Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 05.07.2017 betreffend Hygiene in gewerblichen Betrieben und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Gewerbliche Betriebe, in denen durch Tätigkeiten am Menschen über Blut, Sekrete und/oder Exkrete Krankheitserreger wie HIV- und Hepatitisviren übertragen werden können, unterliegen den Vorschriften der Hessischen Infektionshygieneverordnung vom 18. März 2003 und sind zur sorgfältigen Beachtung in der jeweiligen Branche verpflichtet. Relevante Tätigkeitsfelder bilden dabei die Ausübung der Haarpflege, der Kosmetik, der Fußpflege und Maniküre, das Tätowieren, das Ohrlochstechen sowie das Einbringen von Schmuck an, in oder unter der Haut oder Schleimhaut (Piercing). Mitarbeitende der kommunalen Gesundheitsämter kontrollieren , ob die Hygieneregeln eingehalten werden. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie wird die Einhaltung der Vorschriften der Hessischen Infektionshygieneverordnung über die in der Vorbemerkung genannten Kontrollen in Hessen sichergestellt (gegliedert nach Branche)? Tattoo- und Piercing Studios Erste Begehungen in der Regel vor Aufnahme der Tätigkeit. Checklistengestützte Begehung . In der Folge weiterhin regelmäßige angemeldete und unangemeldete (anlassbezogene) Begehungen. Kontrollbegehungen nach Beanstandungen. Mit Inbetriebnahme sind innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in einem Hygieneplan festzulegen. Dieser wird durch den zuständigen Gesundheitsaufseher beim Gesundheitsamt geprüft. Kostenpflichtige Inbetriebnahmebegehung zur Überprüfung der entsprechenden räumlichen Anforderungen und der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik/Stand der Wissenschaft und zur Prüfung der Plausibilität des Hygieneplans. Erteilung von Auflagen , Nachforderung notwendiger Unterlagen, Nachbegehung. Telefonische Beratungen im Vorfeld über die notwendigen baulichen und hygienischen Mindestanforderungen. Aushändigung der Infektionshygieneverordnung. Schriftliche Einforderung des Sachkundenachweises bei Gewerbeanmeldung durch das Gesundheitsamt . Betriebe erhalten beim ersten Besuch sämtliche erforderlichen Unterlagen (Infektionshygieneverordnung , Musterhygieneplan etc.). Im Rahmen eines weiteren angekündigten Besuchs wird die Hygiene in den Einrichtungen standardisiert erfasst und bewertet. Messen, in deren Rahmen auch Tätowierungen oder Piercings angeboten werden: Im Genehmigungsbescheid zur Messeteilnahme wird die Einhaltung der Infektionshygieneverordnung zur Auflage gemacht. Auf den Messen sind auch Stände von Desinfektionsmittelherstellern vorhanden; Desinfektionsmittel können vor Ort erworben werden. Fußpflegepraxen; Kosmetikeinrichtungen Erste Begehungen in der Regel vor Aufnahme der Tätigkeit. Checklistengestützte Begehung . In der Folge weiterhin regelmäßige angemeldete und unangemeldete (anlassbezogene) Begehungen. Kontrollbegehungen nach Beanstandungen. Eingegangen am 10. August 2017 · Bearbeitet am 11. August 2017 · Ausgegeben am 15. August 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5092 10. 08. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5092 Mit Inbetriebnahme sind innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in einem Hygieneplan festzulegen. Dieser wird durch den zuständigen Gesundheitsaufseher beim Gesundheitsamt geprüft. Kostenpflichtige Inbetriebnahmebegehung zur Überprüfung der entsprechenden räumlichen Anforderungen und der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik/Stand der Wissenschaft und zur Prüfung der Plausibilität des Hygieneplans. Erteilung von Auflagen , Nachforderung notwendiger Unterlagen, Nachbegehung. Telefonische Beratungen im Vorfeld über die notwendigen baulichen und hygienischen Mindestanforderungen. Aushändigung der Infektionshygieneverordnung. Schriftliche Einforderung des Sachkundenachweises bei Gewerbeanmeldung durch das Gesundheitsamt . Betriebe erhalten bei erstem Besuch sämtliche erforderlichen Unterlagen (Infektionshygieneverordnung , Musterhygieneplan etc.). Im Rahmen eines weiteren angekündigten Besuchs wird die Hygiene in den Einrichtungen standardisiert erfasst und bewertet. Medizinische Fußpflege und invasive Kosmetik: Die Möglichkeit und das Verfahren zur Sterilisation werden überprüft. Friseurbetriebe Begehung teilweise nur anlassbezogen; schriftliche Information über die gesetzlichen Grundlagen. Stadt Frankfurt: In Abstimmung mit lokaler Friseurinnung wurde ein Merkblatt zur Hygiene im Friseurhandwerk erarbeitet und über das Internet zur Verfügung gestellt. Es wurden Anforderungen an die Betriebe aufgestellt. Nach Information erfolgte eine standardisierte, checklistenbasierte kostenpflichtige Begehung der Betriebe. Bei Bedarf kurzfristige Nachkontrollen . Frage 2. Die Hessische Infektionshygieneverordnung vom 18.03.2003 gilt bis 31.12.2017. Welche relevanten Verbesserungen und/oder Ergänzungen werden in die neue Verordnung eingearbeitet? Wie werden die Hygieneregeln der jeweiligen Branche an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst? Neu in die Verordnung aufgenommen werden Nagelstudios, da diese im Umfang stark zugenommen haben, problematische Instrumente eingesetzt werden, die eine Gefährdung intakter Haut oder Nagelhaut darstellen können und die hygienische Ausbildung nicht geregelt ist. Klargestellt wird, dass auch Heilpraktiker grundlegende Hygieneerfordernisse erfüllen müssen, wenn dort "invasiv" gearbeitet wird (Hygieneplan, Sachkunde). Frage 3. Wie oft wurden gewerbliche Betriebe in Hessen in den Jahren 2014 bis 2016 von Mitarbeitenden der kommunalen Gesundheitsämter hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften der Hessischen Infektionshygieneverordnung vor Ort kontrolliert (gegliedert nach Branche)? Die Häufigkeit der Begehungen gestaltet sich bei den Gesundheitsämtern unterschiedlich. Tattoo - und Piercingstudios sowie Fußpflegepraxen und Kosmetikstudios, die invasive Eingriffe vornehmen, werden zum größten Teil regelmäßig begangen, wobei die erste Begehung anlassbezogen aufgrund der Anmeldung des Betriebes stattfindet. Weiterhin werden die vorgenannten Betriebe durch die Gesundheitsämter durchschnittlich alle zwei bis drei Jahre begangen, anlassbezogen (bei Beschwerden) öfter. Betriebe (Fußpflege- und Kosmetikstudios), die rein kosmetisch und nicht invasiv arbeiten sowie Friseurbetriebe werden seltener oder nur anlassbezogen begangen. Frage 4. In wie vielen Fällen kam es zu Beanstandungen hinsichtlich (infektions-)hygienischer Verstöße (gegliedert nach Branche)? Welche Mängel wurden dabei vorwiegend festgestellt (gegliedert nach Branche)? Da eine regelmäßige statistische Erhebung über die Begehungen und deren Ergebnisse nicht erfolgt , können hier nur Einzelberichte wiedergegeben werden. So ergaben sich mehr Beanstandungen bei älteren Fußpflegepraxen als bei neu eingerichteten Praxen, da den Betreibern oft nicht klar sei, welcher Ausbildungsstand in Bezug auf den Tätigkeitsbereich (kosmetische oder medizinische Fußpflege) erforderlich wäre. Im Rahmen eines Projektes, in dem es schwerpunktmäßig um die Abgrenzung zwischen kosmetischer Fußpflege und Podologie ging, hätten in der Folge einige Praxen ihren Betrieb aufgegeben , weil der für eine ausreichende Hygiene notwendige Aufwand (z.B. Erwerb der Sachkunde, bauliche Maßnahmen) als zu groß angesehen wurde. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5092 3 Eine detaillierte Bezifferung der Anzahl der einzelnen Beanstandungen aufgrund der individuellen Rückmeldungen der Gesundheitsämter ist nicht möglich. Ersatzweise wird angegeben: "häufigere Beanstandungen" (im Umfang von ca. 40 % und mehr) sowie Mängel, die "seltener" (weniger als 40 %) festgestellt wurden. In den einzelnen Branchen wurden in den Jahren 2014 bis 2016 folgende Mängel festgestellt: Tattoo- und Piercing-Studios (Ohrlochstecher) häufiger: Kein Hygieneplan bzw. nicht ausreichend, Arbeitsanweisungen fehlen. Fehlende Sachkunde. Unzureichender/fehlender Desinfektionsplan. Unzureichende/nicht validierte Aufbereitung der Praxiswäsche. Keine Verwendung von sterilen Handschuhen, keine Schutzbrille. Keine Schutzimpfung gegen Hepatitis B beim Personal. seltener: Mangelnde Ausstattung der Sanitärräume, z.B. keine Flüssigseife/Einmalhandtücher, kein Händedesinfektionsmittel oder Händedesinfektionsmittel wird in andere Behälter umgefüllt. Ungeeignete Desinfektionsmittel oder Desinfektionsverfahren, z.B. Mittel nicht auf der Liste des Verbundes für angewandte Hygiene (VAH) aufgeführt, falsche Konzentration für die Instrumentenaufbereitung, Sprühdesinfektion auf Flächen ohne Scheuer-Wisch-Technik etc. Aufbereitung falsch/unzureichend, keine adäquaten Geräte zur Sterilisation vorhanden etc. Medizinprodukte abgelaufen. Zertifikate der Farben (Herstellerangaben der Inhaltsstoffe, Nachweis der gesetzlichen Mindestanforderungen) können nicht vorgelegt werden. Anbruchdatum auf den Farbflaschen nicht vorhanden. Betriebsräume wirken unsauber, insbesondere die Oberflächen der Arbeitsbereiche. Mangelhafte Ausstattung des Behandlungsraumes (fehlendes Handwaschbecken/Seifenspender /Desinfektionsmittelspender/Hautpflege-mittel). Kein Schutzbezug für Behandlungsstuhl. Keine Verwendung Mundschutz. Unzureichende Informationen bezüglich Diabetes/Allergien/Infektionskrankheiten. Unzureichende Lagerung der Metallspitzen. Tattoomaschine (Spulenkonstruktion) ist nicht sterilisierbar und nicht einlegbar, sie wird durch Plastikschlauch vor Kontamination geschützt. Medizinische Fußpflege häufiger: Kein Hygieneplan bzw. nicht ausreichend. Desinfektionsplan unzureichend. Prozessindikatoren fehlen. Ungeeignete Desinfektionsmittel oder Desinfektionsverfahren, z.B. Mittel nicht auf der Liste des Verbundes für angewandte Hygiene (VAH) aufgeführt, falsche Konzentration für die Instrumentenaufbereitung, Sprühdesinfektion auf Flächen ohne Scheuer-Wisch-Technik etc.; kein Ansatzdatum/Konzentration/Einwirkzeit auf Desinfektionslösung vermerkt. Mangelnde Ausstattung der Sanitärräume, z.B. keine Flüssigseife/keine Einmalhandtücher /kein Händedesinfektionsmittel. Keine sterilen Handschuhe vorhanden. Keine Schutzimpfung gegen Hepatitis B beim Personal. Unzureichende/nicht validierte Aufbereitung der Praxiswäsche. Aufbereitung falsch/unzureichend. Sterilgut nicht sachgerecht verpackt. Sterilisator nicht vorhanden; Sterilisator vorhanden aber nicht mikrobiologisch getestet. seltener: Sachkunde fehlt. Leistungsüberprüfung Sterilisator fehlt. Putzutensilien schmutzig. Kein Schutzbezug für Behandlungsstuhl/kein neuer Schutzbezug nach jedem Patienten. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5092 Keine Schutzbrille. Im Behandlungsraum/auf der Personaltoilette kein Waschbecken/Seifenspender/Händedesinfektionsmittelspender vorhanden. Keine Verwendung von Einmalpapierhandtüchern. Hausbesuche: kein Händedesinfektionsmittel/kein Transportgefäß für gebrauchte Instrumente vorhanden. Kein Lagerraum. Defekter Bodenbelag. Aufbereitungsprozess: keine Dokumentation, unzureichende Trennung von rein/unrein. Keine Risikoeinstufung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG). Tragen von Hand- und Armschmuck. Kosmetische Fußpflege häufiger: Fehlende Sachkunde. Reinigungs- und Desinfektionsplan fehlt. Händedesinfektionsmittelspender fehlt. Instrumente mit Belägen behaftet/rostig. Kein Schutzbezug für Behandlungsstuhl. Kein Transportgefäß für gebrauchte Instrumente bei Hausbesuch. seltener: Unzureichende Informationen bezüglich Diabetes/Allergien/sonst. relevante Vorerkrankungen . Keine Schutzbrille vorhanden. Kein Seifenspender im Behandlungsraum. Desinfektionsmittel: falsch/abgelaufen/fehlen/werden umgefüllt. Fehlende Arbeitsanweisungen. Instrumentenlagerung falsch. Aufbereitung: Einmalprodukte werden aufbereitet, Aufbereitung der Instrumente im Toilettenvorraum . Abgelaufene Medizinprodukte. Verwendung von Geräten, z.B. Hohlfräsern, ohne geeignete Apparaturen zur Sterilisation vorzuhalten. Sonstiges: Unzureichende Sauberkeit, Putzutensilien schmutzig, unhygienisches Arbeiten, Verwendung von Stoffhandtüchern, Lagerung nicht staubgeschützt. Kosmetikstudio/Permanent Make-up häufiger: Hygieneplan / Arbeitsanweisungen fehlen. Reinigungs- und Desinfektionsplan fehlt. Sachkunde fehlt. Mangelhafte/fehlende Aufbereitung. seltener: Instrumente mit Belägen behaftet/rostig. Desinfektion: Mängel in der Durchführung, Desinfektionsmittel fehlt/abgelaufen/werden umgefüllt, Händedesinfektionsmittelspender/Desinfektionswanne fehlt. Kein Mundschutz. Keine Verwendung von Flächendesinfektionsmitteln. Instrumentenaufbereitung im Toilettenvorraum. Sonstiges: unsachgemäße Lagerung der Instrumente, Verwendung von Stoffhandtüchern, keine staubgeschützte Lagerung. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5092 5 Friseure häufiger: Kein Hygieneplan vorhanden. Kein Reinigungs- und Desinfektionsplan vorhanden. Ungeeignetes Flächendesinfektionsmittel (nicht VAH gelistet). Seifenspender und Einmalhandtücher nicht vorhanden. Unsaubere Arbeitskleidung. seltener: Tragen von Arm- und Handschmuck. Desinfektionsmittel (für Hände, Instrumente, Flächen): nicht vorhanden oder nicht VAH gelistet. Keine frischen Handtücher für neuen Kunden. Unzureichende Desinfektion von Instrumenten mit Verletzungsgefahr. Keine Desinfektion der Instrumente in Wanne mit Deckel. Keine geeigneten Dosierhilfen vorhanden. Keine tägliche Reinigung der Arbeitsflächen. Mängel in der Aufbereitung der Arbeitsgeräte. Wiesbaden, 1. August 2017 Stefan Grüttner