Kleine Anfrage der Abg. Wissler und Schalauske (DIE LINKE) vom 07.09.2017 betreffend A 49: Nutzen-Kosten-Verhältnis, Baukosten und Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) und Antwort des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Vorbemerkung der Fragesteller: Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags zur Finanzierung der Autobahn 49 (A49) in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) u.a. massive Kritik an der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsberechnung geübt. Darüber hinaus haben Straßenbauprojekte in ÖPP ergeben, dass allein diese um 1,9 Mrd. € teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre.1 Die Entscheidung zum Bau der A49 in ÖPP sowie die Freigabe von Mitteln durch den Haushaltsausschuss des Bundestages stehen zu dieser Kritik in offenem Widerspruch. Vorbemerkung des Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Die Fertigstellung der Bundesautobahn 49 (A 49) ist Teil des Bundesverkehrswegeplanes 2030 (BVWP 2030) und wird dort in der Kategorie "Laufende und fest disponierte Projekte" geführt. Die Festlegungen des BVWP 2030 wurden durch die entsprechenden Ausbaugesetze im Dezember 2016 vom Deutschen Bundestag als Gesetz beschlossenen. Das Land Hessen hat über den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 2016 als Anhang an das sechste Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes (6.FStrAbÄndG) vom Bund den Auftrag zur Realisierung der A 49 erhalten. Die Verwaltung der Bundesautobahnen durch das Land erfolgt im Auftrag des Bundes. Das Land ist dabei an die Festlegungen und Weisungen des Bundes gebunden. Dies gilt auch für die Realisierung von Autobahnprojekten in Form von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Laut einer Pressemitteilung von vier CDU Bundestagsabgeordneten (Helge Braun, Stefan Heck, Bernd Siebert und Thomas Viesehon) vom 28.06.2017, habe der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung mit gleichem Datum Finanzmittel für den Lückenschluss der A 49 zwischen Schwalmstadt und der Anschlussstelle A 5 bei Gemünden (Verkehrskosteneinheiten 30 u. 40) in Höhe von 1,1 Milliarden € für die kommenden 30 Jahre (Projektlaufzeit) freigegeben . Diese Bauabschnitte sollen nach Auskunft der Bundesregierung in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) durchgeführt werden. Für welche konkreten Leistungen erfolgte die Freigabe von 1,1 Milliarden €? Die Freigabe von 1,1 Mrd. € erfolgte für die dem Lebenszyklusansatz von ÖPP-Projekten zuzurechnenden und einem ÖPP-Auftragnehmer zu übertragenden Leistungen der Planung, des Baus, der Erhaltung und des Betriebs des ÖPP-Projekts von der Anschlussstelle Fritzlar bis zum zukünftigen Ohmtal-Dreieck. _____________________________________________ 1 Bundesrechnungshof (2014): Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) als Beschaffungsvariante im Bundesfernstraßenbau. Eingegangen am 15. November 2017 · Bearbeitet am 16. November 2017 · Ausgegeben am 17. November 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5228 15. 11. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5228 Frage 2. Ein vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten soll die Wirtschaftlichkeit des Baus der A49 als Projekt in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) bestätigt haben. Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags zur Finanzierung der A49 in ÖPP u.a. massive Kritik an der vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsberechnung geübt. a) Wer hat das Gutachten erstellt? b) Wie groß ist nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung des Gutachtens der Kostenvorteil für eine Erstellung der Bauabschnitte (Verkehrskosteneinheiten 30 u. 40) in ÖPP? c) Teilt die Hessische Landesregierung die Argumentation der Wirtschaftlichkeitsberechnung oder die Argumentation des Bundesrechnungshofes? Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat dem Vergabestart des ÖPP-Projektes auf Basis der vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (vWU) und nach der Erörterung mit dem Bundesrechnungshof (BRH) zugestimmt. In einzelnen z.T. projektübergreifenden Punkten führt der BRH den Dialog fort. Die vWU zum ÖPP-Projekt A 49 wurde durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) des Bundes erstellt. Das Erkenntnisziel des Kostenvergleichs der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei ÖPP ist auf die Gesamtvorteilhaftigkeit des Projektes über den gesamten Lebenszyklus und die gesamte Wertschöpfungskette von Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung gerichtet. Nach Aussage des Bundesverkehrsministeriums zeigt die vWU für das Projekt A 49 Wirtschaftlichkeitsvorteile für die ÖPP-Beschaffungsvariante. Neben dem Kostenvergleich betrachtet die vWU darüber hinaus weitere zielrelevante Nutzenunterschiede der Beschaffungsalternativen, bei denen sich ebenfalls die ÖPP-Variante als vorteilhaft darstellt. Da die vWU insbesondere im Vorfeld eines Vergabeverfahrens schützenswerte interne Kalkulationen der öffentlichen Hand beinhaltet, wodurch fiskalische Interessen berührt sind, ist sie vertraulich zu behandeln. Nähere Angaben zu einzelnen kalkulationsrelevanten Bestandteilen können daher nicht gemacht werden. Fragen der Finanzierung obliegen nicht der Landesregierung. Es handelt sich um eine Bundesautobahn . Frage 3. Handelt es sich bei dem Lückenschluss der A49 nach Auffassung der Landesregierung um ein Verkehrsprojekt mit überregionaler Bedeutung und um eine als wesentlich eingeschätzte Ergänzung des Autobahnnetzes des Landes bzw. des Bundes? Als Bestandteil des von der Europäischen Union festgelegten transeuropäischen Verkehrswegenetzes (TEN-V) hat die A 49 eine europäische Verbindungs- und Raumerschließungsfunktion. Bei dem Neubau handelt es sich um ein Projekt der Bundesrepublik Deutschland als Baulastträger für die Autobahnen. Mit dem aktuellen Bedarfsplan 2016 als Anhang zum sechsten Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes hat der Deutsche Bundestag den Bedarf für dieses Projekt festgestellt. Frage 4. Nach Aussage der Bundesregierung lägen die zu erwartenden Baukosten für den privat zu finanzierenden Abschnitt von Treysa bis Gemünden/Felda ("Ohmtaldreieck") im Herbst 2016 bei 670 Mio. €. Dies war eine 60prozentige Steigerung gegenüber den Angaben von Juli 2011. Wie ist angesichts dieser gewaltigen Kostensteigerung zu erklären, dass das vom Bundesverkehrsministerium angegebene Nutzen-Kosten-Verhältnis bei dem relativ hohen Wert von 3,4 liegt? Für den BVWP 2030 wurden die methodischen Grundlagen neu erarbeitet. Maßgebend waren der aktuelle Stand der Technik und die insbesondere von wissenschaftlicher Seite bezüglich der Bewertungsmethodik des Bundesverkehrswegeplans 2003 geäußerten Verbesserungsvorschläge. Auf der Grundlage hat die Bundesregierung für die Vorhaben des BVWP 2030 das Nutzen- Kosten-Verhältnis ermittelt. Frage 5. Bei Landwirten im Vogelsbergkreis löste das A 49-Flurbereinigungs-verfahren erheblichen Unmut aus. Was sind die wesentlichen Kritikpunkte der Landwirte und wie sollen diese ausgeräumt werden? Das im Januar 2017 eingeleitete Flurbereinigungsverfahren Homberg (Ohm) A 49 hat den Zweck, den durch den Bau der A 49 entstehenden Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümerinnen und Eigentümern zu verteilen um damit wirtschaftliche Nachteile für einzelne Betroffene zu verringern und die mit dem Bau entstehenden Nachteile für die allgemeine Landeskultur zu vermindern bzw. zu beseitigen. Den Landwirten, insbesondere dem Gebietsagrarausschuss und dem Kreisbauernverband sind die Vorteile eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens umfassend bekannt. Deshalb wurde von diesen Institutionen die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens gefordert. Die wesent- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5228 3 lichen Kritikpunkte der Landwirte richten sich gegen den für den Straßenbau und dessen Ausgleichsflächen notwendigen Flächenabzug im Flurbereinigungsverfahren. Um den für die Landwirte durch den Bau der A 49 entstehenden Landverlust zu mindern, werden auch Flächen des Landes in das Flurbereinigungsverfahren eingebracht. Frage 6. Kann die geplante Ausweisung der jetzigen B 3 von Gießen nach Marburg als Autobahn dazu führen, dass Nord-Süd-Verkehr von Stadtallendorf, vor allem bei einem Bau der A 49, vermehrt über die B 62 neu und durch Marburg geführt wird? (Antwort bitte mit Begründung) Eine Aufstufung der B 3 zur Autobahn zwischen Marburg und Gießen wäre ein rein verwaltungsrechtlicher Akt, der zu keinen verkehrlichen Veränderungen auf der heute bereits 4-streifig ausgebauten B 3 führen würde. Darüber hinaus ist die B 3 in dem betreffenden Abschnitt bereits wie eine Autobahn bemautet. Aus diesen Gründen sind Verkehrsverlagerungen allein aus der Umwidmung zu einer Autobahn nicht zu erwarten, eine Verbesserung der Anbindung von Stadtallendorf an das Fernstraßennetz wäre dadurch nicht gegeben. Frage 7. Der Bau einer gemeinsamen Ortsumgehung von Neustadt und Wiera im Zuge der B 454 könnte beide Orte und die Orte an der B 3 (Marburg - Kassel) entlasten. Der in Stadtallendorf ankommende Verkehr könnte noch vom bestehenden Verkehrsnetz bewältigt werden (s. entsprechendes Verkehrsgutachten). Es käme zu keiner großräumigen Verkehrsverlagerung von A 5/A 7 auf die A 49 Kassel- Treysa und den folgenden Abschnitt der B 454. Die Stadtallendorfer Industrie würde dadurch eine ortsdurchgangsfreie Verbindung nach Norden erhalten, erheblicher Flächenverlust und ökologische Schäden würden vermieden werden. Ist die Landesregierung bereit, mit einer entsprechenden Planungsinitiative an die Bundesregierung heranzutreten? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Für Ortsumgehungen von Neustadt und Wiera im Zuge der B 454 hat der Deutsche Bundestag keinen Bedarf festgestellt. Damit gibt es für das Land Hessen auch keine Planungsaufträge für solche Umgehungsstraßen. Wiesbaden, 1. November 2017 Tarek Al-Wazir