Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 07.06.07 betreffend Gestaltung des Sportunterrichts und der Bundesjugendspiele und Antwort des Kultusministers Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage 1. Welche zeitlichen Vorgaben bestehen für Schulen zur Gestaltung des Sportunterrichts und insbesondere den in den Sportunterricht eingebetteten Schwimmunterricht? Die zeitliche Ausgestaltung des Sportunterrichts ist in der Verordnung über die Stundentafeln für die Primarstufe und die Sekundarstufe I vom 5. September 2011 (ABl. S. 653), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 27. Oktober 2015 (ABl. S. 582), geregelt. Es gelten folgende Stundentafeln: Grundschule Jahrgangsstufen/Stundenzahl Summe Unterrichtsfächer/ Lernbereiche 1 2 3 4 1 bis 4 Sport 6 6 12 Hauptschule Jahrgangsstufen/Stundenzahl Summe Unterrichtsfächer 5 6 7 8 9 10 5 bis 9 5 bis 10 Sport 9 5 2 14 16 Realschule Jahrgangsstufen/Stundenzahl Summe Unterrichtsfächer 5 6 7 8 9 10 5 bis 10 Sport 9 5 16 Mittelstufenschule Bildungsgang Mittlerer Bildungsgang Unterrichtsfächer 5 6 7 8 9 10 8 9 10 Sport 6 3 5 2 7 Eingegangen am 6. Juli 2017 · Bearbeitet am 7. Juli 2017 · Ausgegeben am 11. Juli 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/4985 06. 07. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4985 Gymnasium und Gymnasialklassen schulformbezogener (kooperativer) Gesamtschulen (Mittelstufe - Jahrgangsstufen 5 bis 9) Jahrgangsstufen/Stundenzahl Summe Unterrichtsfächer 5 6 7 8 9 5 bis 9 Sport 6 8 14 Gymnasium und Gymnasialklassen schulformbezogener (kooperativer) Gesamtschulen (Mittelstufe - Jahrgangsstufen 5 bis 10) Jahrgangsstufen/Stundenzahl Summe Unterrichtsfächer 5 6 7 8 9 10 5 bis 10 Sport 6 6 4 16 In der gymnasialen Oberstufe sind in der Einführungsphase zwei Stunden pro Woche und in der Qualifikationsphase durchgängig zwei Stunden (Grundkurs) bzw. drei Stunden (Grundkurs- Prüfungsfach) bzw. fünf Stunden (Leistungskurs) vorgesehen. In allen Jahrgangsstufen ist der Schwimmunterricht nicht separat ausgewiesen, sondern wird im Rahmen des Sportunterrichts je nach den Festlegungen der Schule erteilt. Grundsätzlich ist das Bewegungsfeld "Bewegen im Wasser" durchgängig (von der Grundschule bis zum Ende der Sekundarstufe II) ein verbindliches Bewegungsfeld des Sportunterrichts. Eine Besonderheit, der je nach Voraussetzung vor Ort Rechnung zu tragen ist, liegt darin, dass nicht an allen Schulstandorten der zuständige Schulträger Schwimmbäder zur Verfügung stellen kann. Frage 2. Werden an einzelnen hessischen Schulen bereits Zeitmodelle im Sportunterricht umgesetzt, die sich anders darstellen als ein "2+1" Modell? Frage 3. Ist eine epochale Bündelung von Sport- und Schwimmunterricht in Hessen möglich, um beispielsweise regelmäßig einen kompletten Sporttag zu gestalten? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2 und 3 gemeinsam beantwortet: Ja, es gibt Schulen, die in einer Woche (= A-Woche) zwei Stunden Sport und in der folgenden (= B-Woche) vier Stunden Sport erteilen. Dies ergibt über das Schuljahr gesehen die vorgesehenen drei Stunden Sport. Eine solche Organisationsstruktur ermöglicht es den Schulen, die vorhandenen Sportstätten problemlos auszulasten. Wird die Halle in der A-Woche von der Klasse 5a genutzt, so steht sie in der B-Woche der 5b zur Verfügung. In den jeweils zwei freien Stunden kann für die entsprechende Klasse dann anderer Fachunterricht im Stundenplan verankert werden. Somit hat jede Klasse, die nach dem A- + B-Wochenmodell unterrichtet wird, zwei Stundenpläne, nämlich einen für die A-Woche und einen für die B-Woche. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Teile des Sportunterrichts zu epochalisieren, insbesondere dann, wenn Spezialsportstätten benötigt werden oder der zeitliche Aufwand, um zur Sportstätte zu gelangen (z.B. für die Sportart Rudern), sehr hoch ist. Grundsätzlich muss jedoch sichergestellt sein, dass über das gesamte Schuljahr regelmäßig Sportunterricht stattfindet. Frage 4. Wie bewertet die Landesregierung die Durchführung von einstündigem Sportunterricht (45 Minuten ) und zweistündigem Schwimmunterricht (90 Minuten) im Hinblick auf die zu veranschlagende Zeit für das Umziehen und die Körperreinigung, sofern es in den jeweiligen Stunden zu körperlichen Aktivitäten kommt? Es spricht grundsätzlich nichts gegen eine solche Aufteilung. Die konkrete Entscheidung muss und kann die jeweilige Schule treffen, da solche Entscheidungen immer abhängig von den gegebenen Rahmenbedingungen vor Ort sind und mit den Vorgaben des Schulträgers (z.B. Möglichkeiten der Schwimmbadnutzung) abgestimmt werden müssen. Frage 5. Welche rechtlichen Grundlagen, Verpflichtungen und Ziele bestehen für die Durchführung von Bundesjugendspielen? Die Durchführung der Bundesjugendspiele ist in allen Schulen bis zur 10. Klasse (einschließlich ) verpflichtend. Die Verpflichtung ergibt sich aus dem jährlich festgelegten Erlass zu schulsportlichen Wettbewerben (zuletzt: Schulsportliche Wettbewerbe für das Schuljahr 2016/2017 vom 4. August 2016). Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4985 3 Die erbrachten Leistungen können für den Erwerb des Sportabzeichens angerechnet werden. Die Schulen erstellen mittels entsprechender Excel-Tabellen im Auswertungsprogramm der CD- ROM eine Ergebnisübersicht und versenden diese spätestens vier Wochen nach Abschluss der Bundesjugendspiele an die Staatlichen Schulämter, welche die Gesamtstatistik für ihren Schulamtsbezirk bis zum 31.10.2017 dem Hessischen Kultusministerium zuleiten. Die Bundesjugendspiele lösen den Anspruch ein, Bestandteil einer modernen Sportpraxis zu sein. Es handelt sich um ein abgestimmtes Konzept zwischen den Angeboten der beteiligten Sportarten. Die Inhalte der Bundesjugendspiele orientieren sich an den Grundformen der Bewegung und berücksichtigen dabei die Prinzipien der Vielseitigkeit und der Wahlmöglichkeit. Die Bundesjugendspiele werden als Individualwettbewerb in den drei Grundsportarten ausgeschrieben: Geräteturnen, Leichtathletik, Schwimmen. Die Bundesjugendspiele sind in drei Angebotsformen gegliedert: 1. Wettkampf: Sportartspezifischer Mehrkampf der jeweiligen Grundsportart, (Leichtathletik und Schwimmen erst ab Jahrgangsstufe 3) 2. Wettbewerb: Vielseitigkeitswettbewerb der jeweiligen Grundsportart, 3. Mehrkampf: Sportartübergreifender Mehrkampf der drei Grundsportarten. Das Konzept enthält eine Wahlmöglichkeit sowohl zwischen den drei Sportarten als auch zwischen den Angebotsformen Wettkampf, Wettbewerb und Mehrkampf. Idealerweise sollten - soweit die Rahmenbedingungen dies erlauben - alle drei Angebotsformen der Bundesjugendspiele durchgeführt werden, um auf die Interessen und Leistungsstärken der Kinder und Jugendlichen eingehen zu können. Die Ausübung der verschiedenen Angebotsformen soll sich nicht allein auf die Durchführung des Sportfestes beschränken, sondern im Sportunterricht allgemein ihren Niederschlag finden. Der Deutsche Behindertensportverband und die Deutsche Behinderten-Sportjugend haben gemeinsam ein Programm entwickelt, das die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung an den Bundesjugendspielen ermöglichen soll. Dieses gibt den Lehrerinnen und Lehrern ein Regelwerk in die Hand, mit dem die Leistungen von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung vergleichbar zu denen ohne Behinderung werden . Somit kann eine analoge Beurteilung bei den Bundesjugendspielen erfolgen. Frage 6. Welche Möglichkeiten bestehen für die Landesregierung auf die Umsetzung der Bundesjugendspiele in Hessen Einfluss zu nehmen und diese neu zu konzipieren? Bei den Bundesjugendspielen handelt es sich um eine bundesweite Vereinbarung zwischen Kultusministerkonferenz (KMK) und Deutschem Olympischem Sportbund (DOSB). In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 30.06.2015 stellen das Bundesministerium für Familie, die KMK und der DOSB heraus, dass die Bundesjugendspiele das Ziel haben, "in der Kombination von Sport, Spiel und Spaß allen jungen Menschen eine positive Gemeinschaftserfahrung zu ermöglichen . Als Teil des Schulsports bereichern sie die Schulkultur - viele Schulen gestalten mit den Spielen Sport- und Schulfeste. Die Bundesjugendspiele sind eine in dieser Form besondere Gelegenheit, allen jungen Menschen über den Sport positive Werte zu vermitteln. Sie sind für Schülerinnen und Schüler eine Chance, durch gemeinsames Erleben und Wettbewerbsstreben die verbindende Kraft von Fair Play, Engagement und Gemeinschaftsgeist zu erfahren. Die Erfahrung der eigenen Leistung, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ebenso wie die Selbsteinschätzung der eigenen Möglichkeiten - all dies sind wichtige Lernschritte auf dem Weg zu einer erwachsenen Persönlichkeit. Die Bundesjugendspiele sollen in erster Linie Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche sein. Wir wollen daher die Diskussion auch dazu nutzen, die Meinung der Kinder und Jugendlichen einzubeziehen und mit ihnen über Gestaltungsideen zu sprechen." Vor diesem Hintergrund kann das Land Hessen auf Bundesebene Gestaltungsideen einbringen und auf Landesebene Organisation und Inhalt gegenüber den Schulen thematisieren. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4985 Frage 7. Ist die Berücksichtigung der im Rahmen der Bundesjugendspiele zu erbringenden Leistung für die Sportnote einheitlich geregelt? Die Berücksichtigung der im Rahmen der Bundesjugendspiele erbrachten Leistungen für die Sportnote ist nicht einheitlich geregelt. Frage 8. Betrachtet die Landesregierung die strikten geschlechterspezifischen Bewertungsgrundlagen im Sportunterricht als zeitgemäß und sinnvoll? Vermutlich bezieht sich die Frage auf die Auswertungstabellen für Jungen und Mädchen bei der Wettkampfform der Bundesjugendspiele. Diese Tabellen sind in Kooperation mit den eingebundenen Sportfachverbänden vor dem Hintergrund bestehender sportartspezifischer Bewertungen vorgenommen worden und spiegeln die erbrachten Leistungen angemessen wider. Geschlechterspezifische Bewertungen sind kein durchgängiges Prinzip im Sportunterricht. Frage 9. Besteht die Möglichkeit, die individuelle Bezugsnorm zur Leistungsbewertung im Rahmen der Bundesjugendspiele sowie im Sportunterricht generell anzuwenden? Bei den Bundesjugendspielen bietet die Durchführungsform "Wettbewerb" eher individuelle Bezugsnormen . In großen Teilen des Sportunterrichts werden folgende Bewertungsprinzipien umgesetzt : Die Lernerfolgsüberprüfung im Fach Sport bezieht sich auf die sportbezogenen Leistungen und Kenntnisse, welche die Schülerinnen und Schüler im Sportunterricht erworben haben. Die Leistungsbewertung im Sportunterricht orientiert sich an den vielfältigen Zielsetzungen des Sportunterrichts. Sie soll zum einen besonders über den im Unterricht erreichten Könnensstand und Lernfortschritt informieren. Dabei orientiert sich die Beurteilung an der Vielfalt der Leistungsdimensionen im Sport. Zum anderen sind aber auch der Grad der individuellen Anstrengung und der Bereitschaft, die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu erweitern, beurteilungsrelevant. Als Orientierungsgrundlage für altersspezifische Leistungsanforderungen können Leistungstabellen z.B. für die Bundesjugendspiele, das Sportabzeichen oder die Anforderungen des Jugendschwimmabzeichens dienen. Diese allein können aber nicht als Beurteilungskriterien gelten, denn es ist zu berücksichtigen, dass sportliches Können auch von den individuellen körperlichen Voraussetzungen abhängig ist. Bei der Leistungsbeurteilung sind die komplexen Anforderungen innerhalb der einzelnen Bewegungsfelder angemessen zu berücksichtigen. Beurteilungsrelevant sind einerseits die im Unterrichtsprozess kontinuierlich erbrachten Leistungen . Hierzu gehören insbesondere: Bewegungskönnen (z.B. Beherrschung der Technik, Taktik und der Regeln in den einzelnen Inhaltsbereichen unter Einbeziehung des individuellen Lernfortschritts), koordinative, konditionelle, gestalterische Fähigkeiten, Selbst- und Mitverantwortung, Anstrengungsbereitschaft, Aushalten von Frustrationen, Selbstständigkeit, Mitverantwortung, Beiträge zur gemeinsamen Planung und Gestaltung von Lern-, Übungs-, Spiel- und Wettkampfsituationen, Fairness, Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit, sich auf die Unterrichtssituation einzulassen , Strukturierte Wiedergabe von Kenntnissen, Erfahrungen und Einsichten, Reflektierte Erläuterung von Sachzusammenhängen in sachgerechter und kritischer Weise. Andererseits können aus punktuellen Leistungsüberprüfungen Beurteilungen des motorischen Handelns resultieren. Überprüft und bewertet werden: quantitativ messbare Leistungen (z.B. im c-g-s - System), qualitativ messbare Leistungen des Bewegungskönnens bezogen auf die im Unterricht behandelten Themen. Hierbei können als Kriterien zugrunde gelegt werden: konditionelle und koordinative Fähigkeitsentwicklung, Funktionalität und Präzision der Bewegungsausführung, Vielfalt und Varianz der gezeigten motorischen Lösungen, Schwierigkeitsgrad, situative Angemessenheit, ästhetisch-gestalterischer Ausdruck. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/4985 5 Als Überprüfungsform eignen sich in diesem Bereich besonders Demonstrationen, Wettkämpfe, Tests etc. In jedem Schulhalbjahr sollten mindestens zwei punktuelle Leistungsüberprüfungen über verschiedene Unterrichtsvorhaben stattfinden. Die im Zusammenhang mit dem Unterricht erbrachten Leistungen und die punktuellen Leistungsüberprüfungen sind im sportlichen Handeln eng miteinander verknüpft und bedingen sich in vielfältiger Weise. Erstere sollten dennoch mindestens die Hälfte der Note ausmachen. Eine alleinige Ausrichtung der Leistungsbeurteilung an messbaren Ergebnissen ist nicht statthaft, eine schematisch-rechnerische Ermittlung der Note nicht zulässig. Gesundheitliche Beeinträchtigungen (z.B. Allergien) sind bei der Sportausübung und der Notengebung zu berücksichtigen. Genauere Festlegungen erfolgen durch die Fachkonferenz Sport. Sie stellt einheitliche Anforderungen bei der Notengebung innerhalb einer Schule sicher und überwacht deren Einhaltung. Wiesbaden, 28. Juni 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz