Kleine Anfrage des ehemaligen Abg. Gremmels (SPD) vom 07.09.2017 betreffend Wasserkraft in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragesteller: Ziel der Landesregierung ist es, die Durchgängigkeit und Lebensraumfunktion von Gewässern zur Erreichung des guten ökologischen Zustands zu verbessern. Als ein Baustein wurde deshalb den zuständigen Genehmigungsbehörden am 15. Dezember 2016 die Regelung über den in einem Fließgewässer zu belassenden Mindestabfluss bei der Entnahme und Wiedereinleitung von Wasser an die Hand gegeben. Sie dient der Umsetzung von § 33 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), in dem geregelt ist, dass das Aufstauen eines oberirdischen Gewässers oder das Entnehmen oder Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer nur zulässig ist, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundene Gewässer erforderlich ist, um den Bewirtschaftungszielen (§ 6 Abs. 1 und §§ 27 bis 31 WHG) zu entsprechen. Die neue Regelung berücksichtigt somit die neue Rechtslage und gründet auf einem Fachgutachten, das von Bauingenieuren und Fischereibiologen entwickelt wurde. Die Regelung wurde im Vorfeld mit dem Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) abgestimmt und im Fischerei- Beirat und im WRRL-Beirat vorgestellt. Außerdem wurden die einschlägigen Verbände angehört. Das Mindestwasser hat insbesondere bei Kleinwasserkraftanlagen aufgrund ihrer Lage an eher abflussarmen Gewässern eine große Bedeutung für die ökologische Funktionsfähigkeit und ist Grundvoraussetzung für den Erhalt der standorttypischen Lebensgemeinschaften und wesentlicher Bestandteil der Durchgängigkeit von Fließgewässern. Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt: Frage 1. In welchen Schritten und wann wird die Landesregierung den Mindestwasser-Erlass des Umweltministeriums durch die nachgeordneten Wasserbehörden umsetzen? Die Umsetzung der Mindestwasser-Regelung an Wasserkraftanlagen wird auf Grundlage einer standortbezogenen Priorisierung und bei anstehenden Verfahren im Rahmen der zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten in den zuständigen Regierungspräsidien durchgeführt. Dies entspricht der in der Regelung beschriebenen Vorgehensweise nach Punkt 4.3. ("In laufenden Verfahren hat die Festlegung der Mindestwassermenge unmittelbar zu erfolgen. Sollten sonstige Verfahren betreffend die Ausübung der Wasserrechte anhängig sein, so ist bei dieser Gelegenheit ebenfalls über die Anpassung der Mindestwassermengen zu entscheiden.") und Punkt 4.4. ("In allen übrigen Fällen ist bei allen bestehenden Wasserrechten die Regelung der Mindestwasserführung entsprechend den Arbeitskapazitäten der zuständigen Wasserbehörden nach und nach, gestuft nach fachlichen Prioritäten vorzunehmen."). Frage 2. Wie viele Wasserrechte an wie vielen Wasserkraftwerken sind betroffen? Die Regierungspräsidien haben folgende Fallzahlen mitgeteilt: RP Darmstadt: etwa 112 Wasserkraftanlagen, RP Gießen: 244, RP Kassel: 406. In der Regel sind große Wasserkraftanlagen an Strömen von der Mindestwasserregelung nicht betroffen. Die Anlagen befinden sich direkt im Hauptstrom der Fließgewässer, die über hohe Abflussmengen verfügen. Ausleitungsstrecken mit ökologisch kritischen Niedrigabflüssen, wie sie z.B. bei Mühlgräben vorkommen können, sind dort nicht vorhanden. Eingegangen am 23. November 2017 · Bearbeitet am 23. November 2017 · Ausgegeben am 28. November 2017 Herstellung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden · www.Hessischer-Landtag.de Drucksache 19/5230 23. 11. 2017 19. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG 2 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · Drucksache 19/5230 Frage 3. Wie hoch ist die installierte Gesamtleistung der vom Erlass betroffenen Wasserkraftanlagen? Frage 4. Wie hoch ist der Anteil des Wassers (in %), der im Falle einer flächendeckenden Anwendung des Erlasses nicht mehr für die Stromerzeugung aus Wasserkraft genutzt werden kann? Frage 5. Wie wirkt sich die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Wasserkraft auf die Stromerzeugung aus, wenn man annehmen würde, dass die betroffenen Wasserkraftanlagen weiter betrieben werden könnten? Frage 6. Wie wirkt sich die Reduzierung der zur Verfügung stehenden Wasserkraft auf die Stromerzeugung aus, wenn man annehmen würde, dass die betroffenen Wasserkraftanlagen aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter betrieben werden könnten? Die Fragen 3 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Zu den oben genannten Fragen liegen der Landesregierung keine Daten vor. Die Umsetzung der Mindestwasser-Regelung an der einzelnen Wasserkraftanlage ist jeweils eine Einzelfallentscheidung, die eine pauschale Abschätzung der Auswirkungen der Regelung schwierig macht. Frage 7. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Verluste erneuerbarer Stromerzeugung vor dem Hintergrund der Ziele für die Energiewende nach dem Energiegipfel 2011? Im Jahr 2016 betrug die Stromproduktion aus Wasserkraft in Hessen etwa 390 Gigawattstunden. Dies entsprach in etwa 1 % des hessischen Bruttostromverbrauchs bzw. etwa 6 % des im Jahr 2016 insgesamt aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms. Potenziale zu einer Steigerung der Wasserkraftnutzung in Hessen sind kaum gegeben. Insgesamt hat die Wasserkraft im Rahmen der Energiewende angesichts der vergleichsweise geringen Potenziale für Hessen leider nur eine nachgeordnete Bedeutung. Die Nutzung der Wasserkraft tangiert daher vorrangig die gewässerökologischen Ziele des Landes . Um die mit Fristen versehenen Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu erreichen , müssen in den hessischen Fließgewässern annähernd natürliche Lebensgemeinschaften etabliert werden. Hierzu müssen an Anlagen in Gewässern Mindestwassermengen eingehalten, die Durchgängigkeit hergestellt und der Fischschutz gewährleistet werden. Das WHG (siehe §§ 33 bis 35) und der daraus resultierende Erlass enthalten entsprechende Anforderungen. Insgesamt sind die oben aufgeführten Auswirkungen des Erlasses auf die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Hessen als vergleichsweise gering einzustufen und angesichts der europarechtlich erforderlichen Anpassungen der Mindestwasserregelung in Hessen hinzunehmen . Wiesbaden, 9. November 2017 Priska Hinz