Kleine Anfrage der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) vom 22.08.2017 betreffend Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen aus Hessen im Zeitraum von Dezember 2016 bis Ende April 2017 und Antwort des Ministers des Innern und für Sport Vorbemerkung der Fragestellerin: Im Zeitraum von Dezember 2016 bis April 2017 wurden von Seiten der Bundesregierung mehrere Sammelabschiebungen nach Afghanistan organisiert, an denen sich auch Hessen beteiligt hat. Dabei wurden bundesweit 105 Personen abgeschoben, von denen lediglich 33 Straftäter waren. Die Sicherheitslage in Afghanistan wird von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen weiterhin als sehr fragil und lebensbedrohlich eingeschätzt . Die Bewertung der Bundesregierung zur Sicherheitslage in Afghanistan steht nach wie vor aus. Die Innenministerkonferenz hat sich bei ihrer Sitzung im Juni 2017 in Dresden in einem Einigungsgespräch auf einen Beschlussvorschlag verständigt der neben Straftätern und "Gefährdern" auch die Abschiebung von Ausreisepflichtigen als notwendig ansieht, die hartnäckig ihre Mitwirkung an der Identitätsfeststellung verweigern . Die Absprachen auf der Innenministerkonferenz im Juni 2017 haben zudem zur großen Verunsicherung auch unter den in Hessen lebenden Geflüchteten aus Afghanistan verursacht. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Personen aus Afghanistan wurden im Zeitraum vom Dezember 2016 bis April 2017 abgeschoben, die wohnhaft in Hessen waren? Bitte um eine detaillierte Auflistung nach Einzelfällen /Personen und nach Landkreisen und kreisfreien Städten unter Wahrung datenschutzrechtlicher Vorgaben. Seit Dezember 2016 wurden zehn Personen im Rahmen von drei Sammelrückführungen nach Afghanistan zurückgeführt. In der nachfolgenden Tabelle sind die einzelnen Personen nach Datum der Rückführung und der zuständigen Ausländerbehörde aufgegliedert. Datum der Rückführung Zuständige Ausländerbehörde 14.12.2016 Oberbürgermeister der Stadt Hanau 14.12.2016 Oberbürgermeister der Stadt Hanau 14.12.2016 Landrat Fulda 14.12.2016 Landrat des Wetteraukreis 22.02.2017 Landrat Darmstadt-Dieburg 22.02.2017 Oberbürgermeister der Stadt Wiesbaden 22.02.2017 Landrat des Hochtaunuskreis 22.02.2017 Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt 27.03.2017 Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt 27.03.2017 Oberbürgermeister der Stadt Kassel Eingegangen am 17. Oktober 2017 · Bearbeitet am 18. Oktober 2017 · Ausgegeben am 20. Oktober 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5181 17. 10. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5181 Frage 2. a) Wie viele von den aus Hessen abgeschobenen Personen waren Straftäter und welche Straftaten hatten sie begangen? b) Wie viele der Straftaten waren auf Bewährung ausgesetzt? Bitte um detaillierte Darstellung unter Wahrung der datenschutzrechtlichen Vorgabe. Die Fragen 2 a und b werden in der nachfolgenden Tabelle gemeinsam dargestellt. Grundsätzlich gilt eine Ausreisepflicht unabhängig davon, ob eine Person straffällig geworden ist. Bezogen auf Rückführungen nach Afghanistan ist es angezeigt, vorrangig solche Menschen dorthin zurückzuführen, die sich nicht an unsere Rechtsordnung halten. Besonders augenfällig wird dies bei der Begehung von Straftaten. Rückführungsflüge bedürfen eines hohen organisatorischen und logistischen Aufwands. Daher berücksichtigen die hessischen Ausländerbehörden bei Abschiebungen nach Afghanistan derzeit vorrangig Straftäter. Eine besondere Voraussetzung bezüglich des Strafmaßes ist dabei nicht vorgesehen. Bei der Priorisierung unberücksichtigt bleibt eine Strafbarkeit nach dem Aufenthaltsgesetz wegen rechtswidriger Einreise oder rechtswidrigen Aufenthalts. Von den zehn zurückgeführten Personen waren sieben Personen rechtskräftig verurteilt. Die drei nicht verurteilten Personen waren alle polizeilich bekannt. Zu den Verurteilungen zählen: gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung, Urkundenfälschung, Verstoß BtmG, Freiheitsberaubung , schwerer Raub, Mord. In der nachfolgenden Tabelle sind die Straftäter nach Datum der Rückführung, der Straftat und der Strafe aufgeführt. Datum der Rückführung Straftat Strafe 14.12.2016 Schwerer Raub 4,5 Jahre Freiheitsstrafe 22.02.2017 Beleidigung und körperliche Misshandlung Geldstrafe 22.02.2017 Diebstahl und mehrfache Leistungserschleichung Geldstrafe und 3 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung 22.02.2017 Körperverletzung 2 Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung 22.02.2017 Betrug und Unterschlagung Geldstrafe 27.03.2017 Diebstahl Geldstrafe 27.03.2017 Mord Lebenslange Freiheitsstrafe Frage 3. In wie vielen Fällen wurde die Abschiebung gerichtlich verhindert und mit welcher Begründung? Aufgrund einstweiligen Rechtsschutzes war bislang keine Abschiebung auszusetzen. Frage 4. a) Waren unter den aus Hessen Abgeschobenen auch Personen, die ihre Mitwirkung bei der Identitätsklärung hartnäckig verweigert haben? b) Wenn ja, wie viele? Bei keiner der rückgeführten Personen war eine hartnäckige Verweigerung bei der Identitätsklärung ausschlaggebend für die Rückführung. Frage 5. Wie wird sichergestellt, dass Personen ausgenommen sind, die zwar in der Vergangenheit an der Identitätsklärung nicht mitgewirkt haben, zwischenzeitlich aber kooperativ mitarbeiten? Personen, die ihren Namen oder ihre Familienverhältnisse wechseln, zu Terminen nicht erscheinen , Behörden täuschen und sich Maßnahmen der Identitätsfeststellung bewusst entziehen, verweigern hartnäckig ihre Mitwirkungspflicht. Die Beurteilung obliegt der zuständigen Ausländerbehörde im Einzelfall. Frage 6. Welche Art von Nachweisen müssen afghanische Staatsangehörige in welchem Umfang vorlegen, um ein ernsthaftes Bemühen um Passbeschaffung zu belegen? Die ausweisrechtlichen Pflichten ergeben sich aus dem § 48 AufenthG. Hiernach ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass, seinen Passersatz oder Ausweisersatz (§48 Abs. 1 Nr. 1 Aufenth G) und seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) vorzulegen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5181 3 Kann ein Ausländer keinen Pass aushändigen, muss er die Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung vorlegen (§ 48 Abs. 2 AufenthG). Zudem ist er nach § 48 Abs. 3 AufenthG verpflichtet an der Beschaffung der Identitätspapiere mitzuwirken und alle Urkunden, Unterlagen und Datenträger, die zur Feststellung seiner Identität beitragen, der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Die ausweisrechtlichen Pflichten sind in § 56 der Aufenthaltsverordnung weiter konkretisiert. Der Betroffene muss insbesondere einen Pass bzw. Passersatz beantragen und die entsprechenden Antragsformulare vollständig und zutreffend ausfüllen und ggfs. vorlegen. Frage 7. Ab welchem Aufwand bzw. ab welchem Zeitpunkt ist ein entsprechendes Bemühen nicht mehr zumutbar mit der Folge, dass ein Reiseausweis für den Ausländer oder zumindest ein Ausweisersatz gem. § 48 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz ausgestellt werden muss, damit die Betroffenen ihrer Passpflicht gem. § 3 Aufenthaltsgesetz nachkommen können? Als zumutbare Mitwirkungshandlungen zur Passerlangung werden alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungen angesehen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätsdokumentes erforderlich sind und nur von dem Betroffenen persönlich vorgenommen werden können. Zu den zumutbaren Mitwirkungspflichten gehören unter anderem die Fertigung von Lichtbildern, das korrekte Ausfüllen und eigenhändige Unterzeichnen eines Antragsformulars sowie die persönliche Vorsprache bei der Ausländervertretung des Heimatstaates im Bundesgebiet. Dagegen ist es je nach Konstellation im Einzelfall nicht zumutbar, zum Zweck einer Passausstellung in das Heimatland zu reisen und bei dortigen Behörden vorzusprechen. Wiesbaden, 26. September 2017 Peter Beuth