen am 30. Juni 2017 · Bearbeitet am 4. Juli 2017 · Ausgegeben am 7. Juli 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4886 30. 06. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4886 Frage 1. Welche konkreten Änderungen neben der Stoffstrombilanz kommen hinsichtlich Lagerkapazitäten , Sperrfristen und Mengen bei der Düngemittel- und Festmistausbringung mit den Novellen des Düngegesetzes und der Düngeverordnung auf die landwirtschaftlichen Betriebe in Hessen zu? Lagerkapazitäten: Es gibt bundeseinheitliche Vorgaben für das notwendige Fassungsvermögen von Anlagen zur Lagerung von flüssigen Wirtschaftsdüngern und flüssigen Gärrückständen. Gefordert werden sechs Monate Lagerkapazität für Gülle, Jauche, Silagesickersaft und flüssige Gärreste, wobei ab dem Jahr 2020 die Mindestlagerkapazität neun Monate beträgt, wenn mehr als drei Großvieheinheiten je Hektar gehalten werden oder keine eigenen Aufbringflächen zur Verfügung stehen. Ferner werden ab dem Jahr 2020 für Festmist und Kompost zwei Monate Mindestlagerkapazität an der Betriebsstätte gefordert. Die Zwischenlagerung am Feldrand - sofern zugelassen - wird nicht angerechnet. Der Betrieb muss aber nicht zwingend die Kapazitäten am Betrieb nachweisen, wenn durch eine schriftliche vertragliche Vereinbarung mit einem Dritten sichergestellt ist, dass die das betriebliche Fassungsvermögen übersteigende Menge dieser Stoffe überbetrieblich gelagert oder verwertet wird. Sperrfristen: Die Sperrfristen für das Aufbringen von Düngemitteln mit wesentlichem Gehalt an Stickstoff (Gesamt-Stickstoffgehalt > 1,5 %) wurden deutlich ausgeweitet. So besteht ein Aufbringverbot bei Ackerland ab Ernte der letzten Hauptfrucht bis zum 31. Januar, bei Grünland und Ackerland mit mehrjährigem Futterbau vom 1. November bis 31. Januar und für Festmist von Huf- und Klauentieren, feste Gärrückstände und Komposte vom 15. Dezember bis 15. Januar. Es sind jedoch Ausnahmen möglich. So dürfen bei bestehendem Düngebedarf bis zum 1. Oktober zu Zwischenfrüchten, zu Winterraps und zu Feldfutter bei einer Aussaat bis zum 15. September oder zu Wintergerste nach Getreidevorfrucht bei einer Aussaat bis zum 1. Oktober Düngemittel mit wesentlichem Stickstoffgehalt aufgebracht werden, jedoch insgesamt nicht mehr als 30 kg Ammoniumstickstoff oder 60 kg Gesamtstickstoff je Hektar. Ferner besteht das Verbot bis zum 1. Dezember nicht beim Anbau von Gemüse-, Erdbeer- und Beerenobstkulturen . Ausgenommen vom Aufbringungsverbot sind Festmiste von Huf- und Klauentieren sowie Komposte . Ausbringmengen: Nach den düngerechtlichen Vorschriften richtet sich die Düngemittelmenge primär nach dem durch die Düngebedarfsermittlung festgestellten Düngebedarf. Hierzu stellt die Verordnung ein Berechnungssystem zur Verfügung, das auf bundesweit abgestimmten Sollwerten zu den bestimmten Kulturen basiert. Durch Zu- und Abschläge wird der so zu ermittelnde Düngebedarf an das lokale Ertragspotenzial und die Flächenbewirtschaftung angepasst. In Abhängigkeit des jeweiligen Stickstoffgehalts und insbesondere seiner Verfügbarkeit für die Pflanze in den einzelnen Düngemitteln werden die Ausbringmengen bestimmt. Einige der in der Düngeverordnung vorgegebenen Obergrenzen für die Ausbringmenge gelten jedoch nicht für Festmist von Huf- und Klauentieren sowie Komposte. So gibt es für diese Stoffgruppe z.B. bei der Aufbringung auf gefrorenem Boden und, wie zuvor erwähnt, bei den Sperrfristen keine Restriktionen. Die Obergrenze von 170 kg Gesamtstickstoff je Hektar und Jahr gilt in direkter Umsetzung der Nitratrichtlinie jedoch für alle Wirtschaftsdünger tierischer und - nach Inkrafttreten der novellierten Düngeverordnung, allerdings abweichend von den Vorgaben der Nitratrichtlinie - auch für solche pflanzlicher Herkunft (z.B. Gärreste) sowie sonstige organische und organischmineralische Düngemittel (z.B. Klärschlamm, Bioabfallkompost). Frage 2. Wie viele Betriebe müssen bereits ab 2018 eine Stoffstrombilanz durchführen? Die Verpflichtung, eine Stoffstrombilanz zu erstellen, soll ab dem 1. Januar 2018 für Betriebe mit mehr als 50 Großvieheinheiten (GV) je Betrieb oder mit mehr als 30 Hektar (ha) landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN) bei einer Tierbesatzdichte von mehr als 2,5 GV/ha gelten. Zum Stichtag 1. März 2016 (letzte Agrarstrukturerhebung des Hessischen Statistischen Landesamts ) gab es in Hessen 119 Betriebe, die bei einem Viehbesatz von mehr als 2,5 GV/ha mehr als 50 GV hielten und 68 Betriebe, die bei gleichem Viehbesatz mehr als 30 ha LN bewirtschafteten . Frage 3. Wie viele Betriebe sind ab dem Jahre 2023 aufgefordert, eine Stoffstrombilanz durchführen? Die Verpflichtung, eine Stoffstrombilanz zu erstellen, soll ab dem 1. Januar 2023 für Betriebe mit mehr als 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche oder mehr als 50 Großvieheinheiten je Betrieb gelten. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4886 3 Zum Stichtag 1. März 2016 (letzte Agrarstrukturerhebung des Hessischen Statistischen Landesamts ) gab es in Hessen 9.078 Betriebe, die mehr als 20 ha LN bewirtschafteten und 2.586 Betriebe, die mehr als 50 GV hielten. Frage 4. Wie unterstützt die Bundesregierung die Landwirte bei der Umsetzung der Vorgaben? Bund und Länder unterstützen landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) mit Förderangeboten zur Anpassung an neue rechtliche Vorgaben. Hinsichtlich der künftig nach Düngerecht zu erfüllenden Standards ist das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) ein geeignetes Instrument , die Neuerrichtung und Nachrüstung baulicher Anlagen zur Lagerung von Wirtschaftsdünger sowie die Modernisierung eingesetzter Ausbringungstechnik voranzutreiben. Der Bund stellt den Ländern zur Umsetzung der GAK für die Förderung besonders umwelt- und klimaschutzorientierter Vorhaben (z.B. Neubau oder Nachrüstung abgedeckter Güllebehälter, Anschaffung besonders emissionsmindernder sowie zur Direkteinarbeitung von Wirtschaftsdünger geeigneter Ausbringungstechnik) in den Jahren 2017-2019 zusätzliche Bundesmittel in Höhe von jährlich rund 60 Mio. € zur Verfügung, die insbesondere im AFP eingesetzt werden können. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des GAK-Rahmenplans können auch in Hessen befristet bis zum 31.12.2019 Investitionen zur Anpassung der ab dem Jahr 2020 im Düngerecht obligatorisch werdenden Standards über das AFP gefördert werden. Frage 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die Betriebe bei der Umstellung der neuen rechtlichen Vorgaben zu unterstützen? Siehe hierzu auch die Antwort auf Frage 4. Eine Notwendigkeit, über die in der Antwort zur Frage 7 genannte Neukonzeptionierung des gewässerschutzorientierten landwirtschaftlichen Beratungsangebots hinaus weitere Unterstützungsmaßnahmen einzurichten, ist zurzeit nicht gegeben. Frage 6. Welche Gebiete in Hessen sind von einer hohen Nitratbelastung und/oder Phosphatbelastung im Grundwasser sowie stehenden oder langsam fließenden oberirdischen Gewässern betroffen? a) Welche Art von Landnutzung findet in den zu Frage 6 betroffenen Regionen vorwiegend statt? b) Welche weiteren Maßnahmen wird die Landesregierung in diesen o.g. Gebieten vorgeben, um die Eutrophierung zu reduzieren? Hohe Nitratbelastungen im Grundwasser treten in vereinzelten Gebieten in Nord- und Mittelhessen , jedoch vor allem im Rheingau, Teilen des Hessischen Rieds, der Hanau-Seligenstädter Senke, dem Vorspessart, der Wetterau und der westlichen Niederhessischen Senke (z.B. Sonderkulturanbau ) auf. Insbesondere die großen Flüsse Main, Lahn, Fulda und Werra sind langsam fließende Gewässer , in denen die Orientierungswerte für Orthophosphat-Phosphor und Gesamt-Phosphor der Oberflächengewässerverordnung (OGewV) überschritten werden. Neben den wenigen stehenden Gewässern in Hessen sind diese daher besonders eutrophierungsgefährdet. Zu Frage 6 a: In den von einer hohen Nitratbelastung des Grundwassers betroffenen Regionen findet vorwiegend eine intensive ackerbauliche Nutzung statt. Nach Modellberechnungen des HLNUG können im landesweiten Mittel ca. 65% der Phosphoreinträge in Oberflächengewässer auf Kläranlagen zurückgeführt werden, während von ca. 15 % Einträgen aus der Abschwemmung von Düngemitteln und der Erosion von Bodenpartikeln von ackerbaulich genutzten Flächen auszugehen ist. Insbesondere in Oberläufen von Gewässern, die in Seen und Talsperren fließen und an denen keine Kläranlageneinleitungen vorhanden sind, stellen die aus diffusen Quellen stammenden Phosphoreinträge die wesentlichen Eintragsquellen für Phosphor in die stehenden Gewässer dar. Da Phosphor im Gewässerverlauf nicht eliminiert wird, sind auch die Einträge im Oberlauf des Gewässersystems relevant für die Konzentrationen im Unterlauf. Ob diese Einträge den in § 13 Abs. 2 Nr. 2 OGewV beschriebenen erheblichen Einträgen entsprechen und nachgewiesen werden können, wird derzeit geprüft. Zu Frage 6 b: Zum jetzigen Zeitpunkt laufen als erster Schritt die Arbeiten zur Ausweisung der gefährdeten Gebiete, vorrangig Nitrat. Eine Aussage, inwieweit Gebiete, die dem jeweils betroffenen Einzugsgebiet oder einem Teil des betroffenen Einzugsgebiets eines langsam fließenden oder stehenden oberirdischen Gewässers entsprechen, in denen eine Eutrophierung durch erhebliche Nährstoffeinträge, insbesondere Phosphat, aus landwirtschaftlichen Quellen nachgewiesen wurde, für Hessen überhaupt detektiert werden können, ist zurzeit noch nicht möglich. Insbesondere der geforderte Nachweis, dass es sich um erhebliche Mengen aus landwirtschaftlichen Quellen handelt, ist schwer zu führen. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4886 Sobald die Gebiete bestimmt sind, wird über die nach § 13 Abs. 2 Düngeverordnung in eine Landesverordnung aufzunehmenden Maßnahmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Wirksamkeit für den Gewässerschutz, zu entscheiden sein. Daneben sieht die Landesregierung vor, die Eutrophierung der Oberflächengewässer durch flächenspezifische Beratungsmaßnahmen zur Vermeidung erosiver Phosphor- und Bodeneinträge zu reduzieren. Landwirte können schon jetzt über das Hessische Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege -Maßnahmen (HALM) spezifische Fördermaßnahmen nutzen. Die Förderung des Anbaus und der Beibehaltung von Zwischenfrüchten über den Winter (C.2) dient dabei sowohl dem Grundwasserschutz vor Eintrag von Nitrat als auch dem Erosionsschutz. Die Anlage von ein- bzw. mehrjährigen Blühstreifen (C.3.1 und C.3.2) bzw. Gewässer-/Erosionsschutzstreifen (C.3.3) dienten gezielt dem Boden- und Gewässerschutz. Im Rahmen der verpflichtenden Greening-Maßnahmen können darüber hinaus Pufferstreifen an Gewässern gelegt werden. Frage 7. Welchen Spielraum sieht die Landesregierung außerdem, um Lösungen im Sinne der Umweltziele im Gewässerschutz als auch vertretbare Maßnahmen für die Betriebe zu finden? Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe wird zurzeit ein Konzept zur Neuausrichtung der gewässerschutzorientierten Beratung durch die Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsverwaltung erarbeitet, das ab 2018 Anwendung finden soll. Die Landesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die positiven Erfahrungen der insgesamt 158 lokalen und 13 regionalen Wasserschutzgebietskooperationen in Hessen zur Umsetzung von Lösungen, die gleichermaßen die Erfüllung von Umweltzielen im Gewässerschutz als auch vertretbare Maßnahmen für die landwirtschaftlichen Betriebe zum Ziel haben. Dort werden seit den 1990er Jahren erfolgreich grundwasserschonende Bewirtschaftungsformen zwischen den (kommunalen) Wasserversorgungsunternehmen und den im Wasserschutzgebiet (WSG) wirtschaftenden Landwirten umgesetzt. Wiesbaden, 20. Juni 2017 Priska Hinz