Kleine Anfrage des Abg. Schmitt (SPD) vom 07.09.2017 betreffend Kosten der Klage zum Länderfinanzausgleich und Antwort des Chefs der Staatskanzlei Vorbemerkung des Chefs der Staatskanzlei: Die Landesregierung hat gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung im März 2013 das Bundesverfassungsgericht angerufen mit dem Antrag, die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmung des Maßstäbegesetzes vom 9. September 2001 und des Finanzausgleichsgesetzes vom 20. Dezember 2001 festzustellen. Nach Überzeugung beider Regierungen widersprachen die Schritte des nach Artikel 107 des Grundgesetzes mehrstufigen Länderfinanzausgleichs dem Gebot folgerichtiger Gesetzgebung und führten deshalb zu Lasten der Geberländer zu unangemessenen Ergebnissen. Intensive, lang dauernde Verhandlungen im Kreis der Länder und mit dem Bund machten schließlich eine grundlegende Veränderung des bundestaatlichen Finanzausgleichsmöglich . Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 13. Juli 2017 konnte unter anderem dessen Artikel 107 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 weitgehend neugefasst werden ; dem folgten mit Gesetz vom 14. August 2017 mit Wirkung gleichfalls zum 1. Januar 2020 grundlegende Änderungen des Maßstäbe- und des Finanzausgleichsgesetzes. Aufgrund dieser Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern kann das Land mit jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von etwa 600 Mio. € rechnen. Sie ergeben sich insbesondere daraus, dass das komplexe, intransparente und in Teilen widersprüchliche zweistufige Umverteilungsverfahren des noch geltenden Länderfinanzausgleichs durch den Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs auf eine einzige Umverteilungsstufe umgestellt wird. Zudem wird der progressive durch einen linearen Ausgleichstarif von 63 % ersetzt. Ohne Zugeständnisse der finanzstarken Länder in den Fragen der Einwohnerwertung und der Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft hätte sich dieses Ergebnis nicht erreichen lassen. Es stellt sich damit als ein Kompromiss dar, der die Bedürfnisse der Geber- wie der Nehmerländer angemessen zum Ausgleich bringt. Beide Regierungen haben daher ihren gemeinsamen Normenkontrollantrag zurückgenommen. Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hoch waren die Kosten für die Klage zum Länderfinanzausgleich (LFA) a) für Gerichtsgebühren, b) für Anwaltskosten, c) für gutachterliche Stellungnahmen, d) für den Verwaltungsaufwand? Zu Frage 1 a: Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind gerichtskostenfrei (§ 34 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes). Zu Frage 1 b und c: Anwalts- und Gutachterkosten wurden je hälftig getragen. Sie entsprachen dem Üblichen, nähere Angaben unterfallen dem Berufsgeheimnis der Auftragnehmer. Zu Frage 1 d: Der Verwaltungsaufwand der Landesregierung wird kostenmäßig nicht erfasst. Eingegangen am 30. Oktober 2017 · Bearbeitet am 2. November 2017 · Ausgegeben am 3. November 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5226 30. 10. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5226 Frage 2. Ist es richtig, dass ein wesentlicher Punkt der Klage die Kritik an der sogenannten "Einwohnerveredelung " war? Der Normenkontrollantrag hat unter anderem die Berücksichtigung "abstrakter Mehrbedarfe" durch die in § 8 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 des Maßstäbegesetzes vorgesehene und in § 9 Abs. 2 und 3 des Finanzausgleichsgesetzes verwirklichte Modifizierung der Einwohnerzahl angegriffen . Frage 3. Wurde die "Einwohnerveredelung" im neuen LFA abgeschafft? Nein. Frage 4. Falls die "Einwohnerveredelung" im neuen LFA nicht abgeschafft wurde, wie hat sie sich verändert ? Nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes in seiner ab dem 1. Januar 2020 geltenden Neufassung ist sicherzustellen, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird; hierbei sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände ) zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage wird die Einwohnergewichtung unverändert bleiben. Frage 5. Ist es richtig, dass ein wesentlicher Kritikpunkt am alten LFA die hohe Einbeziehung von 64 % der kommunalen Einnahmen der jeweiligen Länder war? Ja. Frage 6. In welcher Höhe werden beim neuen LFA die kommunalen Einnahmen eingerechnet? Nach § 8 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes werden ab dem 1. Januar 2020 die Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes je für sich auf 75 % herabgesetzt. Frage 7. Wieso sieht die Landesregierung den neuen LFA als verfassungsgemäß an, obwohl die "Einwohnerveredelung " weiter besteht und die kommunale Finanzkraft sogar höher berücksichtigt wird? Die am 1. Januar 2020 in Kraft tretende Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs verwirklicht die Neufassung von Artikel 107 des Grundgesetzes, die zu demselben Zeitpunkt wirksam wird. An den verfassungsrechtlichen Maßstäben des Länderfinanzausgleichs, die dem Normenkontrollantrag des Jahres 2013 zugrunde lagen, kann sie daher nicht gemessen werden. Auf der Grundlage des neuen verfassungsrechtlichen Regelwerks wurde das bisherige Ausgleichssystem umfassend neu ausgerichtet. An die Stelle des bisherigen zweistufigen Verfahrens aus Umsatzsteuervorwegausgleich und Länderfinanzausgleich tritt künftig nach § 10 des neuen Finanzausgleichsgesetzes eine einzige Ausgleichsstufe. Für alle Länder werden im neuen Ausgleichssystem die Unterschiede der Finanzkraft durch Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuer in Höhe von einheitlich 63 % ausgeglichen. Die substanzielle Neugestaltung der gegenwärtigen Ausgleichssystematik kommt in besonderem Maße Hessen als finanzstarkem Land zugute. Insbesondere führt der Ersatz des progressiven Ausgleichstarifs im Länderfinanzausgleich durch einen linearen Tarif zu einem höheren Selbstbehalt bei den vom Land vereinnahmten Steuern. Insgesamt werden dadurch die Belastungswirkungen, die mit dem Fortbestand der Einwohnerveredelung und der höheren Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft verbunden sind, für Hessen so weit abgemildert, dass die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Einwohnergewichtung und der Bemessung der kommunalen Finanzkraft aus Sicht der Landesregierung gegenstandslos werden. Frage 8. Hält die Landesregierung eine Klage vor dem Verfassungsgericht aus rein taktischen Gründen für angemessen im Umgang mit einem obersten Verfassungsorgan? Von einem Normenkontrollantrag aus "taktischen Gründen" kann keine Rede sein. Vielmehr war er wegen umfangreich dargelegter verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs geboten. Wiesbaden, 26. Oktober 2017 Axel Wintermeyer