Kleine Anfrage der Abg. Dr. Sommer (SPD) vom 31.08.2017 betreffend Umsetzung des Pflegestärkungsgesetzes II in Hessen und Antwort des Ministers für Soziales und Integration Vorbemerkung der Fragestellerin: Bereits im Jahr 2015 ist ein bundesweiter Anstieg der Pflegebegutachtungen durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) um 6,1 Prozent zu verzeichnen. Seit dem Jahreswechsel von 2016 auf 2017 ist ein weiterer enormer Anstieg zu beobachten, da mit der zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten Pflegereform ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff mit umfassenderen Leistungen als bisher gilt. In der neuen Definition finden die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz, geistigen oder (geronto)psychiatrischen Einschränkungen deutlich stärker Berücksichtigung. Die Weiterentwicklung der bisherigen drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade betont eine ressourcenorientierte Sicht auf den Menschen und hat zum Ziel, die Betroffenen in ihrer Selbstständigkeit zu stärken und diese so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Grundlage bilden dabei neue Begutachtungsrichtlinien, die die gesundheitlich bedingten Einschränkungen der Selbstständigkeit in insgesamt sechs unterschiedlichen Lebensbereichen erfassen. Vorbemerkung des Ministers für Soziales und Integration: Seit dem 1. Januar 2017 gilt ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Pflegeversicherung. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff berücksichtigt die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen ebenso wie die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Nach § 14 SGB XI sind Personen pflegebedürftig , die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Pflegebedürftige werden nach § 15 SGB XI je nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einem Pflegegrad zugeordnet. Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt. Die Umstellung auf das neue System, die Überführung der Pflegebedürftigen von Pflegestufen in Pflegegrade, erfolgt automatisch durch die Pflegekassen. Gesetzliche Überleitungsregelungen und ein umfangreicher Besitzstandsschutz gewährleisten, dass kein Pflegebedürftiger bei der Umstellung schlechter gestellt wird. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie viele Anträge auf Leistungen, die ab dem 1. Januar 2017 bei der Pflegeversicherung eingegangen sind, werden aktuell auf der Grundlage des neuen Begutachtungsverfahrens in Hessen bearbeitet ? Wie viele wurden positiv, wie viele negativ beschieden und was waren die fünf häufigsten Ablehnungsgründe? Frage 2. Wie viele Anträge auf Leistungen, die bis zum 31.Dezember 2016 bei der Pflegeversicherung eingegangen sind, werden noch auf der Grundlage des alten Begutachtungsverfahrens in Hessen bearbeitet? Wie viele wurden positiv, wie viele negativ beschieden (Ablehnungsgründe bitte aufschlüsseln )? Die Fragen 1 und 2 werden wie folgt gemeinsam beantwortet: Mit Nachricht vom 25. September 2017 hat die Pflegekasse der AOK Hessen in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Hessen (MDK) dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) mitgeteilt, dass zu Anzahl und Zeitpunkt der bei ihnen eingegangenen und bearbeiteten Anträge keine Angaben gemacht werden können. Die einschlägigen und bundesweit gültigen Vorgaben der zu führenden Statistiken ( PV 45, PG 1 und PG 2 ) würden keine Berichterstattung in der angeforderten Form vorsehen. Eingegangen am 11. Oktober 2017 · Bearbeitet am 11. Oktober 2017 · Ausgegeben am 13. Oktober 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5215 11. 10. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5215 Frage 3. Wie lange warten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen durchschnittlich auf einen Termin zur Neu- oder Wiederbegutachtung durch den MDK der Krankenversicherung (bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten in Hessen aufschlüsseln)? Nach Mitteilung der AOK Pflegekasse Hessen in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen vom 25. September 2017 gelte regelhaft eine gesetzliche Frist von 25 Arbeitstagen vom Zeitpunkt des Antragseinganges bei der Pflegekasse bis zur Erteilung des schriftlichen Bescheides durch die Pflegekasse. Der Gesetzgeber habe die Frist für das Jahr 2017 ausgesetzt. Ausnahmen würden in 2017 bei besonders dringlichem Entscheidungsbedarf gelten, z.B. wenn noch kein Pflegebedarf festgestellt worden sei (Erstgutachten). Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen habe hierzu bundeseinheitliche Kriterien festgelegt. Darüber hinaus würden für bestimmte Fallkonstellationen generell verkürzte Begutachtungsfristen gelten, z.B. eine Woche zur Sicherstellung der weiteren Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt und zwei Wochen z.B. bei palliativer Versorgung. Angaben über die durchschnittliche Dauer des Zeitraums zwischen dem Antrag auf Neu- oder Weiterbegutachtung und dem Termin der Begutachtung liegen dem HMSI nicht vor. Frage 4. Welche Herausforderungen sind der Landesregierung bei der Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs bekannt? Die Pflegekasse der AOK Hessen teilte dem HMSI am 25. September 2017 in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen mit, dass die Umstellung auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff für die Pflegeeinrichtungen, die Sozialhilfeträger, den MDK und die Pflegekassen ein enormer Kraftakt gewesen sei, der die vorhandenen Ressourcen aufs Äußerste beansprucht habe. Trotzdem sei dieser Prozess im Wesentlichen problemlos verlaufen. Es bestehe natürlich in der Anfangsphase ein erhöhter Informations- und Abstimmungsbedarf unter den Beteiligten. Seitens der Pflegebedürftigen bestehe ein erhöhter Beratungsbedarf. Frage 5. Welche Herausforderungen sind der Landesregierung im ambulanten Pflegebereich hinsichtlich der Überleitung zum neuen System bekannt? Wie begegnet sie diesen (zukünftig)? Nach Mitteilung der AOK Pflegekasse Hessen in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen vom 25. September 2017 hätten sich Pflegekassen, Leistungserbringer und Sozialhilfeträger in Hessen bereits im November 2016 im Rahmen der AG ambulante Pflege einvernehmlich auf Regelungen zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs verständigt . Damit sei der Umstieg letztlich reibungslos abgelaufen. In einem nächsten Schritt würden die Vertragsparteien in Verhandlungen zum ambulanten Rahmenvertrag eintreten. Hinsichtlich eines möglichen Zeitrahmens für diese Verhandlungen sei jedoch zu berücksichtigen, dass aktuell noch wesentliche Elemente einer zukünftigen Vereinbarung auf der Bundesebene, z.B. zum Qualitätsausschuss gemäß § 113b SGB XI und zur Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen gemäß § 113c SGB XI, zur Entscheidung anständen. Frage 6. Welche Herausforderungen sind der Landesregierung im stationären Pflegebereich hinsichtlich der Überleitung zum neuen System bekannt? Wie begegnet sie diesen (zukünftig)? Die Pflegekasse der AOK Hessen teilte dem HMSI am 25. September 2017 in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen mit, dass die gesetzlich vorgeschriebene Überleitung der Vergütungen im Bereich der vollstationären Pflege (§ 92c SGB XI) fristgemäß erfolgt sei. Im Vorfeld hätten sich die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger auf eine arbeitsteilige Übernahme von Aufgaben verständigt. Die Überleitung sei aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern, Sozialhilfeträgern und Pflegekassen erfolgt. Somit hätten auch die speziellen Problemlagen und Bedürfnisse in Hessen weitgehend berücksichtigt werden können. Die in den §§ 92d und 92e SGB XI normierte gesetzliche Überleitung hätte nicht in Anspruch genommen werden müssen. Erhöhter Informations- und Beratungsbedarf habe insbesondere im Bereich der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile bestanden. Im Bereich der vollstationären Pflege würden sich die Vertragsparteien bereits im Verhandlungsprozess zur Überarbeitung des Rahmenvertrages befinden. Auch hier seien die auf Bundesebene noch ausstehenden Entscheidungen im Qualitätsausschuss zu berücksichtigen. Ferner seien ggf. noch Auswirkungen aus der Landesverordnung zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBPAV) zu berücksichtigen, die sich derzeit noch im Stadium der Anhörung befinde. Frage 7. Welche Herausforderungen sind der Landesregierung beim Übergang von ambulanter zu stationärer Pflege im Rahmen der neuen rechtlichen Grundlagen bekannt? Nach Angaben der AOK Pflegekasse Hessen in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen vom 25. September 2017 seien den Pflegekassen hierzu keine besonderen Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5215 3 Problemlagen bekannt, da der Übergang von ambulant zu stationär im wesentlich durch die Pflegestärkungsgesetze nicht verändert worden sei. Frage 8. Wie werden/wurden die Gutachterinnen und Gutachter der MDK der Krankenversicherung auf die neuen rechtlichen Grundlagen und deren Umsetzung in die Praxis vorbereitet? Die Pflegekasse der AOK Hessen hat das HMSI in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen am 25. September 2017 informiert, dass alle Gutachter des MDK Hessen auf der Grundlage eines bundeseinheitlichen Schulungskonzeptes im Umfang von fünf Tagen auf die neue Begutachtungssystematik vorbereitet worden seien. In den Teams würden regelmäßige Qualitätszirkel und vertiefende Schulungen anhand von Fallbeispielen stattfinden. Im Campus der MDK Gemeinschaft würden Fragen und Antworten zu bestimmten Fallkonstellationen zur Verfügung gestellt, die über Multiplikatoren an die Gutachter weitergegeben würden . Der MDK Hessen habe zusätzlich für alle Gutachter zur niederschwelligen Nutzung eine Datenbank mit relevanten Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt. Hier sei ein Forum integriert, um konkrete Fragen zur Umsetzung der Richtlinien in der Praxis zur Diskussion und Beantwortung einzustellen. Frage 9. Welche Informations- und Beratungsmöglichkeiten über die mit dem Pflegestärkungsgesetz II einhergehenden Änderungen gibt es in Hessen? In welchem Maße wird das neue Internetportal des MDK (www.pflegebegutachtung.de), das sowohl Versicherte als auch Fachpersonal über die neuen Begutachtungsrichtlinien informiert, in Hessen in Anspruch genommen? Nach Mitteilung der AOK Pflegekasse Hessen in Abstimmung mit dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen vom 25. September 2017 wird die Information und Beratung in Hessen unter anderem durch die Pflegekassen und regionaler Pflegestützpunkte geleistet. Beratungsangebote bestünden auch von Seiten der Leistungserbringer und Beratungsfirmen, die über das Internet zu finden seien. Der MDK Hessen leiste im Rahmen von Hausbesuchen ebenfalls Impulsberatung und informiere zu den in der jeweiligen Situation relevanten Sachverhalten. Das Internetportal (www.pflegebegutachtung.de) würde vom MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen) geführt. Der AOK Pflegekasse Hessen und dem Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) Hessen liegen keine Informationen zu Nutzerfrequenz oder - profil vor. Wiesbaden, 4. Oktober 2017 Stefan Grüttner