Kleine Anfrage des Abg. Degen (SPD) vom 13.07.2017 betreffend besondere Schärfe des Sonderungsverbots bei der Gründung privater Grundschulen und Antwort des Kultusministers Vorbemerkung des Fragestellers: Der Fragesteller bekräftigt seine in der in Landtagsdebatte zur Großen Anfrage der SPD betreffend Ersatzschulen in Hessen (Drucksache 19/1632 zu Drucksache 19/1126) am 28. Mai 2015 zum Ausdruck gebrachte Position, dass Ersatzschulen nicht selten ein das Bildungswesen bereicherndes Experimentierfeld sind und in zahlreichen Fällen als Schrittmacher neuer Bildungsideen fungieren. Viele solcher Schulen sind eine wichtige Ergänzung zum öffentlichen Schulwesen. Das Recht zur Errichtung und zum Betrieb von Privatschulen wird von dem in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Grundrecht der Privatschulfreiheit geschützt . Speziell bei der Genehmigung privater Grundschulen normiert das Grundgesetz zusätzlich zu den in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 bis 4 GG genannten Anforderungen allerdings weitere Genehmigungsvoraussetzungen. Gemäß Art. 7 Abs. 5 GG sind private Volksschulen, zu denen Grundschulen nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zählen (s. nur: Badura, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, München 2015, Art.7 Rn.122), "nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. "Während im Bereich der übrigen Privatschulen von einem Vorrang der staatlichen Schule bzw. einer vorrangigen Pflicht zum Besuch staatlicher Schulen nicht die Rede sein kann, vielmehr der Staat aufgrund der grundrechtlichen Gewährleistung in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG die Konkurrenz der privaten Schulen auch gegen sich selbst gelten zu lassen hat, müssen sich private Grundschulen gegenüber einem grundsätzlichen Primat der staatlichen Grundschule besonders rechtfertigen. Hintergrund ist der bereits aus der Weimarer Reichsverfassung (vgl. Art. 146 Abs. 1 Satz 2 WRV) überlieferte und in das Grundgesetz übernommene grundsätzliche Anspruch der gemeinsamen Beschulung von Kindern aus allen gesellschaftlichen Schichten wenigstens in den ersten Schuljahren. Dahinter steht, wie das Bundesverfassungsgericht ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung hervorheben, "eine sozialstaatliche und egalitärdemokratischem Gedankengut verpflichtete Absage an Klassen, Stände und sonstige Schichtungen. Dass solche Bemühungen schon wegen einseitiger sozialer Zusammensetzung der Bevölkerung der jeweiligen Schulsprengel , aber auch aus vielfältigen anderen Gründen häufig nur begrenzten Erfolg haben, nimmt diesem Ziel nicht seine Bedeutung. Auch jüngere pädagogische, gesellschaftliche und verfassungsrechtliche Entwicklungen lassen es nicht als überholt erscheinen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Privatschulen ein einseitiges Bild von der Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln und den Schülern vermitteln, wenn sie nur von Kindern der Anhänger bestimmter pädagogischer, weltanschaulicher oder auch religiöser Anschauungen besucht werden. Bleiben gesellschaftliche Gruppen einander fremd, kann dies zu sozialen Reibungen führen, die zu vermeiden legitimes Ziel auch staatlicher Schulpolitik ist" (BVerfGE 88, 40 (49 f.); s. auch: BVerwGE 75, 275 (277); BVerwG, NJW 2000, S. 1280 [1281 f. und 1283]). Einer sozioökonomisch, religiös, sprachlich , kulturell, geschlechtlich oder begabungsorientiert bedingten Separierung der Schülerschaft soll durch die erhöhten Anforderungen an die Genehmigung privater Grundschulen gerade entgegengewirkt und eine institutionelle Integration der Schülerinnen und Schüler sichergestellt werden (BVerwG, NJW 2000, S. 1280 [1283]). Unterschiedliche familiäre Hintergründe und divergente Sozialisationserfahrungen sollen sich in der Grundschule widerspiegeln und Kinder dadurch gesellschaftliche Differenzen in der Schule überhaupt erleben und als gegenseitige Bereicherung erfahren können. Zum Schuljahresbeginn 2017/2018 nimmt in der Stadt Frankfurt nun eine neue Grundschule ihren Betrieb auf, die bereits im Februar 2017 vom entsprechenden Staatlichen Schulamt als Ersatzschule genehmigt worden ist. Die Schule zeichnet sich offenbar insbesondere durch Öffnungszeiten bis 19:00 Uhr sowie ein mehrsprachiges Angebot aus. Das Schulgeld solle der Presseberichterstattung nach zwischen 800 und 1.000 Euro im Monat kosten. Die von der zuständigen Schulaufsichtsbehörde erteilte Genehmigung zum Betrieb wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, die Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit begründen. Dass es sich bei dieser Schule weder um eine Gemeinschaftsschule, noch um eine Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule im Sinne des Art. 7 Abs. 5 2.Alt GG handelt, kommt als Genehmigungsgrund nur die erste Alternative des Art. 7 Abs. 5 GG in Betracht. Erforderlich für die Genehmigung einer privaten Grundschule ist danach die Anerkennung eines "besonderen pädagogischen Interesses" durch die Unterrichtsverwaltung. Danach tritt der grundsätzliche Vorrang der staatlichen Grundschule im Einzelfall nur dann zurück, wenn die Schulaufsichtsbehörde feststellt, dass die zu genehmigende Grundschule Aufgaben wahrnimmt, die vom staatlichen Schulwesen nicht oder nicht ausreichend wahrgenommen werden, die Erfüllung jener Aufgaben aber Eingegangen am 30. August 2017 · Bearbeitet am 31. August 2017 · Ausgegeben am 1. September 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5105 30. 08. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5105 als notwendig insbesondere zur Beseitigung von Diskriminierungen angesehen wird. Nicht entscheidend sind insoweit spezifische Interessen des privaten Schulträgers oder der Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder auf die private Grundschule schicken wollen. Entscheidend ist nach dem Bundesverfassungsgericht vielmehr das "öffentliche Interesse an der Erprobung und Fortentwicklung pädagogischer Konzepte sowie das Interesse an der angemessenen pädagogischen Betreuung spezieller Schülergruppen, welchen das öffentliche Schulwesen keine hinreichenden Angebote macht oder machen kann" (BVerfGE 88, 40 [50 f.]). Während hierfür der private Schulträger als Antragsteller die Darlegungslast trägt, ist es Aufgabe der über die Genehmigung entscheidenden Schulaufsichtsbehörde, darüber zu entscheiden, ob das besondere pädagogische Interesse an der Errichtung und dem Betrieb einer bestimmten privaten Grundschule im Verhältnis zu dem grundsätzlichen verfassungsmäßigen Vorrang der staatlichen Schule im Grundschulbereich überwiegt. Jedenfalls bezüglich dieser Abwägung kommt der über die Genehmigung entscheidenden Schulaufsichtsbehörde - ebenso wie hinsichtlich der Bewertung des pädagogischen Konzepts im Einzelfall - ein von den Verwaltungsgerichten nicht überprüfbarer Handlungsspielraum zu (BVerfGE 88, 40 [56 ff.]; BVerwG, NJW 2000, S. 1280 [1283]; Badura , in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, München 2015, Art. 7 Rn.123; s. auch: Vogel, Rechtlicher Rahmen, in: Stein (Hrsg.), Wir gründen eine freie Schule, 1985, S.109 [114]). Vorbemerkung des Kultusministers: Die Aufgabe der öffentlichen Bildung wird von öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft gemeinsam wahrgenommen. Die Privatschulen sind entsprechend Art. 7 Grundgesetz fester Bestandteil der Bildungslandschaft. Sie bereichern das Bildungssystem im Sinne eines Pluralismus der Bildungs- und Erziehungsinhalte auf vielen Gebieten durch zusätzliche pädagogische Erfahrung und erweisen sich als Experimentierfeld und Wegbereiter neuer Bildungsideen . Eine maßgebliche Bedingung für das langfristig gedeihliche, dem sozialstaatlichen und egalitär-demokratischen Ideal verpflichtete Zusammenwirken von öffentlichen und privaten Schulen besteht dabei in der strikten Beachtung des Sonderungsverbots, nach dem der Besuch einer Privatschule, die als Ersatz für eine öffentliche Schule dient, allen Kindern grundsätzlich unabhängig von deren jeweiliger wirtschaftlicher Lage möglich sein muss. Dies gilt selbstverständlich auch für private Grundschulen, deren Genehmigung das Grundgesetz durch Art. 7 Abs. 5 zusätzlich unter besonderen Vorbehalt stellt. Schulen in freier Trägerschaft, die nicht als Ersatz für öffentliche Schulen dienen (Ergänzungsschulen), unterliegen hingegen nicht dem Sonderungsverbot. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie bewertet die Landesregierung den in der Vorbemerkung zum Ausdruck gebrachten Sachverhalt bezüglich einer besonderen Schärfe des Sonderungsverbots im Grundschulbereich? Die Ausführungen in der Vorbemerkung bezüglich der besonderen Genehmigungsvoraussetzungen für die Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft entsprechen dem geltenden Recht und werden von der Landesregierung geteilt. Nicht geteilt werden kann jedoch die Schlussfolgerung, dass daraus eine "besondere Schärfe des Sonderungsverbots" im Primarstufenbereich abgeleitet werden könne. Vielmehr ist das Sonderungsverbot ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Grundgesetz und Art. 61 Satz 2 Hessische Verfassung, der ausnahmslos für alle Ersatzschulen gilt und auch nicht als abgemildert bei Ersatzschulangeboten jenseits der Primarstufe zu verstehen ist. Frage 2. Welche besonderen pädagogischen Angebote bietet die angesprochene Schule, welche offenbar von öffentlichen Schulen nicht wahrgenommen oder nicht ausreichend werden können? Frage 3. Weshalb können aus Sicht der Landesregierung öffentliche Schulen diese besonderen pädagogischen Angebote in gleichem Umfang offenbar nicht wahrnehmen oder nicht ausreichend wahrnehmen ? Frage 4. Sieht die Landesregierung die in der Vorbemerkung angeführten Voraussetzungen zur Genehmigung der betreffenden Grundschule als Ersatzschule als gegeben an? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 2, 3 und 4 zusammen beantwortet. Zum Schuljahr 2017/18 eröffnete in Frankfurt am Main eine neue Grundschule (Fintosch Multilingual Primary School) in privater Trägerschaft. Unter der Maßgabe, dass der Fragesteller sich auf eben diese Schule bezieht, kann folgende Antwort gegeben werden: Eine Grundschule wird als Ersatzschule nur zugelassen, wenn zusätzlich zu den Genehmigungsvoraussetzungen , die zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft als Ersatzschule erfüllt sein müssen, ein besonderes pädagogisches Interesse anerkannt wird oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Grundschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts meint der Begriff "besonderes pädagogisches Interesse" dabei "das öffentliche Interesse an der Erprobung und Fortentwicklung pädagogischer Konzepte sowie das Interesse an der angemessenen pädago- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5105 3 gischen Betreuung spezieller Schülergruppen, welchen das öffentliche Schulwesen keine hinreichenden Angebote macht oder machen kann" (BVerfG, Beschluss v. 16.12.1992, 1 BvR 167/87, Rz. 31). In Bezug auf die in Rede stehende Grundschule hat das Staatliche Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main die Genehmigungsvoraussetzungen zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft gemäß § 171 des Hessischen Schulgesetzes als erfüllt erachtet, und das Hessische Kultusministerium hat seinerseits das besondere pädagogische Interesse aus folgenden Gründen anerkannt: Die Grundschule ist eine mehrsprachige Grundschule, die neben der Orientierung am Bildungsund Erziehungsplan für Kinder von 0-10 Jahren in Hessen das hessische Kerncurriculum mit dem International Primary Curriculum verbindet. Die Schule bietet eine Eingangsstufe an, die öffentliche Grundschulen gemäß § 11 Abs. 4 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) unter Bezug auf § 187 Abs. 3 des Hessischen Schulgesetzes lediglich im Rahmen eines Bestandsschutzes fortführen dürfen. Der Unterricht an der Schule erfolgt bereits in der Eingangsstufe sowie ab Jahrgangsstufe 1 zweisprachig anhand der Immersionsmethode, wohingegen an öffentlichen Grundschulen der Fremdsprachenunterricht gemäß § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Stundentafeln für die Primarstufe und die Sekundarstufe I erst in den Jahrgangsstufen 3 und 4 mit insgesamt vier Wochenstunden erfolgt und zudem die Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I) die Möglichkeit eines bilingualen Unterrichtsangebots an öffentlichen Schulen erst für die Mittelstufe vorsieht. Des Weiteren ist der Unterricht an der in Rede stehenden Grundschule, insbesondere was die Lernumgebung betrifft, reformpädagogisch ausgestaltet. Das schulische Konzept ist dabei vorrangig auf international geprägte Familien ausgerichtet, deren Kinder bereits den Kindergarten dieser Schule besucht haben, und die zu einem großen Teil aus beruflichen Gründen lediglich vorübergehend in Frankfurt am Main leben. Die Schule arbeitet ganztägig und ganzjährig mit zusätzlicher Betreuung bis 19.00 Uhr. Auch mit diesem Angebot geht die Schule über die gegenwärtigen Möglichkeiten der öffentlichen Schulen hinaus und bietet insofern eine Ergänzung und Entlastung des öffentlichen Schulwesens. Die Landesregierung erachtet es nicht pauschal als erstrebenswertes bildungspolitisches Ziel, dass öffentliche Schulen die besonderen pädagogischen Angebote privater Schulen imitieren. Vielmehr hält sie im Sinne der Schulbestimmungen des Grundgesetzes einen "Prozess dauernder gegenseitiger Anregungen zwischen privatem und öffentlichem Schulwesen" für sinnvoll, "der beide Seiten durch lebendige Konkurrenz zu fortdauernden Anstrengungen um pädagogische Fortentwicklung veranlasst" (vgl. BVerfG, a.a.O., Rz. 38). Dies entspricht auch der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der bei der Genehmigung privater Grundschulen ein "besonderes pädagogisches Interesse" als Rechtfertigung für eine Ausnahme von dem Grundsatz der "Schule für alle" "nur eine sinnvolle Alternative zum bestehenden öffentlichen und privaten Schulangebot voraus[setzt], welche die pädagogische Erfahrung bereichert und der Entwicklung des Schulsystems insgesamt zugute kommt" (BVerfG, a.a.O., Rz. 36). Frage 5. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Höhe des Schulgeldes? Unter der bereits genannten Maßgabe, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Grundschule um die Fintosch Multilingual Primary School in Frankfurt am Main handelt, ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Ausweislich der beim Staatlichen Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main vorliegenden Antragsunterlagen ist von einem Schulgeld in Höhe von 330,00 € auszugehen. Hinzu kommen Kosten für das Betreuungsangebot in Höhe von 374,00 € sowie Essensgeld in Höhe von 95,00 €. Wollen Eltern eine zeitlich weiter gestreckte Betreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen, werden ergänzende Kosten für die Nachmittagsbetreuung von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr in Höhe von 300,00 €, für die Spätbetreuung von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr in Höhe von 150,00 €, für eine anschließende Spätbetreuung von 18.00 Uhr bis 19.00 Uhr in Höhe von 150,00 € in Rechnung gestellt. Erst wenn das gesamte Angebot der Schule in Anspruch genommen wird, ist von Gesamtkosten in der vom Fragesteller genannten Höhe auszugehen. Das eigentliche Schulgeld in Höhe von 330,00 € liegt an der oberen Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen, ist aber nach den von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft entwickelten Kriterien nicht als ein Verstoß gegen das Sonderungsverbot zu bewerten. 4 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5105 Dabei ist von folgenden grundlegenden Erwägungen auszugehen: Die Grenze, bei der eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen gefördert wird, lässt sich nicht starr beziffern und hängt von mehreren Faktoren ab (so wörtlich Wißmann, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Mai 2015, Art. 7, Rz. 252). Durch das zusätzlich zu beachtende Sonderungsverbot ist die Erhebung von Schulgeld (ggf. "sozial gestaffelt") nicht grundsätzlich ausgeschlossen (...). Die Grenze muss im Einzelfalle unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Grundgesetzes ermittelt werden (so wörtlich Schmitt-Kammler/Thiel, in: Sachs [Hrsg.], GG-Kommentar, 6. Aufl. 2011, in Art. 7, Rz. 70). Dies erklärt, dass nur einige wenige Bundesländer überhaupt eine starre Obergrenze rechtlich fixiert haben. Für Hessen wird die Rechtslage im Kommentar zum Hessischen Schulgesetz folgendermaßen zutreffend zusammengefasst: "Welche Höhe des Schulgeldes die verfassungsrechtliche Grenze überschreitet, ist noch nicht abschließend geklärt. (…) Aber abstrakt und generell einen Betrag festlegen zu wollen, ist rechtlich und tatsächlich problematisch, weil die Höhe eines Schulgeldes eine differenzierte Betrachtung von Leistung und Entgelt im jeweiligen sozialen Umfeld der Schule voraussetzt." (Köller, in: Köller/Achilles, Hessisches Schulgesetz, § 171, Stand September 2006, Erl. 4.1.5). Insofern muss bei der Genehmigung in Bezug auf das Sonderungsverbot das soziale Umfeld der Schule in den Blick genommen werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich das Sonderungsverbot nur auf das Schulgeld im eigentlichen Sinne, also für den lehrplanmäßigen Unterricht , bezieht. Kosten für ergänzende Leistungen wie Betreuungsangebote, Hausaufgabenhilfe oder Freizeitgestaltung, die auch im öffentlichen Schulwesen nicht von der Schulgeldfreiheit erfasst werden, gehören nicht dazu (Köller, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist das hier in Frage stehende Schulgeld nicht zu beanstanden . Frage 6. Welche besonderen Voraussetzungen müssen nach Auffassung der Landesregierung speziell Grundschulen erfüllen, um als Ersatzschulen genehmigt zu werden? Die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft als Ersatzschule erfolgt nach §§ 170 ff. des Hessischen Schulgesetzes in Verbindung mit Art. 7 Grundgesetz. Nach § 171 des Hessischen Schulgesetzes ist das für den zukünftigen Standort der zu genehmigenden Schule zuständige Schulamt Genehmigungsbehörde. Sind die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, besteht ein Anspruch auf Genehmigung einer Schule in freier Trägerschaft. Für eine private Grundschule treten weitere Genehmigungsvoraussetzungen hinzu, da grundsätzlich von einem Vorrang der öffentlichen Grundschule auszugehen ist. Nach Art. 7 Abs. 5 Grundgesetz ist eine private Volksschule (gemeint ist hiermit eine private Grundschule) nur zuzulassen , wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis - oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Die "Darlegungslast" für ein zur Prüfung gestelltes pädagogisches Interesse liegt dabei zunächst beim Antragsteller. Der rechtliche Entscheidungsrahmen der Unterrichtsverwaltung ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe etwa BVerfGE 88, 40) konturiert worden. Danach prüft die Unterrichtsverwaltung das vorgelegte pädagogische Konzept im Einzelfall nach pädagogisch-fachwissenschaftlichen Gesichtspunkten und nimmt individuell einen Vergleich mit bestehenden pädagogischen Konzepten sowie eine prognostische Beurteilung vor, ob sich das pädagogische Konzept unter Berücksichtigung der personellen und sächlichen Voraussetzungen des Schulvorhabens verwirklichen lässt, seine Erprobung und Durchführung zu einer Bereicherung des Schulwesens führt und ob unter den vorhandenen Rahmenbedingungen das Interesse der Schülerinnen und Schüler an einer angemessenen Erziehung nicht gefährdet ist. Zur Begründung des besonderen pädagogischen Interesses ist ferner die Vorlage detaillierter Curricula erforderlich, aus denen sich die jeweiligen Lernziele in den einzelnen Fächern bezogen auf die jeweiligen Jahrgangsstufen 1 bis 4 bzw. 6 ergeben. Der zeitliche Umfang der einzelnen Unterrichtsangebote kann durch die Vorlage von Stundentafeln, Jahresarbeitsplänen etc. nachgewiesen werden. Die Feststellung des besonderen pädagogischen Interesses erfolgt in Hessen im Interesse einer landeseinheitlichen Handhabung durch das Kultusministerium. Durch das Staatliche Schulamt muss geprüft werden, ob die vom privaten Schulträger vorgesehenen Lehrkräfte so ausgebildet oder vorbereitet sind, dass sie das betreffende pädagogische Konzept umsetzen können. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5105 5 Frage 7. Wie viele Grundschulen wurden landesweit in den vergangenen Jahren jeweils als Ersatzschulen genehmigt? Die Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 19.11.2014 (Drucksache 19/1126) enthält in der Antwort zu Frage 1 als Anlage eine Tabelle der damals aktuellen Ersatzschulen, aufgeschlüsselt unter anderem nach Schulformen. Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 24. Juli 2017 wurden landesweit vier weitere Grundschulen als Ersatzschulen genehmigt. Frage 8. Welche besonderen pädagogischen Interessen lagen jeweils vor, die zur Genehmigung führten? (Bitte einzeln nach Schule auflisten) Unter Verweis auf die Beantwortung der Frage 7 werden nachfolgend die vier seit Januar 2015 genehmigten Grundschulen und das jeweilige besondere pädagogische Interesse der einzelnen Schule aufgeführt. Schule Ort Pädagogisches Interesse "PeaceKids" Ganztägige bilinguale Friedensgrundschule Oberursel Friedenspädagogik nach dem Konzept "Gewaltprävention in der Grundschule" der Berghof Foundation/des Instituts für Friedenspädagogik Tübingen e.V. sowie ganztägiges bilinguales Angebot Bettina-von-Arnim-Schule Marburg Erweiterung der bereits bestehenden heilpädagogischen Förderschule auf anthroposophischer Grundlage um eine eigenständige inklusive Grundschule Fintosch Multilingual Primary School Frankfurt am Main zweisprachiger Unterricht in der Eingangsstufe und ab Jahrgangsstufe 1 unter Verwendung des International Primary Curriculum nach der Immersionsmethode sowie ganztägiges und ganzjähriges Betreuungsangebot bis 19 Uhr Georg-Müller-Schule Christliche Grundschule Fulda Bekenntnisschule Wiesbaden, 22. August 2017 Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz