Kleine Anfrage der Abg. Warnecke und Franz (SPD) vom 05.07.2017 betreffend Evaluierung der Schließung des Arbeitsgerichtsstandortes Bad Hersfeld und Antwort der Ministerin der Justiz Vorbemerkung der Fragesteller: Nach der Schließung des Arbeitsgerichts in Bad Hersfeld zum 1. Januar 2012 sowie der Ablehnung einer Außenstelle des Arbeitsgerichts Fulda in Bad Hersfeld, wie auch der Ablehnung von Arbeitsgerichtstagen am Gerichtsstandort Bad Hersfeld erscheint eine Evaluierung notwendig. Vorbemerkung der Ministerin der Justiz: In Anbetracht der früheren kleinteiligen Struktur der Arbeitsgerichtsbarkeit (fünf Standorte mit weniger als 3,5 Richterstellen) hatte der Hessische Rechnungshof bereits im Jahr 2005 angeregt, die Struktur der Arbeitsgerichte zu überdenken. Diesbezüglich sprach er die Empfehlung aus, größere Arbeitsgerichte durch die Angliederung von kleineren Arbeitsgerichten zu stärken und die Anzahl der Arbeitsgerichte von zwölf auf sieben zu reduzieren. Nach Auffassung des Rechnungshofes wäre durch die Verlegung dieser Standorte weiterhin eine angemessene flächendeckende Versorgung der Rechtsuchenden gewährleistet. Eine interne Arbeitsgruppe des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts sowie des Bezirksrichterrates und des Bezirkspersonalrates bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht hatte sich dieser Auffassung angeschlossen und einen konkreten Konzentrationsvorschlag erarbeitet. Es wurde in der Folge am 11. Juni 2010 mit dem Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa ein Kontrakt geschlossen, der die Reduzierung um fünf Arbeitsgerichte vorsah (vgl. bereits die Vorbemerkungen der Ministerin der Justiz zur Kleinen Anfrage Drucks. 19/496). Das Arbeitsgericht Bad Hersfeld zählte zu den kleineren Standorten, die gemäß der genannten Mitteilung des Hessischen Rechnungshofes aufgrund ihrer Größe als nicht effizient bewertet und in der Folge geschlossen wurden. Die durch die Schließung des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld im Jahr 2012 freigewordenen Räumlichkeiten im Amtsgericht Bad Hersfeld konnten für die Verstärkung des Amtsgerichts durch Aufnahme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des geschlossenen Amtsgerichts Rotenburg an der Fulda genutzt werden. Durch die hohen Arbeitsplatz- und Gebäudekosten konnten bei Aufgabe der Liegenschaft in Rotenburg Einsparungen in Höhe von insgesamt ca. 414.000 € erzielt werden. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie haben sich die Zahlen der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen an den Standorten Kassel und Fulda, vor und nach der Schließung des Arbeitsgerichtsstandortes Bad Hersfeld entwickelt ? - Bitte aufschlüsseln nach einzelnen Standorten und Entwicklung von 2010 bis 2016 - Das Arbeitsgericht Fulda hat sowohl einen Teil der Verfahren des aufgelösten Arbeitsgerichts Bad Hersfeld als auch einen Teil der Verfahren des aufgelösten Arbeitsgerichts Hanau übernommen . Außerdem hat das Arbeitsgericht Kassel einen Teil der Verfahren des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld übernommen. Der jeweilige Anteil der aufgenommenen Verfahren ist nicht bekannt . Die Geschäftsentwicklung der Arbeitsgerichte Fulda und Kassel, aufgegliedert nach Urteils- und Beschlussverfahren für die Geschäftsjahre 2010 bis 2016, ergibt sich aus den nachfolgenden Übersichten: Eingegangen am 24. August 2017 · Bearbeitet am 28. August 2017 · Ausgegeben am 1. September 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5091 24. 08. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5091 1. Urteilsverfahren Siehe Anlage | Tabellen 1. 2. Beschlussverfahren Siehe Anlage | Tabellen 2. Frage 2. Von welchem zusätzlichen Aufwand streitender Parteien (Arbeitnehmer, Arbeitgeber), in Stunden oder Geld, geht die Landesregierung durch längere Fahrtzeiten und längeren Arbeitsausfall aus? a) Gab es durch die Schließung des Arbeitsgerichtsstandortes Bad Hersfeld eine signifikante Veränderung der Anzahl an Urteilen und/oder Vergleichen an den Arbeitsgerichtsstandorten Kassel und Fulda? Wenn ja, wie stellt sich diese dar? Die erbetenen Informationen liegen nicht vor und können weder aus den Fachverfahren noch aus SAP-Rechnungswesen ausgewertet werden. Zu Frage 2 a: Aus den in der Antwort zu Frage 1. enthaltenen Übersichten ergibt sich die Anzahl der durch streitiges Urteil, durch Vergleich oder durch nicht-streitiges Urteil erledigten Verfahren der Arbeitsgerichte Fulda und Kassel für die Geschäftsjahre 2010 bis 2016. Durch die Aufnahme der arbeitsgerichtlichen Verfahren der Arbeitsgerichte Bad Hersfeld und Hanau ist die Geschäftsbelastung bei dem Arbeitsgericht Fulda insgesamt angestiegen. Bei dem Arbeitsgericht Kassel ist nur ein geringer Anstieg feststellbar. Inwieweit dabei jeweils die Auflösung der Arbeitsgerichte Bad Hersfeld und Hanau eine Rolle spielt, kann aus der Statistik nicht im Einzelnen abgeleitet werden. Insbesondere die Betrachtung des prozentualen Verhältnisses der verschiedenen Erledigungsarten zu den Erledigungen insgesamt lassen keine signifikanten Veränderungen erkennen. Die jeweiligen Veränderungen liegen im normalen Schwankungsbereich. Frage 3. Haben sich die Streitwerte an den umliegenden Arbeitsgerichtsstandorten für Auseinandersetzungen im Bereich des ehemaligen Arbeitsgerichts Bad Hersfeld verändert? Wenn ja, wie? Bitte differenziert benennen. Zu dieser Frage liegen weder statistische Daten noch sonstige Informationen vor. Frage 4. Werden die freigewordenen Räumlichkeiten am Gerichtsstandort Bad Hersfeld hinreichend genutzt ? Wenn ja, wie? Wenn nein: Gibt es Pläne für eine künftige Nutzung? Die durch die Schließung des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld freigewordenen Räumlichkeiten werden vollständig genutzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des geschlossenen Amtsgerichts Rotenburg wurden vom Amtsgericht Bad Hersfeld aufgenommen. Hierzu dienten sowohl der beim Amtsgericht in Bad Hersfeld im Jahr 2009 begonnene Ausbau des Dachgeschosses als auch die Räumlichkeiten des ehemaligen Arbeitsgerichts Bad Hersfeld. Durch die Übernahme der Räumlichkeiten des ehemaligen Arbeitsgerichts Bad Hersfeld konnte man außerdem auf einen weiteren funktionsfähigen Sitzungssaal zurückgreifen, der im Rahmen der Zusammenlegung der beiden Amtsgerichte dringend benötigt wurde. Ein weiterer, dringend notwendiger Sitzungssaal für zivilrechtliche Verhandlungen konnte dadurch gewonnen werden, dass der vom Arbeitsgericht als Direktorenzimmer genutzte Raum in einen entsprechenden Sitzungssaal umfunktioniert wurde. Da diese Räumlichkeit bereits bis 1991 als Sitzungssaal genutzt worden war, konnte dies ohne großen finanziellen und zeitlichen Aufwand realisiert werden . Die Räume des ehemaligen Arbeitsgerichts Bad Hersfeld werden somit vollständig von dem durch die Aufnahme des Amtsgerichts Rotenburg an der Fulda verstärkten Amtsgericht Bad Hersfeld genutzt. Frage 5. Beabsichtigt die Landesregierung, resultierend aus den Erfahrungen, Bad Hersfeld als Standort für arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen künftig wieder zu aktivieren (Außenstelle, Gerichtstage )? Wenn nein, warum nicht? Die in der Vorbemerkung erwähnten organisatorischen und finanziellen Gründe für die damalige Entscheidung, das Arbeitsgericht Bad Hersfeld zu schließen, gelten weiterhin. In seiner damaligen Mitteilung hatte der Hessische Rechnungshof dabei auch an dem - Ende 2004 durch den Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5091 3 Hessischen Landtag beschlossenen - Wegfall von Gerichtstagen in der hessischen Arbeitsgerichtsbarkeit festgehalten und war gleichwohl zu der dargestellten, deutlich über die Abschaffung von Gerichtstagen hinausgehenden Empfehlung gelangt. Ergänzend ließ sich zudem eine schwindende Akzeptanz von Gerichtstagen in der Arbeitsgerichtsbarkeit feststellen. Dies zeigte sich anhand der erheblichen Zahl von Sitzungen der Gerichtstage, die mit Zustimmung der Prozessparteien am Stammgericht verhandelt worden waren. Keineswegs alle Prozessparteien, deren Rechtsstreite einem Gerichtstag zugewiesen waren, hatten und haben ihren Betriebs- oder Wohnsitz am Ort des Gerichtstages, sondern mussten und müssten auch dorthin zur mündlichen Verhandlung anreisen. Ein wesentliches Argument in der Diskussion um die Wiedereinführung von Gerichtstagen in der Arbeitsgerichtsbarkeit ist, dass es gerade in den Arbeitsgerichtsverfahren gilt, einen möglichst effektiven und schnellen Rechtsschutz zu ermöglichen. Hierzu dient insbesondere die zeitnahe Anberaumung eines Gütetermins sowie eines in überschaubarer Zeit liegenden Kammertermins . Bei der üblichen, mindestens wöchentlichen Abhaltung von Güte- und Kammerterminen in den Arbeitsgerichten ist dies weit besser und vor allen Dingen schneller möglich als bei Gerichtstagen mit einem wegen des geringen Geschäftsanfalles in der Regel deutlich längeren Sitzungsturnus. Auch die Arbeitsgerichtsbarkeit - insbesondere das Landesarbeitsgericht - hält derzeit die Einrichtung von auswärtigen Gerichtstagen in Bad Hersfeld nicht für notwendig. Zurzeit wird aber ein Dialog mit dem örtlichen Landrat, Gerichtsvertretern, Vertretern des örtlichen Anwaltsvereins sowie Vertretern der Gewerkschaften und von Verbänden zu diesbezüglich aus der Praxis vorgetragenen Fragen geführt. In diesem Rahmen wird durch die Arbeitsgerichtsbarkeit geprüft, ob Änderungen in der Geschäftsverteilung des Arbeitsgerichtes Fulda, etwa durch eine örtliche Zuweisung im Rahmen der richterlichen Zuständigkeit statt nach Buchstaben, möglich wären und zu einer Verbesserung der organisatorischen Abläufe bei der Anwaltschaft in Bad Hersfeld und der übrigen Verfahrensbeteiligten führen könnten. Eventuelle Änderungen in der Geschäftsverteilung müssten jedoch angesichts der verfassungsrechtlich verbürgten richterlichen Unabhängigkeit vom Präsidium des Gerichtes als unabhängigem Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung vorgenommen werden. Wiesbaden, 16. August 2017 Eva Kühne-Hörmann Anlage Tabellen 2 Beschlussverfahren * Im Geschäftsjahr 2013 sind alle Arbeitsgerichte auf das Geschäftsautomationsprogramm EUREKA-Fach umgestellt worden. Erst ab 2013 konnten die Statistiken deshalb über die Auswertungsprogramme der Statistischen Landesämter zusammengestellt werden. Bis 2012 erfolgte die statistische Auswertung über das Landesarbeitsgericht nach der bis dahin gültigen Statistikauswertungstabelle "AG 1". ArbG Kassel Eingänge 3.490 3.496 3.544 3.525 3.350 3.167 2.950 Erledigungen 3.739 3.402 3.607 3.478 3.385 3.244 2.999 darunter durch streitiges Urteil 313 8% 223 7% 267 7% 252 7% 228 7% 202 6% 216 7% Vergleich 2.248 60% 2.060 61% 2.328 65% 2.360 68% 2.341 69% 2.227 69% 2.076 69% Versäumnis-, Anerkenntnis-, Verzichtsurteil 288 8% 234 7% 201 6% 215 6% 179 5% 159 5% 181 6% Bestände 726 843 807 862 833 763 723 20162010* 2011* 2012* 2013 2014 2015 ArbG Fulda Eingänge 45 37 39 41 51 70 45 Erledigungen 49 34 47 34 47 74 43 darunter durch Beschluss 10 20% 5 15% 7 15% 6 18% 8 17% 9 12% 14 33% Vergleich 13 27% 13 38% 16 34% 13 38% 13 28% 45 61% 16 37% Bestände 4 7 6 13 17 13 15 20162010* 2011* 2012* 2013 2014 2015 ArbG Kassel Eingänge 73 112 69 88 93 115 119 Erledigungen 70 118 74 81 80 122 110 darunter durch Beschluss 15 21% 12 10% 13 18% 12 15% 14 18% 17 14% 17 15% Vergleich 26 37% 48 41% 25 34% 33 41% 31 39% 40 33% 45 41% Bestände 22 16 11 18 31 25 34 2010* 2011* 2012* 2013 2014 2015 2016 ArbG Fulda Eingänge 1.163 1.008 2.090 1.858 1.996 1.729 1.681 Erledigungen 1.187 1.000 2.145 1.763 2.100 1.783 1.682 darunter durch streitiges Urteil 34 3% 27 3% 111 5% 85 5% 127 6% 61 3% 84 5% Vergleich 761 64% 651 65% 1.222 57% 1.210 69% 1.220 58% 1.266 71% 1.150 68% Versäumnis-, Anerkenntnis-, Verzichtsurteil 99 8% 84 8% 100 5% 99 6% 344 16% 112 6% 140 8% Bestände 227 240 401 498 394 342 341 2010* 2011* 2012* 2013 2014 2015 2016 Anlage KA 19/5091 Tabellen 1 Urteilsverfahren